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Kanzlei für Familienrecht > Scheidung München > Verfahren in Familiensachen > Unterhaltsverfahren > Abänderungsverfahren > Gerichtsbeschluss abändern
Rechtskräftige Entscheidungen sind nur unter den Voraussetzungen des § 238 FamFG abänderbar. Die Hürden für die Abänderung eines gerichtlichen Beschlusses sind hoch. Um diese in einem Abänderungsverfahren sicher zu bewältigen, benötigen Sie einen erfahrenen Anwalt, der die Fallstricke kennt. Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf und lassen Sie sich beraten! Wir unterstützen und beraten auch Kollegen in solchen sensiblen Verfahren, um sie vor Haftungsfallen zu schützen.
| Wegweiser zur Abänderung rechtskräftiger Entscheidungen
Wird der gerichtliche Unterhaltstitel abgeändert, wurde in aller Regel in der Vergangenheit zu viel oder zu wenig Unterhalt bezahlt. Damit, stellt sich sogleich die Frage, ob Unterhalt nachgefordert oder zurückverlangt werden kann. Oder steht hier die Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses im Weg?
| Wegweiser zur Rückforderung und Nachforderung von Unterhalt
Ob und wie ein Unterhaltstitel abgeändert werden kann, hängt von der Art des Unterhaltstitels ab. In der Praxis kommen Unterhaltstitel in unterschiedlichen Varianten vor. Ob und wie ein Unterhalt abgeändert werden kann, hängt davon ab, ob der Unterhaltstitel mit Rechtskraft oder ohne Rechtskraft die Unterhaltsverpflichtung vollstreckungsfähig festgelegt hat.
Für Abänderungsverfahren, die seit September 2009 eingeleitet wurden, haben die §§ 238 und 239 FamFG die ehemalige Vorschrift des § 323 ZPO a.F. abgelöst. Sollen rechtskräftige Unterhaltstitel abgeändert werden, müssen die Voraussetzungen des § 238 FamFG erfüllt sein. Für sonstige Unterhaltstitel (ohne Rechtskraft, z. B. vollstreckbare Unterhaltsvereinbarungen und Jugendamtsurkunden) ist § 239 FamFG maßgebend.
(1) Enthält eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.
(2) Der Antrag kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.
(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Ist der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Ist der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden.
(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.
Unvorhersehbare Veränderung
Die ursprünglich prognostizierten Bemessungsgrundlagen können sich unvorhersehbar verändern. Damit erleidet der Unterhaltstitel einem sog. Prognosefehler. Prognosefehler nennt man auch Abänderungsgrund. Die Gründe können tatsächlicher, aber auch rein rechtlicher Natur sein. Hauptgrund sind unvorhergesehene wirtschaftliche Veränderungen, entweder auf Seiten des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten.
Keine vollständig neue Unterhaltsermittlung
Die Möglichkeit einen gerichtlichen Unterhaltstitel abzuändern, ist kein Freibrief für eine komplette Neuberechnung des Unterhalts. Nur eine tatsächliche und in der Folgezeit (= nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung) eingetretene Veränderung der Berechnungsrundlagen, kann zu einer Abänderung (= Korrektur) der rechtskräftigen Gerichtsentscheidung führen. Basiert der gerichtliche Beschluss/Urteil auf Berechnungsgrundlagen, die sich nicht verändert haben, werden diese unverändert fortgeschrieben. Nur die Annahmen, die wegen nachträglich veränderter Sachlage nicht mehr haltbar sind, können korrigiert und die Unterhaltsberechnung an die neue Sachlage angepasst (= abgeändert) werden. Dies bestätigt § 238 Abs.4 FamFG, wenn dort erklärt wird: die Entscheidung ist unter ” Wahrung ihrer Grundlagen “ anzupassen. Nur solche Veränderungen, die beim Erlass der damaligen gerichtlichen Entscheidung nicht vorhersehbar waren, d.h. nicht prognostiziert werden konnten, führen zur Abänderung der gerichtlichen Entscheidung.
BGH, Beschluss vom 19.11.2014 – XII ZB 478/13
“vergessener” Altersvorsorgeunterhalt ohne Vorbehalt der Nachforderung
Anmerkung: Beim Ehegattenunterhalt kann ergänzend zum Elementarunterhalt als Sonderbedarf ein Altersvorsorgeunterhalt gelten gemacht werden. Wurde diese Bedarfsposition im ersten Unterhaltsverfahren ” vergessen “, dann stellt sich die Frage, ob ein solcher ” Fehler ” in einem späteren (weiteren Abänderungs-)Verfahren korrigiert werden kann. Das ist leider nicht möglich. Dies bestätigt der BGB (Zitat): “Hat der Unterhaltsberechtigte im Erstverfahren lediglich Elementarunterhalt geltend gemacht, hängt die Zulässigkeit einer Nachforderung von Vorsorgeunterhalt im Wege eines neuen Leistungsantrags davon ab, ob sich der Berechtigte diese Nachforderung im Erstverfahren vorbehalten hat (Senatsurteil BGHZ 94, 145, 147 f. = FamRZ 1985, 690, 691) […] Ob im Erstverfahren ein Nachforderungsvorbehalt erklärt worden ist oder ob aus den Umständen eindeutig entnommen werden kann, dass sich der Anspruchsteller im Erstverfahren die Geltendmachung weiterer Unterhaltsansprüche vorbehalten wollte, unterliegt der selbständigen und unbeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 1994 – XII ZR 128/93 – FamRZ 1994, 1095, 1096; BGH Urteil vom 20. November 1997 – VII ZR 26/97 – NJW 1998, 995).” Sie auch Anm. zur Entscheidung von Graba, in: FF 2015, 445.
BGH Urteil v. 4.05.2011 – XII ZR 70/09
Zur Abänderung wegen einer tatsächlich nicht prognostizierbaren Einkommensänderung
AG Cham, Beschluss vom 02.04.2014 – 1 F 700/13
Abänderung nachehelichen Unterhalt wegen nachträglich veränderter Einkommensverhältnisse
Anmerkung: Der Entscheidung lag ein Fall mehrfacher Abänderung eines nachehelichen Unterhalts wegen nachehelicher Einkommensveränderungen zu Grunde. Der Beschluss zeigt eindrucksvoll, dass Fehler aus den Vorinstanzen im aktuellen Abänderungsverfahren nicht korrigierbar sind und nur solche Umstände die Abänderung rechtfertigen, die nach den Entscheidungen neu hinzugetreten sind.
BGH, Urteil v. 07.12.2011 – XII ZR 159/09
Zur Abänderung bei Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen
– Hinzutreten weiterer Unterhaltsverpflichtungen (neuer Unterhaltsanspruch wegen Zweitehe).
BGH, Urteil v. 20.08.2008 – XII ZR 101/05
Falsche Zukunftsprognose – Korrektur wegen Prognosefehler – Abänderung fiktiver Einkünfte
(Zitat, Rn 12) “Eine spätere Abänderungsklage stellt dann abermals die Geltendmachung einer von der (letzten) Prognose abweichenden Entwicklung der Verhältnisse dar, für die das Gesetz die Abänderungsklage vorsieht, um die (erneute) Anpassung an die veränderten Urteilsgrundlagen zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 – XII ZR 163/04 – FamRZ 2007, 983, 984)”
Anmerkung: Der BGH geht im Kern seiner Entscheidung darauf ein, wann und wie Urteilsgrundlagen, die auf fiktiven Einkünften aufbauen, abgeändert werden können (Frage: wann haben sich die Umstände so verändert, dass an fiktiven Einkünften nicht mehr festgehalten werden kann?). Das ist eine hoch umstrittene Rechtsfrage. Hierbei betont der BGH, dass derjenige, der die Abänderung fiktiver Einkünfte fordert, darlegen muss, dass “die der Verurteilung zugrunde liegende Prognose aufgrund einer Veränderung der Verhältnisse nicht mehr gerechtfertigt ist.“
Ein Abänderungsgrund muss nachträglich entstanden sein (§ 238 Abs. 2 FamFG). Die Abänderungsmöglichkeit nach § 238 FamFG dient nicht der Korrektur von Fehlern, die im Ursprungsverfahren gemacht wurden (sog. Präklusion). Ein begründete Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung basiert stets auf einem unvorhersehbaren Prognosefehler.
Beispiel – Ein Versäumnisurteil wird rechtskräftig:
Gegen einen Unterhaltspflichtigen erging im ersten Unterhaltsprozess ein Versäumnisurteil. Er hat sich den viel zu hohen Angaben der Gegenseite zu seinem “angeblichen” unterhaltsrelevanten Einkommen nicht zur Wehr gesetzt. Der Unterhaltspflichtige hat damit von Anfang an einen Fehler gemacht. Im Abänderungsverfahren findet nun der Unterhaltspflichtige kein Gehör mit seinem Vortrag, sein Einkommen sei falsch ermittelt worden. Er will diesen Fehler nun korrigiert haben (Pech gehabt! Das geht nicht!). Nur wenn er vorträgt, sein damals der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegtes unterhaltsrelevantes Einkommen hat sich nachträglich und unvorhersehbar verringert, kann ein Argument für eine erfolgreiche Abänderung sein (§ 238 Abs.3 S.3 FamFG).
Hinweis: Fehler können bis zum Abschluss der zweiten Instanz korrigiert werden
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BGH, Urteil vom 18. November 2009 – XII ZR 65/09
Vorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen im Ausgangsverfahren
(Zitat, Rn 59) “ Nach § 323 Abs. 2 ZPO (jetzt: § 238 FamFG) ist eine Abänderungsklage nur insoweit zulässig, als behauptet wird, dass die Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der eine Erweiterung des Klageantrags oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden seien. Konnte deswegen eine zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts bzw. seiner Bemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Ausgangsverfahrens vorgetragen und geltend gemacht werden, ist eine Abänderungsklage mit dem Ziel einer zeitlichen Unterhaltsbegrenzung bei gleich gebliebenen Verhältnissen wegen § 323 Abs. 2 ZPO unzulässig. (…) Soweit die betreffenden Gründe schon im Ausgangsverfahren entstanden oder jedenfalls zuverlässig vorauszusehen waren, mussten sie auch im Ausgangsverfahren berücksichtigt werden. Die Entscheidung über eine Unterhaltsbegrenzung kann dann wegen § 323 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht im Rahmen einer Abänderungsklage nachgeholt werden.
Wer einen Antrag auf Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung stellt (= Antragsteller), muss sich auf nachträglich entstandene Gründe berufen. Gründe, die bereits vor Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung entstanden oder zuverlässig voraussehbar sind, werden als Abänderungsgrund nicht zugelassen (= Präklusion nach § 238 Abs.2 FamFG). Nicht zulässig ist es daher, aus Anlass der Abänderung eine neue Bewertung einer Rechtsfrage zu treffen oder einen Fehler zu korrigieren.
Treten wesentliche Veränderungen erstmalig im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens (zweite Instanz) zum Ausgangsverfahrens (erster Instanz) auf, müssen diese (auch und spätestens) im Beschwerdeverfahren (zweite Instanz) berücksichtigt werden, um in die Unterhaltsermittlung einfließen zu können.
Muss dazu eine Anschlussbeschwerde erfolgen, muss an eine solche unbedingt gedacht werden. Geschieht dies nicht, werden diese Umstände nicht als Grund für eine spätere Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung akzeptiert. Ein Abänderungsantrag scheitert an der Präklusion. Wird die Beschwerde zurückgenommen, wird damit einer Anschlussbeschwerde der Boden entzogen. Dies hat zur Folge, dass der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz wieder der maßgebende Zeitpunkt im Sinne des § 238 Abs.2 FamFG wird (vgl. BGH NJW 1986, 383; 1988, 1734).
Anders sieht es für Umstände aus, die vom Antragsgegner zur Verteidigung gegen einen Abänderungsantrag als Einwand vorgetragen werden. Hier gilt die Präklusion nach § 238 Abs.2 BGB nicht. Zur Verteidigung gegen das Abänderungsbegehren kann der Antragsgegner auch solche Tatsachen in das Verfahren einführen, die bereits während des Erstverfahrens vorgelegen haben, dort aber nicht vorgetragen wurden und infolgedessen unberücksichtigt geblieben sind (vgl. BGHZ 98, 353; 171, 206; Born NzFam 2014, 443).
Von einem Anerkenntnis i.S.d. § 113 Abs. 1 FamFG, § 307 ZPO, das auch konkludent erklärt werden kann (vgl. Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 20. Aufl., § 307 Rn 3), ist auszugehen, wenn der Antragsgegner sich dem geltend gemachten Anspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch unterwerfen und auf die Fortsetzung des Verfahrens in der Sache verzichten will (vgl. BGH Urt. v. 22.3.2018 – VII ZR 72/17 – NJW-RR 2018, 826 Rn 12 m.w.N.).
Ein Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO ist eine Verfahrenshandlung und kann deshalb grundsätzlich weder angefochten noch widerrufen werden (BGH, Beschl. v. 20.9.2023 – XII ZB 177/22: BGH Urt. v. 21.9.2021 – X ZR 33/20, Rn 22 m.w.N.).
Abgabe eines Hat im Unterhaltsverfahren der Unterhaltsschuldner ein Anerkenntnis erklärt, so ergeht ein Anerkenntnisbeschluss des Gerichts von Amts wegen. Das Gericht muss den Anerkenntnisbeschluss also auch ohne einen zusätzlichen entsprechenden Antrag des Klägers erlassen. Durch die Regelung des § 288 ZPO, dass die anerkannten Tatsachen keines weiteren Beweises bedürfen, erübrigt sich ein diesbezügliches streitiges Verfahren mit unter Umständen kostenintensiver Beweisaufnahme. Auch einer mündlichen Verhandlung bedarf es für die anerkannten Tatsachen nicht mehr (vgl. § 307 Satz 2 ZPO). Um die Kosten des Rechtsstreits auf diese Weise zu verringern, kommt es in der gerichtlichen Praxis auch oft zu Teilanerkenntnissen.
Kennzeichnend für das Anerkenntnisurteil ist ferner, dass die Verurteilung ausschließlich aufgrund des Anerkenntnisses ergeht. Es spielt dabei keine Rolle, ob die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen seinen geltend gemachten Anspruch rechtfertigen. Ebenso ist unerheblich, ob die Forderung des Klägers materiell-rechtlich gesehen überhaupt besteht. Die Verurteilung erfolgt dennoch anhand des Klageantrags. Das Gericht muss das Anerkenntnisurteil auch nicht gesondert begründen, sondern muss lediglich das Vorliegen aller Sachentscheidungsvoraussetzungen prüfen.
BGH, Beschluss vom 04.07.2007 – XII ZR 251/04
Zur Bindungswirkung von Anerkenntnisbeschlüssen
Leitsatz: “Auch die materielle Rechtskraft eines im Unterhaltsprozess ergangenen Anerkenntnisurteils führt grundsätzlich zur Bindungswirkung. Wird die Abänderung eines solchen Urteils verlangt, so kommt es für die Frage, ob eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist, auf die dem Anerkenntnisurteil zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände an.”
Anmerkung: An dem Erfordernis einer Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse ist ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei einem Anerkenntnisbeschluss nicht um ein kontradiktorisches Urteil mit entsprechenden Tatsachenfeststellungen handelt, festzuhalten. Denn auch die materielle Rechtskraft eines Anerkenntnisurteils führt grundsätzlich zur Bindungswirkung und erlaubt deshalb weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im vorausgegangenen Rechtsstreit eine Bewertung erfahren haben. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welche Verhältnisse es für die Beurteilung einer Veränderung ankommt. Diese können im Fall eines Anerkenntnisurteils nicht ohne weiteres dem Klagevorbringen entnommen werden, denn die Erwägungen, die den Unterhaltsschuldner zu dem Anerkenntnis bewogen haben, können hiervon abweichen. Er hat sich letztlich nur dem geltend gemachten Anspruch gebeugt, woraus aber nicht darauf geschlossen werden kann, dass er auch der Beurteilung der zur Begründung vorgetragenen Tatsachen folgt. Welche Beweggründe den Unterhaltsschuldner zu dem Anerkenntnis veranlasst haben, wird häufig nicht ersichtlich sein. Doch darauf kommt es lt. BGH nicht an. Vielmehr kommt es auf die dem Anerkenntnis zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände an. Abänderungsgrund ist damit die nachträgliche Änderung tatsächlicher Umstände.
Und jetzt kommt eine entscheidende Aussage des BGH: (Zitat, Rn 15) “Lässt sich die Berechnung des titulierten Unterhalts unter Zugrundelegung der verschiedenen Faktoren nicht nachvollziehen und ist deshalb eine Anpassung des Anerkenntnisurteils an zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse nicht möglich, so ist der geschuldete Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu berechnen (so für einen Vergleich ohne feststellbarer Geschäftsgrundlage: Senatsurteil vom 3. Mai 2001 – XII ZR 62/99 – FamRZ 2001, 1140, 1142).”
Fazit: Werden vom Unterhaltsschuldner keine Bemessungsfaktoren zur Unterhaltsermittlung, sondern blanko der Zahlbetrag an Unterhalt anerkannt, ohne dass sich erschließt, welche Bemessungsfaktoren die Unterhaltshöhe rechtfertigen sollen, bestehen gute Chancen, den Unterhalt trotz Anerkenntnisbeschluss in einem Neuverfahren abändern zu lassen.
BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – XII ZB 177/22
Zur nachträglichen Abänderung von abgegebenen Anerkenntnissen
Leitsatz:
Ein in einem Unterhaltsverfahren abgegebenes Anerkenntnis kann widerrufen werden, wenn ein nachträglich entstandener Abänderungsgrund im Sinne der §§ 323 Abs. 1 ZPO, 238 FamFG gegeben ist. Ein Widerruf des Anerkenntnisses kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Abänderungsgrund nach Abgabe des Anerkenntnisses eingetreten ist (im Anschluss an Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 – XII ZR 292/99 – FamRZ 2002, 88).
(Zitat aus den Entscheidungsgründen) “Um zu verhindern, dass bei Dauerschuldverhältnissen eine der zwischenzeitlich veränderten materiellen Rechtslage widersprechende Entscheidung ergeht, ist nach der Rechtsprechung des Senats auch bei Dauerschuldverhältnissen ein Widerruf möglich, wenn ein nachträglich entstandener Abänderungsgrund i.S.d. § 323 Abs. 1 ZPO, § 238 FamFG gegeben ist (vgl. Senatsurteil vom 31.10.2001 – XII ZR 292/99, FamRZ 2002, 88, 90). Ein Abänderungsgrund liegt vor, wenn sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben hat. Dabei kann sich eine Änderung der dem abzuändernden Beschluss zugrundeliegenden rechtlichen Verhältnisse aus einer Änderung der Gesetzeslage, aus einer dieser gleichkommenden verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht oder aus einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben (Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl., § 238 Rn 88 m.w.N.). Ein Widerruf des Anerkenntnisses kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Abänderungsgrund nach Abgabe des Anerkenntnisses eingetreten ist (vgl. Senatsurteil vom 31.10.2001 – XII ZR 292/99 – FamRZ 2002, 88, 90).”
In § 246 FamFG ist ausdrücklich geregelt, dass Unterhaltsverpflichtungen im Wege einer einstweiligen Anordnung per Gerichtsbeschluss geregelt werden können. Auch hier stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Rechtsmitteln eine einstweilige Anordnung abgeändert werden kann. Einigkeit besteht, dass eine Unterhaltsentscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung nicht mit der Beschwerde nach § 57 FamFG angegriffen werden kann. Umstritten ist, ob ein durch einstweilige Anordnung verpflichteter Unterhaltsschuldner einen negativen Feststellungsantrag im Hauptsacheverfahren geltend machen kann oder ob hierfür im Hinblick auf die Rechtsbehelfe nach § 52 Abs. 1 Satz 1 FamFG und § 54 Abs. 2 FamFG und wegen der Möglichkeit, ein Hauptsacheverfahren nach § 52 Abs. 2 FamFG einzuleiten, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Dass ein gerichtlicher Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung nicht mit Rechtsmitteln (z. B. Beschwerde u. a.) anfechtbar ist (§ 57 S.1 FamFG; § 242 S.2 FamFG), bedeutet nicht, dass der Beschluss unabänderbar wäre. Die Entscheidungsgrundlage kann sich geändert haben und zur Unrichtigkeit des Beschlusses führen. Wenn der Beschluss ohne mündliche Verhandlung erging, kann jeder Beteiligte alle sachlich relevanten Gründe anführen, unabhängig davon, ob er sie schon vorher hätte vortragen können oder kannte und eine erneute Entscheidung beantragen (§ 54 Abs.2 FamFG). Auch wenn im Beschlusswege zu entscheiden ist und nach § 128 Abs.4 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, darf keine überraschende Entscheidung ergehen. Daher hat das Gericht gem. § 139 Abs.1 ZPO vor Erlass einer Entscheidung darauf hinzuwirken, dass die Beteiligten sich vollständig und rechtzeitig zu allen für das Gericht entscheidungserheblichen Tatsachen zu erklären. Geboten ist eine mündliche Verhandlung insbesondere dann, wenn Klärungsbedarf für die Tatsachengrundlage besteht. Grundsätzlich ist rechtliches Gehör zu gewähren. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz für unanfechtbare Beschlüsse im einstweiligen Anordnungsverfahren findet auch in § 54 FamFG seinen Niederschlag (zur analogen Anwendung des § 54 bei § 242 FamFG siehe Keidl, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 242 FamFG, Rn 8). Der Beschluss ist jederzeit abänderbar, wenn auf eine Gegenvorstellung der Tatsachenvortrag oder die rechtliche Würdigung zu einem anderen Ergebnis führt. Dem steht nicht entgegen, dass § 769 Abs. 1 ZPO eine Abänderungsmöglichkeit gesetzlich nicht geregelt hat, weil einstweilige Anordnungen im summarischen Verfahren ergehen und deshalb keine Bindungswirkung aufweisen (vgl. Musielak/Borth, Familiengerichtliche Verfahren, 6. Auflage 2018, § 242 FamFG, Rn 6; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Auflage 2015, Rn 5).
Das national anwendbare materielle Unterhaltsrecht (= Unterhaltsstatut) richtet sich nach Art. 15 EuUnterhVO i.V.m. Art. 3 ff. HUP (Haager Unterhaltsprotokoll). Gemäß Art. 3 Abs. 1 HUP ist das Recht des Staates maßgebend, in dem die unterhaltberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Insoweit besteht also ein Gleichlauf zur internationalen Zuständigkeit nach Art. 3 b EuUnterhVO (> mehr). Dies gilt auch für § 238 FamFG, denn der in Art. 3, 11 HUP angeordnete Geltungsbereich des Unterhaltsstatuts ist weit zu fassen; es entscheidet u.a. auch über die Voraussetzungen einer Abänderung von Titeln (vgl. Palandt/Thorn 74. Aufl. 2015 Art. 18 EGBGB (HUP) Rn. 38, 39 a.E. m.w.N.). Art. 8 EuUnterhVO geht von der grundsätzlichen Abänderbarkeit nach einem Statutenwechsel aus, wenn die unterhaltsberechtigte Person seien gewöhnlichen Aufenthalt grenzüberschreitend wechselt. Denn er verbietet ein Abänderungsverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat nur so lange als der Unterhaltsberechtigte weiterhin in dem Titelstaat wohnhaft ist (so jetzt wohl auch BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 662/13). Voraussetzung dafür, dass ausländischer Unterhaltstitel in Deutschland abgeändert werden kann, ist seine Anerkennung. Dies ist bei einem Unbterhaltstitel aus einem EU-Mitgliedstaat gemäß Art. 75 Abs. 2, 76, 23 ff. EuUnterhVO der Fall. Ein mit Umzug vollzogener Wechsel des Unterhaltsstatuts ist grundsätzlich eine wesentliche Änderung im Sinne von § 238 FamFG (vgl. OLG Koblenz OLGR 2003, 339 und MünchKomm-BGB/Siehr Art. 11 HUP. Rn. 132 sowie BGH FamRZ 1995, 223). Der Statutenwechsel zum deutschen Unterhaltsrecht führt sodann zur freien Neufestsetzung des Unterhalts nach dem gegenwärtigen maßgeblichen Unterhaltsstatut. Eine Bindung des Abänderungsgerichts an die ausländische Entscheidung des Erstgericht zugrunde gelegten Tatsachen besteht also nicht. Die abzuändernde Entscheidung dient bei einem Statutenwechsel lediglich als Grundlage für das Bestehen der Unterhaltspflicht überhaupt und als Vergleichsmaßstab bei der Beurteilung der Frage, ob eine Änderung des Titels angezeigt ist. Denn allein das aktuell anwendbare Unterhaltsstatut soll grundsätzlich über die Bedürftigkeit des Berechtigten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten entscheiden.
OLG Köln Beschluss vom 20.07.2004 – 25 UF 24/04
Abänderung eines österreichischen Unterhaltstitels zum Kindesunterhalt nach deutschem Recht
(Zitat) “Das Erfordernis einer wesentlichen Änderung der i. S. des § 323 ZPO maßgeblichen Verhältnisse ist erfüllt. Das ergibt sich bereits aus dem altersmäßig gestiegenen Lebensbedarf der jetzt 14 Jahre alten Kl., die im Zeitpunkt des abzuändernden Beschlusses knapp sechs Jahre alt war.”
Anmerkung: Grundsätzlich findet das nationale Unterhaltsrecht Anwendung, das am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten gilt. Wurde ausländischer Unterhaltstitel geschaffen und übersiedelt der Unterhaltsberechtigte nach Deutschland, stellt sich stets die Frage, ob weiterhin der ausländische Unterhaltstitel gilt oder nun abgeändert werden kann.
BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 662/13
Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in Deutschland
Leitsatz: Das einem abzuändernden ausländischen Unterhaltstitel zu Grunde liegende Sachrecht kann in einem in Deutschland betriebenen Abänderungsverfahren grundsätzlich nicht ausgetauscht werden, sondern bleibt für Art und Höhe der anzupassenden Unterhaltsleistung weiterhin maßgeblich; dies gilt nicht, wenn nach Erlass der abzuändernden Entscheidung infolge eines Aufenthaltswechsels der unterhaltsberechtigten Person ein vom deutschen Kollisionsrecht beachteter Statutenwechsel (Artikel 3 Absatz II HUP) eingetreten ist (Fortführung von Senat, NJW 1983, 1976 = FamRZ 1983, 806).
Anmerkung: Es handelt sich um eine Grundsatzentscheidung des BGH zur Abänderung einer Auslandsentscheidung. Anlässlich eines Abänderungsverfahrens wegen eines irischen Kindesunterhaltstitels geht der BGH (in Form von Leitsätzen) auf eine Reihe von deutschen Gerichten zu prüfenden Abänderungsgrundsätze ein.
Achtung: Grundsätzlich wechselt mit Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts das anzuwendende nationale Recht. Doch es bleibt bei der Anwendung des der Ausgangsentscheidung zugrunde gelegten Rechtes, wenn das Gericht trotz der Anwendbarkeit eines neuen Rechtes (Art. 3 Abs. 2 HUP) fälschlicherweise altes Recht zugrunde gelegt hat (so der BGH wegen Präklusion). Die Kontrolle darüber, dass das Gericht das zutreffende Recht anwendet, obliegt dem Anwalt, um eine (ggf. haftungsträchtige) Präklusion zu vermeiden. Anmerkung zur BGH-Entscheidung von Marianne Andrae, in: NZFam 2015, 262
OLG Hamm Beschluss vom 06.06.2017 – 11 UF 206/16
Abänderung einer schweizerischen Unterhaltsvereinbarung zum Kindesunterhalt
nach deutschem Unterhaltsrecht
Welches nationale Recht findet Anwendung?
(Zitat, Rn 29, 34, 37) “Auf das vorliegende Abänderungsverfahren ist sowohl das deutsche Verfahrensrecht als auch das materielle deutsche Unterhaltsrecht anzuwenden […] Die Frage, ob das mit dem Abänderungsbegehren befasste Gericht auch dann noch an das in der Erstentscheidung angewandte Unterhaltsstatut gebunden ist, wenn nach Erlass der abzuändernden Entscheidung ein vom internationalen Privatrecht des Abänderungsstaates beachteter echter Statutenwechsel eingetreten ist, hat der BGH in seiner früheren Rechtsprechung offengelassen. Sie wird jetzt mit der weit überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur verneint. Im Verhältnis der durch das HUP oder das HUÜ als dem gemeinsamen Kollisionsrecht gebundenen Staaten ließe sich ein abweichendes Ergebnis schon deshalb nicht rechtfertigen, weil auch das ausländische Ausgangsgericht – wenn es über die Abänderung selbst zu entscheiden hätte – dem Statutenwechsel nach Art. 3 Abs. 2 HUP bzw. Art. 4 Abs.2 HUÜ Rechnung zu tragen und vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an deutsches Sachrecht als neues Unterhaltsstatut anzuwenden hätte. Auch Vertrauensschutzaspekte stehen dem Austausch des anzuwendenden Sachrechts im Falle eines echten Statutenwechsels nicht zwingend entgegen. Dem berechtigten Vertrauen eines Beteiligten in den Bestand einer rechtskräftigen (ausländischen) Unterhaltsentscheidung kann auch auf dem Boden des neuen Unterhaltsstatuts angemessen Rechnung getragen werden (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 662/13) […]. Im Ergebnis hat sodann eine freie Neufestsetzung des Unterhalts nach dem gegenwärtig maßgeblichen Unterhaltsstatut stattzufinden. Die abzuändernde Entscheidung dient bei einem Statutenwechsel lediglich als Grundlage für das Bestehen der Unterhaltspflicht überhaupt und als Vergleichsmaßstab bei der Beurteilung der Frage, ob eine Änderung des Titels angezeigt ist. Denn allein das aktuell anwendbare Unterhaltsstatut soll grundsätzlich über die Bedürftigkeit des Berechtigten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten entscheiden. Diese Aspekte hängen aber wiederum von den tatsächlichen Umständen ab. Deshalb wäre es ungereimt, die Bewertung der Tatsachen nicht dem gewandelten Unterhaltsstatut zu unterstellen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18. März 2015 – 13 UF 825/14).“
Anmerkung: Die Eltern schlossen zum Unterhalt für ihr gemeinsames Kind einen schweizerischen Unterhaltsvertrag. Später ist die Mutter mit dem gemeinsamen Kind nach Deutschland übersiedelt. Der Kindesvater begehrte die Reduzierung des nach einer schweizerischen Unterhaltsvereinbarung geregelten Kindesunterhalts vor einem deutschen Familiengericht.
Hier stellen sich folgende Fragen: Kann eine ausländische Unterhaltsvereinbarung, nach Umzug des Kindes nach Deutschland abgeändert werden? Wie hat die Abänderung zu erfolgen? Ist für den Bedarf des Kindes auf die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle abzustellen oder kann unter Wahrung der Grundlagen der Unterhaltsvereinbarung nur eine Kaufkraftumrechnung zwischen der Schweiz und Deutschland erfolgen? Das OLG Hamm schuf hier mit seiner Entscheidung Klarheit.
Man wird lange und verzweifelt nach einer Vorschrift in der EuUntVO suchen, welche eine spezielle Vorschrift zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichtsbarkeit für die Abänderung eines deutschen Unterhaltstitels zu Gunsten eines im Ausland (außerhalb der EU) lebenden Unterhaltsberechtigten vorsieht. Vielmehr postuliert Art. 8 EuUnthVO für ein Abänderungsverfahren eine Zuständigkeitskonzentration beim Erstgericht. Sofern der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU hat – und nicht in Deutschland -, kann sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte allenfalls aus Art. 7 EuUnthVO (Notzuständigkeit) ergeben.
Eine unserer Spezialitäten ist das österreichische Unterhaltsrecht. Hier werden wir häufig mit der Abänderung deutscher Unterhaltstitel in Österreich konfrontiert. Diese ist viel weitreichender möglich als nach deutschem Recht und zeigt für deutsche Unterhaltsgläubiger mit Kindern in Österreich überraschende Ergebnisse.
Die §§ 238 ff FamFG sehen für die Abänderung besondere Verfahrensvorschriften und Rechtsgrundsätze vor. Ist das Abänderungsverfahren eröffnet, so ermöglicht es mit der Abänderungsentscheidung weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Vorentscheidung eine Bewertung erfahren haben. Darüber hinaus bleiben im Abänderungsverfahren auch solche im Ausgangsverfahren schon entscheidungserheblichen Umstände unberücksichtigt, die seinerzeit von den Beteiligten nicht vorgetragen oder vom Gericht übersehen wurden. Denn auch eine Korrektur von Fehlern der rechtskräftigen Entscheidung ist im Abänderungsverfahren nicht zulässig. Einer Fehlerkorrektur steht vielmehr die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegen, deren Durchbrechung nur insoweit gerechtfertigt ist, als sich die maßgeblichen Verhältnisse nachträglich verändert haben (BGH FamRZ 2018, 914 Rn 12; FamRZ 2015, 1694 Rn 19).
Hier sind nur Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG angesprochen und somit die Abänderung von rechtskräftigen Titeln in Form von gerichtlichen Beschlüssen. Solange für einen bestimmten Zeitraum ein wirksamer Unterhaltstitel besteht, kann in diesem Zeitraum zu Unrecht bezahlter Unterhalt nicht rückwirkend zurückgefordert werden. Maßgeblich ist stets der vorliegende Titel, solange dieser nicht abgeändert wird. Bei gerichtlichen Entscheidungen ist eine Abänderung rückwirkend möglich ab dem Ersten des auf ein entsprechendes außergerichtlichen Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats (§ 238 Abs.3 S.3 FamFG), jedoch längstens bis ein Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags (§ 238 Abs.3. S.4 FamFG). Wird der Unterhalt im Wege der Abänderung rückwirkend herabgesetzt, dann ist der Unterhaltsempfänger gemäß § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB zur Rückzahlung verpflichtet. Er hat ohne Rechtsgrund zu viel Unterhalt bezogen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Unterhaltsempfänger den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB geltend gemacht. Der Einwand nach § 818 Abs.3 BGB ist erst ab dem Zeitpunkt nicht mehr möglich, wenn die verschärfte Haftung gemäß §§ 818 Abs. 4, § 819 BGB greift. Für alle vor dem 01.09.2009 eingeleitete Abänderungsverfahren musste neben dem Abänderungsantrag gleichzeitig, ggf. hilfsweise, eine Rückforderungsklage erhoben werden, um dem Unterhaltsempfänger den Einwand nach § 818 Abs.3 BGB abzuschneiden und in die verschärfte Haftung zu bringen. Für alle nach dem 01.09.2009 eingeleitete Abänderungsverfahren ist dies nicht mehr notwendig. Das seit dem 01.09.2009 geltende FamFG hat mit § 241 FamFG jetzt klargestellt, dass bereits die Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens die Wirkung einer verschärften Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB auslöst. Wer während des schwebenden Abänderungsverfahrens auf Herabsetzung der Unterhaltspflicht die bisherigen Unterhaltsbeträge leistet und am Ende die beantragte Herabsetzung rechtskräftig erreicht, kann nach § 241 FamFG den während der Prozessphase zu viel bezahlten Unterhalt wieder zurückfordern. Zusätzlich ist § 1360b BGB zu beachten. Leistet ein Ehegatte freiwillig, wenn auch unabsichtlich zu viel Unterhalt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass nicht beabsichtigt ist, den Unterhalt zurückzufordern. Über § 1361 Abs.4 BGB gilt diese nur schwer zu widerlegende Rückforderungssperre auch für zu viel bezahlten Trennungsunterhalt.
Hilfsweiser Leistungsantrag auf Rückzahlung
Im Beschwerde- und Abänderungsverfahren
Leistungsantrag auf Rückzahlung des künftig bezahlten Unterhalts im Beschwerde- oder Abänderungsverfahren (§ 818 IV BGB): – BGH FamRZ 1992, 1152: zulässig analog §§ 257, 258 ZPO –
Formulierung eines Hilfsantrages auf Rückforderung des zukünftig aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung zu zahlenden Unterhalts im Beschwerdeverfahren:
„(…) hilfsweise wird für den Fall der vollständigen oder teilweisen Begründetheit der Beschwerde beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, den ab (…) monatlich bezahlten Unterhalt in Höhe von (…) Euro an den Antragsgegner zurückzubezahlen.“
Wichtig: Bezifferung des Gesamtbetrages in der letzten mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren Folge: § 818 IV BGB: Entreicherungseinwand entfällt. Bei Erfolg der Beschwerde ist Rückforderung tituliert. In Abänderungsverfahren ist der Rückzahlungsantrag wegen § 241 FamFG nicht zwingend notwendig, aber dennoch zulässig und sinnvoll.
Die zeitliche Schranke des § 238 Abs.3 FamFG gilt nur für Entscheidungen des Familiengerichts. § 238 Abs.3 FamFG gilt nicht für Unterhaltsverträge bzw. Unterhaltsvergleiche oder Jugendamtsurkunden. Ob hier eine rückwirkende Abänderung möglich ist?
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Wer im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt verurteilt wurde, kann dagegen keinen Antrag auf Abänderung nach § 238 FamFG stellen, sondern allenfalls einen Antrag auf Abänderung nach § 54 FamFG. Strittig ist, ob auch als Rechtsmittel die negative Feststellungsklage möglich ist. Für Verfahren nach § 54 FamFG gilt jedoch nicht die verschärfte Haftung über § 241 FamFG. Auch regelt § 54 FamFG nicht, ob für den Zeitraum der überhöhten und später abgeänderten einstweiligen Anordnung ein zu viel bezahlter Unterhalt zurückgefordert werden kann. Es besteht damit Gefahr, dass ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs.1 S.1 BGB (Rückforderungsrecht wegen ungerechtfertigter Bereicherung) wegen des sog. “Entreicherungseinwand” nach § 818 Abs.2 und 3 BGB scheitert. Wie kann dies vermieden werden und eine verschärfte Haftung nach § 819 BGB und § 818 Abs.4 BGB erreicht werden? Über den gangbaren Weg ist sich die Fachwelt uneinig (Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage, 2013, Kap. 6, Rn 838: hält nur den Weg über eine Widerklage auf Rückforderung im Rahmen eines nach § 52 FamFG eingeleiteten Hauptsacheverfahrens für möglich; die Widerklage würde somit die Wirkung des § 818 Abs. 4 BGB aus. Andere Stimmen in der Literatur schlagen dagegen einen Weg über eine negative Feststellungsklage vor, um § 818 Abs.4 BGB wirken zu lassen: Thomas/Putzo/Hüßtege § 241 FamFG Rn 1; Dose, Einstweiliger Rechtschutz in Familiensachen, 3. Auflage, 2010, Rn 529).
Wer als Unterhaltsgläubiger seine Auskunftspflichten in Bezug auf seine Bedürftigkeit schuldhaft verletzt, muss damit rechnen, dass er rückwirkend bis zum Zeitpunkt, ab dem der Verstoß gegen die Auskunftspflicht bestanden hat, überzahlten Unterhalt zu erstatten hat.
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Die Schwierigkeiten um die Realisierung von Rückzahlungsansprüchen – wie sie eben dargestellt wurden – lassen sich mit der sog. Darlehenslösung in den Griff bekommen. Wie die Darlehenslösung praktisch umgesetzt wird, zeigen wir hier anhand eines Musters:
Muster
Darlehensangebot
Die Unterhaltszahlungen werden eingestellt; die behauptete Überzahlung wird als zins- und tilgungsfreies Darlehen angeboten, verbunden mit der Verpflichtung, im Falle der Verurteilung in der Hauptsache zum Unterhalt in Höhe der einstweiligen Anordnung auf die Rückzahlung zu verzichten. Der BGH sagt dazu, dass der Unterhaltsbedürftige nach Treu und Glauben ein solches Darlehensangebot annehmen muss. Weigert sich die Gegenseite, das Darlehensangebot anzunehmen, so macht sie sich schadensersatzpflichtig. Dies hat den Vorteil, dass sowohl dem Darlehen als auch dem Schadensersatzanspruch keine Entreicherung nach § 818 Abs.3 BGB entgegengehalten werden kann. Was viele nicht wissen: Unterhaltsüberweisungen z.B. mit Vermerk auf dem Überweisungsträger “Unter Vorbehalt” reicht definitiv nicht aus.
BGH, Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 102/09
Angebot von Unterhalt als Darlehen
(Zitat, Rn 55, 56) “Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Unterhaltsgläubiger dem Unterhaltsschuldner im Rahmen einer Klage auf Rückzahlung des geleisteten Unterhalts zwar den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten, sofern nicht die Voraussetzungen einer verschärften Haftung nach den §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 820 Abs. 1 BGB vorliegen. Gemäß § 818 Abs. 4 BGB kann sich der Empfänger einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung vom Eintritt der Rechtshängigkeit an nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen, sondern haftet nach allgemeinen Vorschriften. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass es dabei weder auf den Eintritt der Rechtshängigkeit einer Abänderungsklage noch einer Feststellungsklage ankommt. Maßgeblich ist vielmehr der Eintritt der Rechtshängigkeit der auf die Bereicherung gestützten Rückforderungsklage (Senatsurteile, BGHZ 93, 183, 185 = FamRZ 1985, 368 f., und v. 22.4.1998 – XII ZR 221/96 -, FamRZ 1998, 951 f.; zur neuen Rechtslage vgl. jetzt § 241 FamFG). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass dies nicht zu einer ungleichen Risikoverteilung zwischen Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner führt. Selbst im Falle eines rechtskräftigen Unterhaltstitels kann der Unterhaltsschuldner im Rahmen seiner Abänderungsklage einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung stellen. Unabhängig davon kann er Leistungsklage auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts erheben, ohne zuvor die Rechtskraft des Titels oder die Abänderung eines früheren Titels abzuwarten (Senatsurteile, BGHZ 118, 383, 391 = FamRZ 1992, 1152, 1155, und v. 22.4.1998 – XII ZR 221/96 -, FamRZ 1998, 951, 952). Schließlich bleibt es dem Unterhaltsschuldner unbenommen, den Unterhalt als zins- und tilgungsfreies Darlehen zu zahlen, verbunden mit der Verpflichtung, auf Rückzahlung zu verzichten, falls es beim zugesprochenen Unterhalt bleibt. Der Unterhaltsberechtigte ist nach Treu und Glauben verpflichtet, sich auf eine solche Gestaltung einzulassen (Senatsurteil, BGHZ 143, 65, 75 f. = FamRZ 2000, 751, 753).”
Die Tatsache, dass ein Rückzahlungsanspruch besteht, ist erst die halbe Miete. Schließlich muss der Rückzahlungsanspruch auch durchsetzbar sein. Andernfalls ist er nur ein “Papiertiger“. In der Praxis denkt man zur einfachen Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs sofort an die Verrechnung mit möglichen künftigen Unterhaltsansprüchen. Doch dies ist für die Beratungspraxis ein echtes Problem. Denn Aufrechnung mit dem Rückforderungsanspruch ist regelmäßig wegen § 394 BGB ausgeschlossen, da Unterhalt nach § 850b Abs.1 Ziff.2 ZPO unpfändbar ist (Ausnahme vom Pfändungsverbot kann nur Vollstreckungsgericht, nicht Familiengericht erteilen: OLG Bamberg, FamRZ 1988, 948). Aufrechnung ist ausnahmsweise dann möglich, wenn die Gegenforderung eine Schadensersatzforderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung ist, die im Zusammenhang mit dem Unterhaltsverhältnis steht (BGH, FamRZ 1993, 1186).
OLG München, Beschluss vom 15.04.2010, 33 WF 399/10
Aufrechnungsverbot gegen Unterhaltsansprüche gem. § 394 BGB
Anmerkung: Da gesetzliche Unterhaltsansprüche Forderungen sind, die nicht der Pfändung unterworfen sind (§ 850b Abs.1 Ziff.2 ZPO), greift insoweit das Aufrechnungsverbot gem. § 394 BGB. Entgegen anders lautender Entscheidungen des OLG Hamm (FamRZ 1999, 436/437) und des OLG Naumburg (FamRZ 1999, 437/438) sei für das Aufrechnungsverbot gegen Unterhaltsansprüche gem. § 394 BGB nicht zwischen der Aufrechnung gegen laufenden Unterhalt und gegen Unterhaltsrückstände zu unterscheiden. Derartige Einschränkungen würden sich darüber hinwegsetzen, dass Unterhaltszahlungen allgemein die Lebensgrundlage des Gläubigers sichern und deshalb allgemein nach Maßgabe des § 850b ZPO der Pfändung als auch einer Aufrechnung entzogen seien.
Hinweis: Freiwillige Vereinbarung zur Verrechnung können jedoch wirksam getroffen werden. Zu Beweiszwecken sollten solche Vereinbarungen schriftlich dokumentiert werden.
Hinweis: Überhöhter Unterhaltsantrag
BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – XII ZB 7/15
Keine Verrechnung von “Zuviel”-Forderungen mit
“Zuwenig”-Forderungen
Leitsatz: Unterhalt ist stets zeitbezogen zu ermitteln und im Verfahren geltend zu machen. Fordert der Unterhaltsberechtigte für bestimmte Zeiträume zu viel Unterhalt, so ist sein Antrag insoweit abzuweisen und kann nicht mit anderen Zeiträumen verrechnet werden, in denen er weniger verlangt, als ihm zusteht.
Unterhalt
für die Vergangenheit
Wurde eine Erhöhung des Unterhalts für die Zukunft im Wege der Abänderung eines Unterhaltstitels erreicht, stellen sich folgende Fragen: Ist die Unterhaltserhöhung für die Zeit vor Beginn des Abänderungsverfahrens möglich?
Nach § 238 Abs.3 S.2 FamFG kann mit Abänderung eines rechtskräftigen Unterhaltstitels höherer Unterhalt rückwirkend ab dem Zeitpunkt nachgefordert werden, ab dem Maßnahmen nach § 1613 BGB (= Vorschrift des BGB i.S.d. § 238 Abs.3 S.2 FamFG) ergriffen wurden.
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Wer zwar die Sicherungsmaßnahmen nach § 1613 Abs.1 BGB ergriffen hat, kann sich nicht darauf verlassen, dass er damit für alle Zeiten rückwirkend bis zu diesem Zeitpunkt Unterhalt verlangen kann. Es müssen jetzt weitere Schritte folgen. Wird gegenüber dem Unterhaltsschuldner in der Folge einer Unterhaltsbezifferung der Anschein erweckt, dass ein Unterhalt für die Vergangenheit nicht nachgefordert wird, besteht stets die Gefahr, dass ein Unterhalt für die Vergangenheit verfällt, d.h. wegen Zeitablauf nicht mehr durchsetzbar ist.
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BGH, Urteil vom 22. 11. 2006 – XII ZR 152/04
Unterhalt für die Vergangenheit gibt es nur ausnahmsweise
(Zitat, Rn 22) “Unterhalt (kann) für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der auf laufende Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung des Unterhalts nahelegen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch schon dann erfüllt sein kann, sobald die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die ein Jahr oder länger zurückliegen.
Anmerkung: Soll Unterhalt rückwirkend für die Zeit vor Maßnahmen nach § 1613 Abs.1 BGB nachgefordert werden, so geht das nur in Ausnahmefällen. Unterhalt dient der Sicherung des künftigen und laufenden Lebensunterhalts und nicht der Vermögensbildung. Ob Unterhalt vor diesem Hintergrund auch für die Vergangenheit verlangt werden kann, wird kritisch beurteilt. Denn Nachforderungen werden nicht mehr zur Deckung des gegenwärtigen Unterhalts benötigt. Dies mag sich anders darstellen, wenn wegen Ausfall von Unterhaltszahlungen die entstandene Bedarfslücke nicht über Bezug von staatlicher Hilfe zum Lebensunterhalt oder anderer Sozialleistungen gedeckt wird, sondern Kredite aufgenommen werden mussten, um den allgemeinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Kritisch sind Forderungen nach rückständigem Unterhalt, wenn zunächst kein Unterhalt gefordert wird oder der Unterhaltsschuldner anderweitig signalisiert, dass er offenbar keinen weiteren Unterhalt benötigt. Eine besondere Ausprägung erfährt dieser Gedanke bei Forderung von rückständigen nachehelichem Unterhalt (§ 1585b Abs.3 BGB). Auch ist der Unterhaltsschuldner u.U. davor zu schützen, exorbitant hohen Nachforderungen ausgesetzt zu werden, wenn er nicht mit Nachforderungen rechnen musste.
Wer auf unlautere Art und Weise an der Schaffung eines zu geringen rechtskräftigen Unterhaltstitels mitgewirkt hat, kann sich zur Verteidigung gegen Unterhaltsnachforderungen nicht auf die Rechtskraft des (falschen) Unterhaltstitels berufen. Wer in seiner Auskunft bewusst falsche Angaben (Prozessbetrug) gemacht hat, verdient keinen Vertrauensschutz. Wenn ein Streit um einen konkreten Unterhaltsanspruch durch gerichtlichen Beschluss (Stichwort: Rechtskraft) oder in Form eines anderweitigen Unterhaltstitels befriedet wurde, entsteht dadurch ebenfalls ein Vertrauensschutz für den Unterhaltspflichtigen, dass er über den Rahmen der Entscheidung hinaus keinen weiteren Unterhalt für die Vergangenheit schuldet. Auch würde dies den Grundsätzen für eine Abänderung widersprechen (z.B. keine Fehlerkorrektur möglich).
Wenn allerdings der Unterhaltspflichtige dahingehend keinen Vertrauensschutz verdient, kann es unbillig erscheinen, dem Unterhaltsberechtigten eine rückwirkende Unterhaltsnachforderung zu versagen. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Unterhaltsschuldner zur Verkürzung der Unterhaltspflicht vorsätzlich falsche Auskunft über die Unterhaltsbemessungsgrundlagen erteilt hat. Es kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB in Betracht. Dieser kann zur rückwirkenden Nachforderung von Unterhalt ab dem Zeitpunkt führen, ab dem bei pflichtgemäßen Verhalten höherer Unterhalt hätte gefordert werden können. Die Rechtskraft von Gerichtsbeschlüssen oder der Bestand sonstiger Unterhaltsvereinbarungen verlieren ihre befriedende Wirkung , wenn sie auf vorsätzlich herbeigeführt falscher Berechnungsgrundlage basieren. Wenn der ursprünglich ermittelte Unterhalt und darauf basierende Gerichtsbeschluss auf einer vom Unterhaltspflichtigen bewusst falsch mitgeteilten Bemessungsgrundlage beruht, kann einer rückwirkenden Unterhaltskorrektur und Nachforderung nicht 238 Abs.2 FamFG entgegengehalten werden.
OLG Karlsruhe v. 12.03.2004 – 16 UF 186/01
Verschweigen verbesserter Einkommensverhältnisse – Unterhaltsnachforderungen wegen Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB
(Zitat) “Erkennt ein Unterhaltsschuldner, dass durch verbesserte Einkommensverhältnisse ein rechtskräftiger Unterhaltstitel unrichtig geworden ist, so besteht ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB, wenn der Unterhaltsschuldner die Verbesserung der Einkommensverhältnisse verschweigt und darin eine vorsätzliche, in besonderem Maße unredliche (sittenwidrige) Ausnützung dieser Situation zu bejahen ist (vgl. BGH NJW 1988, 1965 ; s.a. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, 145 zur Aufklärungspflicht des Unterhaltsgläubigers).”
Anmerkung: Ein Unterhaltspflichtiger macht sich u.a. schadensersatzpflichtig, wenn er gegen seine Auskunftsobliegenheiten verstößt.
Hat der Unterhaltsschuldner (ordnungsgemäß oder nicht ordnungsgemäß) Auskunft über sein unterhaltsrelevantes Einkommen und Vermögen erteilt und fordert daraufhin der Unterhaltsberechtigte einen konkreten monatlichen Unterhaltsbetrag, ist eine rückwirkende Korrektur für eine höhere Unterhaltsforderung regelmäßig ausgeschlossen. Der Unterhaltsschuldner wird insoweit geschützt, als er sich ab diesem Zeitpunkt darauf verlassen kann, keinen nachträglichen weiteren Forderungen ausgesetzt zu sein. Anders ist es, wenn der Unterhaltspflichtige zum Zeitpunkt seiner Auskunftserteilung damit rechnen muss oder konnte, dass noch eine weitere, zusätzliche Forderungen – auch rückwirkend – auf ihn zukommen.
Praxistipp:
Eine konkret bezifferte Unterhaltsforderung sollte stets unter dem Vorbehalt der Nachforderung – wegen fehlen noch weiterer Auskünfte – erfolgen. Wer einen konkret bezifferten Unterhalt ohne Vorbehalt von möglichen Erhöhungen fordert, verschenkt Ansprüche auf rückständigen Unterhalt. Deshalb sollte auch kein konkret bezifferter Unterhaltsbetrag angemahnt werden, sondern eine sog. Stufen-Mahnung erfolgen, um den Unterhaltsschuldner in Verzug zu setzen. Diese wirkt auch ohne Bezifferung verzugsbegründend (BGH FamRZ 90, 283).
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