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Kanzlei für Familienrecht > Scheidung München > Infothek zum Familienrecht > Kindesunterhalt > Kinder in Österreich > Außerstreitverfahren >  Deutscher Anwalt in Österreich 

Vertretungsbefugnis deutscher Anwälte
vor österreichischen Behörden und Gerichten


Wenn ein deutsches Kind in Österreich lebt und der Unterhaltsschuldner in Deutschland, besteht für den unterhaltspflichtigen deutschen Elternteil oft der Wunsch für mögliche Unterhaltsverfahren einen Anwalt mit Sitz in Deutschland zu engagieren. Deutsche Anwälte, die österreichisches Unterhaltsrecht beherrschen, sind rar. Weiter stellt sich die Frage, ob und wie deutsche Anwälte überhaupt vor österreichischen Behörden auftreten können. In Österreich richtet sich die Frage danach, ob im gerichtlichen Verfahren relativer oder absoluter Anwaltszwang herrscht (die Unterscheidung ist dem deutschen Recht fremd) oder keine Anwaltspflicht für die Beteiligten besteht.

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Relativer und absoluter
Anwaltszwang

§ 101 Abs.1 AußStrG
Gesetzestext


Die Parteien können sich in Verfahren über Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und ihren Eltern, deren Streitwert an Geld oder Geldeswert 5.000 € übersteigt, nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Anmerkung: Für Kindesunterhaltssachen, die dem  Außerstreitverfahren unterliegen, bestimmt § 101 Abs.1 Außerstreitgesetz, dass die Parteien in erster Instanz sich selbst vertreten können oder durch dritte Personen vertreten lassen. Wenn allerdings der Streitwert des Verfahrens den Wert von 5.000 € übersteigt, muss die Vertretung durch einen Anwalt erfolgen (§ 101 Abs.1 AußStrG) der dafür die  Zulassungsvoraussetzungen erfüllen muss (= relativer Anwaltszwang)


§ 6 Abs.1 AußStrG

Gesetzestext


In Verfahren, in denen einander Anträge zweier oder mehrerer Parteien gegenüberstehen können, ist im Rekursverfahren nur ein Rechtsanwalt vertretungsbefugt ; im Revisionsrekursverfahren müssen sich die Parteien in solchen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Anmerkung: Für das Rekursverfahren (2. Instanz) gilt ein relativer Anwaltszwang und für das Revisionsrekursverfahren (3. Instanz) ein absoluter Anwaltszwang.


Deutscher Anwalt


Ob und wie dabei ein deutscher Anwalt vertretungsbefugt ist
Vertretungsbefugnis deutscher Anwälte

Vertretungsbefugnis
deutscher Anwälte

Rechtsgrundlage
EIRAG


Jeder deutsche Rechtsanwalt ist grundsätzlich berechtigt, in Österreich seinen Beruf unter seiner deutschen Berufsbezeichnung auszuüben. Dazu sind Wohnsitz, Kanzleisitz oder Kammermitgliedschaft in Österreich nicht erforderlich. Weitere Voraussetzung ist, dass die besonderen Vorschriften der EIRAG eingehalten werden. Soweit nach österreichischem Recht Anwaltspflicht besteht, können in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte nach Maßgabe des EIRAG Mandanten vor österreichischen Gerichten und Behörden vertreten.

  1. Deutsche Rechtsanwälte (europäische Rechtsanwälte im Sinne von § 1 Abs.1 EIRAG) genießen freien Dienstleistungsverkehr (§ 2 EIRAG: dienstleistende europäische Rechtsanwälte) soweit sie Dienstleistungen im Sinne des Art. 50 EGV erbringen. Dies beinhaltet jede Form anwaltlicher und damit vergütungspflichtiger Tätigkeit nach dem Rechtsberatungsgesetz.
  2. Auf Verlangen des Gerichts oder der österreichischen Rechtsanwaltskammer haben deutsche Anwälte Ihr Recht auf freie Dienstleistung nach § 1 EIRAG nachzuweisen. Wird dieses Verlangen gestellt, so dürfen deutsche Anwälte in Österreich die Tätigkeit erst ausüben, wenn der Nachweis erbracht ist (§ 3 EIRAG)
  3. Vor dem erstmaligen Einschreiten im Sprengel einer Rechtsanwaltskammer haben deutsche Anwälte die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 7 Abs. 1) schriftlich zu verständigen (§ 4 Abs.1 S.2 EIRAG).
  4. In Verfahren, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen oder ein Verteidiger beigezogen werden muss (absoluter Anwaltszwang), dürfen dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter einer Partei nur im Einvernehmen mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer  eingetragenen Rechtsanwalt (= Einvernehmensrechtsanwalt) handeln ( § 5 Abs.1 EIRAG). Im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs – 3 Ob 210/14z (mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstand) – ist bei bloß relativer Anwaltspflicht kein Einvernehmensanwalt erforderlich ist. Nach den Gesetzesmaterialien zur Regierungsvorlage des EuRAG (nun EIRAG) entspricht dessen § 5 Abs 1 inhaltlich dem § 4 EWR-RAG 1992 (ErläutRV 59 BlgNR 21. GP 15). In den Gesetzesmaterialien zum EWR-RAG 1992 hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass die Formulierung des § 4 dieses Gesetzes so gewählt worden sei, dass von der Verpflichtung zur Beiziehung eines Einvernehmensrechtsanwalts (nur) die Fälle absoluter Anwaltspflicht erfasst sind (ErläutRV 777 BlgNR 18. GP 8), wobei auf die – nicht näher dargestellte – Rechtsprechung des EuGH Bezug genommen wurde.
  5. Das Einvernehmen ist bei der ersten Verfahrenshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf des Einvernehmens ist dem Gericht schriftlich mitzuteilen. Er hat Wirkung nur für die Zukunft. Verfahrenshandlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens im Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, gelten als nicht von einem Rechtsanwalt vorgenommen (§ 5 Abs.2 EIRAG).
  6. § 6 EIRAG Zustellungen: Für Zustellungen in gerichtlichen und behördlichen Verfahren haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte bei ihrer ersten Verfahrenshandlung einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wurde kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt in den im § 5 Abs. 1 angeführten Verfahren der Einvernehmensrechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigter. In allen anderen Fällen ist in sinngemäßer Anwendung des § 10 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzugehen und die Zustellung nach erfolgloser Aufforderung an den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt durch Hinterlegung beim Gericht oder bei der Behörde vorzunehmen.


Einvernehmensanwalt
bei absoluter Anwaltspflicht


Loewe

OGH, Beschluss vom 22.06.2011 – 2Ob100/11m
OGH,
 Beschluss vom 19.09.2014 – 2 Ob 36/15f


Bei absolutem Anwaltszwang ist ein österreichischer Einvernehmensanwalt zu bestellen und zwingend das Einvernehmen bei der ersten Verfahrenshandlung nachzuweisen (§ 5 Abs. 1 S. 1 EIRAG). Das erfolgt so, dass der örtliche Kollege bestätigt, dass in dieser Rechtssache das Einvernehmen hergestellt ist. Diese Bestätigung wird mit der ersten Verfahrenshandlung dem Gericht vorgelegt. Wenn das nicht geschieht, sind alle Handlungen des deutschen Anwalts gegenüber dem österreichischen Gericht unwirksam, und zwar so lange, bis das Einvernehmen nachgewiesen ist. Das Einvernehmen wirkt nicht rückwirkend (§ 5 Abs. 2 S. 3 EIRAG). Für Verfahrensfehler haftet allein der deutsche Anwalt. Zwischen dem Einvernehmensanwalt und der Partei bestehen keinerlei vertragliche Beziehungen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EIRAG), soweit vertraglich nichts anderes geregelt ist. Ist das Einvernehmen nachgewiesen, wird das weitere Verfahren ohne nach Außen erkennbare Tätigkeit des Einvernehmensanwalts durch den deutschen Anwalt fortgeführt. Jetzt hat der deutsche Anwalt uneingeschränkte Befugnisse, alle Rechtsmittel einzulegen und die entsprechenden Verfahren zu führen. Der Einvernehmensanwalt wird und muss nicht vor dem österreichischen Gericht erscheinen. Die Partei ist durch den deutschen Anwalt ordnungsgemäß vertreten. Die Herstellung und der Nachweis des Einvernehmens sind Bedingungen dafür, dass die Verfahrenshandlung des einschreitenden ausländischen Rechtsanwalts denen eines österreichischen gleichgestellt ist (OGH – 2 Ob 36/15f). Solange Einvernehmen hergestellt und für Verfahrenshandlungen nachgewiesen ist, besteht Postulationsfähigkeit. Das Fehlen des Nachweises eines Einvernehmens ist ein der Verbesserung zugängliches Formgebrechen (RIS-Justiz RS0124121). Bestehen Zweifel am Fortbestand des erklärten Einvernehmens mit den Verfahrenshandlungen des im Termin allein auftretenden ausländischen Rechtsanwalts, kann der Einvernehmensanwalt – nach unserer Einschätzung – den Fortbestand seines Einvernehmens nachträglich bestätigen.

Die Haupt-Funktion des österreichischen Einvernehmensanwalts besteht darin, auf die Einhaltung aller österreichischen Formvorschriften durch den deutschen Anwalt zu achten. Die Tätigkeit des Einvernehmensanwalts ist zu vergüten. Nach § 16 RATG kommt auf das Honorar des deutschen Anwalts ein Zuschlag von bis zu 25 % hinzu. Diese Gebühren zählen zu den notwendigen Rechtsverfolgungskosten. Zustellungen des Gerichts sind entweder an der Zustellungsbevollmächtigten oder an den Einvernehmensanwalt zu bewirken. Jede andere Art der Zustellung ist falsch und Rechtsmittelfristen nicht in Gang setzen. Für den deutschen Anwalt besteht regelmäßig eine Berufshaftpflichtversicherung nur für Fälle, die sich auf die Anwendung deutschen Rechts erstreckt. Hier wird im Einzelfall der Abschluss einer zusätzlichen fallbezogenen Versicherung oder der vertragliche Ausschluss einer Haftpflicht mit Begrenzung auf Vorsatz und grob fahrlässiges Verhalten angezeigt sein.


Muster
Einvernehmenserklärung im Antragsschriftsatz


“Der umseits ausgewiesene deutsche Rechtsanwalt teilt eingangs höflichst mit, dass er vorübergehend in Österreich als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt einschreitet und macht als Einvernehmensanwalt iSd § 29 Abs 1 EuRAG Herrn RA […] namhaft, der als Nachweis seines Einverständnisses diesen Antrag mitunterfertigt. Zustellungen wollen zu Händen des namhaft gemachten Einvernehmensanwalts vorgenommen werden.”


Links & Literatur



Links



Literatur


  • RA Univ.-Prof. Dr. Hubertus Schumacher, Einvernehmensrechtsanwalt und Prozessvollmacht, Innsbruck, in: Österreichisches Anwaltsblatt, S. 636 – 638.
  • OGH – 3 Ob 210/14, keine Einvernehmensanwalt bei nur relativer Anwaltspflicht


In eigener Sache


  • Anzeige gegenüber österreichischer Anwaltskammer wegen Tätigwerden als deutscher Anwalt in Österreich, unser Az.: 14/17 (D3/321-17)2o
  • Unterhaltsverfahren in Österreich mit Benennung eines österreichischen Einvernehmensanwalts, unser Az: 14/17 (D3/362-17)
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