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Herabsetzung und Befristung des Unterhalts

Die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs


BGH vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09

Geschätzte Lesezeit: 8 min

Stichworte : Nachehelicher Unterhalt – nachträgliche Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs wegen nachträglicher Begrenzung und Befristung des Unterhalts.


Thema HERABSETZUNG und BEFRISTUNG

Neben den Fallgruppen des § 1579 BGB, die allgemein zur BEGRENZUNG von Ansprüchen auf EHEGATTENUNTERHALT führen, gilt daneben für die Gruppe der Ansprüche auf NACHEHEHLICHEN UNTERHALT die Sondervorschrift des § 1578 b BGB. Für die Zeit nach der Ehe kann der Ehegattenunterhalt herabgesetzt oder sogar vollständig wegfallen (Befristung), wenn weder die nachehehliche Solidarität, noch ein auszugleichender ehebedingter Nachteil für den Fortbestand des nachehehlichen Unterhalts sprechen. Rechtssystematisch ist dieses Thema auf der 5. Prüfungsbene ( BEGRENZUNG ) des PRÜFUNGSSCHEMAS zum Unterhaltsanspruch zu verorten.

Thema ABÄNDERUNG VERTRAGLICHER UNTERHALTSTITEL

Pacta sunt servanda” (wörtlich: Verträge sind einzuhalten). HIER erfahren Sie, wie weit die Bindungswirkung von Verträgen über Unterhaltsansprüche reicht. Häufig kommt § 1578 b BGB nach einem ersten Unterhaltsverfahren (meist im Zusammenhang mit der Scheidung) in einem zweiten (nachehehlichen) Unterhaltsverfahren zum Tragen. Gestützt auf § 1578 b BGB wird in Rahmen eines ABÄNDERUNGSVERFAHRENS (= zweites Unterhaltsverfahren) die Herabsetzung oder Befristung des nachehehlichen Unterhalts begehrt. Ein solcher Fall lag der nachfolgenden BGH-Entscheidung zu Grunde.

Die Kernaussagen des BGH vom 26. Oktober 2011


1. Nachehelicher Unterhalt kann gleichzeitig auf mehreren sich ergänzenden Anspruchsgrundlagen beruhen. Hier zum Teil auf Krankenunterhalt und zum Teil auf Aufstockungsunterhalt (Mehr dazu erfahren Sie beim Thema AUFSTOCKUNGSUNTERHALT.

(Zitat) Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt (…) voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann. Das ist nach den Feststellungen (…) nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den (…) Feststellungen (…) an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus § 1572 BGB ergibt.

2. Nochmals stellt der BGH die Grundsätze zur Herabsetzung und Befristung von nachehelichen Unterhalt unter Berücksichtigung ehebedingter Nachteile dar. Insbesondere wird darauf eingegangen, was der Unterhaltsverpflichtete darzulegen und zu beweisen hat, wenn er die Herabsetzung und Befristung begründet haben will und was dem gegenüber der Unterhaltsberechtigte zur Abwendung einer Herabsetzung und Befristung darzulegen und zu beweien hat.

(Zitat) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kin-des, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).

aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind.Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Entsprechend der – nach Erlass des Berufungsurteils weiterentwickelten – Rechtsprechung des Senats trifft den Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). Diese hat im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – FamRZ 2010, 2059 Rn. 24). Der Senat verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat (vgl. Koch JR 2011, 304 f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteil vom 20. Okto- ber 2010 – XII ZR 53/09 – FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 f.) und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsa-chengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von Erfahrungssätzen in dem jeweiligen Berufsfeld wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelungen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – FamRZ 2010, 2059 Rn. 33). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persönlichen Fähigkeiten – etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren – vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – FamRZ 2010, 2059 Rn. 24). bb) Diesen Anforderungen an den substanziierten Vortrag ehebedingter Nachteile hat das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorbringen mangelt es an konkreten Darlegungen der Beklagten, welche beruflichen Nachteile ihr aufgrund der ehebedingten Berufspause entstanden sein sollen. Das Berufungsgericht ist statt dessen ohne näheren Vortrag der Beklag-ten davon ausgegangen, dass das Entstehen ehebedingter Nachteile nicht ausgeschlossen werden könne, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und die Möglich-keit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbe-treuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeinheit aber den Anforderungen an einen substanziierten Sach-vortrag nicht gerecht. Sie wäre für den beweisbelasteten Kläger auch nicht in zumutbarer Weise zu widerlegen. Hierzu hätte es vielmehr des Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung und die Übernahme der Hausfrauenrolle geplant oder zu erwarten gehabt hätte, welche Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in ihrem speziellen Berufsfeld für sie bestanden hätten und ob sie hierfür eine genügende Bereitschaft aufgebracht hätte. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus anderen als in der ehelichen Rolllenverteilung begründeten Ursachen keine ehebedingten Nachteile ergeben können. Insoweit hat das Berufungsgericht etwa angeführt, dass sich der Arbeitsmarkt in der Textilindustrie zunehmend verschlechtert habe, was jedenfalls gegen einen nachhaltigen Aufstieg der Beklagten im Beruf der Damenschneiderin sprechen dürfte. Zudem sind auch gesundheitlich bedingte Einschränkungen regelmäßig nicht ehebedingt (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 33; vom 30. Juni 2010 – XII ZR 9/09 – FamRZ 2010, 1414 Rn. 18 und vom 7. Juli 2010 – XII ZR 157/08 – FamRZ 2011, 188 Rn. 20). Bei der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich bei zunehmend verschlechterten Möglichkeiten ohne die eheliche Rollenverteilung schon früher für einen Wechsel in ihr heutiges Berufsfeld entschieden, mangelt es schon an einer konkreten Darstellung, welche besseren Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Fall bestanden hätten. Auch insoweit ist der Beklagten eine konkrete Darlegung zumutbar. Ihr Vorbringen, dass sie ohne Eheschließung ihren Meister gemacht und sogar eine Leitungsposition in einer Textilfabrik erlangt hätte, hat das Berufungsgericht zwar bezweifelt, aber letztlich offengelassen, so dass es insoweit auch in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilt werden kann.

Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein ehebedingter Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen Tätigkeitsfelds nur als ungelernte Kraft vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30 Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als ehebedingter Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.

cc) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom – nicht widerlegten – Bestehen ehebedingter Nachteile ausgehen.

3. Der BGH wiederholt nochmals, dass “ angemessener Lebensbedarf ” mindestens das Existenzminimum erreicht. Darunter geht es nicht.

(Zitat) Gemäß der – ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergangenen – Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebens-bedarf, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht Senatsurteile vom

  • 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08
  • 17. Februar 2010 – XII ZR 140/08
  • 29. Juni 2011 – XII ZR 157/09

4. Der BGH stellt fest, dass ehebedingte Nachteile nicht der einzige Grund für nachehelichen Unterhalt sind. Weiter ist die Fortwirkung der nachehelichen Solidarität Grund gegen eine Herabsetzung oder Befristung.

(Zitat) Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist gemäß § 1578 b BGB vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (Senatsurteile vom

  • 6. Oktober 2010 – XII ZR 202/08
  • 17. Februar 2010 – XII ZR 140/08
  • 21. September 2011 – XII ZR 121/09

Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung (Senatsurteil vom

  • 30. Juni 2010 XII ZR 9/09 Rn. 28

Zudem sind – wie vom Berufungsgericht bereits praktiziert – die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Un terhalts. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.

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