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Die aktive ERV-Nutzungspflicht ist am gestartet 1.1.2022, 0:00 Uhr! Seit dem, besteht die Verpflichtung für professionelle Einreicher, Schriftsätze elektronisch an die Gerichte zu übermitteln. Das betrifft Rechtsanwälte, Behörden sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts. Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 hatte der Gesetzgeber Änderungen in den Prozessordnungen für den Termin 1.1.2022 vorgenommen. Diese sind nun bundesweit in Kraft getreten (§ 130d ZPO, § 32d StPO, § 55d VwGO, § 52d FGO, § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG). Für Rechtsanwälte bedeutet dies, dass nun die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Anwaltspostfachs (beA)
| Wegweiser zum digitalen Verfahren
BeA
Zugang
Anwälte sind ab dem 1.1.2018 verpflichtet, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) zu unterhalten, für dessen Nutzung die erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen (§ 31a VI BRAO – passive Nutzungspflicht). Eine Pflicht, aktiv am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen – also den Gerichten nur noch elektronische Dokumente zuzusenden -, gilt frühestens ab dem 1.1.2020 und spätestens ab dem 1.1.2022. Sie wird in den einzelnen Prozessordnungen geregelt sein, wie etwa in § 130d ZPO n.F. Ob die aktive Nutzungspflicht bereits vor 2022 eintritt, regeln die Länder für ihre Gerichte per Verordnung. Seit dem 28. November 2016 können Anwälte mit zahlreichen Gerichten rechtsverbindlich über das beA kommunizieren. Bei der Kommunikation mit den Gerichten über das beA ist Folgendes zu beachten: Nach § 130a Abs. 2 ZPO bestimmen die Bundesregierung und die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten einge reicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. Nicht in jedem Bundesland sind alle Gerichtszweige bzw. Verfahrensarten bereits jetzt für den elektronischen Rechtsverkehr geöffnet. Wird ein Schriftsatz irrtümlicherweise elektronisch eingereicht, ob wohl das Gericht den elektronischen Rechtsverkehr noch nicht geöffnet hat, drohen Fristversäumnisse!
BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – XII ZB 8/19
Beschwerdeschrift per pdf-Datei & E-Mail
a) Eine im Original unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, ist erst dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. März 2015 -XII ZB 424/14 -FamRZ 2015, 919).
b) Die zur Übersendung einer Telekopie ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine einzuhaltende Frist bereits durch den vollständigen Empfang der gesendeten Signale vom Telefax des Gerichts gewahrt ist, kann nicht auf die Übermittlung einer E-Mail mit einem eingescannten Schriftsatz, die die Voraussetzungen für ein elektronisches Dokument nach §130 a ZPO nicht erfüllt, übertragen werden.
Text der Berufsordnung der Rechtsanwälte (§ 2 Abs.2 S.5 und S.6 BORA):
(Abs.2 S.5) Zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist die Nutzung eines elektronischen oder sonstigen Kommunikationsweges, der mit Risiken für die Vertraulichkeit dieser Kommunikation verbunden ist, jedenfalls dann erlaubt, wenn der Mandant ihr zustimmt.
(Abs.2 S.6) Von einer Zustimmung ist auszugehen, wenn der Mandant diesen Kommunikationsweg vorschlägt oder beginnt und ihn, nachdem der Rechtsanwalt zumindest pauschal und ohne technische Details auf die Risiken hingewiesen hat, fortsetzt.(2) Die Verschwiegenheitspflicht gebietet es dem Rechtsanwalt, die zum Schutze des Mandatsgeheimnisses erforderlichen organisatorischen und technischen Maßnahmen zu ergreifen, die risikoadäquat und für den Anwaltsberuf zumutbar sind. Technische Maßnahmen sind hierzu ausreichend, soweit sie im Falle der Anwendbarkeit der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten deren Anforderungen entsprechen. Sonstige technische Maßnahmen müssen ebenfalls dem Stand der Technik entsprechen. Abs. 4 lit. c) bleibt hiervon unberührt.
BGH, Beschluss vom 15.05.2019 – XII ZB 573/18
Container-Signatur ab 01.01.2018 unzulässig
Die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur genügt seit dem 1.Januar 2018 nicht mehr den Anforderungen des § 130a ZPO.
Von Containersignatur wird gesprochen, wenn mehrere elektronische Dokumente nicht unmittelbar signiert sind, sondern nur deren Container (etwa eine ZIP-Datei), in dem sie zusammengefasst sind. Seit dem 1.1.2018 ist sie nach § 4 II ERVV nicht mehr zulässig. In einer Übergangszeit wurde allerdings noch mit dem alten EGVP-Client gearbeitet, der selbst nur das Anbringen einer Containersignatur unterstützte. So mussten sich bereits einige Gerichte mit der Frage der Wirksamkeit einer solchen Containersignatur befassen (dazu etwa beA-Newsletter 1/2019).
Der BGH hat in einer früheren Entscheidung (BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – VI ZB 7/13) noch die Containersignatur als zulässig erachtet. Mit seinem Beschluss vom 15.5.2019 folgt er aber aufgrund der geänderten Rechtslage den anderen Bundesgerichten. BSG (zuletzt Beschl. v. 20.3.2019), BAG und BVerwG gehen davon aus, dass die „im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur“ nicht mehr den Anforderungen (hier des § 130a ZPO) genüge. Der BGH erteilt insbesondere einer einschränkenden Auslegung von § 4 II ERVV aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit eine Absage, wonach etwa eine Container-Signatur dann zulässig sein solle, wenn das adressierte Gericht noch eine Papierakte führe.
BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20
Anforderungen an die einfache Signatur gem. § 130a Abs.3 S.1 Alt.2 ZPO
Anmerkung : Die einfache Signatur im Sinne des § 130a Abs.3 S.1 Alt.2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Schriftsatzes, beispielsweise bestehend aus einem maschienschriftlichen Namenszug oder einer eingescannten Unterschrift. Allein die Unterzeichnung mit “Rechtsanwalt” genügt diesen Anforderungen nicht.
BGH, Beschluss vom 25.08.2020 – VI ZB 79/19
zur Fristwahrung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments
(Zitat, Rn 7) “Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers mangels Begründung als unzulässig verworfen, obwohl die Berufungsbegründung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bei Gerichteingegangen war. Der Kläger hatte den Begründungschriftsatz als elektronisches Dokument über das besondere elek tronische Anwaltspostfach an das EGVP des Berufungsgerichts übermittelt; das Dokument war auf dem für den Empfang bestimmten Server des Gerichts gespeichert worden. Dies genügte zur Fristwahrung (§ 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 – X ZR 119/18, z.V.b; Bacher NJW 2015, 2753, 2756 ).”
BGH, Beschluss vom 17.12.2020 – III ZB 31/20
Keine aktive Nutzungspflicht für Ungeübte
(Quelle : Newsletter zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach, Ausgabe vom 12.02.2021): Das Fax ist ein häufig genutzter Weg, um auf konventionelle Weise Schriftsätze fristwahrend bei Gericht einzureichen (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO sowie den Beschl. des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98). Wenn nun aber ein Kollege am Tag des Fristablaufs einen Schriftsatz an ein Gericht, für das die aktive Nutzungspflicht noch nicht gilt, senden möchte und das Fax der Geschäftsstelle defekt ist, besteht dann auch schon vor dem 1.1.2022 die Verpflichtung, über das beA zu senden? Die allgemeine aktive beA-Nutzungspflicht wird ja bekanntlich erst ab dem 1.1.2022 gelten, wobei die Länder Schleswig-Holstein und Bremen durch ein sogenanntes Opt-in die aktive Nutzungspflicht für professionelle Einreicher bei Gerichten mehrerer Fachgerichtsbarkeiten vorgezogen haben (s. beA-Newsletter 34/2019 und beA-Sondernewsletter 4/2020).
Die Rechtsprechung hat sich bereits mit dieser Konstellation beschäftigt (s. beA-Newsletter 4/2020). So hat das LG Mannheim eine Pflicht des Anwalts, beim Scheitern der Faxübermittlung über das beA zu senden, verneint und ausgeführt, dass keine übersteigerten Anforderungen an das, was ein Prozessvertreter zur Fristwahrung veranlassen müsse, gestellt werden dürften. Wer sich bislang nicht mit dem Versenden von Nachrichten über beA beschäftigt habe, müsse sich nun nicht innerhalb kürzester Zeit in die aktive beA-Nutzung einarbeiten. Demgegenüber sind das OLG Dresden (Beschl. v. 29.07.2019 – 4 U 879/19 – hier abrufbar) sowie das LG Krefeld (Beschl. v. 10.09.2019 – 2 S 14/19) der Auffassung, dass angesichts der passiven beA-Nutzungspflicht der Anwalt bei fehlgeschlagenem Faxversand auf das beA umsteigen müsse. Demzufolge gewährten beide Gerichte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der BGH hat sich nun der Auffassung des LG Mannheim angeschlossen und ausgeführt, dass der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) den Gerichten verbiete, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Beschl. v. 17.12.2020 – III ZB 31/20). Die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um den Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht einzureichen, dürften nicht überspannt werden. Wenn die Ursache für die fehlgeschlagene Faxübermittlung bei einem Defekt des Faxgeräts in der Geschäftsstelle zu suchen sei, so liege der ausschlaggebende Grund für das Fristversäumnis in der Sphäre des Gerichts. Ein Anwalt, der bislang das beA nicht aktiv genutzt habe, müsse sich nicht in kürzester Zeit in das Procedere zum Versenden von Nachrichten über beA einarbeiten.
Dem Gesetzgeber war bei Einführung der aktiven beA-Nutzungspflicht bewusst, dass Fallgestaltungen auftreten können, in denen die elektronische Einreichung von Schriftsätzen aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Die Ursachen können z.B. in Störungen der Internetverbindung, des IT-Systems der Kanzlei oder auch in einem Ausfall des beA-Systems liegen. Daher ist in den Verfahrensordnungen normiert, dass in einem solchen Fall eine Einreichung nach den allgemeinen Vorschriften möglich bleibt (z.B. § 130d S. 2, 3 ZPO). Es spielt also keine Rolle, ob der Grund für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Einreichenden oder der des Gerichts zu suchen ist. Ein vorübergehender Ausfall technischer Vorrichtungen soll dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen (BT-Drucks. 17/12634, S. 27).
Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung besteht nur in Fällen einer vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung. Die professionellen Einreicher sind hierdurch nicht von der Verpflichtung entbunden, die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (BT-Drucks. 17/12634, S. 28). Zudem müssen es technische Gründe sein, aus denen die elektronische Einreichung unmöglich ist. Hiervon abzugrenzen sind Bedienfehler. Diese werden nicht als technische Störungen angesehen (BGH, Beschl. v. 17.5.2004 – II ZB 22/03 zur Einreichung per Telefax).
Wenn eine Frist näher rückt, sollten Sie die Übermittlung der Nachricht über herkömmliche Methoden wie Fax in Erwägung ziehen. Nach § 130d S. 2 und 3 ZPO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften z.B. per Telefax zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Das elektronische Dokument muss nicht erneut eingereicht werden.
Wenn eine Frist näher rückt, sollten Sie die Übermittlung der Nachricht über herkömmliche Methoden wie Fax in Erwägung ziehen. Nach § 130d S. 2 und 3 ZPO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen VorschSie müssen die vorübergehende Unmöglichkeit glaubhaft machen. Dies bedeutet, dass an die Stelle des Vollbeweises eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung tritt, die nur mittels präsenter Beweismittel getroffen werden kann (§ 294 ZPO).
Bevor Sie eine Nachricht in beA aus dem Ordner „Postausgang“ löschen, empfiehlt es sich, diese zunächst zu exportieren. Damit stellen Sie sicher, dass Sie zu einem späteren Zeitpunkt rechtlich nachweisen können, dass die Lieferung fristgerecht eingeleitet, aber mit einem Fehler beendet wurde. Die Fehlermeldung wird genau in der Protokolldatei „*Export.html“ aufgezeichnet.
Überprüfen Sie unter http://www.egvp.de/meldungen/index.php, ob der Fehler bekannt ist und wann er behoben wird. Versuchen Sie ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Übertragung über beA.Gemäß § 130d Abs. Gemäß § 2 und 3 ZPO n.F. sind herkömmliche Verfahren wie Fax zulässig, wenn die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Für die Übermittlung mit alternativen Methoden ist jedoch ein Nachweis dieser vorübergehenden Unmöglichkeit erforderlich – etwa durch Vorlage der archivierten beA-Nachricht, die im Postausgang hängengeblieben ist, zu Überprüfungszwecken.
Denkbare Mittel der Glaubhaftmachung sind:
• Belege des Internetproviders für eine Störung des Internetzugangs
• eidesstattliche Versicherung des IT-Systemadministrators der Kanzlei über Infrastrukturprobleme der IT, die genau beschrieben werden sollten
• die anwaltliche Versicherung, dass eine Störung der IT-Infrastruktur vorlag und deren Beschreibung
• die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten, dass Störungen vorlagen
• die Anfertigung von Fotos und/oder Screenshots über Fehlermeldungen oder Störungsbeschreibungen
• die Vorlage eines Ausdrucks der Störungsmeldungen der Justiz auf egvp.justiz.de/meldungen/index.php oder der Störungsdokumentation der BRAK für das beA-System auf www.brak.de/w/files/02_fuer_anwaelte/bea/bea-stoerungsdokumentation.pdf
• die schriftliche Erklärung des beA-Anwendersupports über das Vorliegen einer Störung
Zudem ist das Nichtvorliegen eines Bedienfehlers glaubhaft zu machen (BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – XI ZB 27/05 zur Übermittlung per Telefax). Für den Fall einer fehlgeschlagenen Adress-Suche in einer beA-Kanzleisoftware hat das LAG Schleswig-Holstein entschieden, dass ein konkreter Vortrag erforderlich sei, warum kein Bedienfehler vorliege. Objektive Angaben zu den Eingaben in das Programm und Glaubhaftmachungen zu den Anzeigen und Reaktionen auf der Bildschirmoberfläche seien erforderlich, um die Reaktion der Software zu belegen. Dazu läge die Erstellung von Screenshots oder anderer Dokumentationen nahe, um die Fehlerhaftigkeit der Software zu dokumentieren. Auch eine Auswertung der Metadaten des Programms sei ein mögliches Mittel zur Glaubhaftmachung, dass es sich tatsächlich um eine technische Störung und nicht um einen Bedienfehler handele (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20). Zur Glaubhaftmachung, dass es sich nicht um einen Bedienfehler handelt, dürfte auch die Versicherung gehören, dass ein erneuter Versuch ebenfalls einen Fehler produzierte.
Die Glaubhaftmachung sollte möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Jedoch sind Situationen denkbar, in denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall ist die Glaubhaftmachung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nachzuholen (BT-Drucks. 17/12634, S. 28).
Rechtsfolge einer glaubhaft gemachten, vorübergehenden technischen Unmöglichkeit ist, dass ausnahmsweise eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist. Allgemeine Vorschriften sind die Übermittlung per Post, das Einlegen in den Briefkasten, auch in den Nachtbriefkasten des Gerichts oder die Übermittlung per Telefax. Die Ersatzeinreichung ist nur für die Dauer der Störung zulässig. Ist diese behoben, muss die Einreichung auf elektronischem Wege erfolgen. Auf Anforderung des Gerichts ist der Einreichende verpflichtet, die Einreichung in elektronischer Form nachzuholen.
Die Möglichkeit zur Ersatzeinreichung ist von dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzugrenzen. Die Ersatzeinreichung gelangt nicht zur Anwendung, wenn eine Frist bereits verstrichen ist. Sie dient vielmehr zur Fristwahrung. Nach Verstreichen einer Frist kommt nur noch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in Betracht. Die Ersatzeinreichung ist besonders bei materiell-rechtlichen Verjährungs- und Ausschlussfristen interessant, da in diesen Fällen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Bei Feststehen einer vorübergehenden technischen Störung und drohendem Fristablauf sollte also schnell gehandelt und eine Ersatzeinreichung durch Übermittlung per Telefax oder Einlegen in den Nachtbriefkasten des Gerichts vorgenommen werden.
Ausführliche Erläuterungen zu den Voraussetzungen und Wirkungen der Ersatzeinreichung finden Sie auf der Seite des beA-Anwendersupports.
Der Gesetzgeber hat in den Verfahrensordnungen festgelegt, dass eine Einreichung von Schriftsätzen, Anträgen und Erklärungen im Falle einer vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung aus technischen Gründen nach den allgemeinen Vorschriften zulässig bleibt. Zulässig sind in diesem Fall insbesondere die Übermittlung per Post, das Einlegen in den (Nacht-)Briefkasten des Gerichts oder ein Telefax. Auf Anforderung des Gerichts ist die Einreichung in elektronischer Form nachzuholen.
Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung besteht nur in Fällen einer vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung. Die professionellen Einreicher sind dadurch nicht von der Notwendigkeit entbunden, die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (BT-Drucksache 17/12634, Seite 28).
Die elektronische Einreichung muss aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich sein. Dabei spielt es nach dem Willen des Gesetzgebers keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist (BT-Drucksache 17/12634, S. 27).
Technische Gründe i.S.d. § 130d S. 2 ZPO liegen nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen technischen Einrichtungen vor, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen (BGH, Beschl. v. 25.01.2023 – IV ZB 7/22).
Störungen können auch in der Sphäre der Justiz auftreten und dazu führen, dass die Einreichung technisch unmöglich ist. Sie sind insbesondere daran zu erkennen, dass Fehlermeldungen bei der Adressierung der Gerichte auftreten oder die Nachricht nicht erfolgreich gesendet werden konnte.
Tipp: Prüfen Sie immer, dass Ihre Nachricht erfolgreich versandt wurde! Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Prüfung der erfolgreichen Nachrichtenübermittlung.
Die technische Unmöglichkeit der Übermittlung einschließlich ihrer vorübergehenden Natur ist unverzüglich glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung sollte möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Jedoch sind Situationen denkbar, in denen die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall ist die Glaubhaftmachung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nachzuholen (BT-Drucksache 17/12634, S. 28).
Darauf, dass Gerichte Milde walten lassen, sollte man sich indes nicht verlassen. Denn der BGH wies darauf hin, dass ein Gericht nicht gehalten sei, die Vorschrift des § 130d S. 3 HS 1 ZPO nach ihrem Inkrafttreten während einer (weiteren) Übergangsfrist nicht oder nur „behutsam“ anzuwenden (BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – III ZB 18/22).
Der Rechtsbegriff „unverzüglich“ in § 130d S. 3 ZPO bedeutet nach der Legaldefinition „ohne schuldhaftes Zögern“ (BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – III ZB 18/22). Die Glaubhaftmachung muss zeitlich unmittelbar erfolgen. Anders als bei § 121 BGB sei der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt keine gesonderte Prüfungs- und Überlegungszeit zu gewähren, sondern die Glaubhaftmachung habe zu erfolgen, sobald Kenntnis vom Scheitern der Einreichung aus technischen Gründen bestehe und die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zu einer geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände in der Lage sei (BGH, Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22). Ist es bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht (BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22).
Tipp: Meist gibt es bereits bei der fehlgeschlagenen elektronischen Übermittlung Hinweise darauf, dass die elektronische Einreichung nicht erfolgreich war. Diese Hinweise sollten mit der Ersatzeinreichung für die Darlegung und Glaubhaftmachung genutzt werden. Gegebenenfalls können später noch Konkretisierungen erfolgen, die man sich vorbehalten sollte.
Für den Fall einer fehlgeschlagenen Adress-Suche hatte das LAG Schleswig-Holstein entschieden, dass ein konkreter Vortrag erforderlich sei, warum kein Bedienfehler vorliege (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 08.04.2021 – 1 Sa 358/20).
Zulässige Mittel der Glaubhaftmachung sind alle präsenten Beweismittel i.S.v. §§ 355 bis 455 ZPO die Versicherung an Eides statt, die anwaltliche Versicherung, schriftliche Erklärung von Zeugen, Privatgutachten, Auswertungen der Metadaten, Screenshots oder Fotos.
Leider existiert bislang keine klarstellende Rechtsprechung, wie lange Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die elektronische Einreichung versuchen müssen, bis sie auf die Ersatzeinreichung ausweichen können. Deshalb können wir Ihnen an dieser Stelle auch keine Hinweise dazu geben. Häufig sind aber die Störungsmeldungen aussagekräftig, wenn sie einen prognostizierten Endzeitpunkt angeben. Sie sollten daher im Rahmen der Ersatzeinreichung immer noch einmal kontrolliert werden, da sie häufig auch während der Störung aktualisiert werden.
Zugang zu Gericht
Oftmals ist unklar, ob ein elektronisches Dokument als wirksam beim Gericht eingegangen gilt. Sowohl der Bundesfinanzhof (BFH) als auch der Bundesgerichtshof (BGH) haben jedoch übereinstimmend festgestellt, dass dies der Fall ist, wenn das Dokument auf dem für das Gericht bestimmten Server oder beim Empfängerintermediär im Netzwerk des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs gespeichert ist (BFH, Beschluss vom 25. Mai 2022 – X B 158/21; BGH, Beschluss vom 30. November 2022 – IV ZB 17/22).
Formatfehler
Die Verwendung von WORD-Dokumenten anstelle von PDF-Dokumenten kann nach wie vor problematisch sein: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein im Jahr 2020 vor dem Arbeitsgericht Schleswig-Holstein eingereichtes WORD-Dokument als formunwirksam angesehen, selbst wenn es von der IT des Gerichts verarbeitet werden konnte (BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21). In einem anderen Rechtsstreit hingegen hat das BAG die Einreichung einer WORD-Datei als formwirksam angesehen, da in diesem Fall die Papierakte beim Gericht führend war (BAG, Beschluss vom 29. Juni 2023 – 3 AZB 3/23).
Technische Störungen und Vorrang der Ersatzeinreichung
Die Rechtsprechung legt nach wie vor enge Grenzen für § 130d Satz 2 ZPO fest: Es gilt immer, dass die vorübergehende Unmöglichkeit der Ersatzeinreichung oder deren unverzügliche Glaubhaftmachung erforderlich ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 28. Oktober 2022 – 4 U 76/22; VGH München, Beschluss vom 2. Mai 2022 – 6 ZB 22/30401). Es besteht kein Wahlrecht für den Zeitpunkt der Glaubhaftmachung (BGH, Beschluss vom 17. November 2022 – IX ZB 17/22); das Finanzgericht München hingegen hat längere Zeiträume für die Glaubhaftmachung akzeptiert (FG München, Urteil vom 26. Juni 2023 – 7 K 232/23).
Im Kern führt diese Rechtsprechung dazu, dass die Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO Vorrang hat. Der Anwalt sollte diese Möglichkeit nutzen, insbesondere wenn noch fristgerecht eine Ersatzeinreichung möglich ist (LG Berlin, Beschluss vom 6. Juni 2023 – 67 O 36/23), anstatt sich auf einen Wiedereinsetzungsantrag zu verlassen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – V ZB 11/22). Auch bei einer Cyberattacke auf die IT des Anwalts entbindet Panik nicht von der sorgfältigen und vollständigen Durchführung der Ersatzeinreichung per Fax (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Mai 2023 – 5 Sa 143/23).
Eine technische Störung muss zum Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des Dokuments einen Ausfall der elektronischen Infrastruktur bedeuten (BGH, Urteil vom 25. Mai 2023 – ZR 134/22). Bei krankheitsbedingter Abwesenheit von den Kanzleiräumen mit der dortigen beA-Ausstattung muss der Anwalt alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, damit ein vertretungsbereiter Kollege einspringen kann (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2023 – IV ZB 7/22). Eine vorübergehende Inkompatibilität von Kanzlei- und beA-Software reicht als technische Störung nur aus, wenn das Programm keine entsprechende Fehlermeldung erzeugt hat (OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2022 – 9 UF 438/22).
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist die letzte Möglichkeit für Anwälte, wenn eine rechtzeitige Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO nicht möglich ist (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – V ZB 11/22). Es gibt jedoch einige Fallstricke zu beachten:
Klarheit und Beherrschung des beA sind von großer Bedeutung für Anwälte, da Gerichte die Nutzung rigoros durchsetzen. Anwälte müssen ihre Technik ständig überwachen, Störungen dokumentieren und bei Übermittlungsproblemen schnell handeln. Die Ersatzeinreichung mit unverzüglicher Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit nach § 130d ZPO ist die beste Alternative und verdrängt bei technischen Problemen den traditionellen Wiedereinsetzungsantrag.
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