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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Leitfäden | Themen > Thema | Unterhalt > System > Grundschema > Bedarf
Auf der zweiten Prüfungsebene zum Unterhaltsanspruch kommt die Frage nach dem Unterhaltsbedarf des Unterhaltsgläubigers, d.h. nach der möglichen Höhe des Unterhaltsanspruchs. Das Gesetz verlangt, dass sich die Höhe des Unterhaltsbedarfs an der individuellen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten oder an den ehelichen Lebensverhältnissen auszurichten hat.
Es gibt keinen generellen Pauschalbedarf, der mit einem allgemein gültigen Betrag X festgelegt ist (Ausnahme: Pauschal-Satz zum Bedarf für Studenten). Der Bedarf wird stets für jeden Unterhaltsgläubiger individuell nach Maßgabe seiner Lebensstellung & Lebensverhältnisse ermittelt. Mit keinem Wort erklärt das Gesetz, was die individuelle “Lebensstellung” oder die individuellen “Lebensverhältnisse” sind und wie diese monetär bestimmt werden sollen, um letztendlich die Antwort auf die Frage zu bekommen: “Welches Geld braucht der Unterhaltsgläubiger zum Leben?”. Die Entwicklung der Bedarfsgrundsätze wurde der Rechtsprechung überlassen. Diese benutzt so weit wie möglich das unterhaltsrelevante Einkommen als Indikator, um die Lebensstellung bzw. Lebensverhältnisse zu erfassen und danach zu bemessen.
Die Lebensstellung des Unterhaltsgläubigers zeigt sich primär in seinem Einkommen, mit dem er seinen Lebensstandard aufgebaut hat und seine Lebenshaltungskosten und seinen Haushalt finanziert. Diese Kosten bilden den sog. angemessenen Bedarf. Wenn das Einkommen die Lebensstellung nicht mehr realistisch abbilden kann, greifen alternative Indikatoren (> alternative Indikatoren).
Die Rechtsprechung hat für die Bedarfsbestimmung beim Verwandtenunterhalt und beim Unterhalt wegen Geburt des Kindes (angemessener Unterhalt: § 1610 Abs.1 BGB) völlig andere Grundsätze entwickelt als beim Ehegattenunterhalt (Trennungsunterhalt & nachehelicher Unterhalt) nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Damit lässt sich ein Dualismus der Bedarfsermittlung erkennen.
Im Unterhaltsverfahren steht der Unterhaltsgläubiger vor dem Problem, seinen Unterhaltsbedarf darzulegen und zu beweisen. Er trägt dafür die Beweislast. Kann er das nicht, so muss er überlegen, ob er dazu seine Auskunftsansprüche aktiviert oder ein Unterhaltsverfahren ohne Auskunft anstrebt.
Den Gesetzeswortlaut “Maß” können Sie ebenso gut durch das Wort “Bedarf“ ersetzen. Mit ‘Maß” ist Bedarf gemeint und umgekehrt.
(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).
(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf , bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.
Ein Ehegatte kann von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen.
(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen . Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.
(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.
(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.
BGH, Urteil v. 6.10.2010 – XII ZR 202/08 Begriffs-Dualismus bei der Bedarfsermittlung
(Zitat) “Das Maß (Bedarf) des nachehelichen Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Damit unterscheidet sich der nacheheliche Unterhalt grundlegend von dem Verwandtenunterhalt und dem Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB, bei denen sich das Maß des Unterhalts gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt) bestimmt.”
Anmerkung: Die Frage nach dem Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten wird beim Ehegatten anders beantwortet, als beim Bedarf des Verwandten. Ursache dafür ist ein im Gesetz angelegter Begriffs-Dualismus. Beim Ehegattenunterhalt sind Bedarfsmaßstab die sog. “ehelichen Lebensverhältnisse” (§§ 1361, 1578 BGB). Beim Verwandtenunterhalt spricht der Gesetzgeber von der “Lebensstellung” des Bedürftigen” (§ 1610 Abs.1 BGB) zeigt sich im Unterschied der Bedarfsermittlungsmethode beim Kindes- und Kinderbetreuungsunterhalt im Gegensatz zur Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt?
Der Unterhaltsbedarf eines Kindes bestimmt sich nach dessen Lebensstellung (§ 1610 BGB). Geht es um den Unterhaltsbedarf kinderbetreuender Eltern verweist § 1615l Abs.3 BGB auf die Vorschrift des § 1610 BGB. Da Kinder kein eigenes Einkommen haben, aus dem sich Rückschlüsse für ihre reale Lebensstellung ergeben, wird zur Feststellung der Lebensstellung das Einkommen der barunterhaltspflichtigen Eltern abgestellt (BGH, Urteil vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03).
» BEDARFSERMITTLUNG
beim Kindesunterhalt nach Lebensstellung des Kindes
» BEDARFSERMITTLUNG
beim Betreuungsunterhalt nach Lebensstellung des kinderbetreuenden Elternteils
BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 – XII ZR 343/99
Ehelichen Lebensverhältnisse nach Maßgabe des nachhaltig erzielten Einkommens der Ehegatten bis zur Scheidung
(Zitat) “Nach den bislang vom Senat zur Ausfüllung dieses Rechtsbegriffs entwickelten Grundsätzen werden die ehelichen Lebensverhältnisse im Wesentlichen durch die bis zur Scheidung nachhaltig erzielten tatsächlichen Einkünfte der Ehegatten bestimmt, soweit sie dazu vorgesehen waren, den laufenden Lebensunterhalt zu decken.”
Anmerkung: Die individuelle Lebensstellung des bedürftigen Ehegatten (“eheliche Lebensverhältnisse“: § 1578 BGB) ist beim Ehegattenunterhalt geprägt vom Gesamteinkommen der Ehepartner. Auch im Steuerrecht zeigt sich dieses Prinzip durch die gemeinsame Steuerveranlagung der Ehegatten. Weiter wird die Bedarfsermittlung vom sog. Halbteilungsgrundsatz beherrscht. Abgestellt wird grundsätzlich auf das > reale Gesamteinkommen der Ehegatten bis zur Rechtskraft der Scheidung. Fiktives Einkommen prägt den Bedarf in der Regel nicht. Man könnte meinen, die ehelichen Lebensverhältnisse können sich nach der Scheidung nicht mehr verändern, weil dafür die Grundlage (= Bestand einer Ehe) fehlt. Folge davon wäre, dass der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen letztmalig zum Stichtag der Ehescheidung festgestellt werden und danach keine Veränderung mehr erfahren kann. Das ist allerdings nicht korrekt. Schwindet im Verlauf der nachehelichen Phase die nacheheliche Solidarität – insbesondere wenn ehebedingte Nachteile für den Unterhaltsgläubiger nicht festzustellen sind – erlaubt § 1578b BGB eine Herabsetzung des Bedarfs auf den angemessenen Bedarf wie beim Verwandtenunterhalt oder letztendlich eine Befristung der Unterhaltspflicht.
Die gesetzlichen Vorschriften zum Unterhaltsbedarf fordern eine individuelle Bedarfsermittlung nach Maßgabe der Lebensstellung oder Lebensverhältnisse des Unterhaltsgläubigers. Woran lässt sich diese wiederum erkennen? Unterhalt bezweckt die Sicherung des künftigen und laufenden Lebensunterhalts des Unterhaltsgläubigers. Unterhalt dient dem Lebensunterhalt (Konsum) und nicht der Vermögensbildung (Sparen). Da der laufende Lebensunterhalt in aller Regel über laufendes Einkommen finanziert wird, ist in der Regel das unterhaltsrelevante Einkommen der Indikator der Lebensstellung oder Lebensverhältnisse (> Unterhalt & Einkommen).
Je nach Art des Unterhaltsanspruchs (Verwandtenunterhalt oder Ehegattenunterhalt) wird der jeweilige Unterhaltsbedarf durch das unterhaltsrelevante Einkommen des Unterhaltsschuldners, des Unterhaltsgläubigers oder aller Beteiligten bestimmt
Art des Unterhaltsanspruchs | Bedarf | ||
> Kindesunterhalt | Kind ohne eigener Lebensstellung | minderjährig | Nach Maßgabe des unterhaltsrelevanten > Einkommens des barunterhaltspflichtigen Elternteils |
volljährig | Nach Maßgabe der unterhaltsrelevanten > Einkommen beider Elternteile | ||
Kind mit eigener Lebensstellung | Nach Maßgabe von > Pauschalsätzen | ||
Ehegattenunterhalt bis zur Scheidung > Trennungsunterhalt | Eheliche Lebensverhältnisse – Eheliche Solidaritätsgemeinschaft – Halbteilungsgrundsatz | Nach Maßgabe der unterhaltsrelevanten > Einkommen beider Ehegatten | |
Ehegattenunterhalt nach Scheidung> nachehelicher Unterhalt | Eheliche Lebensverhältnisse – Nacheheliche Solidarität | Nach Maßgabe der unterhaltsrelevanten > Einkommen beider Ehegatten | |
Wegfall der nachehelichen Solidarität Ausgleich ehebedingter Nachteile Herabsetzung des Bedarfs nach § 1578 b BGB | Unterhalt nach Maßgabe des unterhaltsrelevanten > Einkommens des bedürftigen Ehegatten |
Zwar ist das unterhaltsrelevante Einkommen Hauptindikator der Lebensstellung & Lebensverhältnisse. Allerdings sind Fall-Varianten möglich, bei denen das Einkommen nicht in der Lage ist, diese Funktion zu erfüllen. Dann wird auf > alternative Indikatoren zurückgegriffen.
Die > Indikatorwirkung des Einkommens versagt, wenn dem Unterhaltsgläubiger kein > Einkommen zugerechnet werden kann, das zumindest ein Leben auf dem Existenzminimum finanziert. In diesem Fall ist Indikator der Lebensstellung nicht das zurechenbare Einkommen, sondern das > Existenzminimum.
Die > Indikatorwirkung des Einkommens versagt weiter, wenn es so hoch ist, dass es nicht ausschließlich für den Lebensunterhalt verbraucht wird (> Konsum), sondern zum Teil der Vermögensbildung dient. Dieser Grundsatz gilt für die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt.
> mehr
Vorhandenes > Vermögen (= Vermögensstamm) gilt grundsätzlich nicht als Indikator der Lebensstellung. Es wird erst bedeutsam, wenn es um die > Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers oder der > Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners geht. Dass der regelmäßige Lebensunterhalt über eine > Vermögensverwertung bestritten wird, kann als extremer Ausnahmefall eingestuft werden (AG München – 527 F 2587/14, unser Az.: 456/13). Vermögenserträge sind allerdings steuerliche Einkünfte und somit wiederum > unterhaltsrelevantes Einkommen (Erlös aus privatem Immobilienverkauf, unser Az.: 25/ 22).
Bei Unterhaltsverhältnissen mit Auslandsbezug spielt für die Bedarfsermittlung die Kaufkraft des Euro im Ausland eine Rolle. Mit anderen Worten: der Bedarf wird von der sog. Verbrauchergeldparität beeinflusst. Wie in solchen Fällen der Bedarf bestimmt wird, erfahren Sie
> hier .
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