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Das Wohl des Kindes spielt eine entscheidende Rolle bei gerichtlichen Entscheidungen, insbesondere in Fällen, die das Kind betreffen. Oberstes Ziel ist es, das Wohl und die Interessen des Kindes zu schützen und zu fördern. Wenn ein Gericht über Angelegenheiten wie Sorgerecht, Umgangsrecht oder Adoption entscheidet, wird das Kindeswohl als Leitprinzip herangezogen.
Hier sind einige Punkte, die die Bedeutung des Kindeswohls für gerichtliche Entscheidungen verdeutlichen:
Wir bieten Ihnen die Rechtsberatung, die Sie brauchen, damit Sie für sich selbst eintreten und sicherstellen können, dass Ihre Kinder bestmöglich betreut werden. Wir wissen, wie komplex das Familienrecht ist, und setzen uns dafür ein, dass Sie das Kindschaftsverfahren erfolgreich abschließen. Es geht nicht nur darum, zu entscheiden, was das Beste ist, sondern auch darum, sicherzustellen, dass alle beteiligten Parteien einander verstehen und eine faire Lösung finden, die die Bedürfnisse der Kinder in den Vordergrund stellt. Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf und lassen Sie uns Ihnen dabei helfen, den richtigen Weg für Ihr Kind einzuschlagen.
Verstehen Sie, wie das Kindeswohlprinzip in Kindschaftsverfahren angewendet wird und was die rechtlichen Kriterien dafür sind.
| Wegweiser zum Kindswohlprinzip
BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 1 BvR 374/09
Kindeswohl & gescheiterte Elternverantwortung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 33) „In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).“
Anmerkung:
Die rechtlichen Kriterien zum Begriff „Kindeswohl“ werden in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs verwendet. „Entscheidungsleitendes rechtliches Kriterium des Kindeswohls ist darüber hinaus das im GG verankerte Erziehungsziel der selbständigen und eigenverantwortlichen, zu sozialem Zusammenleben fähigen Persönlichkeit (BVerfG FamRZ 2008, 1737) (…) Diesem Kriterium sind alle anderen Maßstäbe untergeordnet“ (Coester, 2009, 147). „Speziell bei Kindern, die sich erst auf dem Weg zu eigenverantwortlichen Personen befinden, spielen Ansprüche auf chancengleiche und anlagegerechte Entfaltung eine besondere Rolle. Zwar ist thematisch hierfür Art. 6 GG einschlägig, der in seinem Gesamtzusammenhang mehr als jede andere Vorschrift des Grundgesetzes dem Schutz künftiger Generationen dient, in dem Ehe und Familie als Fundament und besondere Verantwortungsinstanz der Kindesentwicklung sowohl geschützt als auch in die Pflicht genommen werden, doch bleibt auch für Art. 2 Abs.1 GG Gewährleistungsraum, mitunter auch im Sinne einer Rechtfertigung für Eingriffe in Art. 6 GG (Di Fabio, 2001, 201). Das Grundrecht des Art.1, Abs.2 GG auf Persönlichkeitsentfaltung, Fürsorge und Schutz ist somit als Kindesrecht Maßstab für gesetzgeberische Regelungen und das maßgebliche Kriterium für das Kindeswohl und kann über die damit korrespondierende elterliche Erziehungseignung operationalisiert werden (Coester, 2005, 60). Die weiteren Kriterien können ebenso als rechtlich abgesichert angesehen werden:
Weiterhin werden die Kindeswohlkriterien auch bei Westhoff & Kluck (2013) zur Erstellung von psychologischen Gutachten als Anforderungsprofil genannt, auf das hin die psychologisch-diagnostischen Fragen, die entsprechenden Datenerhebungen und Schlussfolgerungen auszurichten sind (Westhoff & Kluck 2013, 48). Auch bei Salzgeber (2011) werde diese Kriterien verwendet (Salzgeber, 2011, 378-526) und der Sachverständige wird dort angehalten zur Ausfüllung des Kindeswohlbegriffs keine alltagstheoretische und persönlich motivierten Vorstellungen heranzuziehen, sondern sozialwissenschaftliche Erkenntnisse anzuwenden, die aber nicht statisch sind (Salzgeber, 2011, 12). „Neben dem emotionalen, psychologischen Bereich umfasst der juristische Kindeswohlbegriff auch den körperlich-physischen Bereich, ferner auch Pädagogisches — auch Achtung von Rechtsstaatlichkeit – Ethisches und Religiöses, nicht zuletzt den sozio-ökonomischen Bereich” (Salzgeber, 2011, 11). Die Kindeswohlklausel ist keine Gesamtverweisung auf außerrechtliches Aussagematerial, sondern als Anweisung an den Richter zu verstehen, unter Beachtung des maßgeblichen Erfahrungswissens vom Kind die sozialen Lebensverhältnisse, zu rechtschöpferischer Gestaltung zu ordnen (Coester, 1983, 164). In der Rechtsprechung, in der Rechtswissenschaft (z.B. Maier, 2013) und der rechtspsychologischen Literatur werden die von Coester (1983, 2009) genannten Kindeswohlkriterien durchgängig angewendet und je nach Bedarf und des Untersuchungsgegenstandes durch Erkenntnisse der Psychologie, der Pädagogik, der Sozialwissenschaften, der Humanwissenschaften operationalisiert und differenzierter ausgestaltet (z. B. Westhoff & Kluck, 2013, 48; Salzgeber, 2011, 378-526; Salzgeber & Fichtner, 2012, 225-230; Westhoff, Terlinden-Arzt, Klüber, 2000, 29, 32-79, 203-211). Die Inhalte, die zur Ausfüllung des Rechtsbegriffs herangezogen werden, müssen dabei rechtlicher Betrachtungsweise standhalten. Die inhaltliche Ausfüllung der Kindeswohlkriterien hat sich in den letzten Jahrzehnten relativ unsystematisch und vor allem bezüglich der Sorgerechtsregelung nach Trennung oder Scheidung herausgebildet (Zitelmann, 2007, 149).
Soweit nichts anderes bestimmt ist , trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
§ 1697a BGB unterwirft einen gesamten Titel des BGB (5. Titel: Sorgerecht , des 2. Abschnitts: Verwandtschaft; Teil dieses 5. Titel ist auch das Umgangsrecht (§ 1684 BGB) dem Kindeswohlprinzip. Daran hat sich jede gerichtliche Entscheidung letzendlich auszurichten. Mit anderen Worten: Die gerichtliche Entscheidung, die dem Wohl der Kinder am besten entspricht, ist die richtige Entscheidung.
Der Maßstab /was dem Kindeswohl am “besten” entspricht gilt nur dann, wenn keine anderweitige gesetzliche Eingriffsschwelle zu beachten ist.
Coester stellte im Jahr 1983 und 2009 mit umfassenden wissenschaftlichen Arbeiten rechtliche Kriterien zum Kindeswohl auf, die zwischenzeitlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (verfassungsrechtlicher Maßstab) und kinderpsychologischen Literatur (kinderpsychologischer Maßstab) annerkannt sind. Sie sind Argumentationsgrundlage, die bei jeder gerichtlichen Einzelfall-Entscheidung zum Sorge- und Umgangsrecht in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind. Gestritten wird in der Praxis nicht um die Anerkennung der rechtlichen Kriterien, sondern um die Intensität und das Gewicht der jeweiligen Kriterien in der tatrichterlichen Gesamtabwägung. Der Kindeswohlbegriff kann als Generalklausel gesehen werden, die das generelle Regelungsmuster insbesondere in zwei Richtungen offenhalten will: ,,Gegenüber den Besonderheiten des Einzelfalls und den sich wandelnden Anschauungen über die Bedürfnisse von Kindern in bestimmten Krisensituationen” ( Coester, 1986, 39). Im Ergebnis ist damit der Begriff Kindeswohl formbar, manipulierbar, dehnbar, nebulös, politisch nach allen Richtungen offen.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.01.2013 – 6 UF 20/13
Kriterien der Kindeswohl
Anmerkung:
Im Rahmen einer gerichtlich festzulegenden Umgangsregelung ist nach § 1697a BGB diejenige Entscheidung zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Letztlich wiederholt sich – fast gebetsmühlenartig – was Coestner an Kindeswohlkriterien in seiner Habilitationsschrift als rechtliches Handwerkszeug herausgearbeitet hat:
Das Förderprinzip umfasst im Wesentlichen die elterliche Erziehungseignung zur Unterstützung des Aufbaus der Persönlichkeit des Kindes (BGHZ, 3, 52; NJW, 1981, 217). Dabei sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
Die Qualität der jeweiligen Eltern-Kind-Beziehung und die Bindungen des Kindes zu beiden zu beiden Eltern und anderen Bezugspersonen.
Kontinuität und Stabilität von Erziehungsverhältnissen.
Als Wille wird rechtspsychologisch die „altersgemäß stabile und autonome Ausrichtung des Kindes auf erstrebte, persönlich bedeutsame Zielzustände“ verstanden (Dettenborn 2021).
Bedeutung: Dem Recht des Kindes auf Einbeziehung, Selbstbestimmung, Meinungsäußerung und der Subjektstellung des Kindes ist Rechnung zu getragen (gem. Art. 12 der UN-KRK). Der Erhebung des kindlichen Willens kommt im familiengerichtlichen Verfahren eine große Bedeutung zu. Der Wille des Kindes ist in Kindschaftssachen stets zu beachten und gründlich zu erforschen, auch wenn er z. B. bei einem Kleinkind schwer zu ergründen ist.
Die persönliche Anhörung des Kindes als Instrument der Erhebung des kindlichen Willens hat in Deutschland eine über 40jährige Tradition. Die Neufassung des § 159 FamFG (Kindesanhörung) hat die Bedeutung noch einmal gestärkt. Ob sich Familienrichter im Rahmen einer Kindesanhörung ausreichend Zeit dafür nehmen oder nehmen können, um das mit ihrer Juristenausbildung oder Lebenserfahrung beurteilen zu können, sei mal dahingestellt. Sie werden jedenfalls damit in der Begründung ihrer Beschlüsse (beeindruckend intellektuell) argumentieren. Die betroffenen Kinder werden davon wohl kaum etwas verstehen. Doch darum geht es nicht. Es geht um Legalisierung von hoheitlichen Entscheidungen, die getroffen werden müssen, weil die gemeinsame Elternverantwortung versagt hat und dieses Versagen und Belassen der Kinder in dieser Situation ein noch größeres Übel darstellt.
Im Rahmen der Kindeswohlprüfung spielen zwei Funktionen eine Rolle, wenn es um den Willen des Kindes geht: Zum einen drückt er die emotionalen Bindungen aus, die das Kind zu bestimmten Personen hat, und zum anderen dient er ab einem bestimmten Alter als Ausdruck der Selbstbestimmung (BVerfG FamRZ 2021, 1201 Rn. 18). Mit zunehmendem Alter gewinnt der zweite Aspekt an Bedeutung, besonders wenn beide Eltern eine ähnliche Erziehungsfähigkeit haben (BVerfG FamRZ 2015, 1093 (1094)).
Wie aber ist zu verstehen, was das Kind in der Kindesanhörung geäußert hat? Was drückt das Kind aus? Ist das eine autonome Willensäußerung? Ab wann kann ein Kind einen Willen entwickeln und äußern? Ist der Wille beeinflusst, manipuliert oder gar selbstgefährdend? Ist er zu berücksichtigen oder läuft er den eigentlichen Bedürfnissen und dem Kindeswohl zuwider?
OLG Köln, Beschluss vom 28.03.2019 – 10 UF 18/19
Kriterium Kindeswille
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 12 ff) “Beachtlichkeit des Kindeswillens bedeutet nicht, dass Entscheidungskompetenz und -verantwortung auf das Kind “abgewälzt” werden. Der geäußerte Kindeswille bleibt ein Gesichtspunkt im Rahmen des übergeordneten Entscheidungsmaßstabs des Kindeswohles, also des “wohlverstandenen Kindesinteresses” (BGH, Beschl. v. 28.04.2010 – XII ZB 81/09, FamRZ 2010, 1060; Staudinger/Coester (2016), § 1671, Rn. 234). Demgemäß muss stets die Verträglichkeit der vom Kind gewünschten Lösung mit seinem “Wohl” geprüft werden (BVerfG, Beschl. v. 08.03.2005 – 1 BvR 1986/04, FamRZ 2005,1057, (1058); BVerfG FamRZ 2007, 1797 (1798)). Der Kindeswille allein ist daher kein Grund, das gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufzuheben, wenn nicht noch objektive Gründe des Kindeswohls dafür sprechen (OLG Schleswig, Beschl. v. 03.01.2012 – 10 WF 263/11, FamRZ 2012, 1066). Umgekehrt können die “ wohlverstandenen Kindesinteressen ” es aber auch rechtfertigen, von einem grundsätzlich nachvollziehbaren Kindeswillen abzuweichen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 07.02.1996 – 6 UF 510/94, FamRZ 1996, 1096).
Im Übrigen kann – wie auch vorliegend – das Gewicht des Kindeswillens im Einzelfall sehr verschieden sein. Hierbei scheint dem Senat zunächst von Bedeutung, dass B offenbar im Nachgang zur Trennung der Eltern “Partei” zugunsten der Kindesmutter hat ergreifen wollen, was ihre Ablehnung gegenüber dem Vater möglichweise eher (mit)erklären mag als die von der Kindesmutter angeführte “Ungleichbehandlung” beider Kinder durch den Vater. Ursache und Wirkung scheinen hier nicht klar trennbar.
Ebenso maßgebend für den Senat ist, dass – bei konstanter Kontaktverweigerung seit der Trennung – B durchaus wechselhafte Positionen zur (hiervon zu trennenden) Frage der elterlichen Sorge eingenommen hat, was sich in den Stellungnahmen von Jugendamt und Verfahrensbeistand und schließlich in der Kindesanhörung selbst zeigt. Hiernach wurde zunächst konstatiert, dass sie zwar den Kontakt ablehne, aber konkrete Beispiele für Sorgerechtskonflikte nicht habe benennen können (Bericht des Jugendamts Bl. 28 d.A.), sodann, dass die Kinder der Sorge weitgehend offen bis gleichgültig (sei “ ihnen egal “, Bericht des Verfahrensbeistands Bl. 31 d.A.) gegenüberstünden, schließlich – in der Anhörung – dass sie (ohne weitere Begründung) das alleinige Sorgerecht der Mutter wünsche (Bl. 46 r. d.A.).
Ein solcherart schwankender, unentschlossener Wille hat indes weniger entscheidungsleitende Bedeutung – er ist regelmäßig Ausdruck von Loyalitätskonflikten und innerer Hin- und Hergerissenheit des Kindes (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 20.08.2007 – 13 UF 166/07, FamRZ 2008, 2301 (2302); OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.04.2008 – 9 UF 191/07, FamRZ 2008, 1474 (1476); OLG Köln, Beschl. v. 28.08.2008 – 4 UF 102/08, FamRZ 2009, 434; OLG Thüringen,Beschl. v. 21.02.2011 – 1 UF 273/10, FamRZ 2011, 1070 (1071); OLG München, Beschl. v. 17.10.2011 – 2 UF 990/11, FamRZ 2012, 1062 (1063)), ein Umstand, der auch vorliegend nicht von der Hand zu weisen sein dürfte.
Der Senat verkennt nicht, dass der geäußerte Kindeswille der bereits 13 Jahre alten B als ein Akt der Selbstbestimmung der zur Selbständigkeit erzogenen und strebenden Person in Sorgerechtsentscheidungen weitgehend zu berücksichtigen ist, soweit dies mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist (vgl. OLG München, Beschl. v. 27.09.2006 – 4 UF 270/06, FamRZ 2007, 753 (754)), und bei Nichtberücksichtigung des Kindeswillens auch zu beachten ist, ob nicht das Kind in der Entwicklung seiner Persönlichkeit bereits so weit fortgeschritten ist, dass eine seinem Willen zuwiderlaufende Entscheidung eine Gefährdung seiner Entwicklung bedeuten könnte (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2009 – 2 UF 63/09, FamRZ 2009, 1763). Vorliegend indes bezieht sich der Kindeswille maßgebend auf die Ablehnung persönlicher(Umgangs–)Kontakte zum Vater. Spezielle, gegen die Mitausübung der elterlichen Sorge gerichtete Einwände (mit Ausnahme des generellen und aus der Ablehnung persönlicher Kontakte wurzelnden Wunsches, der Vater möge nichts über sie erfahren) hat B nicht vorgebracht. Mit dem Amtsgericht ist daher für den Senat von Bedeutung, dass die gemeinsame Sorge jedenfalls aktuell nicht zu Entscheidungen von solcher Bandbreite zwingt, dass ein Eltern- oder Kindeskonflikt bereits virulent wäre. Entsprechend haben auch Verfahrensbeistand und – in zweiter Instanz erneut – das Jugendamt das Aufrechterhalten der gemeinsamen Sorge der Eltern befürwortet.
BGH, Beschluss vom 28.04.2010 – XII ZB 81/09
Kindeswille – Kriterium des Kindeswohls und Maßstab für Gestaltung von Kindschaftsverfahren (Mexiko-Entscheidung)
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 31 ff): “[…] Der vom Kind geäußerte Wille hat bei kleineren Kindern vornehmlich Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078 Tz. 12, 18; FamRZ 2008, 1737, 1738; Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 – IVb ZB 66/88 – FamRZ 1990, 392, 393), ist mit zunehmendem Alter jedoch auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam (§ 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB; BVerfG FamRZ 2007, 105, 106; FamRZ 2008, 1737, 1738). Der Kindeswille ist nur insoweit zu berücksichtigen, als er dem Kindeswohl entspricht (BVerfG FamRZ 1981, 124, 126 f. und FamRZ 2008, 1737, 1738). Schließlich ist in tatsächlicher Hinsicht in Rechnung zu stellen, dass ein durch einen Elternteil maßgeblich beeinflusster Kindeswille nicht beachtlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 – IVb ZB 73/83 – FamRZ 1985, 169, 170). Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung eines Verfahrenspflegers vor.
Anmerkung:
Die sog. “Mexiko-Entscheidung” des BGH ist ein lehrbuchmäßiger Leitfaden für die rechtlichen Rahmenbedingungen zur legalen Auswanderung mit Kind gegen den Willen des anderen mitsorgeberechtigten Elternteils. Darüber hinaus enthält die Entscheidung eine systematische Zusammenfassung, wie der Kindeswille als rechtliches Kindeswohlkritium seine Wirkung für Entscheidungen in Kindschaftsverfahren entfaltet. Der BGH hatte mit der Mexiko-Entscheidung das OLG München aufgehoben, weil nicht sämtliche Mitglieder des Senats an der Kindesanhörung teilgenommen hatten.
Ab welchem Alter kann ein Kind einen autonomen Willen bilden?
Fazit: Auf jeder Altersstufe gibt es entwicklungsspezifische „Störquellen“, die die autonome Willensbildung beeinflussen. Willensäußerungen als Ausdruck der Bewältigungsmöglichkeiten auf der Stufe der Entwicklung verstehen.
BGH, Beschluss vom 27.11.2019 – XII ZB 512/18
Zum nicht autonom gebildeten Kindeswillen
Leitsätze:
Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses begehrende Elternteiles an der notwendigen Loyalität gegenüber dem anderen Elternteil fehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden Elternteil beeinflusst ist.
Zusammenfassung:
Wille drückt nicht nur Bedürfnisse und Ziele, sondern alters- und entwicklungsspezifische Bewältigungsmöglichkeiten des Kindes in seiner Lebenssituation aus.
Umgangsverfahren
Durchsetzung des Umgangsrechts
Sorgerechtsverfahren
zur Übertragung des Sorgerechts
Unterbleibt die gesetzlich vorgeschriebene Kindesanhörung, so leidet eine darauf basierene Gerichtsentscheidung an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Bei dagegen eingereichte Beschwerde wird das Beschwerdegericht die Sache an die erste Instanz zurückverweisen (OLG München, Beschluss vom 30.03.2021 – 26 UF 82/21). Wann und wie anlässlich eines Kindschaftssache das Familiengericht die Kinder persönlich anzuhören hat, regelt § 159 FamFG.
Gesetzestext:
(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.
(2) Von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach Absatz 1 kann das Gericht nur absehen, wenn
1. ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt,
2. das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun,
3. die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind und eine persönliche Anhörung auch nicht aus anderen Gründen angezeigt ist oder
4. das Verfahren ausschließlich das Vermögen des Kindes betrifft und eine persönliche Anhörung nach der Art der Angelegenheit nicht angezeigt ist.
Satz 1 Nummer 3 ist in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die die Person des Kindes betreffen, nicht anzuwenden. Das Gericht hat sich in diesen Verfahren einen persönlichen Eindruck von dem Kind auch dann zu verschaffen, wenn das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun.
(3) Sieht das Gericht davon ab, das Kind persönlich anzuhören oder sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Anhörung oder die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.
(4) Das Kind soll über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in dessen Anwesenheit stattfinden. Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.
Anmerkung:
Ulrike Sachenbacher, Kindesanhörung, FF 2022, S 343 ff (Zitat): “Auch wenn so mancher Familienrichter und so manche Familienrichterin an Amts- und Oberlandesgerichten Zweifel darüber äußert, ob zum Beispiel der Blick auf ein schlafendes Baby in einem Kinderwagen vor dem Sitzungszimmer aussagekräftig für das Verfahren ist oder ob Kinder mehrfach durch die Instanzen anzuhören sind, so hat sich doch jede/r an diese zwingende gesetzliche Regelung zu halten.”
Je nach Entwicklungsstand des Kindes werden individuelle Anforderungen an eine kindeswohlgerechte Anhörung gestellt. Man differenziert in der Regeln nach Kindern ab 5 Jahren, ab 9 Jahren und ab ab 13 Jahren.
BVerfG, Beschluss vom 5.6.2019 – 1 BVR 679/19
Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Kindesanhörung – Informationsrecht der Eltern
Leitsatz:
Es ist verfassungsrechtlich in der Regel nicht zu beanstanden, wenn das Familiengericht das Kind in Abwesenheit der Eltern anhört und den Eltern auch nicht ermöglicht, die Anhörung im Wege der Videoübertragung mitzuverfolgen. Den Anforderungen des rechtlichen Gehörs genügt es, wenn der Inhalt der Kindesanhörung aktenkundig gemacht und den Eltern mitgeteilt wird.
BGH, Beschluss vom 31.10.2018 – XII ZB 411/18
Anhörung von Kleinkindern im Umgangsverfahren
Leitsatz:
Auch ein erst vierjähriges Kind ist in einem Umgangsrechtsverfahren grundsätzlich von dem Gericht persönlich anzuhören. Ausnahmsweise darf das Gericht von der Anhörung des Kindes aus schwerwiegenden Gründen absehen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Anhörung des Kindes zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen oder seelischen Gesundheit führen würde.
Anmerkung:
Ulrike Sachenbacher, Kindesanhörung, in: FF 2022, 343 ff (Zitat): “Auch wenn so mancher Familienrichter und so manche Familienrichterin an Amts- und Oberlandesgerichten Zweifel darüber äußert, ob zum Beispiel der Blick auf ein schlafendes Baby in einem Kinderwagen vor dem Sitzungszimmer aussagekräftig für das Verfahren ist oder ob Kinder mehrfach durch die Instanzen anzuhören sind, so hat sich doch jede/r an diese zwingende gesetzliche Regelung zu halten.”
Die Gestaltung der persönlichen Anhörung steht gemäß § 159 Abs.4 S.4 FamFG im Ermessen des Gerichts. § 159 Abs.4 S.1 bis 3 FamFG macht lediglich gewisse Vorgaben. Das Kind soll in geeigneter Weise über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens informiert werden, soweit dadurch kein Schaden für sein Wohl zu befürchten ist (§ 159 Abs.4 S.1 FamFG). Daher sollte der Richter zu Beginn der Anhörung – nach einer Zeit der Eingewöhnung – dem Kind in verständlicher Sprache erklären, warum die Anhörung stattfindet und worüber der Anhörende (nicht das Kind!) zu entscheiden hat. Nach § 159 Abs.4 S.2 FamFG muss dem Kind Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Ein bloßes Beobachten des Kindes im Sitzungssaal (BayObLG FamRZ 1997, 223; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 915) ist keine Anhörung. Aus § 159 Abs.4 S.2 FamFG folgt auch, dass das Kind sich nicht äußern muss und es dazu auch nicht gezwungen werden sollte. Schließlich soll nach § 159 Abs.4 S.3 FamFG der Verfahrensbeistand an der Anhörung teilnehmen, falls ein solcher bestellt wurde. Verzichtet er auf seine Teilnahme, kann die Anhörung rechtsfehlerfrei auch ohne den Verfahrensbeistand stattfinden, da keine Pflicht zur Teilnahme besteht (OLG Naumburg v. 18.10.2011 – 8 UF 204/11). Die Anwesenheit des Verfahrensbeistands soll dem Kind helfen, die für es ungewohnte und möglicherweise als bedrohlich empfundene Anhörungssituation zu meistern und sich den Fragen des Gerichts zu öffnen (Rechtsausschuss BT-Drucks. 16/9733, 367). Im Übrigen steht die Gestaltung der Anhörung im Ermessen des Gerichts (§ 159 Abs.4 S.4 FamFG). Dadurch soll einer Einflussnahme von Verfahrensbeteiligten auf die Gestaltung der Anhörung entgegengewirkt werden (Amtl. Begründung BT-Drucks. 16/6308, 240). Insbes. entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen, das sich in erster Linie am Wohl des Kindes auszurichten hat,
Verbindliche Regeln, wie eine Anhörung am besten durchzuführen ist, lassen sich nicht aufstellen. Dies bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, vor allem dem Gegenstand des Verfahrens und dem Entwicklungsstand des Kindes. Je älter das anzuhörende Kind ist, umso mehr kann die Anhörung wie bei einer erwachsenen Person erfolgen.
Gemäß § 159 Abs. 3 S. 1 FamFG kann aus schwerwiegenden Gründen von der persönlichen Anhörung des Kindes abgesehen werden. Eine mögliche psychische Belastung des Kindes durch die Anhörung vor Gericht ist nach dem Diktum des BGH, Beschluss vom 31.10.2018 – XII ZB 411/18 gegen Vorteile, die diese Art der Sachaufklärung bietet, abzuwägen.
Ein Verfahrensbeistand zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes muss danach immer dann bestellt werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Eltern die Interessen des Kindes aus dem Blick verlieren, also insbesondere bei hochstreitiger Elternbeziehung. Wenn dies missachtet wird, droht auf die Beschwerde hin die Aufhebung und – bei entsprechendem Antrag – die Zurückverweisung (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.6.2019 – 9 UF 49/18).
Um schließlich eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen, kann es insbesondere bei Entscheidungen von großer Tragweite ferner erforderlich sein, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen, das etwa zur Qualität der Bindungen des Kindes zu beiden Elternteilen und zu den in Betracht kommenden familiengerichtlichen Maßnahmen näheren Aufschluss geben kann (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1897, 1899).
Bevor ein Familiengericht die Übertragung der vollen Alleinsorge auf einen Elternteil beschließt, muss es wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes immer prüfen, ob als milderes Mittel zum Eingriff in das durch Art. 6 Abs.2 GG geschützte Elternrecht ein nur teilweise Übertragung des Sorgerechts oder nur eine Entscheidung für den Einzelfall nach § 1628 BGB in Bezug auf eine Meinungsverschiedenheit im Einzelfall in Frage kommt. Letzteres wäre z.B. bei einem Elternstreit um den Besuch der (richtigen) Schule. Erst wenn Eltern dieser Verantwortung offensichtlich nicht gerecht werden können, müssen Familienrichter in Kindschaftssachen zu (Ersatz-)Pädagogen werden und nach den rechtlichen Kriterien des Kindeswohlprinzips in das Sorgerecht der Eltern eingreifen.
In jedem Kindschaftsverfahren ist genau darauf zu achten, welche Eingriffsschwelle gesetzlich festgelegt ist:
Eingriffsschwelle: Positives Kindeswohl | |
§§ 1671 Abs.1, und Abs.2 BGB, §§ 1685 Abs.1, 1686a Abs.1, 1697a BGB | „… dem Wohl des Kindes am besten entspricht …“ bzw. „… dem Wohl des Kindes dient …“ |
§§ 1618 S.4, 1629 Abs.1 S.4, 1631b S.2, 1684 Abs.4 S.1, 1687 Abs.2 BGB | „…, wenn (soweit) … zum Wohl des Kindes erforderlich (notwendig) …“ |
Eingriffsschwelle: Negatives Kindeswohl | |
§§ 1626a Abs.2, 1671 Abs.2 Nr.1 BGB, §§ 1671 Abs.3 S.2, 1678 Abs.2, 1680 Abs.2, 1681 Abs.2, 1686, 1686a Abs.1 Nr.2 BGB | „…, wenn … dem Kindeswohl nicht widerspricht …“ |
§§ 1666 Abs.1, 1684 Abs.4 S.2 BGB | „… das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes … gefährdet …“ |
Abänderungsfälle | |
§ 1696 Abs.2 BGB | „…, wenn … zur Abwendung einer Kindeswohl gefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich …“ |
§ 1696 Abs.1 BGB | „…, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.“ |
OLG München, NJW 2000, 368,
Zum Begriff: Kindeswohl am besten entspricht
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Im Übrigen kann den Parteien zugemutet werden, alle Anstrengungen zu unternehmen, in wichtigen Sorgerechtsangelegenheiten zu einer Einigung mit dem anderen Elternteil zu gelangen, auch wenn dies den Parteien nach der Trennung möglicherweise schwer fällt. Solange nicht ausreichend sicher feststeht, dass solche Anstrengungen erfolglos geblieben sind und erfolglos bleiben müssen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht.”
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28.8.2019 – 4 UF 189/19
Zum Begriff: Kindeswohlgefährdung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Eine ein staatliches Eingreifen rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls ist daher erst dann gegeben, wenn bei weiterer unbeeinflusster Entwicklung der gegebenen Umstände der Eintritt eines Schadens oder die Verfestigung eines bereits eingetretenen Schadens im Sinne einer Störung der Entwicklung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist (vgl. BVerfG FamRZ 2017, 524 = NZFam 2017, 261 mAnm Keuter; BGH FamRZ 1956, 350 = NJW 1956, 1434; OLG Hamm FamRZ 2006, 359 = BeckRS 2006, 6867). Eine solche Störung ist dann anzunehmen, wenn die Entwicklung des Kindes von seiner unter Beachtung der milieubedingten Gegebenheiten als normal zur erwartenden Entwicklung nachhaltig zum Nachteil des Kindes abweicht, insbesondere also bei körperlicher oder emotionaler Vernachlässigung oder Verwahrlosung, bei wiederholten körperlichen Übergriffen gegen das Kind oder in seiner Gegenwart oder bei Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die Folge eines Erziehungsunvermögens der Eltern sind. Die bloße Möglichkeit des Eintritts entsprechender Entwicklungsstörungen im Falle eines nicht auszuschließenden Verhaltens der Eltern reicht für einen staatlichen Eingriff in die elterliche Sorge nicht aus. Vielmehr setzt ein solcher Eingriff das Bestehen einer konkreten, gegenwärtigen Gefährdungslage voraus, in der der Schadenseintritt – wie dargestellt – mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist, wobei der heranzuziehende Prognosemaßstab großzügiger zu bemessen ist, je gravierender der zu befürchtende Schaden ist (OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1557 = BeckRS 2008, 4886).
BGH, Beschluss vom 23.11.2016 – XII ZB 149/16
Zum Begriff: Kindeswohlgefährdung – Verhältnismäßigkeit
Leitsätze:
Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Die auch teilweise Entziehung der elterlichen Sorge ist daher nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 XII ZB 247/11 FamRZ 2012, 99)”.
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