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Kanzlei für Familienrecht > Infothek zum Familienrecht > Verfahren in Familiensachen > Kindschaftssachen 

Trennung und Scheidung
Was geschieht mit den Kindern?


Eine Trennung ist meist für alle Beteiligten eine hohe Herausforderung und Belastung für die Nerven. Die Lösung liegt hier im strukturierten und schrittweisen Abarbeiten der Problemfelder. Für Kinder bedeutet Trennung ein “emotionales Drama”, dem sie machtlos gegenüber stehen. Sie verdienen daher besonderen Schutz. Die Eltern haben nun zu entscheiden: “Wer bekommt die Kinder?” & “Wer entscheidet künftig über Angelegenheiten, die das Kind betreffen?

Elternvereinbarung

Geht es um Entscheidungen, die das Wohl und Belange der Kinder betreffen, haben Eltern vorrangig solche Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen. Verfahrensvorschriften zu den Kindschaftssachen sind darauf angelegt, in jeder Situation den Abschluss von Elternvereinbarungen zu fördern.

| Leitfaden zur Elternvereinbarung

Kindschaftssachen

Finden Eltern auf Fragen, die wesentliche Belange der Kinder betreffen, keine gemeinsame Antwort, wird der Streit vornehmlich vor den Familiengerichten weiter ausgetragen. Verfahren wegen Elternkonflikten werden Kindschaftssachen genannt (§ 151 FamFG). Der Leitfaden zu den Elternkonflikten zeigt einen Überblick über die möglichen Problemfelder für Eltern vor dem Familiengericht

| Wegweiser Kindschaftssachen

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Trennung
mit Kindern


Eine Trennung ist meist für alle Beteiligten eine hohe Herausforderung und Belastung für die Nerven. Die Lösung liegt hier im strukturierten und schrittweisen Abarbeiten der Problemfelder. Für Kinder bedeutet Trennung ein “emotionales Drama”, dem sie machtlos gegenüber stehen. Sie verdienen daher besonderen Schutz. Die Eltern haben nun zu entscheiden: “Wer bekommt die Kinder?” & “Wer entscheidet künftig über Angelegenheiten, die das Kind betreffen?” Kinder werden zu Trennungskindern & Scheidungskindern mit entsprechender Vorbelastung für ihre weitere Entwicklung. Die emotionale Überwindung des Zerfalls des gewohnten Familienverbunds dauert erfahrungsgemäß für die Eltern bis zu zwei Jahren. Bei Trennungskindern & Scheidungskindern dauert dies wesentlich länger oder hört nie auf. Kinder leiden, wenn „Mama“ und „Papa“ sich trennen.

Weiterführende Links:
» Erste Hilfe bei Trennung


Eltern
im rechtlichen Sinn


Wird vor Gericht ein Elternkonflikt um Angelegenheiten, die das Kind betreffen, ausgetragen, geht es um Kindschaftssachen (§ 151 FamFG). Voraussetzung ist stets, dass Vater und Mutter auch “Eltern” im rechtlichen Sinne sind. Der gesetzliche Vater (§ 1592 BGB) ist nicht immer zugleich der leibliche Vater. Gesetzliche Väter, die Zweifel an ihrer leiblichen Vaterschaft haben, müssen zunächst einmal klären, ob sie tatsächlich “Elternteil” sind.

Weiterführende Links:
» Der gesetzliche Vater
» Rechte des leiblichen Vaters


Rechtsfragen
bei Trennung der Eltern


Aus Anlass der Trennung geht es in der Praxis bei Kindschaftssachen häufig um folgende Themen:

Streit
um Sorgerecht


Eine Trennung gibt Anlass, über die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts nachzudenken. Anlass für Sorgerechtsstreitigkeiten ist ein Elternkonflikt bei Entscheidungen in Angelegenheiten, die das Kind betreffen. Nach Scheitern der Elternbeziehung wird hier oft erbittert gestritten. Es geht um den Entzug des Elternrechts auf Mitbestimmung über Belange des Kindes von erheblicher Bedeutung. Richter sollen die Rolle von Ersatzpädagogen übernehmen. Hoheitliche Eingriffe nach Maßgabe der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) in das Sorgerecht haben sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu orientieren. Es sind hohe Hürden zu nehmen, damit am Ende ein Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts zum Erfolg führt. Ob Sorgerechtsverfahren im Sinne (Interesse) der Kinder stattfinden und immer sachlich gerechtfertigt sind, mag bezweifelt werden, vor allem wenn “Machtspiele” im Vordergrund stehen. Der Streit um das Sorgerecht fördert jedenfalls die Eltern-Kind-Beziehung nicht.
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FAQ


Streit
um Umgang mit dem Kind


Bevor Familiengerichte in das Umgangsrecht der Eltern mit einem Umgangsbeschluss eingreifen, gilt auch hier das vorherrschende Prinzip, dass der Elternkonflikt primär mit einer einvernehmlichen Elternvereinbarung erledigt werden soll.


FAQ


Ersatzpädagogen und Streithähne

Wenn Richter
zu Pädagogen werden



Wenn Richter zu Pädagogen werden:

Werden Kindschaftssachen (§§ 151ff. FamFG) vor den Familiengerichten ausgetragen haben, die Gerichte in jedem Verfahrensabschnitt auf ein Einvernehmen der Eltern hinzuwirken (§ 156 FamFG). Auch hier wird im Verhandlungstermin das Jugendamt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Problematik angehört (§ 162 FamFG). Man stellt damit die Elternverantwortung in den Vordergrund. Eltern sollen Ihre Probleme – insbesondere die Regelungen im Interesse ihrer Kinder – nicht einfach bei Gericht abladen. Diese Vorstellung liegt dem Cochemer Modell zu Grunde. Erst wenn sich abzeichnet, dass Eltern nicht fähig sind, eine gemeinsame Elternverantwortung zu leben, gefährdet dies das Kindeswohl. Wer den Elternkonflikt nicht für das Kind erträglich gestaltet, muss – so wenig wünschenswert er ist – mit einem staatlichen Eingriff rechnen. Die Anforderungen lässt Familienrichter zu Ersatzpädagogen an Stelle der Eltern werden. Manchmal sind die – rechtlich eingefärbt – pädagogischen Leistungen nicht das, was die Eltern erwarten. Das kostet nicht nur Nerven und Geld, sondern am Ende wird die Psyche der Kinder aufgerieben, die in schädliche Spannungssituationen zwischen die Eltern geraten. Die meisten Kinder lieben beide Eltern und haben unausgesprochene Schuldgefühle, wenn sich die Eltern um sie streiten. Beim Rosenkrieg wird oft das Recht des Kindes auf Liebe zu beiden Elternteile vergessen oder bewusst ignoriert. Eltern von Trennungskindern – Scheidungskindern sollten deshalb einen Rosenkrieg ums Kind vermeiden. Am Ende des Rosenkriegs steht oft ein “Pyrrhussieg“.

Mangelhafte Grundkenntnisse der Psychologie:

Der Gesetzgeber hat die mangelhafte pädagogische Ausbildung der Familienrichter erkannt. Um den Schutz der Kinder zu gewährleisten, gehören zu den in § 23b Abs. 3 S. 2 GVG mit Wirkung ab dem 1.1.2022 erforderlichen fachspezifischen Qualitätsanforderungen für Familienrichterinnen und -richter auch belegbare Grundkenntnisse der Psychologie, insbesondere der Entwicklungspsychologie des Kindes, sowie der Kommunikation mit Kindern. Verfahrensbeistände müssen Kenntnisse der Entwicklungspsychologie des Kindes nachweisen und über kindgerechte Gesprächstechniken verfügen. es wird schon seit Jahren angeprangert, dass Richtern in Kindschaftssachen die notwendigen Grundkenntnisse der Kinderpsychologie fehlen. Auch der neue § 23b Abs.3 S.3 ff ist nur zaghaft formuliert. Zumindest wird von der Vorschrift erwartet, dass Kurse auf Instituten für Richterfortbildung besucht werden. Doch wann sind „Grundkenntnisse“ vorhanden und belegt?  Und wann sind Fortbildungsbemühungen „alsbald“ und ausreichend belegt? Ich sehe in dieser Vorschrift nichts „Handfestes“ womit man arbeiten und irgendwelche Ansprüche für den Rechtssuchenden ableiten könnte. Aus unserer Sicht eine vollkommen misslungene Vorschrift. Ob mit dieser Vorschrift in der Praxis der Familiengerichte ein Fortbildungsschub der Justiz in Richtung Psychologie stattfindet, bleibt abzuwarten. Da wir im Umfeld menschlicher Konflikte arbeiten, werden wir ohne Beschäftigung mit der menschlichen Psyche nicht wirklich erfolgreich sein. Wir betreten das Feld der Konfliktbearbeitung und Konfliktforschung. Das wiederum verschreckt viele Juristen, die es gewohnt sind, ihren Beruf und Ihre Welt ausschließlich rational zu erfassen. Wir sind davon überzeugt, dass dies in Zukunft nicht mehr reichen wird. „Kennzeichen nicht nur der deutschen Anwaltschaft war und ist – das hat der ehemalige DAV-Präsident Ludwig Koch schon vor Jahrzehnten zu Recht kritisiert – ihr unglaubliches Beharrungsvermögen an Althergebrachtem”. § 23b Abs.3 S.3 GVG ist eine Folge der Grundhaltung von Juristen gegenüber dem Feld der Psychologie. Die Vorschrift ist einfach nichts, mit dem sich rechtlich oder anwaltlich arbeiten lässt. Es ist ein zaghafter Versuch des Gesetzgebers in die richtige Richtung.

Weiterführende Links:
» Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Handreichung für Richter:innen für eine kindgerechte Justiz

Wenn Anwälte
zu “Streithähnen” für die Eltern werden



Fälle, in denen Eltern um die gemeinsamen Kinder streiten, sind meist von sehr starken Emotionen begleitet. Dies stellt auch den Anwalt vor besondere Herausforderungen. Der Mandant erwartet, dass der Anwalt die starken Emotionen gegen den anderen Elternteil teilt, insbesondere in Fällen, in denen die Konflikte zwischen den Eltern sehr groß sind. In den Richtlinien des Münchner Modells heißt es, dass der Antrag in Kindschaftsverfahren im Wesentlichen die eigene Position darstellen soll und herabsetzende Äußerungen über den anderen Elternteil zu unterlassen sind. Im Gerichtstermin haben die Beteiligten ausreichend Gelegenheit, ihre Standpunkte darzustellen. Schriftliche Stellungnahmen sind während des gesamten Verfahrens nicht erforderlich und sollten möglichst unterbleiben.

Die Praxis zeigt jedoch auch, dass viele Eltern bei den Konflikten mit dem Partner nicht in der Lage sind, die Elternebene von der Paar-Ebene zu trennen. Die negativen Erfahrungen und Gefühle gegenüber dem Ehepartner werden dann auf die Kinder bzw. auf das Verhältnis des anderen Elternteils mit den Kindern übertragen. Nicht selten bestehen Mandanten darauf, dass bestimmte Vorwürfe gegen den anderen Elternteil niedergeschrieben werden und damit in der Akte sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon der gegnerische Rechtsanwalt in seinem Schriftsatz diverse Vorwürfe gegen den Mandanten erhoben hat. Als Anwalt sieht man sich dann schon fast gezwungen, auf die teils sehr scharfen Schriftsätze der Kollegen entsprechend zu erwidern. Dies wird von den eigenen Mandaten auch so erwartet, Sätze wie: ,,Das müssen sie aber auch noch schreiben!” sind keine Seltenheit. Seitenlange Schriftsätze von Anwälten und ein Beschluss durch das Gericht sind jedoch nicht die richtigen Mittel, um Konflikte um die Kinder zu lösen. Wirklich zum Kindeswohl handeln Eltern nur dann, wenn sie eine einvernehmliche Lösung finden. Dies sollten auch die Anwälte im Familienrecht berücksichtigen und ihren Mandanten erklären. Familienanwälte wahren die Interessen ihres Mandanten am besten, wenn sie aktiv an einer einvernehmlichen Konfliktlösung mitarbeiten. Kurze und sachliche Schriftsätze, die kontinuierliche Beratung durch spezielle Beratungsstellen sowie nicht zuletzt die Bereitschaft der Eltern ist hierfür Grundvoraussetzung.

Kindschaftssachen

Konfliktlösung
außergerichtlich | gerichtlich


Vielen Eltern gelingt es trotz guten Willens nicht, allein zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen. In vielen Fällen ist eine Entspannung der schwierigen Situation nach einer Trennung nur durch die Einbeziehung und Vermittlung Dritter möglich. Bevor Gerichte zum Wohl des Kindes mit ihren rechtlichen Instrumenten in die Elternverantwortung eingreifen, werden die Eltern ermuntert, außergerichtlich einvernehmliche Lösungen zu suchen, die idealer Weise in einer Elternvereinbarung münden. Dafür obliegt es den Eltern, Erziehungsberatungsstellen (freie Jugendhilfe: § 3 SGB VIII) aufzusuchen, Elternkurse zu besuchen (vgl. z.B. das Kursprogramm „Kinder im Blick“ der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und das gesetzliche Angebot der Jugendämter (öffentliche Jugendhilfe) nach Maßgabe der  Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) zu nutzen.

Lässt sich der Konflikt nicht außergerichtlich klären, muss das Familiengericht eine Entscheidung treffen. Zuerst wird das Familiengericht in einem Termin, der gemäß § 155 FamFG spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll, selbst auf eine Einigung der Eltern hinwirken, aber auch auf die Möglichkeiten außergerichtlicher Unterstützungsangebote hinweisen. Einigen sich die Eltern im Termin nicht, sind aber zu einer außergerichtlichen Konfliktregelung bereit, wird das Gericht das Verfahren zunächst aussetzen, um eine Beratung,  Vermittlung oder Mediation zu ermöglichen, in denen beide Eltern ihre jeweilige Sicht zu dem bestehenden Konflikt darstellen und über Lösungsmöglichkeiten verhandeln können. Das Familiengericht kann nach § 156 Abs.1 FamFG auch anordnen, dass die Eltern sich über diese Vermittlungsangebote einzeln oder gemeinsam informieren oder an einer Beratung teilnehmen. Wird das Verfahren ausgesetzt, prüft das Gericht gemäß § 156 Abs.3 FamFG, ob eine vorläufige Regelung erfolgen soll. Kommt es im laufenden gerichtlichen Verfahren auf dem Wege einer Beratung oder Vermittlung durch die Jugendhilfe oder einer Mediation zu einer Einigung, so sollte das Ergebnis dem Familiengericht mitgeteilt werden, das diesen Vergleich dann in der Regel billigt (§ 156 Abs.2 FamFG).

Bei erheblichen Differenzen zwischen den Eltern kann für das Kind gemäß § 158 FamFG ein Verfahrensbeistand eingesetzt werden, der neben den Eltern die Interessen des Kindes in den Mittelpunkt des Verfahrens stellen soll. Nicht zuletzt kann das Gericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben, auch mit der erweiterten Aufgabenstellung , gemäß § 163 Abs.2 FamFG auf Einvernehmen hinzuwirken. Wenn es zu erheblichen Konflikten bei der Durchführung einer Umgangsregelung kommt, kann es auch einen Umgangspfleger gemäß § 1684 Abs.3 BGB einsetzen, der dem Kind, aber auch den Eltern, hilft, die gerichtliche Umgangsregelung durchzusetzen. 

In jeder Phase des Verfahrens wird das Gericht aber alle Möglichkeiten nutzen, um die Autonomie der Eltern wieder herzustellen. Erst wenn alle Möglichkeiten einer außergerichtlichen Konfliktlösung ausgeschöpft sind und zu keinem Erfolg geführt haben, wird das Gericht den Fall entscheiden.


Gemeinsame Elternverantwortung


Immer dann, wenn es im Familienrecht um Trennungskinder & Scheidungskinder geht, wird man dem Prinzip begegnen, dass zunächst die Eltern gemeinsam ihre Elternverantwortung wahrnehmen müssen. Eltern, die nicht alle Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung ausschöpfen, haben keinen Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe. Das Familienrecht betont damit den Vorrang der Elternverantwortung vor gerichtlicher Eingriffsbefugnis in das Elternrecht. Das führt zum Auftrag für die Eltern, eine Elternvereinbarung zum Wohl der Kinder zu finden.

Weiterführende Links:
» Elternvereinbarung im Interesse der Kinder


Kindeswohl


Erst wenn sich abzeichnet, dass trotz aller zumutbarer Anstrengungen – u.U. mit Vermittlung der öffentlichen und freien Jugendhilfe – die Eltern nicht in der Lage sind, ihre gemeinsame Elternverantwortung wahrzunehmen, werden die Gerichte zum Wohl der Trennungs- & Scheidungskinder eingreifen und müssen an Stelle der Eltern eine am Kindeswohl orientierte gerichtliche Entscheidung treffen.

Weiterführende Links:
» Was bedeutet “Kindeswohl” im rechtlichen Sinn?
» Die Bedeutung des Kindeswohls in Kindschaftssachen – § 1679a BGB


Vorrang- und Beschleunigungsgebots (§ 155 FamFG)


In gerichtlichen Verfahren, die Fragen des Sorge- und Umgangsrechts zum Gegenstand haben, geht es für alle Verfahrensbeteiligten naturgemäß um besonders bedeutende, die weitere Zukunft maßgeblich beeinflussende Entscheidungen, die in der Regel auch unmittelbaren Einfluss auf die persönlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern nehmen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 961, 962). In Verfahren, die das Verhältnis einer Person zu ihrem Kind betreffen, obliegt den Gerichten daher eine besondere Förderungspflicht, weil immer die Gefahr besteht, dass allein der fortschreitende Zeitablauf irrepa-rable Folgen für das Verhältnis zwischen dem Kind und den Eltern haben und zu einer faktischen Entscheidung der Sache führen kann. Insbesondere bei kleinen Kindern ist die Gefahr irreparabler Folgen durch fortschreitenden Zeitablauf be-sonders groß. Denn kleine Kinder empfinden bezogen auf objektive Zeitspannen den Verlust der Bezugsperson – anders als ältere Kinder oder gar Erwachsene – schneller als endgültig. In diesen Fällen schreitet die Gefahr der Entfremdung, die für das Verfahren Fakten schaffen kann, mit jeder Verfahrensverzögerung fort, so dass die Möglichkeiten einer Zusammenführung schwinden und letztendlich zunichte gemacht werden können, wenn Eltern und Kind sich nicht sehen dürfen. Bei sehr kleinen Kindern besteht deshalb eine Verpflichtung zur “größt-möglichen Beschleunigung” des Verfahrens (vgl. Senat, Urteil vom 13. März 2014 – III ZR 91/13, NJW 2014, 1816 Rn. 41; s. auch BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2001, 961, 962; EGMR, NJW 2006, 2241 Rn. 100 – Süss/Deutschland; Urteil vom 12. Juli 2007 – 39741/02, juris Rn. 44 – N./Deutschland; FamRZ 2011, 1283 Rn. 45 – Kuppinger I/Deutschland und NJW 2015, 1433 Rn. 102, 138 – Kuppinger II/Deutschland; BT-Drucks. 17/3802, S. 18).

Gesetzliches Vorrang- und Beschleunigungsgebot:

Demgemäß gilt für Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie für Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls nach § 155 Abs. 1 FamFG ein gesetzliches Vorrang- und Beschleunigungsgebot. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt zudem in Verfahren, die das Sorge- und Umgangsrecht betreffen, neben der Pflicht, in angemessener Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen (Art. 6 Abs. 1 EMRK), das Recht einer jeden Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK) als zusätzlicher Prüfungsmaßstab in Betracht. Der Gerichtshof verlangt deshalb bei Verfahren, in denen die Dauer deutliche Auswirkungen auf das Familienleben hat, zur effektiven Rüge der Verfahrensdauer im Sinne des Art. 13 EMRK einen Rechtsbehelf, der zugleich präventiv ist und Wiedergutmachung ermöglicht (EGMR, NJW 2015, 1433 Rn. 137 – Kuppinger II/Deutschland).

Rechtsmittel zur Verfahrensbeschleunigung:

In Umsetzung dieser Rechtsprechung hat der deutsche Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des FamFG sowie zur Änderung des SGG, der VwGO, der FGO und des GKG vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2222) die Bestimmungen der §§ 155b und 155c in das FamFG eingefügt. Nach § 155b Abs. 1 Satz 1 FamFG kann ein Beteiligter in einer Kindschaftssache des § 155 Abs. 1 FamFG durch eine Beschleunigungsrüge, die gemäß § 155b Abs. 3 FamFG zugleich als Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG gilt, geltend machen, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG entspricht. Anders als bei der Verzögerungsrüge muss das Ausgangsgericht spätestens innerhalb eines Monats über die Beschleunigungsrüge durch Beschluss entscheiden. Dieser kann nach § 155c FamFG innerhalb einer Frist von zwei Wochen mit der Beschleunigungsbeschwerde angefochten werden.

Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren:


Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Kindschaftssachen - Streit der Eltern um die Kinder 2

OLG Koblenz. Beschluss vom 17.10.2019 – 1 EK 1/19
15.000 Euro Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer im Umgangsverfahren 


Beteiligungen
am gerichtlichen Verfahren



Beteiligung
des Kindes


Die Berücksichtigung des Kindeswillen ist eines der Kindeswohlkriterien und somit ein Entscheidungsmaßstab in jedem Kindschaftsverfahren. Wann und wie Kinder am Verfahren beteiligt werden
MEHR

Weiterführende Links:
» Die gerichtliche Anhörung des Kindes gem. § 159 FamFG 
» Deutsches Kinderhilfswerk e.V.: Kindgerechte Justiz
» Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Handreichung für Richter:innen für eine kindgerechte Justiz
» Bublath/Kannegießer/Salzgeber, Hinweise für das Gespräch mit dem Kind im familienrechtlichen Verfahren, in: NZFam 2021, 477
» Der Verfahrensbeistand (§ 158 FamFG)


Beteiligung
des Jugendamts


Gem. § 162 FamFG sind an allen Kinschaftsverfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt unverzüglich anzuhören. Eine unterbliebene Anhörung ist zwingend nachzuholen. In Verfahren nach § 1666 und § 1666a BGB (Kindeswohlgefährdung ) ist das Jugendamt zwingend zu beteiligen. Nicht selten ist das Jugendamt bereits vor dem Kindschaftsverfahren mit der Kindschaftssache befasst. Entweder, weil ein Elternteil das Jugendamt um Vermittlung gebeten hat und Hilfe wollte, oder Dritte (z.B. Lehrer, Kindergarten, Hort, Nachbarn, sonstige Familienmitglieder etc.) auf Missstände, die das Kind betreffen, hingewiesen haben.


Beteiligung
weiterer (psychologischer) Professionen 


  • Der Verfahrensbeistand | MEHR
  • Die Kinderpsychologen | MEHR


Folgesache
anlässlich der Scheidung


Kindschaftssachen sind meist Verfahren, die bereits anlässlich der Trennung und nicht ers im Scheidungsverfahren bei Gericht anhängig werden. Denn das Konfliktpotential entsteht mit der Trennung und nicht erst nach Ablauf des ersten Trennungsjahres. Nicht immer wollen Eltern bereits vor Einleitung des Scheidungsverfahrens zusätzliche Gerichtsverfahren vom Zaun brechen, wenn es nicht unbedingt notwendig erscheint. Kindschaftssachen können auch als Folgesachen zusammen mit der Scheidung geregelt werden. Ausnahmsweise können Kindschaftssachen noch im Scheidungstermin als Folgesache anhängig gemacht werden.


Eilverfahren


In Kindschaftssachen sind einstweilige Anordnungen ein beliebter Rechtsbehelf, um Eilentscheidungen des Familiengerichts zu erreichen. Es muss ein dringendes Bedürfnis nach sofortigem Tätigwerden bestehen (§ 49 Abs.1 FamFG). Das ist nur der Fall, wenn ein dringendes Regelungsbedürfnis besteht und ein Abwarten bis zur Entscheidung im Hauptverfahren wegen akuter Gefahr für das Kindeswohl nicht möglich ist. Die akute Kindeswohlgefährdung muss substantiiert dargelegt und und eidesstattlich versichert (vgl. § 294 Abs.1 ZPO) , d.h. glaubhaft gemacht werden (§ 51 Abs. 1 S.2 FamFG). Obwohl alle Kindschaftssachen dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG unterliegen, kommen Entscheidungen der Familiengerichte für den betroffenen Eltern viel zu zäh und langsam. Doch selbst ein einstweiliges Anordnungsverfahren wird selten zum Erfolg führen und Abhilfe verschaffen, wenn nicht dargelegt und glaubhaft (§ 51 Abs.1 S.2 FamFG) gemacht werden kann, dass zur Abwendung eines irreversiblen Gefährdung des Kindeswohls ein gerichtliches Einschreiten im Wege eines Eilverfahrens dringend erforderlich ist. Doch auch der Gesetzgeber fordert bei Kindeswohlgefährdung (§ 157 FamFG) oder bei Aufenthalts- und Umgangsregelungen (§ 156 Abs.3 FamFG) ein Einschreiten der Familiengerichte mit einstweiliger Anordnung. Einstweilige Anordnungen können ohne mündliche Verhandlung (§ 51 Abs.2 S.2 FamFG) erlassen werden.

Weiterführende Links und Literatur:
» Wache, Einstweilige Anordnung, in: NZFam 2021, 53 (56)
» Gerichtlicher Sorgerechtsentzug ohne Kindesanhörung und Gutachten – Ein Justizskandal
» Eilentscheidung zum Umgang zu Weihnachten und in den Sommerferien 
» Einstweilige Anordnung im Sorgerechtsverfahren (Aufenthaltsbestimmungsrecht)
» Einstweilige Anordnung zur Wohnungszuweisung zum Wohl der Kinder > hier


Rechtsmittel gegen einstweilige Anordnung:

Anders als in Familienstreitsachen (§ 112 Ziff.1 FamFG) kann gegen einstweilige Anordnungen in Kindschaftssachen (§ 151 FamFG) eine Beschwerde zum OLG (Rechtsmittel: § > 57 FamFG) erfolgen, wenn die einstweilige Anordnung nach mündlicher Verhandlung erlassen wurde (§ 57 S.2 FamFG). Weiter ist zu beachten, dass die Rechtsmittelfrist nur 2 Wochen beträgt (63 Abs.2 FamFG). Und nicht – wie sonst üblich – ein Monat (§ 63 Abs.1 FamFG).

Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Kindschaftssachen - Streit der Eltern um die Kinder 2

OLG Nürnberg vom 09.07.2019 – 9 UF 517/19 (intern vorhanden, unser Az.: 601/18)
Rechtsmittelfrist gegen einstweilige Anordnung in Kindschaftssachen


(Zitat) “Die Antragsgegnerin ist auch beschwerdeberechtigt (§ 59 FamFG). § 61 FamFG ist nicht anzuwenden. Allerdings scheitert die Zulässigkeit des Rechtsmittels an der Verfristung. Nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beträgt die Beschwerdeeinlegungsfrist im Verfahren der einstweiligen Anordnung zwei Wochen. Diese wurde nicht gewahrt. […] Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der falschen Rechtsbehelfsbelehrung des Familiengerichts Amberg im Beschluss vom 11.04.2019. Zwar ist zutreffend, dass dort der Hinweis auf die Beschwerde mit einer Einlegungsfrist von 1 Monat gegeben wurde. Eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung führt aber nicht zur Verlängerung der gesetzlich bestimmten Rechtsmittelfristen (BGH NJW-RR 2004, 408).”


Literatur


  • Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung,
    herausgegeben von Deutscher Kinderschutzbund e.V
  • Christopher Schmidt, Kinder in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in: NZFam 2021, 390
  • Anja Kannegießer: Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht, in: NZFam 2019, 804
  • Anna Prinz/Ursula Gresser, Macht Kontaktabbruch zu den leiblichen Eltern Kinder krank?, in: NZFam 2015, 989
  • Petri H., zur entwicklungspsychologischen Bedeutung des Umgangs mit beiden Eltern, in: Deutsches Ärzteblatt 2007, S. 412ff.
  • Wettig, J., Eltern-Kind-Bindung: Kindheit bestimmt das Leben, in Deutsches Ärtzeblatt 2006, S. 455ff.
  • Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. „Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung“
  • Walper, Krey, Bröhning, Vortrag im Rahmen der Fachtagung „Arbeit mit Hochkonfliktfamilien als Prävention von Kindeswohlgefährdung?“
  • Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) e.V., “ Das familiengerichtliche Verfahren bei Trennung und Scheidung und bei Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung 
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