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Wird das gemeinsame Sorgerecht bei Trennung oder Scheidung aufgehoben?


Das Wichtigste in Kürze

  1. Gemeinsames Sorgerecht: Nach § 1687 Abs.1 S.1 BGB haben die Eltern das Recht und die Pflicht, eine gemeinsame Entscheidung in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind zu treffen. Für ein gemeinsames Sorgerecht ist Einigungsfähigkeit und Kompromissbereitschaft unabdingbar. Diese kann bei Trennung oder Scheidung sehr stark reduziert sein.
  2. Sorgerechtsverfahren: Finden die Eltern keine Einigung, kann dies Anlass sein, mithilfe des Familiengerichts in den Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts einzugreifen. Haben sich die Eltern getrennt, ist für den Eingriff des Familiengerichts die Ermächtigungsgrundlage § 1671 Abs.1 BGB.
  3. Kindeswohl: Ist zu erwarten, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern unüberwindbar sind, hat das Familiengericht die gemeinsame Sorge aufzuheben und auf einen Elternteil allein zu übertragen, wenn diese Entscheidung dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
  4. Kein Anwaltszwang: Um ein Kindschaftsverfahren einzuleiten, brauchen Sie keinen Anwalt. Damit Sie nicht Gefahr laufen, Ihr Sorgerecht leichtfertig zu verlieren, wird dringend empfohlen, einen erfahrenen Anwalt einzuschalten.
  • Rechtlicher Leitfaden

    zur Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts anlässlich Trennung der ElternHolen Sie sich mehr Wissen zu den Voraussetzungen und das Verfahren zur Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts und Übertragung auf einen Elternteil allein.
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Trennung
Anlass für Sorgerechtsstreit?

Wenn Eltern sich trennen ist die Rollenverteilung bei Kinderbetreuung neu zu organisieren. Doch eine Trennung ändert nichts daran, dass man Eltern bleibt und ändert nichts am Fortbestand der gemeinsamen Elternverantwortung. Bevor man sich mit einem > Sorgerechtsverfahren auf einen Rosenkrieg einlässt, sollte man sich klarmachen, welche Elternrechte mit dem Sorgerecht verbunden sind. Im alltäglichen Umgang mit dem Kind spielt das gemeinsame Sorgerecht keine herausragende Rolle. Viel wichtiger für die emotionale Bindung zum Kind ist das Umgangsrecht . Oft ist es die bessere Taktik auf den Streit um das alleinige Sorgerecht zu verzichten und für eine wirklich kindgerechte und vollstreckungsfähige Umgangsregelung zu kämpfen. Der Vorwurf und am Ende die Feststellung, man sei nicht erziehungsfähig, ist hart und belastet die Beziehung zum Kind. Deshalb sollte im Vorfeld stets gut überlegt werden, ob der Weg in die “Schlammschacht” um “Machtspiele” notwendig und sinnvoll ist. Die Verschiebung der Sorgerechtsverhältnisse zwischen den Eltern ist veranlasst, wenn es den Eltern nicht gelingt, die Eltern-Kinder-Ebene emotional losgelöst von der gescheiterten Paar-Ebene zu pflegen und damit ein negativer Einfluss auf das Kindeswohl droht. Die Aggression auf die Gesamtumstände kann eine totale Verweigerungshaltung gegenüber dem anderen Elternteil und damit ein Sorgerechtsverfahren gegen den renitenten Elternteil auslösen, weil keine gemeinsamen Entscheidungen zum Wohle des Kindes getroffen werden können. Wenn also vom Elternstreit Angelegenheiten des Kindes betroffen sind, die bei gemeinsamem Sorgerecht nur von beiden Eltern gemeinsam entschieden werden können. Geht der Streit nur um Meinungsverschiedenheiten in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes (§ 1678 Abs.1 S.2 BGB), so ist das kein Anlass für die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts.
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Voraussetzungen
für Sorgerechtsübertragung

§ 1671 BGB
Gesetzestext


(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder

2. zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) [Anmerkung: Fall der Übertragung des alleinigen Sorgerechts, wenn bisher alleiniges Sorgerecht der Mutter besteht; Gesetzes-Text > hier 

(3) [Anmerkung: betrifft Adoption/Annahme]

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Orientierung am Kindeswohl


Entscheidungen in Kindschaftssachen erfolgen stets mit Orientierung am Wohl des Kindes (§ 1697a BGB). Der staatliche Eingriff in die Elternverantwortung sollte die Ausnahme sein und nur dann stattfinden, wenn dies für das Kindeswohl erforderlich ist.  Dafür müssen die rechtlichen Kriterien des  Kindeswohl unter die Lupe genommen werden und anhand diesen beurteilt werden, ob die gesetzlich normierte Eingriffsschwelle (§ 1671 Abs.1 S.2 Ziff.2: “das Beste für das Kindeswohl”) die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Antragsteller rechtfertigt.

Kindeswille im Rahmen des § 1671 BGB:
Bei der Prüfung gemäß § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 müssen alle Kriterien des Kindeswohls berücksichtigt und gegen den Kindeswillen abgewogen werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Kind die Entscheidungskompetenz und -verantwortung übertragen werden kann. Es ist keinesfalls akzeptabel, die elterliche Sorge einem Elternteil zu übertragen, nur weil das Kind es wünscht (BGH FamRZ 1985, 169 (170)). Der geäußerte Kindeswille ist immer nur ein Faktor bei der Feststellung des wohlverstandenen Kindesinteresses (BGH FamRZ 2010, 1060 (1063); OLG Köln FamRZ 2020, 35 (36)). Es muss immer geprüft werden, ob die Lösung, die das Kind wünscht, mit seinem Wohl vereinbar ist (BVerfG FamRZ 2005, 1057 (1058); OLG Köln FamRZ 2020, 35 (36)).

Doppelte Kindeswohl-Prüfung


Rechtsprechung

BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – XII ZB 158/05
Orientierung am Kindeswohl


(Zitat, Rn 19) “ Entspricht danach die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ganz oder in Teilbereichen dem > Kindeswohl , so hat das Gericht auf der zweiten Prüfungsebene zu beurteilen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge (gerade) auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten dient.”

Anmerkung: Es gibt weder eine gesetzliche, noch eine kinderpsychologische Vermutung dafür, dass es dem > Kindeswohl besser entspricht, nach der Trennung am gemeinsamen elterlichen Sorgerecht festzuhalten. Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht nur vorübergehend getrennt, ist nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf Antrag eines Elternteils auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils die elterliche Sorge zu übertragen, wenn dies dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Erforderlich ist eine doppelte Kindeswohlprüfung. Das Familiengericht hat danach zu prüfen, ob zum einen die > Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl entspricht und zum anderen die > Übertragung der Alleinsorge gerade auf den antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht (Palandt, BGB, 77. Aufl. § 1671 Rz 12 m.N.).


(Zitat) “Der Senat hat unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 13/4899, S. 63) bereits mehrfach entschieden, dass allein aus der normtechnischen Gestaltung dieser Regelung (§ 1671 BGB) kein Regel-/Ausnahmeverhältnis zugunsten des Fortbestandes der gemeinsamen elterlichen Sorge hergeleitet werden kann. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (Senatsbeschlüsse vom 29. September 1999 – XII ZB 3/99 – FamRZ 1999, 1646, 1647 und vom 11. Mai 2005 – XII ZB 33/04 – FamRZ 2005, 1167; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 354, 355). Daran hält der Senat fest. Für die allgemein gehaltene Aussage, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern dem Kindeswohl prinzipiell förderlicher sei als die Alleinsorge eines Elternteils, besteht in der kinderpsychologischen und familiensoziologischen Forschung auch weiterhin keine empirisch gesicherte Grundlage (vgl. Staudinger/Coester, BGB [2004] § 1671 Rdn. 112 f., zugleich mit Nachweisen zum Forschungsstand).”

Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts



In der ersten Stufe ist zu prüfen, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl entspricht. Es ist hierzu festzustellen, ob sich Gründe ergeben, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht funktioniert und es den Eltern nicht gelingt gemeinsam im Interesse der Kinder zu entscheiden. Eine erhebliche Störung des gemeinsamen Sorgerechts wird anzunehmen sein, wenn ein gedanklicher Vergleich zwischen Festhalten am bisherigen gemeinsamen Sorgerecht und künftigem alleinigen Sorgerecht zu dem Ergebnis führt, dass das alleinige Sorgerecht dem Kindeswohl am besten entspricht (§ > 1671 Abs.1 S.2 Ziff.2 BGB). In einem solchen Fall ist die Alleinsorge gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben. Die Eltern können das gemeinsame Sorgerecht nur dann weiterhin ausüben, wenn sie die unverzichtbaren Voraussetzungen für das gemeinsame Sorgerecht nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.11.1982 (BVerfG, FamRZ 1982, 1179) erfüllen. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Eltern uneingeschränkt zur Pflege und Erziehung der Kinder geeignet sind und die Eltern gewillt sind, die Verantwortung für die Kinder auch nach der Trennung zusammen zu tragen ( Kooperationsbereitschaft). Grundsätzliche Voraussetzung für einen Eingriff in das gemeinsame Sorgerecht ist, dass die Eltern in Angelegenheiten von > erheblicher Bedeutung für das Kind keinen Konsens finden. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1671 BGB, aber gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Elternrechts. Die > Meinungsverschiedenheiten müssen als so > unüberwindbar erscheinen, dass in Zukunft von den Eltern keine Vereinbarung zum Wohle des Kindes erwartet werden kann. Hierzu wird in der Praxis gerne vorgetragen, dass unüberwindbare Kommunikationsstörungen vorhanden sind. Allein die Tatsache, dass > Kommunikationsstörungen zwischen den Eltern existieren, wird die Übertragung des alleinigen Sorgerechts kaum rechtfertigen können. Auch die > Mitübertragung des Sorgerechts auf den > leiblichen Vater nach § 1626a BGB wird damit nicht verhindert. Jedenfalls sollte ein erfahrener Rechtsanwalt eingeschaltet werden, um Ihnen die Konsequenzen und Erfolgsaussichten eines > Sorgerechtsverfahrens darzulegen. Zum Mindestmaß an Verständigung zwischen den Eltern gehört ein Konsens über die Wahl des Lebensmittelpunktes des Kindes (= Aufenthaltsbestimmungsrecht), der Umgang (> Thema Umgangsboykott), die Gesundheitsvorsorge, Wahl des > Kindergartens oder > Schule und die > religiöse Erziehung (> Thema Sorgerecht bei Sektenproblematik siehe Aufsatz von Dieter Spürk “ Rechtliche Aspekte bei “Sekten” und “Psychogruppen “ bei Sekten Info Nordrhein-Westfalen e.V.). Vermittlungsversuche und Beratungen des Jugendamtes (§ 17 SGB VIII) müssen als definitiv gescheitert gelten (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 23.11.1999 – 5 UF 88/99 und OLG Köln, Beschluss v. 11.10.2002 – 4 UF 24/02) (> Thema gescheiterte Elternverantwortung).

Rechtsprechung

BGH Beschluss vom 12. Dezember 2007 – XII ZB 158/05
Mindestmaß an Verständigung der Eltern


(Zitat, Rn 11) “eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004,1015, 1016). Die Überprüfung dieser Voraussetzungen muss anhand konkreter tatrichterlicher Feststellungen erfolgen und darf sich nicht auf formelhafte Wendungen beschränken (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2005 – XII ZB 33/04 – FamRZ 2005, 1167).” BGH v. 11.05. 2005 – XII ZB 33/04 betrifft die Frage, inwieweit die Uneinigkeit der Eltern über die religiöse Erziehung des Kindes die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein rechtfertigt. ( Zitat, Rn 12) “Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge getrennt lebender Eltern gefordert werden muss, gehören jedenfalls die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 1999 – XII ZB 3/99 – FamRZ 1999, 1646, 1647; Bamberger/Roth/ Veit BGB § 1671 Rdn. 29), die gleichzeitig zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB zählen (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen BGB 67. Auflage § 1687 BGB Rdn. 7; Münch-Komm/Finger BGB 4. Aufl. § 1687 Rdn. 9; Schwab FamRZ 1998, 457, 469).” (Zitat, Rn 15) “Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl aber nicht zuträglich. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (vgl. hierzu Gödde ZfJ 2004, 201, 207), und zwar unabhängig davon, welcher Elternteil die Verantwortung für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt.” (Zitat, Rn 17) “die Einschätzung, dass zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge derzeit nicht besteht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie wird bereits maßgeblich dadurch getragen, dass die Mutter den Verdacht, der Vater habe die Tochter F. sexuell missbraucht, nicht als ausgeräumt ansehen will und weiterhin unverändert an diesem Vorwurf festhält. Solche Vorwürfe sind regelmäßig Ausdruck einer völligen Zerrüttung der persönlichen Beziehung zwischen den Eltern, so dass eine soziale Basis für eine künftige Kooperation zwischen ihnen regelmäßig nicht bestehen wird.”


(Zitat) “Eine dem > Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in > wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH, Beschluss vom 12.12.2007, XII ZB 158/05, FamRZ 2008, 592, Rn. 11, zitiert nach juris). Dieses Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge fehlt, wenn in einem Bereich der elterlichen Sorge ein Regelungsbedürfnis besteht und sich die Eltern nicht auf eine Regelung verständigen können. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich Eltern nicht darüber einig sind, in wessen Haushalt ihr Kind leben soll (Jaeger in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Auflage, 2015, § 1671 BGB, Rn. 36a). Es ist nicht ersichtlich, dass die Eltern nicht in der Lage sind, sich auf eine gemeinsame Rege­lung hinsichtlich des Lebensmittelpunkts ihres Sohnes verständigen können.

Übertragung des alleinigen Sorgerechts


Rechtsprechung

OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.05.2020 – 9 UF 1202/19
(intern vorhanden, Az.: 53/20)
Prognose-Maßstab der bessere Förderung der Kindesentwicklung bei einem Elternteil


Anmerkung: Wurde festgestellt, dass die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerecht nicht dem Kindeswohl dient, ist als weitere Voraussetzung bei einer großen Kindeswohlprüfung der > Förderungsgrundsatz ausschlaggebend, d.h. welcher Elternteil besser in der Lage sein wird, das Kind zu fördern. Hierbei ist zu prüfen, bei welchem Elternteil das Kind künftig die meiste Unterstützung für seine seelische, geistige und körperliche Entwicklung erwarten kann. Ein Kriterium für das Förderungsprinzip ist zum einen die persönliche Betreuung durch einen Elternteil.

Bei der Frage, auf welchen Elternteil das Sorgerecht zu übertragen ist, sind die nachfolgenden Gesichtspunkte des Kindeswohls zu beachten, wobei ihre Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl, § 1671 BGB Rn. 84):

  • der Förderungsgrundsatz, der darauf abstellt, bei welchem Elternteil das Kind
  • die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erfahren kann (BVerfG FamRZ 1981, 124);
  • die Bindung des Kindes an beide Elternteile;
  • der Wille des Kindes, soweit er mit dessen Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinn in der Lage ist (vgl. Brandenb. OLG FamRZ 2003, 1953 – 1955);
  • der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt.

Teilübertragung des alleinigen Sorgerechts


Keine volle, sondern eine Teilübertragung des alleinigen Sorgerechts ist anzuordnen, wenn

  • sich bestimmte streitige Teilbereiche der elterlichen Sorge aus der Alleinsorge herauszulösen lassen (z.B. Aufenthaltsbestimmungsrecht, Recht zur Bestimmung des persönlichen Umgangs des Kindes mit Dritten, Gesundheitsfürsorge etc.) und
  • sich prognostizieren lässt, dass bereits mit der Teilübertragung eine Konfliktbereinigung auf der Eltern-Kind-Ebene eintritt. Bezieht sich das Streitpotential der Eltern übergreifend auf sämtliche Teilbereiche der elterlichen Sorge, scheidet eine Teilübertragung aus (vgl. BGH, Beschluss v. 12.12.2007 – XII ZB 158/05).
  • Als milderes Mittel gegenüber der Teil-Übertragung des alleinigen Sorgerechts ist die > gerichtliche Entscheidungsübertragung für den Einzelfall in Betracht zu ziehen.

Anmerkung: Diese Entscheidung bietet ein Beispiel dafür, dass der BGH dem Antrag auf vollständige Übertragung des elterlichen Sorgerechts nicht gefolgt ist, weil er auch eine Teilübertragung zur Lösung des Konflikts auf der Eltern-Kind-Ebene als geeignet und ausreichend erachtet hat. Hier ging der Streit der Eltern allein um die Frage der religiösen Erziehung des Kindes. Dieser Streit sei mit einer (Teil-)Übertragung des elterlichen Sorgerechts in Bezug auf die Bestimmung der religiösen Ausrichtung des Kindes zu klären.


Anmerkung: der Fall die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater bei ursprünglichem alleinigen Sorgerecht der Mutter, aber auch diesen Fall behandelt das OLG Frankfurt nach den Prinzipien und Maßstäben des § 1671 Abs.2 Ziff. 2 BGB. Die Ausführungen des OLG dazu sind ebenso ausführlich wie lehrreich.

Weiterführende Links


  • Sorgerechtsübertragung wegen Umgangsboykott > hier
  • Sorgerechtsübertragung wegen Streit um gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes > hier
  • Verfahren zur Begründung des gemeinsamen Sorgerechts > hier

Sorgerechtsverfahren

Kindschaftssachen sind familiengerichtliche Verfahren (§§ 151 ff. FamFG), die Angelegenheiten der Kinder betreffen. Diese sind als Katalog in § 151 FamFG aufgeführt. Dazu gehören nach § 151 Ziff.1 FamFG Verfahren, die die > elterliche Sorge betreffen. Das Familienrecht verlangt nicht automatisch – wegen Trennung oder Scheidung – eine Neuregelung des Sorgerechts. Unterbleibt ein Antrag auf Sorgerechtsübertragung nach § > 1671 BGB, wird kein Familiengericht am Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts rütteln. Im Rahmen eines > Scheidungsverfahrens kann ein Sorgerechtsantrag noch in der letzten mündlichen Verhandlung zur Scheidungsfolgesache werden. Eine Besonderheit; denn bei allen anderen Folgesachen muss eine > 3-Wochen-Frist beachtet werden. Ob ein > Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB erfolgversprechend geführt wird, hängt davon ab, ob die Ausübung der gemeinsamen Sorgerechts auch nach der Trennung noch funktionieren kann. Mehr zu den Grundsätzen eines > Sorgerechtsverfahrens erfahren Sie
hier

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