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Kindschaftssachen sind familiengerichtliche Verfahren, die Angelegenheiten der Kinder betreffen. Diese sind als Katalog in § 151 FamFG aufgeführt. Dazu gehören Verfahren, die die elterliche Sorge betreffen. Das Familienrecht verlangt nicht automatisch wegen Trennung oder Scheidung eine Neuregelung des Sorgerechts. Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens kann ein Sorgerechtsantrag noch in der letzten mündlichen Verhandlung zur Scheidungsfolgesache werden.
Lernen Sie die Grundlagen des Sorgerechts, der Intervention, der Änderung und des Verfahrens kennen, um zu verstehen, worum es in Ihrem familienrechtlichen Fall geht. Mit diesem Wegweiser sind Sie gut auf Ihr Sorgerechtsverfahren vorbereitet.
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Wir bieten Ihnen fachkundige Beratung und Anleitung zum Umgang mit gerichtlichen Eingriffen in das Sorgerecht. Bereiten Sie sich noch heute auf den Gerichtstermin vor! Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.
Bevor Gerichte in das Sorgerecht eingreifen, werden die Eltern ermuntert, außergerichtliche Lösungen zu suchen (> Elternkonflikte vor Gericht). Die Prinzipien Elternverantwortung und > Kindeswohl bilden das Spannungsfeld in dem sich jedes familiengerichtliche Verfahren in Kindschaftssachen bewegt. In der Praxis sind typische Anlässe für ein Sorgerechtsverfahren
Bei diesem Streitpotential ist oft festzustellen, dass nicht beide Eltern sich ausreichend Gedanken über die negativen Folgen ihres Elternkonflikts auf das Wohl der Kinder ihren Elternkonflikt machen. Die Trennung ist meist “frisch” und noch nicht > verarbeitet “. Im Vordergrund stehen trennungsbedingte Verletzungen auf der Elternebene, die auf die Kinderebene abfärben: Manchmal werden Kinder sogar gegen den Ex-Partner “instrumentalisiert“. Dem gegenüber steht der gesetzliche Auftrag an die Eltern: Das Sorgerecht ist zum Wohl des Kindes auszuüben (§ 1627 S.1 BGB). Bei gemeinsamem Sorgerecht müssen die Eltern bei Meinungsverschiedenheiten versuchen, sich zu einigen. In § 1627 S.2 BGB steht “ müssen ” und nicht nur “ sollen “. Leben die Eltern getrennt, wird der gesetzliche Auftrag dahingehend abgeschwächt, dass ein gegenseitiges Einvernehmen nur noch in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, erforderlich ist (§ 1687 BGB). Genau hier liegt der Kern des Problems : Wer will sich nach der Trennung vom Ex-Partner in Belange der Kinder hineinreden lassen?! Allerdings: “Vater und Mutter bleibt man“. Und genau so sehen und empfinden es die meisten Kinder! Ob das den Eltern passt oder nicht! Mehr Informationen dazu, wie Eltern im Interesse der Kinder mit der Trennung umgehen sollten, erhalten Sie beim > Leitfaden für Eltern. Wer diesem gesetzlichen Auftrag als sorgeberechtigter Elternteil nicht nachkommen will, der riskiert den (Teil-)Entzug des Sorgerechts. Offen ist dabei die Frage: wer bekommt dann das alleinige Sorgerecht? Zur Frage, welche Entscheidungskriterien dafür gelten und nach welchem Prozedere vorgegangen wird, finden Sie den Einstieg beim Thema “Familienrecht & Elternkonflikt”. Die Elternverantwortung wird in den Vordergrund gestellt. Auf Einigung und Ausgleich haben die Familiengerichte in jedem Verfahrensabschnitt hinzuwirken (§ 156 FamFG). Erst wenn feststeht, dass die Eltern nicht in der Lage sind, gemeinsam verantwortungsbewusste Entscheidungen für und im Interesse ihres Kindes zu treffen, soll der Elternkonflikt durch Hoheitsakt (= gerichtlichen Beschluss) erledigt werden. Dem entsprechen die verfahrensrechtlichen Vorschriften zu den Kindschaftssachen. Diese bieten in jedem Verfahrensstadium den Eltern eine Gelegenheit geben, durch Elternvereinbarung den staatlichen Eingriff in das Elternrecht zu vermeiden.
AG Kaufbeuren, Beschluss v. 29.02.2012 – 2 F 475/12
Zur Frage der Zuständigkeit des Gerichts, wenn die Mutter mit dem Kind ohne Rücksprache mit dem Vater umzieht.
Anmerkung: Die grundsätzliche örtliche Zuständigkeit der Familiengerichte regelt § 152 FamFG. Ist bei einem Familiengericht eine Ehesache anhängig, ist dieses Gericht auch für die Kindschaftssachen ausschließlich zuständig, sofern sie gemeinschaftliche Kinder der Ehegatten betreffen (§ 152 Abs.1 FamFG). Im Übrigen ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes maßgeben (§ 152 Abs.2 FamFG). Wird der Aufenthalt des Kindes durch einen Elternteil ohne vorherige Zustimmung des anderen verändert, kann an das Gericht des früheren gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Kindes (§ 152 Abs.2 FamFG) verwiesen werden (§ 154 FamFG).
Um ein Kindschaftsverfahren (z.B. Sorgerecht- oder Umgangsrechtsverfahren) einzuleiten, muss kein Anwalt eingeschaltet werden. Es besteht kein Zwang zur anwaltlichen Vertretung. § 114 Abs.1 FamFG erfasst nicht Kindschaftssachen nach §§ 151ff. FamFG. In Kindschaftssachen kann im Rahmen eines Scheidungsverfahrens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Scheidungstermin erfolgen. Dass ein Elternteil dem Antrag des anderen Elternteils auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts zustimmt (§ 1671 Abs.1 S.2 Ziff.1 BGB) kommt in der Praxis selten vor. Die Fälle des § 1671 Abs.1 S.2 Ziff.2 BGB sind wesentlich häufiger anzutreffen und fordern einen gerichtlichen Eingriff in das Elternrecht.
Die Antragsschrift hat einen konkreten Anlass für einen gerichtlichen Eingriff in die bestehenden Sorgerechtsverhältnisse darzulegen. Für das Familiengericht muss sich mit der Antragsschrift das Bild einer gescheiterten gemeinsamen Elternverantwortung zeigen. Haben Gericht oder das Jugendamt noch den Eindruck, dass die Eltern über Belange des Kindes miteinander kommunizieren können (schriftlich per E-Mail etc.), ist dies ein Indiz für die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge. Vielmehr muss auf der Kommunikationsebene der Eltern eine schwerwiegende und nachhaltige Störung vorliegen, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, wenn man die Eltern zwingt, die Sorge gemeinsam zu tragen. Allein die Tatsache, dass der andere Elternteil erziehungsunfähig sei, etwa weil unter schwerem Alkoholismus oder an anderen psychischen Störungen leide, hindert das Gericht dagegen nicht, die gemeinsame Elternverantwortung beizubehalten. Seitenweise Ausführungen dazu, wie erziehungsunfähig der andere Elternteil sei, sind in der Antragsschrift überflüssig.
| Anlass für Sorgerechtsverfahren
Leitfaden des Familiengerichts
zu Sorgerechts- und Umgangsverfahren
In einem Sorgerechtsantrag ist nicht mehr auszuführen als ein oder zwei DIN-A 4 Seiten. Dem Richter ist schlicht ein Antrag zu übermitteln, aus dem das Begehren eines Elternteils (welcher Teil des Sorgerechts soll wie anders geregelt werden?) hervorgeht. Kein Richter liest in Sorgerechtsverfahren ellenlange Ausführungen über die Persönlichkeitsdefizite des anderen Elternteils mit der von Ihnen evtl. erwarteten Aufmerksamkeit. Daher sollte die Bedeutung von Anwaltsschriftsätzen für den Ausgang von Kindschaftsverfahren nicht überschätzt werden. Anwaltsschriftsätze in Kindschaftsverfahren sind oft davon geprägt, dem Bedürfnis ihrer Mandanten nach schriftlichem Sachvortrag zu entsprechen. Doch entscheidend sind in Kindschaftsverfahren nicht die Schriftsätze. Von Bedeutung sind vielmehr der geäußerte Wille der Kinder, das Erscheinungsbild der Familie für den Psychologen, Verfahrensbeistand und das Jugendamt. Die Statements dieser Professionen sind für das Familiengericht wesentlich.
Ziel eines Verfahrens auf Übertragung des Sorgerechts ist immer die Antwort auf die Frage:
Nur darum geht es: „Was ist für das Kind am besten?“ Ist es besser am gemeinsamen Sorgerecht festzuhalten oder ist es besser es einem Elternteil allein zu übertragen? Das Familiengericht hat die Antwort auf diese Frage von Amts wegen zu ermitteln (§ 26 FamFG). Es obliegt dem Gericht, die für das Verfahren entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen in das Verfahren einzuführen (§ 26 FamFG).
Das Familiengericht hat in Kindschaftssachen den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Doch was geschieht, wenn sich aufgrund fehlender Mitwirkung eines Beteiligten am Verfahren die entscheidungserheblichen Umstände nicht zur Zufriedenheit des Gerichts aufklären lassen? Manche Gerichte denken dabei an die Aussetzung des Sorgerechtsverfahrens nach § 21 FamFG. Dies ist besonders ärgerlich für die Beteiligten, die ein Interesse an der Sorgerechtsentscheidung haben. Das OLG Köln hat entscheiden, dass eine Verfahrensaussetzung nach § 21 FamFG nicht infrage kommt, nur weil als erforderlich betrachtetet Mitwirkungen der Beteiligten an der Sachverhaltsaufklärung nicht stattfinden.
OLG Köln, Beschluss vom 18.09.2012 – 4 UF 114/12
Amtsermittlung – Aufklärungsboykott
(Zitat) “Nur ausnahmsweise kann eine Aussetzung zulässig sein, um eine Klärung des Sachverhalts abzuwarten. In einem Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB, für das der Beschleunigungsgrundsatz gilt, wird dies angenommen, wenn die Familienverhältnisse der Eltern bei Abschluss der Sachaufklärung sich noch in der Entwicklung befinden und nicht endgültig zu überblicken sind, in naher Zukunft jedoch bessere Erkenntnismöglichkeiten zu erwarten sind (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., 2011, § 21, Rn. 14 m. w. N.). Da der Antragsgegner vorliegend endgültig eine Einreise des Kindes nach Deutschland ausgeschlossen hat, ist insofern mit einer besseren Sachaufklärung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Der Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts kommt damit einer endgültigen Verweigerung einer Sachentscheidung für alle Beteiligten gleich, was mit dem verfassungsrechtlich geschützten Gebot eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar ist. Das Verfahren ist deshalb vor dem Familiengericht fortzusetzen.”
(…) Die Beschwerde gegen eine Aussetzung kann nur auf die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses und nicht auf eine bestimmte Entscheidung über den Gegenstand des Ausgangsverfahrens gerichtet sein (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., 2011, § 21, Rn. 32). Für das weitere Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass für das Kind gemäß § 158 FamFG ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist, der – ggf. unter Ausnutzung moderner Telekommunikationsmittel – die Interessen des Kindes festzustellen und im Verfahren zur Geltung zu bringen hat.
Die Berücksichtigung des Kindeswillen ist eines der Kindeswohlkriterien und somit ein Entscheidungsmaßstab. Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat (§ 159 FamFG). Andererseits gibt es Stimmen aus der Praxis, die eine Kindesanhörung als eine Form besonderer Kindesmisshandlung sehen, insbesondere für Kinder, die jünger als 14 Jahre sind. So wird für den Fall einer (auch gerichtlich genehmigten) Elternvereinbarung dafür plädiert (vgl. Obermann, NZFam 2015, 1129 ), das betroffene Kind nicht oder nur inhaltlich sehr beschränkt persönlich anzuhören, da die Anhörung und Einigung der Eltern genügen sollen. Andere wiederum betonen die die UN-Kinderrechtskonvention: Sie verpflichtet die Vertragsstaaten, darunter auch Deutschland, die Berücksichtigung der Meinung des Kindes in es berührenden Angelegenheiten sicherzustellen (Art. 12 UN-KRK). Ferner sollen die Eltern das Kind an innerfamiliären Sorgerechtsfragen beteiligen (§ 1626 Abs. 2 BGB). Der Umfang der persönlichen Beteiligung der Kinder am Verfahren ist moralisch, emotional und wissenschaftlich umstritten (vgl. Ivanits, keine Beteiligung des Kindes bei elterlichem Einvernehmen?, NZFam 2016, 7). Die Gerichte behandeln die persönliche Beteiligung daher sehr unterschiedlich. Sie ist abhängig vom Richtertypus.
BGH, Beschluss vom 28.04.2010 – XII ZB 81/09
Verfahrensbeistand – Funktion und Aufgabe
(Zitat, Rn 32, 33) “Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung eines Verfahrenspflegers vor (§ 50 FGG; nunmehr: Verfahrensbeistand, § 158 FamFG). Die Einrichtung der Verfahrenspflegschaft ist Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger (BVerfG FamRZ 2007, 1078 Tz. 10 m.w.N.; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 86; Willutzki ZKJ 2009, 237). Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insofern von dem Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (BT-Drucks. 13/4899 S. 129 f.). Die Verfahrenspflegschaft trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Scheidungskinder sich oftmals in einer verunsicherten psychischen Situation befinden (Arntzen, Elterliche Sorge und Umgang mit Kindern 2. Aufl. S. 12) und ein Verfahrenspfleger das Kind durch die Vertretung seiner Interessen gegenüber dem Familiengericht entlasten kann.”
Anmerkung: Dem minderjährigen Kind soll in Verfahren, die seine Person betreffen, ein Verfahrensbeistand beigeordnet werden, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Ein Verfahrensbeistand zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes muss danach immer dann bestellt werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Eltern die Interessen des Kindes aus dem Blick verlieren, also bei hoch streitiger Elternbeziehung. Wenn dies missachtet wird, droht auf die Beschwerde hin die Aufhebung und – bei entsprechendem Antrag – die Zurückverweisung (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.6.2019 – 9 UF 49/18 ). BGH, Beschluss vom 28.04.2010 – XII ZB 81/09, Zitat Rn 31 ff: “Die Einrichtung der Verfahrenspflegschaft ist Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger (BVerfG FamRZ 2007, 1078 Tz. 10 m.w.N.; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 86; Willutzki ZKJ 2009, 237). Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insofern von dem Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (BT-Drucks. 13/4899 S. 129 f.). Die Verfahrenspflegschaft trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Scheidungskinder sich oftmals in einer verunsicherten psychischen Situation befinden (Arntzen Elterliche Sorge und Umgang mit Kindern 2. Aufl. S. 12) und ein Verfahrenspfleger das Kind durch die Vertretung seiner Interessen gegenüber dem Familiengericht entlasten kann. Das Familiengericht hat dem Verfahrenspfleger durch die Gestaltung des Verfahrens zu ermöglichen, seine Funktion sinnvoll wahrzunehmen und zu den die Interessen und den Willen des Kindes betreffenden Tatsachen und den diesbezüglichen Ermittlungen des Familiengerichts umfassend Stellung zu nehmen.” Dem Verfahrensbeistand sind die in § 158 Abs.4 FamFG beschriebenen Aufgaben zugeweisen.
des Verfahrensbeistandes sind, das Interesse des Kindes festzustellen und vor Gericht geltend zu machen. Dabei ist der > Wille des Kindes (subjektives Interesse) und das > Kindeswohl (objektives Interesse) einzubeziehen. Der Verfahrensbeistand hat somit im Sorgerechtsverfahren die Interessen des Kindes deutlich zu machen. Dazu ist der Verfahrensbeistand befugt, Gespräche direkt mit den Kindern ohne Beteiligung der Eltern zu führen. Auf Wunsch des Kindes sind die Gespräche vertraulich zu behandeln. Er soll das Kind über das gerichtliche Verfahren informieren. Der Verfahrenspfleger ist nur “zur Wahrnehmung seiner (i.e. des Kindes) Interessen” berufen. Es geht – mit den Worten des historischen Gesetzgebers – um den Ausgleich von “Defiziten bei der Wahrung der Interessen der von diesem Verfahren besonders betroffenen Kinder (Bundestagsdrucksache 13/4899, S. 129/131), das heißt – mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts in FamRZ 1999, 85/87 -, um “eine Interessenwahrnehmung im Sinne einer Parteivertretung”. So werden auch in der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses die Ausführungen zum Verfahrenspfleger unter die Überschrift “Anwalt des Kindes” gestellt (Bundestagsdrucksache 13/8511, S. 68). Der gesetzliche Auftrag des Verfahrenspflegers entspricht also in etwa dem der von den Eltern berufenen Rechtsanwälte. Der Verfahrenspfleger hat also nur das eigenständige Interesse des Kindes “zu erkennen” und “zu formulieren” (Bundesverfassungsgericht a.a.O., S. 88) – mehr nicht.
sind Tätigkeiten, die anderen Personen originär zugewiesen sind. Dazu zählt unter anderem eine allgemeine Sachverhaltsaufklärung, die Begutachtung des Kindes oder die Unterstützung des Jugendamtes. Insbesondere ist es als reiner “Parteivertreter” nicht seine Aufgabe des Verfahrensbeistandes, darüber hinausgehende Ermittlungen anzustellen und/oder zwischen den Eltern zwecks Abschlusses einer einverständlichen Regelung zu vermitteln und/oder die Durchführung des Umgangsrechts zu begleiten.
Durch gesonderten Gerichtsbeschluss können dem Verfahrensbeistand gem. weitere Aufgaben zugewiesen werden (§ 158 Abs.4 S.3 FamFG). Das Gericht kann hierbei dem Verfahrensbeistand die Gesprächsführung mit den Eltern oder weiteren Bezugspersonen des Kindes übertragen sowie die Aufgabe, am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken (Vermittler-Aufgabe). Eine gerichtliche Aufgabenzuweisung, die über § 158 Abs.4 S.3 FamFG hinausgeht, ist gesetzlich nicht zulässig.
Die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ist nach § 158 Abs. 2 FamFG i.d.R. erforderlich,
Bestellt das Gericht in diesen vorgenannten Fällen keinen Verfahrensbeistand, muss es dies in der Endentscheidung begründen. Der Verfahrensbeistand wird durch seine Bestellung Beteiligter des Verfahrens. Er wird jedoch nicht zum gesetzlichen Vertreter des Kindes. Er kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen (§ 158 Abs. 4 FamFG). Der Verfahrensbeistand hat nach § 158 Abs. 4 FamFG das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Hierzu hat er den Willen des Kindes zu ermitteln. Er ist an den Willen des Kindes jedoch nicht gebunden, sondern kann hiervon auch abweichen, wenn dies nach seiner fachkundigen Einschätzung dem Interesse des Kindes entspricht. Dem Verfahrensbeistand kann nach § 158 Abs. 4 S.3 FamFG die zusätzliche Aufgabe übertragen werden, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen.
Um schließlich eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen, kann es insbesondere bei Entscheidungen von großer Tragweite ferner erforderlich sein, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen, das etwa zur Qualität der Bindungen des Kindes zu beiden Elternteilen und zu den in Betracht kommenden familiengerichtlichen Maßnahmen näheren Aufschluss geben kann (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1897, 1899). Erscheint der Elternkonflikt nicht im Rahmen einer Elternvereinbarung lösbar, weil das Konfliktpotential zwischen den Eltern auf eine Wahrnehmung der gemeinsamen Elternverantwortung zum Wohl des Kindes nicht hoffen lässt, muss in der Regel ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit feststellen, welchem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind zu übertragen ist. Richter sollten so wenig wie möglich „Ersatzpädagogen“ spielen. Dafür sind sie nicht ausgebildet. Ab dem Moment, ab dem ein Gutachter im Sorgerechtsverfahren ein Elternteil als „erziehungsunfähig“ qualifiziert, ist das Sorgerecht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verloren.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.12.2014 – 10 UF 194/13
Aufenthaltsbestimmung – Erziehungsunfähigkeit der Mutter – Übertragung auf den Vater
Anmerkung: In dem Fall wurde die Mutter wegen einer leichten Intelligenzminderung und einer Persönlichkeitsstruktur, die durch starke Orientierung an anderen Personen und geringes Selbstbewusstsein gekennzeichnet ist, nicht als „erziehungsfähig“ eingestuft. Dem Vater, der im Ausland lebt, wurde auf Antrag das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. Lehrreich ist der Fall deshalb, weil das mustergültig anhand sämtlicher Kriterien zum Kindeswohl eine Entscheidung nach Gesamtabwägung aller Faktoren trifft.
OLG München, Beschluss vom 16.07.2021 – 4 UF 488/21 (intern vorhanden, unser Az.: 13/23)
Erneutes Gutachten zur Erforschung des Kindeswillens – Kind 9 Jahre alt
Auszug aus der Entscheidung (Zitat): „Der Einwand des Antragstellers, das Erstgericht habe den Kindeswillen nicht ausreichend erforscht und berücksichtigt, trifft nicht zu. […] Grundsätzlich kommt dem Willen kleinerer Kinder keine verfahrensentscheidende Bedeutung zu, ist aber – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – in die Gesamtabwägung miteinbezogen worden (BVerfGE FamRZ 2007, 1797; FamRZ 2000, 1606, BGH FamRZ 1990, 392). […] Dass gerade kein gefestigter autonomer Wille besteht, ergibt sich aus den übereinstimmenden Berichten des Verfahrensbeistands und der Vertreterin des Jugendamts, die jeweils Befragungen des Kindes in verschiedenen Haushalten vorgenommen haben.
Dass das Amtsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt darin kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. […] Der Amtsermittlungsgrundsatz zwingt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht in jedem Fall zu einer gutachterlichen Stellungnahme zu den einzelnen Kindeswohlkriterien (BVerfGE FamRZ 2012, 938, Bay-VerfGH FamRZ 2012, 470, 471). Dies gilt insbesondere hier, da bereits aus dem Vorverfahren psychiatrische Gutachten betreffend die Eltern und ein familienpsychologisches Gutachten des Dipl.-Psychologen M. vorliegen.
Das Amtsgericht ist in seiner Entscheidung ausführlich nach Anhörung aller Beteiligten auf die einzelnen Kriterien des Kindeswohls eingegangen, hat sie sorgfältig abgewogen und ist dann zu seiner der Entscheidung zugrundeliegenden Überzeugung gelangt. Seine Entscheidung beruht auf hinreichend zuverlässigen Erkenntnissen. Tatsachen, die darüber hinaus die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordert hätten, ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht. Auch für den Senat besteht im Hinblick auf die gleichbleibenden Stellungnahmen des Jugendamts und des Verfahrensbeistands keine Veranlassung, ein familienpsychologisches Gutachten zu erholen.“
Zur Einholung eines gerichtlich angeordneten Gutachtens ist bei der Formulierung des Beweisthemas darauf zu achten, dass dem Sachverständigen präzise Sachverhalts- und Prognosefragen gestellt werden. Denn die rechtliche Bewertung hat das Familiengericht, und nicht der Gutachter durchzuführen. Im Beweisbeschluss darf der Sachverständige insbesondere nicht ausschließlich gefragt werden, „ob das > Wohl des Kindes gefährdet ist“. Die Subsumtion der mit sachverständiger Hilfe festgestellten Tatsachen unter die > rechtlichen Kindeswohlkriterien ist Aufgabe des Gerichts (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 7.5.2020 – 13 UF 4/20).
Kein Elternteil kann zur Mitwirkung an einer Begutachtung der Erzeihungsfähigkeit gezwungen werden, auch nicht durch Befragung vor Gericht. Das Gericht kann zwar mittels Anordnung des persönlichen Erscheinens die Anwesenheit der Eltern erzwingen und vor Gericht durch den Sachverständigen befragen lassen, wobei der befragte Elternteil die Aussage verweigern kann. Die Weigerung darf sich beweismäßig nicht zu Lasten des boykottierenden Elternteils auswirken. Einer solchen Beweiswürdigung erteilt das BVerfG eine klare Absage (BVerfG FamRZ 09, 944 f.). Das Gericht ist vielmehr gefordert, alle Möglichkeiten zur anderweitigen Beweiserhebung auszuschöpfen und die Ergebnisse zu würdigen.
Verweigern die Eltern die Zustimmung zur Begutachtung des Kindes, dann kann das Gericht die Zustimmung nach § 1666 Abs. 3 Nr. 5 ersetzen. Die Begutachtung muss erforderlich sein, um eine Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden, und sie muss sich als das mildeste Mittel darstellen.(vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4.9.2020 – II-2 UF 154/20).
Sachverständigenauftrag
Gerichtliches Begleitschreiben
Welche Berufsqualifikation der Gutachter vorzuweisen hat, bestimmt § 163 Abs.1 FamFG. Im Herbst 2019 sind die interdisziplinär entwickelten Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht der Arbeitsgruppe familienrechtliche Gutachten in der 2. Auflage erschienen. Derartige Mindeststandards sind wichtig, da sie dem Sachverständigen Orientierung für die Begutachtung und schriftliche Ausarbeitung des Gutachtens erleichtern. Dazu ermöglichen sie es den am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Personen, das schriftliche Gutachten und das Vorgehen des Sachverständigen bezüglich seiner Qualität besser einzuschätzen. Beispielsweise finden sich hier – neben Anforderungen an die Kompetenzen eines familienpsychologischen Sachverständigen – auch Hinweise auf inhaltliche, methodische und formelle Mindestanforderungen an das sachverständige Vorgehen und die schriftliche Ausarbeitung, sowie eine Art „Checkliste”, die bei der Qualitätsbemessung eines vorliegenden Gutachtens zugrunde gelegt werden können. Weist der Gutachter nicht die in § 163 FamFG geforderte Qualifikation auf, leidet das Kindschaftsverfahren an einem Verfahrensfehler.
Das Gericht kann in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, anordnen, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten hinwirken soll. Durch diese zusätzliche Beauftragung nach § > 163 Abs.2 FamFG eröffnen sich dem Sachverständigen weitere Handlungsoptionen in der Begutachtung. Er diagnostiziert und bewertet nicht nur den Status quo, sondern interveniert zudem – soweit es der Konflikt zulässt – auf Grundlage seiner erfolgten Diagnostik fallspezifisch und nach Rücksprache mit den Beteiligten. Hierbei geht der Sachverständige auch prozessdiagnostisch vor, beispielsweise werden Umgangsregelungen gemeinsam mit den Familien erprobt, was für die psychologische Beantwortung der gerichtlichen Fragestellung in vielen Fällen unbedingt erforderlich ist. Diese Mittlerrolle ist im familienrechtlichen Sachverständigenwesen einzigartig und bietet für die Betroffenen – oftmals eine der letzten – Möglichkeiten, sich anzunähern und Einvernehmen im Sinne der Kinder herzustellen. Bei Gelingen der Interventionen sind kurze schriftliche Ausführungen des Sachverständigen in Form von Stellungnahmen meist ausreichend. Sollten die Bemühungen des Sachverständigen, ein Einvernehmen in adäquater Zeit herzustellen, dennoch scheitern, so kann er immer noch seine Begutachtung abschließen und die Fragen des Gerichts – bei Bedarf auch ausführlich – schriftlich beantworten.
Es wird darauf hingewiesen, dass dies zu der unguten Entwicklung führt, dass Familienpsychologen immer weniger bereit sind, in Kindschaftsverfahren tätig zu werden und sich vielmehr befriedigenderen Berufsfeldern zuwenden. Das führt u.a. dazu, dass die „wenigen verbleibenden Gutachter, die vielen Aufträge der Gerichte nicht mehr in einer adäquaten Zeitspanne bearbeiten können. Damit tritt auch das Hinwirken auf Einvernehmen immer mehr in den Hintergrund, was eigentliche Aufgabe des Familienrechts ist, und wozu der Sachverständige wieder vermehrt beauftragt werden sollte.“ (Quelle: Salzgeber, Bublath, Posten, FF 2020, 474)
BVerfG, Beschluss v. 1.3.2004 – 1 BvR 738/01
Verhältnismäßigkeit
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 180; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 29. Januar 2003, a.a.O., S. 288).
Anmerkung:
Im Grundsatz gilt die Feststellung, dass Elterninteressen stets nachrangig hinter den Interessen des Kindeswohls zu berücksichtigen sind. Doch können im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung das mit Art. 6 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht nicht ausgeblendet werden. Dies führt zu dem rechtlichen Ausgangspunkt, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zur Wahrung des Elternrechts) zunächst festgestellt werden muss, ob – als milderes Mittel – nur ein Teil der elterlichen Sorge rechts auf einen Elternteil allein übertragen wird.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 22.12.2020 – 8 UF 61/18B
Sorgerechtsübertragung – Verhältnismäßig bei erteilter Vollmacht?
Orientierungssätze:
1. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann die Bevollmächtigung eines mitsorgeberechtigten Elternteils durch den anderen eine Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt.
2. Dies setzt eine (noch) ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern voraus, soweit eine solche unter Berücksichtigung der durch die Vollmacht erweiterten Handlungsbefugnisse des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich bzw. erforderlich ist. Die Vollmacht ist deshalb nicht ausreichend, wenn eine notwendige Mitwirkung trotz Aufforderung nicht geleistet wird.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.12.2019 – 4 WF 162/19
Kostenaufteilung bei berechtigtem Anlass für Kindschaftsverfahren
Sachverhalt:
Die Kindsmutter beantragte Umgang (Kindschaftssache) mit ihrer (seinerzeit 11-jährigen) Tochter. Diese war – nachdem sie zunächst im Haushalt der Kindsmutter gelebt hatte – wenige Monate zuvor zum Vater gezogen und lehnte Kontakt mit der Mutter in der Folge kategorisch ab. Das FamG bestellte einen Verfahrensbeistand, hörte diesen nebst Jugendamt, Kind, Eltern und einer Zeugin (Großmutter) an wies den Antrag der Kindsmutter zurück. Die Kosten erlegte es allein der Mutter auf, weil ihr Antrag von vornherein aufgrund der strikt ablehnenden Haltung des Kindes keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Die Beschwerde der Kindsmutter hat Erfolg und führt zur Kostenaufhebung (§ 81 Abs.1 FamFG).
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat stellt zunächst klar, dass die Kostenbeschwerde nicht bloß Ermessensfehler der erstinstanzlichen Entscheidung zu prüfen habe, sondern selbst eine umfängliche Kostenentscheidung zu treffen und sein eigenes Ermessen auszuüben habe (strittig!). Umgangsverfahren seien – weil von einem einleitenden Antrag nicht zwingend abhängig – Amtsverfahren. Ein Antrag ist daher als Anregung auszulegen und das Gericht müsse prüfen, ob ein Verfahren zu führen sei. Ein Regelungsbedürfnis ist (bei einem Kind in diesem Alter) gegeben, wenn – wie hier – eine Umgangsregelung nicht besteht und Umgang nicht stattfindet. Liegt ein Bedürfnis zur Regelung vor, hat das Gericht ein Verfahren einzuleiten – ohne, dass es hierfür auf die Erfolgsaussichten konkreter Anträge ankäme (an die das Gericht im Rahmen der Entscheidung ohnehin nicht gebunden wäre).
Insbesondere bei Streitigkeiten zwischen Familienangehörigen sei hinsichtlich der Annahme einer einseitigen oder überwiegenden Kostentragungspflicht stets Zurückhaltung geboten. Dies gelte erst recht bei Amtsverfahren. Eine einseitige Kostentragungspflicht käme hier allenfalls dann in Betracht, wenn die Mutter mit falschen Angaben ein Regelungsbedürfnis nur vorgetäuscht und das Gericht daher ein grundsätzlich unnötiges Verfahren eingeleitet hätte. Dies war nicht der Fall. Auf den nicht stattfindenden Umgang und die Haltung der Tochter hatte die Kindsmutter im Antrag (besser: Anregung) hingewiesen.
Im Rahmen von Sorgerechtsverfahren können auch gerichtliche Entscheidungen im Wege der einstweiligen Anordnung (§§ 49 ff FamFG) getroffen werden. Die gerichtliche Anordnung ist mit Rechtsmitteln grundsätzlich nicht anfechtbar (§ 57 S. 1 FamFG). Allerdings sind in > Kindschaftssachen die Ausnahmen nach > § 57 S.2 FamFG besonders zu beachten. In der Regel ist in Sorgerechtsverfahren von Anträgen zum Erlass einstweiliger Anordnungen abzuraten. Zum einen gilt auch hier der Grundsatz, dass im Wege einstweiliger Anordnungen nur vorläufige Entscheidungen getroffen werden dürfen, die nicht das Ergebnis von Entscheidungen in der Hauptsache vorwegnehmen. Weiter muss die Dringlichkeit eines solchen Antrags begründet werden.
Beliebt sind Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Streit um Schuleinschreibung des Kindes für eine weiterführende Schule (Schulwechsel), Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht anlässlich der Trennung der Eltern und Streit um die auswärtige Unterbringung des Kindes (z.B. Internat).
Die vorläufige Streitregelung muss so dringlich sein, dass im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden werden muss. Die Dringlichkeit muss so erheblich sein, dass ein Abwarten eines Hauptsacheverfahrens, welches ohnehin dem Beschleunigungsgebot unterliegt, nicht abgewartet werden kann.
AG Kaufbeuren, Beschluss v vom 30.10.2024 – 2 F 765/24
(intern vorhanden, unser Az.: 231/15)
Einstweilige Anordnung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht – Dringlichkeit
Zum Inhalt:
Der Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren betrifft den Antrag des Vaters, auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das gemeinsame Kind (13 Jahre alt), . Das Gericht hat den Antrag zurückgewiesen, da es kein dringendes Bedürfnis für eine einstweilige Anordnung erkannte.
Der Antragsteller argumentierte, dass ein Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes zu ihm erforderlich sei. Das Gericht stellte jedoch fest, dass das Kind ausdrücklich geäußert hat, dass es nicht gewillt ist, in den Haushalt des Vaters zu wechseln. Zudem hat das zuständige Jugendamt keine dringenden Gründe vorgebracht, die eine sofortige Entscheidung erforderlich machen würden.
Gemäß § 49 Abs. 1 FamFG kann eine einstweilige Anordnung nur ergehen, wenn das rechtliche Verhältnis dies rechtfertigt und ein Eilbedürfnis bestehen kann. In diesem Fall wurde entschieden, dass ein Zuwarten bis zu einem regulär anberaumten Hauptsacheverfahren, welches binnen eines Monats nach Antragstellung stattfinden soll, für den Antragsteller zumutbar ist. Folglich wurde der Antrag als unbegründet erachtet, und das Gericht sah keinen Raum für eine summarische Kindeswohlprüfung im Eilverfahren.
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» Einstweilige Anordnung zum Umgang mit dem Kind
» Einstweilige Ehewohnungszuweisung zum Wohl der Kinder
Die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung in Kindschaftssachen ist nach § 1696 BGB nur möglich, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist (Abänderungsgrund). Einem leiblichen Vater, dem im gerichtlichen Verfahren nach § 155 a FamFG die Mitsorge zugesprochen wurde, ist das Mitsorgerecht also schwerer zu entziehen als einem Vater, der – ohne gerichtliche Entscheidung – über Sorgerechtserklärung oder Heirat mitsorgeberechtigt wurde.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Mai 2013 – 6 UF 32/13
Zum Merkmal “triftige Gründe” im Sinne von § 1696 Abs.1 S.1 BGB
(Zitat, Rn 22) “Die oben dargelegten Umstände stellen triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe dar, die gem. § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB eine Abänderung der Sorgerechtsentscheidung aus dem Jahre 2011 bezüglich E bedingen. Die Änderung muss aus Gründen des Wohls des Kindes geboten sein, dabei müssen die Gründe, die für eine Änderung sprechen, die damit verbundenen Nachteile deutlich überwiegen (OLG Frankfurt FamRZ 2011, 1875). Entscheidungsmaßstab ist auch hier das Kindeswohl. Es widerspricht dem Kindeswohl, wenn sein Lebensmittelpunkt ständig in Frage gestellt wird. Bereits oben wurde dargelegt, dass der fortdauernde Elternstreit über den Lebensmittelpunkt den Kindern nicht mehr zumutbar ist.”
» Abänderung gerichtlicher Entscheidungen in Kindschaftssachen
» Abänderungs- oder Beschwerdeverfahren?
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