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Wegweiser – Mustertexte
zur Elternvereinbarung
Merkblatt der Familiengerichte
Hinweise zur Elternverantwortung & Regelungsbefugnisse des Familiengerichts
Antrag
Einleitung des gerichtlichen Verfahrens
Antragsmuster
zur gerichtlichen Regelung des Umgangs.
Die Kindschaftssache “Umgang” (§ 151 Ziff.2 FamFG) ist nicht antragsgebunden (Amtsverfahren: vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15, Rn 7, mwN), wenn auch in der Praxis meist ein detaillierter Antrag zur Regelung des Umgangs üblich ist. Der Antrag zur Auslösung eines Umgangsverfahrens erfüllt den gleichen Zweck, wie in einem Sorgerechtsverfahren: er konkretisiert den Umgangswunsch eines Elternteils.
Das bedeutet, dass sie nicht durch eine Antragsrücknahme beendet werden können. Gemäß § 22 Ab.4 FamFG obliegt es dem Gericht, eigenständig zu prüfen, ob eine Regelung tatsächlich entbehrlich ist, wenn der Antrag auf Umgang zurückgezogen wurde. Eine Antragsrücknahme deutet lediglich darauf hin. Das Gericht hat entweder die Aufgabe, den Umfang und die Ausübung des Umgangsrechts konkret zu regeln oder, wenn dies im besten Interesse des Kindes erforderlich ist, das Umgangsrecht einzuschränken oder auszuschließen. Es ist normalerweise nicht ausreichend, nur eine gerichtliche Regelung abzulehnen (BGH FamRZ 17, 1668). Wenn das Gericht den Umgang nicht ausschließen möchte und es noch keinen Vollstreckungstitel gibt, muss es spezifische Anweisungen zum umfassenden, vollstreckungsfähigen Umgang in Bezug auf Tag, Ort und Zeit geben (BGH FamRZ 12, 533).
Nur wenn die Beteiligten übereinstimmend erklären, dass sie den Umgang einvernehmlich regeln, bedarf es keiner Gerichtsentscheidung. Dann gibt es keinen Anlass für das Amtsverfahren (Möller, FK 2023, 133-134).
Wenn kein Bedarf an einer familiengerichtlichen Regelung erkennbar ist, kann ein Umgangsverfahren auch durch ausdrückliche oder konkludente Feststellung beendet werden. In einem solchen Fall kann jedoch ein/e Beteiligte/r die Feststellung anfechten, was zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels führen kann, selbst wenn besagte/e Beteiligte zuvor erklärt hat, die beantragte Regelung nicht mehr zu benötigen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.03.2023 – 2 UF 166/22). Im Gegensatz zu § 531 Abs.2 ZPO ist der Verfahrensstoff des Beschwerdeverfahrens in Kindschaftssachen nicht begrenzt durch den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Dies liegt am Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 FamFG, sodass die Beschwerde auf neue Gründe für die begehrte Umgangsregelung gestützt werden kann gemäß § 65 Abs.3 FamFG.
OLG Köln, Beschluss vom 15.3.2012 – 4 UF 18/12
Umgangsentscheidung nach dem Kindeswohlprinzip
1. Bei einer zu treffenden Umgangsrechtsentscheidung ist auch unter Beachtung der widerstreitenden Elternrechte stets oberstes Gebot das Kindeswohl. Dabei ist das Kind in seiner Individualität als eigenständige Persönlichkeit zu akzeptieren und ihr Recht auf gedeihliche Entwicklung ihrer Persönlichkeit der Umgangsrechtsentscheidung zu Grunde zu legen.
2. Haben die Eltern in noch nicht weit zurückliegender Zeit eine einvernehmliche Regelung zum Umgangsrecht getroffen, sprechen in der Regel unter KindeswohIgesichtspunkten triftige Gründe für eine Beibehaltung der vereinbarten Besuchskontakte, wie z. B. Kontinuitätsgesichtspunkte und das Vertrauen des Kindes in die Verlässlichkeit getroffener Regelungen.
Anmerkung: Umgangsberechtigt sind beide Elternteile. Zum Kindeswohl gehört der Umgang mit beiden Eltern (§ 1626 Abs.3 S.1 BGB). Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln (§ 1626 Abs.2 S.1 BGB). Wenn in sondergesetzlichen Vorschriften (besondere Eingriffsschwellen) nichts anderes bestimmt ist, haben Gerichte in Kindschaftssachen die Entscheidung zu treffen, die dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1697a BGB). Mit wachsendem Alter der Kinder gewinnt der Kindeswille an Bedeutung.
Die verfahrensrechtlichen Vorschriften zu den Kindschaftssachen (§§ 151 ff FamFG) bauen auf der Vorstellung auf, dass keiner bessere Regelungen im Interesse der Kinder treffen kann, als deren Eltern. Deshalb wird in jedem Verfahrensstadium darauf hingewirkt, dass letztendlich zu einer Elternvereinbarung zum Umgangsrecht kommt (§ 156 FamFG). Das Jugendamt hat im weiteren Verlauf des Verfahrens mitzuwirken (§ 162 FamFG). Sollte unter Mithilfe des Jugendamtes keine Lösung gefunden werden, wird das Familiengericht auf Antrag eine Umgangsregelung beschließen.In der Theorie folgt der Verfahrensaufbau dem Prinzip des Chochomer Modells. Wie Richter in der Praxis das rechtliche Rahmenprogramm ausfüllen und erfüllen, steht auf einem anderen Blatt.
Inwelchem Umfang vom Gericht zur Beurteilung des Kindeswohls Tatsachen zu ermitteln sind, bestimmt sich nach § 26 FamFG. Zwar muss das Gericht von Amts wegen Ermittlungen durchführen, jedoch nur soweit dafür eine Vortrag der Beteiligten ausreichend Anlass dazu bietet. Das ist nur der Fall, wenn konkrete dem Beweis zugängliche Vorfälle geschildert werden, die Einfluss und Auswirkung auf das Kindeswohl haben. Kinder müssen angehört werden (§ 159 FamFG). Die Eltern sollen angehört werden (§ 160 FamFG).
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.01.2013 – 6 UF 20/13
Zur gerichtlichen Erforschung des Kindeswohls
(Zitat) “Danach hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Zwar muss das Gericht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgehen und besteht insbesondere keine Pflicht zu einer Amtsermittlung „ins Blaue hinein“, weshalb bloße Verdachtsäußerungen, die jeglicher tatsächlichen Grundlage entbehren, keinen Ermittlungsanlass geben (dazu BGH FamRZ 2011, 1047). Eine Pflicht zu der Aufklärung dienlichen Ermittlungen besteht jedoch insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGH FamRZ 2010, 720), wobei in kindschaftsrechtlichen Familiensachen besondere Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung zu stellen sind (Senatsbeschluss vom 3. April 2012 – 10 UF 10/12 –, FamRZ 2013, 48). Der genaue Umfang der erforderlichen Ermittlungen richtet sich nach den im konkreten Einzelfall betroffenen Kindeswohlbelangen (BGH FamRZ 2011, 796; 2010, 1060, jeweils m. Anm. Völker).”
Anmerkung: Hier ging es um den vorgetragenen Verdacht der Mutter, der Vater würde mit hoher Wahrscheinlichkeit „auch aktuell noch Alkohol und Betäubungsmittel und zwar Cannabisprodukte“ konsumieren, was einem Umgangskontakt des Vaters zum Kind mit Übernachtungen entgegenstehen würde. Die Mutter hatte hatte hierzu vorgetragen, der Vater habe seit Jahren massive Probleme mit Alkohol- und Drogenmissbrauch. Neben erheblichem Alkoholkonsum in Form von Wein und Sekt kiffe er drei- bis viermal täglich. Der Vater hat dies – abgesehen von einem jugendlichen Probieren von Cannabis vor 20 Jahren und einem Konsum von vielleicht ein bis zwei Gläsern Wein pro Woche – durchgehend bestritten. In der Nachfolge hat die Mutter nicht einen einzigen konkreten – der Widerlegung durch den Vater zugänglichen– Vorfall, bei dem Alkohol- oder Drogenkonsum des Vaters eine Rolle gespielt hätte, zu benennen gewusst, sei es in der Vergangenheit, sei es im Verlauf des nun bereits seit Oktober 2011 geführten Verfahrens. Nach Maßgabe eines solchen Vortrags ohne Benennung eines konkretem dem Beweis zugänglichen Vorfalls ist noch kein konkreter Anlass dargelegt, dies gerichtlich nach Maßgabe des § 14 FamFG nachzuprüfen.
Die Kindeswohlermittlung erfordert insb in Sorgerechts- und Umgangsverfahren idR die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zwar besteht keine generelle Pflicht zur Gutachteneinholung, doch muss, wenn davon abgesehen wird, anderweitig eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage gegeben sein (BVerfG NJW 2007, 1266ff; FamRZ 2009, 399f; 2009, 1389f). Eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung bedarf daher, wenn sie von großer Tragweite ist, grds eines psychologischen Gutachtens (BGH FamRZ 2010, 1060, 1063), so dass nur in einfach gelagerten Sachverhalten eine Entscheidung ohne Einholung eines Gutachtens möglich ist (Bamberg FamRZ 2010, 741). Zu bezweifeln ist die Ansicht, dass bereits die Anhörung der Beteiligten im Umgangsverfahren in vielen Fällen eine sichere Entscheidungsgrundlage gebe, so dass es eines Sachverständigengutachtens nicht bedürfe (Oldenburg FamRZ 2010, 44f).
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 UF 139/20
Einigungsversuch mit Jugendamt
Anmerkung: Es mangelt nicht am Rechtsschutzbedürfnis für ein Umgangsverfahren, wenn zuvor keine außergerichtliche Lösung unter Mithilfe des Jugendamtes versucht wurde. Die Zurückweisung des Antrags mangels Einigungsversuch mit dem Jugendamt, würde gegen die im Umgangsverfahren bestehende Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen.
Ohnehin sind an allen Kinschaftsverfahren, die die Person des Kindes betreffen das Jugendamt unverzüglich anzuhören. Das Jugendamt kann in keinem Fall umgangen oder übergangen werden.
OLG München, Beschluss vom 20.09.2019 – 11 WF 666/19
Der Erörterungstermin in Kindschaftssachen
Anmerkung: Verfahren zum Umgangsverfahren sind beschleunigt und vorrangig durchzuführen (§ 155 Abs.1 FamFG). Die Kindschaftssache ist mit allen Beteiligten in einem Termin zu erörtern und soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Jugendamt ist in diesem Erörterungstermin anzuhören. Eine Terminsverschiebung kommt nur aus zwingenen Gründen in Betracht und ist glaubhaft zu machen (§ 155 Abs.2 FamFG).
BGH, Beschluss vom 31.10.2018 – XII ZB 411/18
zur persönlichen Anhörung des Kindes im Umgangsverfahren
Leitsatz : Auch ein erst vierjähriges Kind ist in einem Umgangsrechtsverfahren grundsätzlich von dem Gericht persönlich anzuhören. Ausnahmsweise darf das Gericht von der Anhörung des Kindes aus schwerwiegenden Gründen absehen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Anhörung des Kindes zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen oder seelischen Gesundheit führen würde.
Um den Willen des Kindes und seine Interessen angemessen zu berücksichtigen, sieht das Gesetz vor, dass ein Verfahrensbeistand bestellt wird. Es ist ratsam, den Verfahrensbeistand so früh wie möglich im Verfahren zu bestellen gemäß § 158 Abs. 3 Satz 1 FamFG. Einige Gerichte bestellen einen Verfahrensbeistand zwar fast immer, aber es ist nicht immer zwingend vorgeschrieben.
§ 158 Abs. 2 Ziff. 5 FamFG besagt, dass bei einer erheblichen Einschränkung des Umgangsrechts ein Verfahrensbeistand bestellt werden muss. Eine “erhebliche Einschränkung” umfasst Fälle, in denen der Umgang ausgeschlossen ist oder gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BGB beschränkt ist.
Ebenso ist nach § 158 Abs.2 S.1 FamFG ein Verfahrensbeistand zu bestellen, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Kind und seinen gesetzlichen Vertretern besteht.
Eine gerichtliche Umgangsregelung hat die gesetzlichen Vorgaben zum Umgangsrecht (§ 1684 BGB) nach Maßgabe des Kindeswohlprinzips umzusetzen.
Antrag
auf Umgangszwang – ein Beispiel
Sachverhalt: Mit dem Antrag versuchte eine Mutter den Umgang des Vaters mit seinen vier Kindern zu erzwingen. Die Mutter stellt den Antrag, den Vater zu verpflichten jedes zweite Wochenende mit den Kindern zu verbringen.
Anmerkung: Zu der Frage, ob ein Elternteil gezwungen werden kann seiner Umgangspflicht (§ 1684 Abs.1 BGB) nachzukommen hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 Stellung bezogen. Regelmäßig wird die Verpflichtung zum Umgang mit einem nicht umgangswilligen Elternteil als schädlich für das Kindswohl eingestuft. Folge davon ist, dass gegenüber dem Umgangsunwilligen kein Zwangsmittel angedroht werden darf.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.06.2020 – 13 UF 57/20
Kein Umgangsbeschluss bei gewünschter Abstandnahme vom Umgang mit dem Kind
Anmerkung von Werner Dürbeck, in: NZFam 2020, 635
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.11.2020 – 3 UF 156/20
Umgangsbeschluss trotz gewünschter Abstandnahme vom Umgang mit dem Kind
Anmerkung: Die Entscheidung macht deutlich, dass der bekannte Grundsatz, wonach umgangsunwillige Eltern nicht zum Umgang gezwungen werden können, eine Regel mit Ausnahmen ist. Ein getrennt lebender Kindesvater ist auch gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen zum Umgang mit seinen Kindern verpflichtet, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Kinder haben ein Recht auf Umgang mit ihren Eltern. Damit korrespondiert eine gesetzliche Verpflichtung der Eltern zum Umgang. Demnach muss auch ein Vater, der sich privat und beruflich überlastet fühlt, Umgang mit seinen Söhnen pflegen. Das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Erziehungsrecht der Eltern ist ein Recht im Interesse des Kindes, das auf das Kindeswohl ausgerichtet ist. Dem Wohl des Kindes aber kommt es grundsätzlich zugute, wenn es durch Umgang mit seinen Eltern die Möglichkeit erhält, seinen Vater und seine Mutter kennenzulernen, mit ihnen vertraut zu werden oder eine persönliche Beziehung zu ihnen mit Hilfe des Umgangs fortsetzen zu können. Ein milderes Mittel, dem Umgangsrecht des Kindes zu seinem Wohle Nachdruck zu verleihen und zur Durchsetzung zu verhelfen, ist nicht ersichtlich, so dass die elterliche Umgangsverpflichtung auch erforderlich ist.
AG Konstanz vom 22.07.2013
Gerichtlicher Hinweis
Anmerkung: Das Gericht weist hier die Antragstellerin darauf hin, dass ein solcher Antrag in das Persönlichkeitsrecht des Vaters eingreift und gerechtfertigt ist, wenn der Zwang zum Umgang dem Kindeswohl dient. Wenn aber der Umgang mit dem Kind nur mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann, dient das in der Regel nicht dem Kindeswohl. Hier müsste die Mutter Anhaltspunkte vortragen, die darauf schließen lassen, dass es ausnahmsweise dem Kindeswohl dient, wenn der Umgang erzwungen wird. Ein solcher Anhaltspunkt wäre, dass der Vater – beeindruckt von der gerichtlichen Umgangsentscheidung – freiwillig und ohne Verhängung von Zwangsmitteln den beantragten Umgang ausüben wird.
Bei einem Ausschluss des Umgangs im Fall der Trennung von Eltern und Kind gilt ein strengerer Maßstab (BVerfG, FamRZ 2013, 361, 363). In diesem Fall ist nach § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB die besondere Voraussetzung der Kindeswohlgefährdung zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15, Rn 8, mwN).
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.01.2013 – 6 UF 20/13
Reicht ein nur behaupteter Verdacht von Kindeswohlgefährdung zur Beschränkung des Umgangsrechts?
BVerfG, Beschluss vom 23.01.2013 – 1 BvR 3326/14
Kindeswohlgefährdung bei Mißachtung des Kindeswillens – 11 jähriges Kind lehnt Umgang nachhaltig und durchgehend ab
(Zitat, Rn 17 ff) “Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Es ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 31, 194 <206 f.>; 64, 180 <187 f.>). Eine Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechts kommen jedoch dann in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfGE 31, 194 <209 f.>). Das Gericht hat sowohl die betroffenen Grundrechtspositionen des Elternteils als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 31, 194 <205 f.>; 64, 180 <187 f.>). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass das Kind mit der Kundgabe seines Willens von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch macht (vgl. BVerfGK 15, 509 <515>) und seinem Willen mit zunehmenden Alter vermehrt Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGK 9, 274 <281>; 10, 519 <524>). Ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang kann durch die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit unter Umständen mehr Schaden verursachen als nutzen (vgl. BVerfGK 6, 57). Selbst ein auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruhender Wunsch kann beachtlich sein, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist. Das Außerachtlassen des beeinflussten Willens ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. April 2001 – 1 BvR 212/98 -, FamRZ 2001, S. 1057). […] Hier war insbesondere zu berücksichtigen, dass das inzwischen 11jährige Kind spätestens seit seiner erstmaligen Anhörung durch das Amtsgericht im Mai 2011 durchgehend und vehement jegliche Umgangskontakte mit dem Beschwerdeführer abgelehnt hat, und zwar sowohl gegenüber der Familienrichterin und dem Berichterstatter des Oberlandesgerichts als auch gegenüber der Verfahrensbeiständin und der Sachverständigen. Angesichts des Alters des Kindes bei seiner letzten Anhörung und der Beharrlichkeit seiner Willensäußerung haben sich die Fachgerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bei ihrer Entscheidung am Kindeswillen orientiert.”
OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2022 – 13 UF 12/22
Kindeswohlgefährdung bei Gewaltausbrüchen und Beschimpfungen einer Mutter gegenüber den Kindern
Leitsatz: Gewaltausbrüche und Beschimpfungen einer Mutter gegenüber den Kindern können einen Umgangsausschluss rechtfertigen, wenn die Kinder nach einem gescheiterten begleiteten Umgang weitere Kontakte mit ihr ablehnen.
Die üblichen Mittel zur Durchsetzung eines Umgangs, um der Entfremdung des Kindes von einem Elternteil vorbeugen soll, wenn es zu ernsthaften Schwierigkeiten (z.B. Boykott-Versuchen) kommt, ist die Umgangspflegschaft und der begleitete Umgang.
Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen.
Der begleitete Umgang führt zu einer fachlichen Kontrolle des Umgangs. Es kommt vor, dass Kinder diese Mittel zur Umgangsdurchsetzung boykottieren, weil die Eltern nicht in der Lage sind, den Umgang des Kindes mit beiden Eltern zu fördern. Bei der Kommentierung in Palandt (80. Auflage, § 1684 Rz. 21) heißt es: Reicht eine Umgangspflegschaft nicht aus oder sind andere, von ihr nicht erfasste Maßnahmen geboten, schließt Abs. 3 Satz 3 den Rückgriff auf § 1666 Abs. 1 BGB und die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht aus (etwa um das Kind einer Therapie zum Abbau psychischer Barrieren gegen Umgang zuzuführen, OLG Naumburg, Beschluss vom 30.06.2008 – 8 UF 12/08 ; vgl. auch § 1666 Rz 19).
OLG Naumburg, Beschluss vom 30.06.2008 – 8 UF 12/08
Umgangsförderung mit Jugendamt als Ergänzungspfleger
(Zitat) “Nach alledem ist es Aufgabe des Senats, Lösungen zu finden, die trotz der längerfristigen psychischen Barrieren eine Umgangsanbahnung und -durchführung ermöglichen. Der Umgangskontakt zwischen Vater und Kind ist bereits seit der Trennung der Kindeseltern im August 2006 abgebrochen. Bis auf Weiteres ist die Kindesmutter psychisch auch gar nicht in der Lage, ihrer Wohlverhaltens- und Loyalitätspflicht zu genügen. Nach Überzeugung des Senats ist es daher zum Wohle des Kindes notwendig, der Anregung des Jugendamts und der Verfahrenspflegerin zu folgen und der Kindesmutter hinsichtlich des Umgangs mit dem Kind das Sorgerecht zu entziehen (§ 1671 Abs. 3 i. V. m. § BGB § 1666 Abs. 1 BGB) und diesen Teilbereich der elterlichen Sorge auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger zu übertragen (§ 1909 BGB; vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, 443 ff.; OLG Rostock, FamRZ 2004, 54 f.). Entsprechendes muss hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts gelten. Denn ohne eine Therapie des Kindes kann der Umgang zwischen Vater und Kind nach den Feststellungen der Sachverständigen voraussichtlich nicht wieder angebahnt werden. Sollte eine stationäre Therapie notwendig sein, mag das Jugendamt beim Familiengericht einen entsprechenden Antrag stellen.”
Anmerkung: Im Fall des OLG Naumburg zeigten sich die Eltern nicht in der Lage den Umgangsboykott des Kindes zu einem Elternteil zu regulieren, weil dazu die nötige Bindungstoleranz fehlt und diese Einschränkung nur selten reflektiert wird. Darin sah das Gericht eine Kindeswohlgefährdung und sich legitimiert, nach § 1666 BGB einzugreifen. Um in dieser Situation ein Mittel zur Überwindung der Entfremdung des Kindes zu überwinden, griff das OLG zum Mittel der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft mit dazu notwendigem Teilentzug des Sorgerechts der Eltern.
Besteht dringender Anlass für eine zeitnahe Umgangsregelung, weil ein Umgangsboykott für den anstehenden Ferienumgang droht, kann an einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gedacht werden.
Musterantrag
Regelung zu Weihnachten
“Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind … “, und in die Kanzlei des Familienanwalts der Auftrag zur schnellen Regelung des Umgangs für Weihnachten
Musterantrag
Regelung der Sommerferien
Vater will einen Teil der Sommerferien mit den Kindern verbringen, worauf die Mutter keine Reaktion zeigt.
AG Amberg, Beschluss vom 17.11.2020 – 2 F 689/20 (intern vorhanden; unser Az.: 53/20)
Regelungsbedürfnis
(Zitat) “Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme nur dann treffen, so weit dies nach den für das Rechtsmittel maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, ein Regelungsbedürfnis bzw. ein Anordnungsgrund, besteht. Ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, § 49 Abs. 1 FamFG, ist nur gegeben, wenn ein Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet (Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl.,§ 49 FamFG, Rz. 8; Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl.,§ 49, Rz. 13). Dabei kommt es dar auf an, ob ein Zuwarten bis zur Entscheidung in einer etwaigen Hauptsache nicht ohne Eintritt erheblicher Nachteile möglich wäre (Zöller/Feskorn, a. a. O.; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rz. 80).”
Gerichtlicher Hinweis
zur Eilentscheidung ohne mündliche Verhandlung – § 51 Abs. 2 S. 2 FamFG
Wird der Umgang mit dem Kind einem Elternteil vorenthalten, wird häufig nach Möglichkeiten zur Durchsetzung des Umgangsrechts im Wege eines Eilverfahrens ohne mündliche Verhandlung gefragt. Diese Möglichkeit eröffnen die §§ 49 ff. FamFG (Einstweilige Anordnung).
Beschlüsse in Kindschaftssachen sind im Regelfall bereits mit Bekanntgabe wirksam (§ 40 Abs.1 FamFG; weitere Ausnahmen, d.h. Wirksamkeit erst mit Rechtskraft: § 40 Abs.2 und Abs.3 FamFG). Wirksamkeit bedeutet Vollstreckbarkeit. Das Rechtsmittel der Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) hat keine aufschiebende Wirkung. Selbst wenn also ein Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt wird, ist Umgangsbeschluss bis zu einer abweichenden Entscheidung durch das Beschwerdegericht mit Ordnungsmitteln vollstreckbar, es sei denn, es wird die Aussetzung der Vollstreckung erreicht.
Umgangsverfahren sind keine sog. Familienstreitsachen (§ 112 FamFG), bei denen die Verfahrenskosten in der Regel zwischen den Beteiligten nach dem Anteil des Obsiegens oder Unterliegens im Verfahren aufgeteilt werden. Dazu verweist § 113 Abs.2 FamFG auf die allgemeinen Verfahrensvorschriften in Zivilsachen (§ 91 Abs.1 S.1 ZPO). In Umgangsverfahren gilt für die Kostenverteilung §§ 80, 81 FamFG: Danach werden die Kosten nach “billigem Ermessen“ des Gerichts ganz oder zum Teil einem Beteiligten auferlegt. Somit ist es kaum vorhersehbar, wie am Ende die Kosten des Verfahrens verteilt werden. Insgesamt ist man mit einer einseitigen Belastung eines Beteiligten zurückhaltend:
OLG München, Beschluss vom 15.09.2016 – 4 WF 1173/16 (intern vorhanden)
Kostenverteilung nach freiem Ermessen
(Zitat) “Zwar können die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen einem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt werden,§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Gerade in Kindschaftssachen aber ist bei der Auferlegung außergerichtlicher Kosten besondere Zurückhaltung geboten (OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1303; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 998; OLG Köln FamRZ 2012, 1162).”
Verfahrenskostenhilfe für gerichtliche Umgangsverfahren nur bewilligt, wenn der Antragsteller darlegt, dass alle zumutbaren außergerichtlichen Versuche zur Regelung des Umgangs ausgeschöpft wurden. Erst wenn sich zeigt, dass das primäre Ziel der außergerichtlichen Umgangsregelung nicht erreichbar ist, weil ein nervenaufreibender Kleinkrieg um Details ausbricht oder eine komplette Weigerung zur Regelung des Umgangs sich einstellt, ist der Weg frei zur gerichtlichen Durchsetzung des Umgangsrechts mit staatlicher Finanzierungshilfe.
Unternimmt ein Elternteil keine zumutbaren Anstrengungen, damit eine gerichtliche Umgangsanordnung (Vollstreckungstitel) tatsächlich umgesetzt wird, droht Zwangsvollstreckung nach § 89 FamFG. Mittel der Zwangsvollstreckung sind die Anordnung von Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft.
BGH, Beschluss vom 1. Februar 2012 – XII ZB 188/11
Zum vollstreckungsfähigen Umgangsbeschluss – Hinreichend bestimmte und konkrete Regelung
Leitsatz: „Die Vollstreckung eines Umgangstitels nach § 89 Abs. 1 FamFG durch Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen den betreuenden Elternteil setzt eine hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts voraus. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs erforderlich. Nicht erforderlich sind hingegen detailliert bezeichnete Verpflichtungen des betreuenden Elternteils, etwa zum Bereithalten und Abholen des Kindes.“
Anmerkung: Ob gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung oder gerichtlicher Beschluss zur Ausübung des Umgangs, stets ist – letztendlich – darauf zu achten, dass die Umgangsregelung am Ende einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist, will man nicht nur einen „Papiertiger“ in den Händen halten. Der Umgangstitel muss inhaltlich bestimmt und klar formuliert sein (vollstreckungsfähiger Inhalt). Andernfalls scheitert das Ordnungsmittelverfahren.
BGH, Beschluss vom 31.10.2018 – XII ZB 411/18
Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses
Leitsatz: Ein an das Rechtsbeschwerdegericht gerichteter Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung eines das Umgangsrecht regelnden Beschlusses ist in entsprechender Anwendung des § 64 Abs.3 FamFG statthaft (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – VZB 14/10 – FGPrax 2010, 97 und Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2013 – XII ZB 482/13 – FamRZ 2014, 29).
Anmerkung: Ein Beschwerdeverfahren zur Anfechtung eines Umgangsbeschlusses kann dauern. In dieser Zeit ist der Beschwerdeführer ab an den vollstreckbaren Beschluss gebunden. Um diese Bindungswirkung aufzuheben, sieht § 64 Abs.3 FamFG die Möglichkeit vor, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auf Antrag im Wege der einstweiligen Anordnung durch das Beschwerdegericht aussetzen zu lassen. Diese Möglichkeit ist auch bei einem Rechtsbeschwerdeverfahren zum BGH gegen die Beschwerdeentscheidung des OLG möglich.
OLG Naumburg, Beschluss vom 23.11.2018 – 4 WF 135/17
Vollstreckbarkeit von abänderbaren Umgangstiteln
Leitsatz: Ergeben sich nachträglich neue Umstände, die gewichtige Anhaltspunkte dafür bieten, dass der vollstreckbare Umgangstitel nicht mehr dem Kindeswohl entspricht, steht ein darauf gestützter Abänderungsantrag der weiteren Vollstreckung der alten Umgangsregelung entgegen.
Anmerkung: Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens kann das Gericht gemäß § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG jederzeit die Vollstreckung des ursprünglichen Umgangstitels einstweilen einstellen.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2020 – 9 WF 289/20
Verstoß gegen Umgangsförderpflicht – Vertretenmüssen
Orientierungssatz: Der betreuende Elternteil hat Umgangsausfälle nur dann gemäß § 89 Abs. 4 FamFG nicht zu vertreten, wenn er die Kontakte des Kindes um anderen Elternteil positiv fördert, indem er dem Kind überzeugend vermittelt, dass er den Umgang aus eigener innerer Überzeugung wünscht, statt ihm die Nachteile der Nichtwahrnehmung des Umgangs aufzuzeigen.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.07.2020 – 13 WF 118/20
Zur Sanktions- und Beugefunktion von Ordnungsmitteln
Anmerkung von Tim Jesgarzewski in: NZFam 2020, 977
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.07.2020 – 1 WF 120/20
Ordnungsmittel bei Zuwiderhandlung gegen gerichtlichen Umgangsbeschluss
Pressemitteilung: Ein familiengerichtlich geregelter Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil darf ohne rechtfertigende Änderungsentscheidung des Familiengerichts nicht unter Hinweis auf die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus verweigert werden. Gegen einen Elternteil, der den Umgang gleichwohl nicht gewährt, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.12.2019 – 6 WF 156/19
Zur Ordnungshaft wegen Umgangsvereitelung
Leitsatz: Jedenfalls in Fällen nicht ausreichend nachvollziehbarer und längerer Umgangsverweigerung kann gegen den betreuenden Elternteil zur Durchsetzung des Umgangs Ordnungshaft (hier: fünf Tage) angeordnet werden, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 29.05.2013 – 5 WF 120/13
Ordnungsmittel: Fehlendes Elternverschulden bei Umgangsboykott des Kindes
(Zitat) “Der betreuende Elternteil hat aufgrund seiner Wohlverhaltenspflicht gemäß § 1684 Abs. 2 BGB nicht nur alles zu unterlassen, was einen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil gefährden kann, sondern diese Kontakte auch positiv zu fördern, ggf. diesbezüglich auch erzieherisch auf das Kind einzuwirken (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.4.2013, 5 WF 81/13). Ein fehlendes Verschulden ist in diesem Zusammenhang nur dann anzunehmen, wenn im Einzelfall dargelegt werden kann, wie und in welchem Umfang auf das Kind eingewirkt wurde, um es zum Umgang zu bewegen, wobei die Darlegungslast bei dem Umgangsverpflichteten liegt (vgl. BGH, FamRZ 2012, 533).”
Anmerkung: Wenn Eltern sich bei Vollzugsverletzung einer Umgangsanordnung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes berufen (“Kind will nicht”), müssen sie im Einzelnen darlegen, wie sie auf das Kind eingewirkt haben, um es zu dem angeordneten Umgang zu bewegen (OLG Frankfurt, BeckRS 2013, 09676; OLG Saarbrücken BeckRS 2012, 21763) wenn sie ein Ordnungsgeld vermeiden wollen. Ergeben sich nachträglich neue Umstände, die gewichtige Anhaltspunkte dafür bieten, dass der zu vollstreckende Umgangstitel nicht mehr dem Kindeswohl entspricht, steht ein darauf gestützter Abänderungsantrag der weiteren Vollstreckung der alten Umgangsregelung entgegen (OLG Naumburg, Beschluss vom 23.11.2018 – 4 WF 135/17). Das Ordnungsgeldverfahren kann in solchen Fällen ausgesetzt werden (aus unserer Praxis: Antrag auf Aussetzen des Ordnungsmittelverfahrens mit Antrag auf Abänderung des Umgangsbeschlusses – unser Az.: 53/20 (D3/570-20); AG Amberg – 2 F 690/20).
OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – 9 WF 208/19
Ordnungsmittelverfahren : Kinder wollten den Umgang nicht
(Zitat, Rn 5) “Das Erfordernis einer schuldhaften Verletzung der Verpflichtung des betreuenden Elternteils zur Förderung des Umgangs des Kindes mit dem anderen Elternteil folgt auch aus dem in § 89 Abs. 4 FamFG vorgesehenen Entlastungsbeweis. Danach unterbleibt die Festsetzung des Ordnungsmittels nur dann, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Damit korrespondiert die Verpflichtung des betreuenden Elternteils zur Darlegung der Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen (BGH FamRZ 2012, 533).
Anmerkung: Mit bloßer Erklärung “Kind will den Umgang nicht” kann ein Elternteil den Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind nicht versagen. Die Entscheidung des OLG Brandenburg betont das Wohlverhaltensgebot und die Umgangsförderpflicht der Eltern mit dem anderen Elternteil. Der zum Umgang verpflichtete Elternteil muss sich daher nicht nur neutral zur Umgangsdurchführung verhalten, sondern diese aktiv befördern. Eine rein neutrale Haltung zum Umgang reicht nach der Wertung des § 1684 Abs.2 BGB nicht aus, da ein Kind hierin eine auch nur nonverbale Ablehnung gleichwohl spürt und dadurch den oben genannten Loyalitätskonflikt austragen muss. Auch eine dem Kind möglicherweise nur unbewusst vermittelte ablehnende Haltung des umgangsverpflichteten Elternteils verstößt daher gegen das Wohlverhaltensgebot.
Ein zentrales Element des Kindeswohls ist in Umgangssachen stets die Vermeidung eines Loyalitätskonflikts. Wenn Kinder beim zur Gewährung des Umgangs verpflichteten Elternteil eine Ablehnung gegen die Umgangsdurchführung erleben, wird ihr Kontaktwunsch in Frage gestellt. Durch diese materielle Systematik bringt der Gesetzgeber das eigentliche Leitmotiv des Kindeswohls zum Ausdruck. Der umgangsgewährende verpflichtete Elternteil (hier die Mutter) wird in die Pflicht genommen, den Umgangswunsch auch wirklich zu ermöglichen und die Umgangsbereitschaft tatsächlich durch entsprechende Verhaltensweisen gegenüber dem Kind umzusetzen. Deshalb sind zur Vermeidung von Ordnungsmitteln gegen die Eltern beim Umgangsboykott des Kindes die Tatsachen ausführlich darzustellen, die trotz gebotener Umgangsförderungsmaßnahmen durch die Eltern das Kind ohne physischen und psychischen Zwang nicht dazu bewegen, den Umgang mit einem Elternteil zuzulassen.
(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.
(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.
Die Ausgangsentscheidung zum Kindschaftsrecht beurteilt das Kindeswohl zum Zeitpunkt der Entscheidung. Eine solche Entscheidung nicht abschließend sein, weil die dynamische Entwicklung eines Kindes nicht abschließend beurteilt werden kann. Entscheidungen in Kindschaftssachen erwachsen nicht in materielle Rechtskraft (Götz, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 1696 Rn. 1). Die Fürsorge gegenüber dem Kind hat stets Vorrang vor der Endgültigkeit einer einmal getroffenen Entscheidung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.04.2005 – 1 BvR 1664/04, Rn 22).
AG Münster, Beschluss vom 27.10.2022 – 64 F 96/22 (intern vorhanden; unser Az.: 16/23)
Abänderung wegen nachhaltig geändertem Kindeswillen
(Zitat) „Gemäß § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Ein solcher triftiger, das Kindeswohl berührender Grund liegt hier in dem geänderten, nachhaltigen Kindeswillen.”
Anmerkung: Ob ein nachdrücklicher Änderungswunsch des Kindes einen triftigen Grund darstellt, ist strittig. Zur Beachtlichkeit eines über längere Zeit nachhaltig bekundeten Kindeswillens vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.04.2010 – 9 UF 37/09, Rn 35.
Triftige Gründe sind neue Tatsachen (tatsächlichen Verhältnisse), die zu einer veränderten Beurteilung Anlass geben. Eine abweichende Beurteilung bei unveränderter Sach- und Rechtslage genügt nicht, denn es geht im Abänderungsverfahren grundsätzlich nicht um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. nur BGH FamRZ 1993, 314). Es gibt Prognosefehler, die nach einer Abänderungsmöglichkeit verlangen. Die Abänderungsvoraussetzung ist an folgende Eingriffsschwelle geknüpft: „wenn aus triftigen nachhaltigen Kindeswohlgründen eine Änderung angezeigt ist”. Mit diesem Abänderungsmaßstab ist der Interessenkonflikt zwischen Rechtssicherheit der Eltern und Kontinuität für die Kinder einerseits und notwendiger Prognoseanpassung aufgrund sich verändernder Verhältnisse aus Erwägungen des Kindeswohls zu lösen. § 1696 BGB erlaubt gerade nicht das beliebige Wiederaufrollen des Erstverfahrens (vgl. BT-Drucks. 13/4899, S. 109). § 1696 Abs.1 BGB erlaubt auch die Abänderung gestützt auf solche Tatsachen, die bei der Entscheidungsfindung zwar schon vorlagen, dem Gericht aber nicht bekannt waren.
Die Vorteile einer Neuregelung müssen die mit der Abänderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen. Es findet keine offene Neuabwägung der Kindesinteressen mit dem Ziel statt, die für das Kind beste Lösung zu ermitteln.
Geht es dabei um Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts, muss die Abänderungsmaßnahme zum Wohl der Kinder erforderlich sein (§ 1684 Abs.4 S.1 BGB). Ein triftiger Abänderungsgrund liegt jedenfalls dann vor, wenn das Festhalten an der getroffenen Umgangsregelung die Eingriffsschwelle einer Kindeswohlgefährdung erreicht.
Soll in Kindschaftssachen eine gerichtliche Entscheidung oder eine gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung abgeändert werden, bietet sich dafür entweder die Beschwerde oder die Abänderung wegen §§ 1696, 1684 Abs.4 S.1 BGB an.
Abänderungsverfahren sind – ebenso wie Umgangssachen – Amtsverfahren. „Anträge“ sind daher lediglich Anregungen (vgl. § 24 FamFG). Somit kann das Gericht auch von Amts wegen ein Abänderungsverfahren einleiten. Die gerichtliche Ablehnung eines Antrags zur Einleitung eines Abänderungsverfahrens ist durch den in seinen Rechten betroffenen Beteiligten anfechtbar (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 31. März 2015, Az. 5 UF 272/14).
OLG Schleswig, Beschluss vom 25.05.2020 – 10 WF 77/20
Zur Umgangsabänderung wegen Corona-Pandemie
Leitsätze:
1. Die allgemein erhöhte Gesundheitsgefahr aufgrund der Corona – Pandemie führt ohne das Hinzutreten weiterer risikoerhöhender Umstände nicht dazu, dass ein bestehender Umgangstitel abzuändern ist.
2. Bei Verstößen gegen eine bestehende Umgangsregelung folgt aus der bloßen allgemein erhöhten Gesundheitsgefahr aufgrund der Corona – Pandemie nicht, dass der Umgangsverpflichtete den Verstoß nicht zu vertreten hat.
3. Um eine effektive Durchsetzung des Umgangsrechts zu gewährleisten, ist das Ermessen bei § 89 Abs. 1 FamFG in der Regel dahingehend auszuüben, dass bei Verstößen gegen eine Umgangsregelung Ordnungsmittel zu verhängen sind.
Anmerkung: In die gleiche Richtung hat das OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.09.2020 – 10 WF 622/20 entschieden: (Zitat) „Grundsätzlich ist es auf Grund der aus der Corona-Pandemie resultierenden Risiken und Restriktionen nicht erforderlich, eine besondere, der Situation angepasste generelle Neuregelung des Umgangs im Sinne des § 1684 BGB zu treffen. Eine Umgangsregelung gemäß 1684 BGB beinhaltet es nämlich durchaus, dass die Durchführung des Umgangs entfällt, wenn zwingende Gründe entgegenstehen (Rake, FamRZ 2020, 650; OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.05.2020, 1UF 51/20, COVuR 2020, 254 – Rn 18). Die Frage, ob ein solcher Hinderungsgrund, der das Entfallen eines Umgangstermins rechtfertigt, tatsächlich vorliegt, ist mithin im Rahmen der Umgangsvollstreckung nach § 89 FamFG zu klären.”
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