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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Unterhalt für Kinder > Prüfungsschema > Leistungsfähigkeit der Eltern > Eltern mit Vermögen
| Wegweiser zur Leistungsfähigkeit der Eltern
Wegen § 1603 Abs.2 BGB ergeben sich für barunterhaltspflichtige Eltern etliche Besonderheiten. Eine davon ist die Ermittlung des Barbedarfs des Kindes mit abgeleiteter Lebensstellung nach fiktivem Elterneinkommen. Mit anderen Worten: der Bedarf des Kindes bemisst sich nicht nur nach dem erzielten, sondern grundsätzlich nach dem erzielbaren Elterneinkommen. Letztendlich wird bereits auf der Prüfungsebene Bedarf auf die Leistungsfähigkeit der Eltern abgestellt.
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E-Book: Kindesunterhalt
Leistungsfähigkeit der Eltern
Unterhalt ist vom Unterhaltsschuldner nur dann zu bezahlen, wenn er als leistungsfähig gilt. Leistungsfähig ist, wer mehr unterhaltsrelevantes > Einkommen oder > Vermögen zur Verfügung hat, als er für seinen eigenen Lebensunterhalt benötigt. Was als nötige (finanzielle) Mittel für den eigenen Lebensunterhalt zuerkannt wird, ergibt sich aus den sog. > Selbstbehaltsätzen. Daraus folgt die Formel: Einkommen & Vermögen abzgl. Selbstbehalt = > Leistungsfähigkeit. Je nachdem welche Zahl für den Faktor Einkommen, Vermögen oder Selbstbehalt in Ansatz gebracht wird, ist eine Leistungsfähigkeit festzustellen (= Ergebnis > 0) oder nicht (= Ergebnis < 0).
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(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
BGH, Urteil vom 18.07.2012 – XII ZR 91/10
Zur allgemeinen Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs.1 BGB
(Zitat) “Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dem Unterhaltspflichtigen sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt (Senatsurteil vom 18. Januar 2012 – XII ZR 15/10 – FamRZ 2012, 530 Rn. 16 mwN).”
Wer mehr > Einkommen erzielt oder verwertbares > Vermögen besitzt, als zur Deckung des eigenen angemessenen Lebensbedarfs benötigt wird, ist in der Lage, Unterhalt zu bezahlen; er ist im Sinne des § 1603 Abs.1 BGB leistungsfähig. Reicht das Einkommen das Unterhaltsschuldners nur zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs (> Selbstbehalt),kann er keine andere Personen unterhalten, sprich: Er ist nicht leistungsfähig. Wer sich auf Leistungsunfähigkeit berufen will, muss diese darlegen und > beweisen. Andernfalls wird die Leistungsfähigkeit unterstellt. Was der “eigene angemessene Unterhalt” ist, oder welches Einkommen (oder Vermögen) dafür notwendig ist, erklärt § > 1603 Abs.1 BGB nicht. Weil das Gesetz keine Zahlen nennt, werden in der Praxis sog. > Selbstbehaltsätzeaufgestellt. Sie markieren die Schwelle, ab welchem Einkommensniveau im Regelfall von einer Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ausgegangen werden kann. Überschreitet das unterhaltsrelevante Einkommen des Unterhaltsschuldners den jeweils maßgebenden Selbstbehalt nicht, wird > in d er Regel von Leistungsunfähigkeitauszugehen sein. die Selbstbehaltssätze können der jeweils aktuell geltenden > Düsseldorf er Tabelle als Richtlinie in Anmerkung A. Ziff.5 entnommen werden. Da die Selbstbehaltssätze nur für den Regelfall aufgestellt wurden, könnenzu Erfassung der individuellen Umstände des Einzelfalls > Korrekturen angezeigt sein. Welches Einkommen im Regelfall zur Deckung des eigenen angemessenen Unterhalts benötigt wird, bringt der sog. > angemessene Selbstbehaltsatz zum Ausdruck. Da sich das nominale Existenzminimum schon wegen der Inflation ständig ändert, werden nach Maßgabe des > Existenzminimumbericht der Bundesregierung etwa alle zwei Jahre neue Vorgaben herausgegeben, an denen sich die Zahlen der Düsseldorfer Tabelle orientieren.
Bevor wegen Unterschreitung des angemessenen > Selbstbehaltsatzes nach Düsseldorfer Tabelle (DT) auf eine fehlende Leistungfähigkeit nach § > 1603 Abs.1 BGB geschlossen wird, muss vorab geprüft werden, ob der tatsächliche angemessene Selbstbehalt womöglich niedriger ist, als der Selbstbehaltssatz lt. Düsseldorfer Tabelle. Die Selbstbehaltssätze sind nur Orientierungshilfen für den Regelfall ohne Gesetzeskraft. Die Bemessung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH zwar Aufgabe des Tatrichters. Dabei ist es ihm nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte (d.h. Orientierung an den Selbstbehaltsätzen der DT) anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2006 – XII ZR 30/04 ). Der Tatrichter muss aber die gesetzlichen Wertungen und die Bedeutung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs berücksichtigen. Es liegt in der Natur der Selbstbehaltsätze nach Düsseldorfer Tabelle, dass diese im individuellen Einzelfall wegen berücksichtigungswürdiger Besonderheiten zu korrigieren sind. Die Selbstbehaltsätze haben keine Gesetzeskraft und wurden aufgestellt, damit für eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen möglichst einheitliche Ergebnisse gefunden werden und nicht jedes Gericht nach seinen eigenen Vorstellungen Zahlen zum Selbstbehalt auswirft. Wann besondere Umstände für eine Korrektur der Selbstbehaltsätze gegeben sind, enthalten die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der OLG`s weitere > Hinweise. In Patchwork-Situationen, kommt es regelmäßig zur > Korrektur, d.h. Herabsetzung der Selbstbehaltssätze der DT. Denn diese Situation entspricht nicht der Modellvorstellung der Selbstbehaltssätze der DT. Nach einer Korrektur kann es im Ergebnis u.U. dazu kommen, dass zwar das eigenen > Einkommen die Schwelle des angemessenen Selbsbehaltssatzes nicht übersteigt, aber dennoch tatsächlich (individuell) angemessene Selbstbehalt gewahrt bleibt. Der Übergang zur Prüfung des notwendigen Selbstbehalts hat sich in diesem Fall erübrigt: der Unterhaltsschuldner ist dann bereits nach § > 1603 Abs.1 BGB leistungsfähig.
Die > allgemeine Regel zur Leistungsfähigkeit gilt für barunterhaltspflichtige Eltern gegenüber Kindern im Sinne des § > 1603 Abs.2 BGB nicht.
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(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage [= 1603 Abs.1 BGB], so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
Steht fest, dass Eltern im Sinne des § > 1603 Abs.1 BGB nicht leistungsfähig sind, können sie dennoch zur Zahlung von Kindesunterhalt herangezogen werden, wenn gegenüber Kindern im Sinne von § > 1603 Abs.2 BGB Unterhalt geschuldet wird. Bei minderjährigen und für volljährigen unterhaltsbedürftigen Kindern bis 21, die sich in >allgemeiner Schulausbildung befinden, stellt das Gesetz besondere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Eltern: Die > allgemeine Grenze nach § 1603 Abs.1 BGB gilt hier nicht. Zu Gunsten dieser Kinder sinkt nach Maßgabe des § 1603 Abs.2 S.1 BGB die Grenze der Leistungsfähigkeit vom > angemessenen Selbstbehalt ab auf den sog. >notwendigen Selbstbehalt. Der Praradigmenwechsel auf der Ebene der Leistungsfähigkeit hat erhebliche Auswirkungen auf die Frage der Erwerbsobliegenheiten der Eltern. Leztere wiederum bestimmt die Frage, ob und in welchem Umfang nicht nur das real erzielte, sondern auch das fiktiv erzielbare Einkommen der Eltern die Leistungsfähigkeit bestimmen. Mehr dazu
> hier
OLG Hamm, Beschluss vom 21.07.2022 – II-2 UF 88/21
Gesteigerte Leistungsfähigkeit | Gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs.2 BGB
(Zitat) “Nach § 1603 Abs. 1 BGB sind Eltern nicht unterhaltspflichtig, wenn sie bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen außerstande sind, den Unterhalt ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren. Gegenüber minderjährigen Kindern besteht eine verschärfte Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB). Leistungsunfähigkeit liegt nicht bereits vor, wenn der Unterhaltspflichtige keine ausreichenden Einkünfte erzielt, sondern nur, wenn er nicht in der Lage ist, die zur Bestreitung des Unterhalts notwendigen Mittel zu erwirtschaften. Verfügt er über keine Einkünfte, trifft ihn unterhaltsrechtlich die > Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine einträgliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Insbesondere legt ihm die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern eine erhöhte Arbeitspflicht unter gesteigerter Ausnutzung seiner Arbeitskraft auf. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, auch tatsächlich erzielt hätte. Trotz der nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern muss die Anrechnung fiktiver Einkünfte aber stets die Grenze des Zumutbaren beachten. Voraussetzung einer Zurechnung fiktiver Einkünfte ist, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbaren Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und dass bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte, was von den persönlichen Voraussetzungen des Unterhaltspflichtigen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand sowie dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt.”
Anmerkung: Befinden sich Eltern in dieser Lage [= keine > Leistungsfähigkeit nach § > 1603 Abs.1 BGB], so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der > allgemeinen Schulausbildung befinden. § > 1603 Abs.2 BGB knüpft daran an, dass der barunterhaltsplichtige Elternteil die Kriterien der > allgemeinen Leistungsfähigkeit – und zwar nach Maßgabe des > tatsächlich angemessenen Selbstbehalts – nicht erfüllt. Der Gesetzgeber geht selbst in solch einem Fall von einer Leistungsfähigkeit der Eltern gegenüber minderjährigen und diesen nach § > 1603 Abs.2 S.2 BGB gleichgestellten volljährigen Kindern aus, indem die Verpflichtung postuliert wird, “alle zur Verfügung stehenden Mittel” nicht nur für sich selbst (Eigenbedarf), sondern gleichmäßig verteilt für den Eigenbedarf und für den Bedarf der Kinder zu verwenden. Im Fall des § > 1603 Abs.2 BGB fordert die Rechtsprechung, dass Eltern sämtliche Einsparmöglichkeiten ausschöpfen und alle möglichen Einnahmequellen aktivieren, um den Mindestbedarf des Kindes zu decken. Dieses Gebot wird rechtstechnisch auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt:
Mit dem Wortlaut des § > 1603 Abs.2 BGB wird gerechtfertigt, dass gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern im Sinne des § > 1603 Abs.2 S.2 BGB den Eltern nicht der angemessene, sondern nur noch ein > notwendiger (die eigene Existenz sichernder) > Selbstbehalt zur Verfügung steht. Weil der Selbstbehalt damit auf das Notwendigste herabgesetzt ist, führt dies zur sog “gesteigerten Leistungsfähigkeit” der Eltern im Sinne des § 1603 Abs.2 BGB. Der > notwendige Selbstbehaltsatz nach Düsseldorfer Tabelle markiert das dem unterhaltspflichtigen Elternteil zu belassende Existenzminimum, damit dieser nicht selbst (sozialhilfe-)bedürftig wird. Wie der >angemessene Selbstbehaltsatz unterliegt auch der notwendige Selbstbehaltsatz dem Vorbehalt von > Korrekturen im individuellen Einzelfall. Mehr dazu
> hier
“Diese Verpflichtung [ = nach § > 1603 Abs.2 S.1 und S.2 BGB] tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem > Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.”
Den barunterhaltspfllichtigen Elternteil trifft keine gesteigerte Leistungsfähigkeit, wenn
Je intensiver die > Erwerbsobliegenheit besteht, desto wahrscheinlicher und umfassender kann es zur > Zurechnung fiktiven Einkommens kommen. Dabei obliegt einem barunterhaltspflichtigen Elternteil aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs.2 BGB eine gesteigerte Ausnutzung seiner Arbeitskraft , die es ihm ermöglicht, nicht nur den > Mindestbedar f , sondern auch den angemessenen Unterhalt der Kinder sicherzustellen (std. Rspr., vgl. Senatsurteile v. 26. 9. 1984 – IVb ZR 17/83 -, FamRZ 1985, 158, 159; 16. 6. 1993 – XII ZR 49/92 -, FamRZ 1993, 1304, 1306; 15. 12. 1993 – XII ZR 172/92 -, FamRZ 1994, 372, 373; 22. 10. 1997 – XII ZR 278/95 -, FamRZ 1998, 357, 359; 17. 3. 1999, a.a.O., S. 844, jeweils m.N.). Dies kann zur Zurechnung fiktiver Einkünfte bereits bei der Bedarfsermittlung führen.
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BGH, Beschluss vom 19. März 2014 – XII ZB 367/12
Generelle Obliegenheit zur Einkommensoptimierung der Eltern gegenüber minderjährigen Kindern
(Zitat, Rn 19) „Für die Eltern besteht deshalb eine besondere Verpflichtung zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und zur Ertrag bringenden Nutzung von Vermögenswerten. Wenn in dieser Hinsicht mögliche und zumutbare Anstrengungen unterlassen werden, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch insoweit nicht nur die tatsächlichen, sondern ebenfalls fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 30. Januar 2013 XII ZR 158/10 FamRZ 2013, 616 Rn. 18 mwN).“
Anmerkung: Das Zusammenspiel von gesteigerter Leistungsfähigkeit und gesteigerter Erwerbsobliegenheit führt zu einer derart hohen Anspannung der Eltern, die es fast unmöglich macht, um die Zahlung des > Mindestunterhalts nach § 1612a BGB herum zu kommen. Im > E-Book werden die Anforderungen beschrieben, die Eltern im Unterhaltsverfahren zum Nachweis ihrer Erwerbsobliegenheit erfüllen müssen
> hier
Verstoßen Eltern gegen ihre > Erwerbsobliegenheiten , was zur Zurechnung von > fiktivem Einkommen führt, erscheinen sie rechtstechnisch leistungsfähiger als sie in Wirklichkeit sind. Somit kann es vorkommen, dass der notwendige (existenzsichernde) > Selbstbehalt nur aufgrund fiktiven Einkommens gewahrt ist. Dies führt zu Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern, obwohl real kein existenzsicherndes Einkommen vorhanden ist. Dieses Problem hat auch das BVerfG beschäftigt. Mit Beschluss vom 15. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich die Zurechnung fiktiver Einkünfte zur Begründung der Leistungsfähigkeit bei Verstössen gegen die Erwerbspflicht gebilligt.
BVerfG, Beschluss vom 18.03.2008 – 1 BvR 125/065
Maßstabe zur Höhe fiktiver Einkünfte wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit
Anmerkung: Die fiktive Einkommenshöhe, den ein Unterhaltspflichtiger realistischerweise am Arbeitsmarkt verdienen kann ist, erfordert im Hinblick auf die Vermeidung einer unzumutbaren Belastung eine Orientierung an dessen tatsächlicher Erwerbsbiografie unter Einbeziehung der persönlichen Voraussetzungen wie etwa etwa Alter, gesundheitliche Beeinträchtigungen, Dauer einer Arbeitsunfähigkeit) und der Lage am Arbeitsmarkt (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.04.2018 – 10 UF 49/17 ).
BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2010 – 1 BvR 2236/09
Fiktive Einkünfte wegen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit und deren Voraussetzungen
(Zitat) “In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Zurechnung > fiktiv er Einkünfte , welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, zweierlei voraussetzt. Zum einen muss feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv überhaupt erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (vgl. BVerfGK 7, 135 <139>; 9, 437 <440>; BGH, Urteil vom 15. November 1995 – XII ZR 231/94 -, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 -, juris Rn. 22).” Weiter muss eine erweiterte Erwerbstätigkeit zumutbar sein.
Anmerkung: Das BVerfG (siehe > BVerfG-Pressemitteilung ) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein realer Eingriff in den notwendigen Selbstbehalt über die Zurechnung von fiktiven Einkünfte verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Gerichte werden vom BVerfG auf die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hingewiesen. Zunächst hält das BVerfG die rechtsdogmatische Zurechnung fiktiver Einkünfte auch bei Unterschreitung des > notwendigen Selbstbehalts zur Beseitigung eines Mangelfalls für verfassungsrechtlich möglich und stellt dabei nochmals klar, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. Im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit haben die Gerichte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten und im Einzelfall zu prüfen, ob der Barunterhaltsanspruch vom unterhaltsgläubiger bezahlbar ist. Wird die Grenze des Zumutbaren überschritten, ist die Beschränkung der finanziellen Dispositionsfreiheit (Art. 2 Abs.1 GG) Barunterhaltspflichtigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung. Dazu die Pressemitteilung: “In den Verfahren 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11 haben die Gerichte zwar zutreffend festgestellt, dass die Beschwerdeführer sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht haben. Sie haben jedoch ebenfalls keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie zu der Auffassung gelangt sind, dass die Beschwerdeführer bei Einsatz ihrer vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer ihren persönlichen Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wären, ein Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe zu erzielen. Zu dieser Feststellung hätte es einer konkreten Prüfung unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Beschwerdeführer, ihres Alters und ihrer krankheitsbedingten Einschränkungen sowie der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt bedurft. Ohne diese konkrete Prüfung hätten die Gerichte nicht auf die volle Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführer in Höhe des titulierten Kindesunterhalts schließen dürfen.”
OLG Bamberg, Beschluss vom 09.02.2022 – 7 UF 196/21
Ansatz von fiktivem Einkommen aus einer fiktiven Tätigkeit in Vollzeit
(Zitat) “a) Die für den Unterhaltsanspruch in § 1603 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wird nämlich nicht allein durch sein tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn die > Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen , insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm mögliche Erwerbsfähigkeit auszuüben.
Ein gemäß § 1603 Abs. 2 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger hat sich intensiv, also unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten um die Erlangung eines hinreichend entlohnten Arbeitsplatzes zu bemühen. Er muss alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt seiner Kinder verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen, um ein die Zahlung des Mindestunterhalts sicherstellendes Einkommen zu erzielen. Bei eigener > Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um eine Stelle zu bemühen. Bei Arbeitsstellen mit geringem Einkommen ist entweder eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa > ergänzende Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten (BGH FamRZ 2014, 637; Klinkhammer in Wendl / Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, 2019, § 2 Rn. 366 ff).
b) Für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflichten ist der Unterhaltsverpflichtete > darlegungs- und beweisbelastet (Grüneberg / von Pückler, BGB, 81. Auflage, 2022, § 1603 Rn. 47). Um den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu genügen, muss er in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen unternommen hat.
c) Den genannten Anforderungen hat der Antragsgegner erkennbar nicht genügt.”
Saarländisches OLG, Beschluss vom 26.07. 2017 – 9 UF 77/16 (intern vorhanden)
Fiktives Einkommen der Eltern wegen gesteigerter Erwerbsobliegenheit
(Zitat) “Nach § > 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § > 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. > gesteigerte Unterhaltspflicht ). Darin liegt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht. Aus diesen Vorschriften und aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der die Familiensenate des Saarländischen Oberlandesgerichts folgen, nicht nur die tatsächlichen, sondern auch > fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden. Die Zurechnung fiktiver, der Höhe nach im Wege der > Schätzung (§ 287 ZPO) zu ermittelnder Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den > nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine > reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus (BGH, Beschluss vom 24. September 2014 – XII ZB 111/13 -, FamRZ 2014, 1992; vom 22. Januar 2014- XII ZB 185/12 -, FamRZ 2014, 637; vom 19. Juni 2013- XII ZB 39/11 -, FamRZ 2013, 1378; Urteil vom 4. Mai 2011 – XII ZR 70/09 -, BGHZ 189, 284, j.m.w.N.). Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm > realistischerweise zu erzielen ist, was wiederum von den persönlichen Voraussetzungen des Verpflichteten wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiografie und > Gesundheitszustand sowie dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2012 – 1 BvR 1530/11 -, FamRZ 2012, 1283, und vom 11. März 2010-1 BvR 3031/08 -, FamRZ 2010, 793; BGH, Beschlüsse vom 24. September 2014 – XII ZB 111/13 -, aaO, und vom 22. Januar 2014 – XII ZB 185/12 -, aaO, j.m.w.N.). Auch wenn der Unterhalt aufgrund eines – wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit – lediglich fiktiven Einkommens aus einer Vollzeiterwerbstätigkeit festzusetzen ist, trifft den Unterhaltspflichtigen grundsätzlich zudem eine Obliegenheit zur Ausübung einer Nebentätigkeit im selben Umfang wie einen seine Erwerbsobliegenheit erfüllenden Unterhaltsschuldner (BGH, aaO). Trotz der gesteigerten Unterhaltspflicht ergeben sich die Grenzen der vom Unterhaltspflichtigen zu verlangenden Tätigkeiten aus den Vorschriften des Arbeitsschutzes und den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen dürfen nicht dazu führen, dass eine Tätigkeit trotz der Funktion des Mindestunterhalts, das Existenzminimum des Kindes zu sichern, unzumutbar erscheint (BGH, aaO, m.w.N.). Für die ordnungsgemäße Erfüllung sämtlicher der zuvor dargestellten Voraussetzungen ist der Unterhaltsverpflichtete > darlegungs- und beweisbelastet. Dies gilt auch für die Richtigkeit der Behauptung fehlender realer Beschäftigungschancen, wobei darauf abzustellen ist, ob eine solche bestanden hätte, wenn der Unterhaltspflichtige von Anfang an seiner Erwerbsobliegenheit genügt hätte (BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 -, FamRZ 2008, 2104, und Urteil vom 20. Februar 2008 – XII ZR 101/05 -, FamRZ 2008, 872). Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass wegen hoher Arbeitslosigkeit, mangelnder Ausbildung, fortgeschrittenen Alters oder sonstiger ungünstiger Bedingungen trotz gehöriger Bemühungen keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht, existiert nicht. Zudem sind Arbeitnehmer auch bei schwieriger allgemeiner wirtschaftlicher Lage von ihrer Darlegungslast nicht befreit, da die Sicherstellung des Minderjährigenunterhalts im Familienrecht absolute Priorität genießt. Zweifel daran, dass bei angemessenen Bemühungen eine Beschäftigungschance von vornherein auszuschließen ist, gehen daher zu Lasten des Unterhaltsverpflichteten (BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 – XII ZR 170/05 -, FamRZ 2008, 594; BVerfG, FamRZ 1985, 143).
BGH, Urteil vom 03.12.2008 – XII ZR 182/06
Zur gesteigerten Ausnutzung des Arbeitskraft
Leitsätze:
„a) Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbare Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte.
b) Trotz der nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern können dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte aus einer Nebentätigkeit nur insoweit zugerechnet werden, als ihm eine solche Tätigkeit im Einzelfall zumutbar ist.“
BGH, Urteil vom 04.05.2011 – XII ZR 70/09, Rn 30
Zur Erwerbsobliegenheit der Eltern von bis zur 48 Stunden/Woche
OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.09.2018 – 13 UF 57/18
zur Obliegenheit, seine Arbeitskraft bis zu 48 Stunden/Wo auszunutzen
OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2016 – 13 UF 234/14
Obliegenheit zum Berufswechsel in ein lukrativeres Arbeitsverhältnis
Leitsatz: Erzielt ein Unterhaltsschuldner seit Jahren als kaufmännischer Angestellter kein den Kindesunterhalt sicherndes Einkommen, so kann sich der Unterhaltspflichtige gegenüber seinen minderjährigen Kindern nicht darauf berufen, eine solche wirtschaftlich unzureichende Tätigkeit zu ihren Lasten ausüben zu wollen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2009, 1921; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.4.2010 – 9 WF 41/10). Bei dieser Sachlage obliegt es einem Unterhaltsschuldner, seine bisherige Tätigkeit aufzugeben und in ein lukrativeres Arbeitsverhältnis zu wechseln (vgl. OLG Naumburg FamRZ 2008, 2230).
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.02.2015 – 9 UF 132/14
Fiktives Einkommen der Eltern wegen unterlassener Mieteinkünfte & Erwerbsobliegenheit zur Sicherung des Mindestunterhalts
Wer vom Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit wechselt, dabei nun weniger Einkommen erzielt, muss dies plausibel rechtfertigen und Vorsorge für die Unterhaltsberechtigten treffen. Andernfalls droht die Zurechnung fiktiven Einkommenns in Höhe des zuletzt im Angstelltenverhältnis erzielten Einkommens. Welche Anforderung stellt die > Erwerbsobliegenheit an Unternehmer? Wird dem Unternehmer ein > fiktives Einkommen wegen > Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit zugerechnet, wenn sein Unternehmergewinn nicht ausreicht, den > Mindestunterhalt für ein Kind zu leisten?
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2018 – 10 UF 22/16
Erwerbsobliegenheit des Unternehmers mit geringem Einkommen
Anmerkung: Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, wann von einem > Unternehmer der Wechsel in ein Anstellungsverhältnis verlangt werden kann, weil er dann höheres Einkommen er erwirtschaften kann. Mit seinem > Real-Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit ist er offenbar nicht in der Lage, den > Mindestunterhalt für seine Kinder zu bezahlen und > beruft sich auf Leistungsunfähigkeit .
OLG Hamm, Beschluss vom 10.04.2018 – II-1 UF 186/17
Gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unternehmers mit geringem Einkommen
Anmerkung: Setzt der kindesunterhaltspflichtige Unternehmer seine Arbeitskraft nicht im gebotenem Umfang ein, so muss er sich > fiktive Einkünfte zurechnen lassen, die er durch eine zumutbare Angestelltentätigkeit erzielen könnte. Er ist dann gehalten, seine selbständige Tätigkeit zu Gunsten einer Tätigkeit als Angestellter aufzugeben.
OLG Hamm, Beschluss vom 06.06.2017 – 11 UF 206/16
Wechsel in die Selbstständigkeit – Berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten
Anmerkung: Bei Aufgabe eines Arbeitsplatzes zugunsten einer aufgenommenen selbstständigen Erwerbstätigkeit, die sich nachteilig auf die Einkünfte auswirkt, ist zu prüfen, ob eine sich daraus ergebende Leistungsminderung der Unterhaltspflichtige selbst schuldhaft herbeigeführt hat. Wer einen Einkommensrückgang freiwillig herbeigeführt, kann sich darauf nur berufen, wenn er nicht leichtfertig gehandelt.
(Zitat, Rn 51) “Ergibt sich durch die freiwillige berufliche Veränderung voraussehbar eine rückläufige Entwicklung der Einkünfte, ist bereits bei Prüfung der unterhaltsbezogenen Leichtfertigkeit zu klären, ob der Unterhaltspflichtige in geeigneter Weise durchRücklagenbildung oder Kreditaufnahme sichergestellt hat, dass er seine Unterhaltsverpflichtungen in der Übergangszeit auch bei geringeren Einkünften erfüllen kann. Konnte er eine solche Vorsorge treffen, ist das Unterlassen unterhaltsbezogen leichtfertig. Er kann sich dann nicht auf die geringeren Einkünfte berufen und muss den Unterhalt – jedenfalls zunächst – in unveränderter Höhe weiterzahlen (vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 9. Auflage 2015, § 1 Rn 743, 753). Mangels entgegenstehender Erkenntnisse ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Antragsteller in der Lage war, entsprechende Vorkehrungen zur Sicherung des Kindesunterhalts zu treffen.”
OLG Celle, Beschluss vom 11.03.2013 – 10 WF 67/13, Rn 34ff.
Erwerbsobliegenheit bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
Anmerkung: Unternimmt der Unterhaltsschuldner den Versuch, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, wobei er voraussichtlich weniger verdient, als mit einer Tätigkeit aus einem Angestelltenverhältnis, so muss er sich fiktive Einkünfte bis zur > Höhe seiner ehemaligen unselbständigen Tätigkeit zurechnen lassen. Geht es um Kindesunterhalt gegenüber minderjährigen Kindern liegt hierbei ein Verstoss gegen die einer gesteigerten Unterhaltsverpflichtung entsprechenden Erwerbsbemühung vor. Im Fall des OLG Celle hatte der Unterhaltsschuldner den Versuch der Selbständigkeit mit einem Kiosk unternommen. Dabei kam bereits eine eigens dafür herangezogenen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erstellte „Analyse“ der Gewinnerwartung einer derartigen Unternehmung zu einem Jahresergebnis von ca. 12.000,- €.
OLGSaarbrücken, Beschluss vom 28.4.2010 – 9 WF 41/10
Selbständigkeit & fiktives Einkommen aus selbständiger Tätigkeit
Anmerkung: Erzielt ein Unterhaltsschuldner über einen längeren Zeitraum wegen seiner selbstständigen Tätigkeit keine beziehungsweise nur geringfügige Einkünfte, ist ihm ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zuzurechnen. Fährt der Unternehmer seine Gewinne mutwillig oder leichtfertig (vgl. unterhaltsrechtliche > Mutwilligkeit) zurück, um sich Unterhaltsverpflichtungen zu entziehen, können hier über die Methode der Gewinn-Betrachtung über einen Dreijahreszeitraum Rückschlüsse für eine realitätsgerechte Gewinnprognose solche Gewinneinbrüche korrigiert, d.h. ausgeblendet werden. Befindet sich der Unternehmer wegen Insolvenz in der Wohlverhaltensperiode zur Erreichung einer Restschuldbefreiung kann die Taktik des “Sich arm rechnen” zusätzlich negative Folgen für die Restschuldbefreiung haben.
BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012 – IX ZB 138/11
Erwerbsobliegenheit des Unternehmers
(Zitat) “Bleibt der Ertrag aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners hinter demjenigen zurück, was dem Treuhänder bei einer angemessenen abhängigen Beschäftigung aus der Abtretungserklärung zufließen würde, so muss sich der Schuldner um ein Anstellungsverhältnis bemühen (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009 – IX ZB 133/07, WM 2009, 1291 Rn. 5; vom 14. Januar 2010 – IX ZB 242/06, WM 2010, 426 Rn. 5; vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, WM 2011, 1138 Rn. 7; vom 19. Juli 2012 – IX ZB 188/09, NZI 2012, 718 Rn. 16). Dem Schuldner, der sich trotz mangelnden Erfolgs seiner selbständigen Tätigkeit nicht bemüht hat, eine nach seiner Qualifikation und den Verhältnissen des Arbeitsmarktes mögliche Beschäftigung zu erlangen, kann wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit keine Restschuldbefreiung gewährt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – IX ZB 267/08, NZI 2010, 693 Rn. 2).”
Der (Regel-)Bedarf von > Kindern mit abgeleiteter Lebensstellung wird mit Hilfe der > Düsseldorfer Tabelle und nach Maßgabe des unterhaltsrelevanten Einkommens des barunterhaltspflichtigen Elternteils bestimmt (> Wegweiser zum “Unterhaltsbedarf des Kindes“). Kommt es bei der Bedarfsermittlung auf das Elterneinkommen an, stellt sich die Frage, ob auch fiktives Elterneinkommen den Regelbedarf des Kindes (mit-)bestimmen kann. Die Obliegenheit der Eltern im Interesse ihrer Kinder, die volle Erwerbsfähigkeit (> Erwerbsobliegenheit) und das vorhandene > Vermögen (§ 1613 Abs.2 BGB: „alle verfügbaren Mittel“) einzusetzen, um Kindesunterhalt bezahlen zu können, ist auf der Ebene der > Leistungsfähigkeit angesiedelt. Lässt sich daraus eine generell gesteigerte Obliegenheit zur Generierung von Einkommen im unterhaltsrechtlichen Interesse der Kinder ableiten, um nach Maßgabe des unterhaltsrelevanten Einkommens zu ermittelnden > Bedarf über den bloßen Mindestbedarf hinaus zu erhöhen?
Beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder wird wegen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit der Eltern die Bedarfsermittlung nach Maßgabe fiktiven Einkommens von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Grundsatz erhoben.
(Zitat, Rn 27) “Grundsätzlich bestimmt auch das einem Elternteil anrechenbare fiktive Einkommen den Bedarf des Kindes. Denn die Erwerbsmöglichkeiten gehören zur Lebensstellung des Elternteils, von dem das Kind seine Lebensstellung ableitet (vgl. Senatsurteile vom 30. Juli 2008 XII ZR 126/06 FamRZ 2008, 2104 Rn. 32; vom 9. Juli 2003 XII ZR 83/00 FamRZ 2003, 1471, 1473 und vom 31. Mai 2000 XII ZR 119/98 FamRZ 2000, 1358, 1359).
Anmerkung: Bisher hat der BGH diese Auffassung nur angedeutet, aber nicht in dieser Klarheit ausgesprochen. BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 – XII ZR 83/00, (Zitat): „Dabei obliegt ihm (= Unterhaltsschuldner) aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Ausnutzung seiner Arbeitskraft, die es ihm ermöglicht, nicht nur den Mindestbedarf, sondern auch den angemessenen Unterhalt der Kinder sicherzustellen (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2000 – XII ZR 119/98 – FamRZ 2000, 1358, 1359 m.N.).“ Wird diese Obliegenheit verletzt, können fiktive Einkünfte auf der Bedarfsebene zu berücksichtigen sein. Mit seiner Entscheidung vom 19. März 2014 wiederholte der BGH seine Auffassung. Ausdrücklich wird vom BGH nicht nur eine besondere Erwerbsobliegenheit gesehen, sondern generell auch eine besondere Obliegenheit zur ertragbringenden Vermögensverwertung.
BGH, Urteil v. 09.07.2003 – XII ZR 83/00
Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes & Kindesunterhalt
Hier ging es um einen Fall, bei dem für die Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt über den Mindestbedarf hinaus der Bedarf an Barunterhalt zu bestimmen ist, wenn ein Arbeitsplatz mutwillig (unterhaltsbezogen leichtfertig) aufgegeben wird:
(Zitat) “schon unter der Geltung des § 1610 Abs. 3 BGB a.F. ein über den Mindestbedarf hinausgehender Unterhalt auch aus einem fiktiv zugerechneten Einkommen hergeleitet werden, wenn, wie hier, die verminderten Einkünfte auf die Aufgabe des Arbeitsplatzes zurückzuführen sind. Denn einerseits kann dem Unterhaltsverpflichteten die Berufung auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit nach Treu und Glauben verwehrt sein (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1987 – IVb ZR 94/85 – FamRZ 1987, 372, 374). Zum anderen wird die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit, unter Umständen auch im Wege eines Orts- oder Berufswechsels, erreichen könnte. Dabei obliegt ihm aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Ausnutzung seiner Arbeitskraft, die es ihm ermöglicht, nicht nur den Mindestbedarf, sondern auch den angemessenen Unterhalt der Kinder sicherzustellen(vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2000 – XII ZR 119/98 – FamRZ 2000, 1358, 1359 m.N.). Diese Grundsätze gelten über das Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes hinaus. Danach wird es zunächst darauf ankommen, ob dem Beklagten ein fiktives Einkommen in Höhe seiner bisherigen Bezüge deshalb zuzurechnen ist, weil er bei der B. GmbH selbst gekündigt hat. Dabei wird das Oberlandesgericht zu beachten haben, daß nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 21. Januar 1987 aaO) auch eine selbst herbeigeführte Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners, bedingt durch die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit mit erheblicher Einkommenseinbuße, grundsätzlich beachtlich ist, wenn nicht im Einzelfall schwerwiegende Gründe vorliegen, die dem Verpflichteten nach Treu und Glauben die Berufung auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit verwehren. Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben kommt im allgemeinen nur in Betracht, wenn dem Pflichtigen ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten zur Last zu legen ist.”
Anmerkung: Die Aussagen wirken sehr abstrakt und lassen erheblichen Spielraum bei der praktischen Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Sicher werden Eltern, weil sie einfach keine Lust mehr haben, einer lukrativen, jedoch sehr anstrengenden Job nachzugehen, deshalb künftig weniger Unterhalt für die Kinder zu bezahlen haben. Doch wo liegt genau die Grenze zwischen akzeptabler und nicht hinnehmbarer Arbeitsreduzierung? Es muss ein für den Familienrichter akzeptabler Grund genannt werden, der eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit im gewohnten Umfang und Arbeitseinsatz als unzumutbar erscheinen lässt. Die fehlende Erwerbsmotivation der Eltern muss der Frage gegenüber gestellt werden: mit welchem Arbeitsverhalten ihrer Eltern haben sich Kinder abzufinden? Hat das Kind einen Anspruch darauf, dass unterhaltspflichtige Eltern permanent eine ihrem Alter, ihrer Vorbildung und ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeitsstelle ausüben? Können Eltern nicht einfach aus dem Arbeits-Hamsterrad aussteigen? Unsere Rechtsprechung scheint das zum einen nicht akzeptieren zu wollen. Andererseits wird auch nicht ausgeschlossen, dass ein Unterhaltspflichtiger aus achtenswerten Gründen (welche sind das?) eine ihm mögliche, besser bezahlte Arbeit ablehnt. Doch man argumentiert vage und wenig konkret. Es kann akzeptabel erscheinen, eine bestimmte Tätigkeit (z. B. aus ethisch-moralischen Gründen) aufzugeben, weil sie nicht (mehr) mit dem Gewissen vereinbar ist. Auch von einem unterhaltspflichtigen Elternteil, der sich seit Jahren in einer intakten Beziehung mit geringen Bezügen begnügt hat – was vom Partner akzeptiert wurde – nicht ohne weiteres verlangen können, eine andere, höher vergütete Arbeit anzunehmen, wenn die Beziehung zerbricht und nunmehr Kindesunterhalt zu zahlen ist. Prämisse beim Ganzen bleibt, dass zumindest das Existenzminimum aller Unterhaltsberechtigten gesichert bleiben muss. Keine Schonung verdient, wer bislang gut verdient hat, arbeitslos geworden ist und sich nicht um eine neue Arbeit bemüht (zum Ganzen vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, Einkommen als Kriterium der Lebensstellung, § 2 Rn 205 ff). Wollen Eltern weniger arbeiten, ohne dass ihnen deshalb fiktives Einkommen bei der Unterhaltsbemessung des Kindesunterhalts zugerechnet wird, muss dem Gericht plausible und gute Gründe dafür liefern, dass eine höher vergütete Arbeitsstelle oder eine Vollzeitstelle nicht zugemutet werden kann. Wer ehemals Investmentbanker war, kann nicht ohne weiteres erwarten, dass ein Einkommen aus einer Vollzeittätigkeit bei ALDI als Maßstab zur Bedarfsermittlung wird, weil man aus dem Kapitalismus aussteigen will.
Zwar ist der leistungsfähige (neue) Partner nicht mit dem barunterhaltsbedürftigen Kind verwandt. Dennoch wird das Einkommen der neuen Partner bei der Frage der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils berücksichtigt. Auch bleibt die gesteigerte Leistungsfähigkeit und die gesteigerte Errwerbsobliegenheit der Eltern selbst dann bestehen, wenn ein weiteres Kind aus der neuen Partnerschaft hervorgegangen ist und mit Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit persönlich betreut wird. Mehr zum Spannungsverhältnis für Eltern mit Kindern aus alter und neuer Bezihung erfahren Sie
> hier
Die gesteigerte Unterhaltspflicht führt dazu, dass die Betreuung von Geschwisterkindern (älter als drei Jahre) die Erwerbstätigkeit nicht unzumutbar macht (OLG Bremen FamRZ 2005, 647). Vgl. dazu auch Erwerbsobliegenheit & Kinderbetreuung
> hier
Im Regelfall werden Einkünfte aus > überobligatorischer Tätigkeit nur zum Teil dem unterhaltsrelevanten Einkommen hinzugerechnet. Geht es um die Sicherung des Mindestunterhalts für nach § 1603 Abs.2 BGB privilegierte Kinder, werden solche Einkünfte in der Regel voll berücksichtigt (BGH, Beschluss vom 10.07.2013 – XII ZB 297/12 , Rn 16 m.w.N. Anmerkung : Der BGH bleibt offen für Ausnahmen im Einzelfall und überlässt es dem Tatrichter, ob und zu welchem Anteil er zu einer Anrechnung überobligatorischer Einkünfte aufgrund umfassender Würdigung der Einzefallumstände gelangt: sie Beschluss vom 10.07.2013, Rn 17).
Die Minderung der Leistungsfähigkeit durch Altersteilzeit muss das Kind nur hinnehmen, wenn es dafür überwiegende sachliche Gründe gibt (OLG Hamm NJW 2005,161).
Besteht im Interesse der Existenzsicherung des Kindes für den Unterhaltsschuldner die Möglichkeit, eine günstigere Steuerklasse zu wählen, so bestimmt sich das unterhaltsrelevante Einkommen fiktiv nach der günstigeren Steuerklasse. Mehr dazu
> hier
OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 10 UF 104/16
Einkommensbereinigung & Mindestunterhalt
Anmerkung: Das OLG Brandenburg nimmt ausführlich zu der Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen die Einkommensbereinigung Unterhaltspflichtiger nur eingeschränkt zugelassen wird, um den Mindestunterhalt des Kindes zu sichern. Angesprochen werden im Beschluss die nachfolgenden Themen:
Exkurs
Einkommensbereinigung nach österreichischem Unterhaltsrecht
Der Schutz und die Ausstattung der Kinder mit Unterhaltszahlungen ist in Österreich nochmals stärker ausgeprägt als in Deutschland. Dies lässt sich auch an den äußerst beschränkten Möglichkeiten zur Einkommensbereinigung des Elterneinkommens feststellen.
> mehr
Die Existenzsicherung der Kinder hat Vorrang vor dem Interesse der Immobilienfinanzierung des unterhaltspflichtigen Elternteils: siehe Thema Wohnvorteil ermitteln.
Die Folge, dass Unterhaltspflichten für Kinder bestehen, obwohl der notwendige Selbstbehalt real unterschritten (!) ist, stößt sehr oft auf Unverständnis der Betroffenen. Wer zu einer solchen Unterhaltsverpflichtung verurteilt wird, bei dem laufen regelmäßig erhebliche Unterhaltsrückstände auf, die er mit seinen aktuellen Einkommen schlicht nicht ausgleichen kann. Wie kann sich ein Unterhaltschuldner aus dieser Misere retten?
> mehr
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