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Jeder Unterhaltstitel kann wegen nachträglicher wirtschaftlicher Veränderungen “veraltet” sein bzw. “falsch” und deshalb ein Anpassungsbedarf an veränderte Umstände entstehen.
Ist der Unterhaltstitel eine Jugendamtsurkunde gelten für die Abänderung spezielle Regeln.
| Wegweiser zur Abänderung von Jugendamtsurkunden
Das Gesetz differenziert bei der Abänderungs möglichkeit zwischen den verschieden Arten möglicher Unterhaltstitel. Für rechtskräftige Unterhaltstitel gilt § 238 FamFG. Für Jugendamtsurkunden gilt § 239 FamFG. Das Gleiche gilt für Unterhaltsvereinbarungen.
Hat der Unterhaltsverpflichtete eine Jugendamtsurkunde einseitig erstellen lassen, so ist er grundsätzlich an den Erklärungsinhalt (vetraglich) gebunden. Die Übersendung der Jugendamtsurkunde an den Unterhaltsberechtigten kann regelmäßig als schlüssiges Angebot zum Abschluss eines Schuldversprechens (§ 780 BGB) oder Schuldanerkenntnisses (§ 781 BGB) gesehen werden. Hierbei handelt es sich um Verträge. Haben sich nach Erstellung der Jugendamtsurkunde die Bemessungsgrundlagen zur Bestimmung des Unterhalts geändert, kommt eine Anpassung und Abänderung der Jugendamtsurkunde wegen Wegfall bzw. Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Frage, wenn ein Festhalten am Unterhaltstitel unzumutbar (§ 313 Abs.1 BGB) erscheint. Im Rahmen eines Abänderungs begehrens durch den Unterhaltspflichtigen ist die Wirkung eines in der Urkunde liegenden Schuldanerkenntnisses zu berücksichtigen, was geänderte Umstände seit Abgabe des Schuldanerkenntnisses voraussetzt (im Anschluss an das Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 und den Senatsbeschluss vom 14. Februar 2007 – XII ZB 171/06 – FamRZ 2007, 715).
AG Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 19.11.2015 – 157B F 15877/14
Zur Abänderung und Bindungswirkung von Jugendamtsurkunden
(Zitat) „ Enthält ein Vergleich oder eine vollstreckbare Urkunde eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann gemäß § 239 FamFG jeder Teil die Abänderung beantragen. Unter diese Bestimmung fallen auch Jugendamtsurkunden nach §§ 59, 60 SGB VIII (BGH, NJW 2011, 1874 [Rn. 23]; Zöller/Lorenz, ZPO, 31. Aufl.,§ 239 FamFG Rn. 1). Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen, wobei sich die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts richten. Nach der Bestimmung des § 313 BGB kann die Anpassung eines Vertrags verlangt werden, sofern sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann; hierbei steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Sofern – was im vorliegenden Fall von den Beteiligten nicht näher dargelegt worden ist – die Jugendamtsurkunde einseitig ohne entsprechende vertragliche Grundlage erstellt wurde, kommt eine materiell-rechtliche Bindung an – eine Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Allerdings stellt die einseitig erstellte Jugendamtsurkunde regelmäßig zugleich ein Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB dar, so dass eine spätere Herabsetzung der Unterhaltspflicht die· Bindungswirkung dieses Schuldanerkenntnisses beachten muss (BGH a.a.0., Rn. 25 ff.) Der Unterhaltspflichtige kann sich in einem solchen Fall von dem einseitigen Anerkenntnis seiner laufenden Unterhaltspflicht also nur dann lösen, wenn sich eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht auswirken.”
BGH, Urteil vom 04.12.2013 – XII ZR 157/12,
Bindungswirkung einseitig erstellter Jugendamtsurkunden
(Zitat Rn 23) “im Falle einer – wie hier – einseitig vom Unterhaltspflichtigen erstelltenUrkunde kann der Unterhaltsberechtigte ohne Bindung hieran einen höheren Unterhaltverlangen (Senatsurteil BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 24 f.).”
BGH, Beschluss vom 07.12.2016 – XII ZB 422/15
Bindungswirkung einvernehmlich erstellter Jugendamtsurkunden
Leitsatz: Beruht die Erstellung einer vollstreckbaren Jugendamtsurkunde auf einer Unterhaltsvereinbarung der Beteiligten, sind diese an den Inhalt der Vereinbarung materiell-rechtlich gebunden ; eine Abänderung der Urkunde kommt für beide Beteiligtegrundsätzlich nur in Betracht, wenn dies wegen nachträglicher Veränderungen nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage geboten ist (Fortführung der Senatsurteile BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 und vom 2.Oktober 2002 -XII ZR 346/00 – FamRZ 2003, 304)
BGH, Urteil vom 04. Mai 2011 – XII ZR 70/09
Jugendamtsurkunde: einseitig erstellt oder auf Grundlage einer Vereinbarung?
(Zitat) “für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde nach §§ 323 Abs. 4, 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO i.V.m. §§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 60 SGB VIII (wird) die Abänderungsklage als zulässige Klageart angesehen. Dies gilt auch für die Abänderung einseitig erstellter Jugendamtsurkunden, weil § 323 Abs. 4 ZPO nicht voraussetzt, dass der darin niedergelegte Unterhaltsbetrag auf einer Vereinbarung der Parteien beruht (Senatsurteile 20. vom 29. Oktober 2003 – XII ZR 115/01).
(…) Nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunden begründen als Vollstreckungstitel im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO keine materielle Rechtskraft. Sie unterliegen deswegen auch nicht den Beschränkungen des § 323 Abs. 2 und 3 ZPO (vgl. jetzt § 238 Abs. 2 und 3 FamFG), die auf der Rechtskraft eines abzuändernden Unterhaltstitels beruhen. Der Umfang der Abänderung einer Vereinbarung oder einer Urkunde im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO richtet sich vielmehr allein nach materiellem Recht (vgl. jetzt § 239 Abs. 2 FamFG). Unterhaltsvereinbarungen oder Jugendamtsurkunden, denen eine Vereinbarung der Parteien zugrunde liegt, sind auch danach nicht frei abänderbar. Im Rahmen der Abänderung ist vielmehr stets der Inhalt der Vereinbarung der Parteien zu wahren. Eine Abänderung kommt nur dann in Betracht, wenn diese wegen nachträglicher Veränderungen nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) geboten ist (Senatsurteile BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn. 26 und vom 2. Oktober 2002 – XII ZR 346/00 – FamRZ 2003, 304, 306).
(…) Fehlt es hingegen an einer solchen Vereinbarung, weil die Jugendamtsurkunde einseitig erstellt wurde, kommt eine materiell-rechtliche Bindung an eine Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Für Beteiligte, die an der Erstellung der Jugendamtsurkunde nicht mitgewirkt haben, wie hier die Beklagten als unterhaltsberechtigte Kinder, scheidet auch eine sonstige Bindung aus. Sie können im Wege der Abänderungsklage folglich ohne Bindung an die vorliegende Urkunde einen höheren Unterhalt verlangen (Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 Rn. 14).
BGH, Beschluss vom 07.12.2016 – XII ZB 422/15
Zur Beweislast: Einvernehmlich oder einseitig erstellte Jugendamtsurkunde?
Anmerkung: An die Feststellungen zum Vorliegen eines Einvernehmens der Beteiligten über die Ersetzung des bisherigen Titels sind strenge Anforderungen zu stellen, wenn die Unterhaltsverpflichtung in der neuen Jugendamtsurkunde herabgesetzt worden ist.
BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – XII ZB 325/20
Bindungswirkung für den Unterhaltsberechtigten
(Zitat, Rn 10) “Gemäß § 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG muss der Antragsteller für die Abänderung einer auf die Verpflichtung zukünftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen gerichteten Urkunde wie den verfahrensgegenständlichen Jugendamtsurkunden Tatsachen vortragen, die die Abänderung rechtfertigen. Fehlt es hingegen an einem Einvernehmen der Beteiligten darüber, dass sich der gesamte Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten in dem vom Unterhaltspflichtigen einseitig titulierten Betrag konkretisiert hat, kommt eine materiellrechtliche Bindung an eine Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Der Unterhaltsberechtigte kann dann ohne Bindung an die vorliegende Urkunde im Wege des Abänderungsantrags eine Erhöhung des titulierten Unterhalts verlangen (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 – XII ZB 422/15 – FamRZ 2017, 370 Rn. 25 mwN), so dass es auch im Rahmen der Zuständigkeit keines weiteren Vortrags zu einer Abänderung bedarf. So verhält es sich auch hier […]”.
Anmerkung: Der Unterhaltsberechtigte ist an das einseitige Anerkenntnis des Unterhaltsverpflichteten nicht gebunden. Für ihn ist die Jugendamtsurkunde frei abänderbar. Wurde Gegenstand und Inhalt der Jugendamtsurkunde ausgehandelt, gelten die allgemeinen Abänderungsgrundsätze (§ 313 BGB): >die Umstände bei Vertragsschluss müssen sich geändert haben. Andernfalls ist auch der Unterhaltsberechtigte an die Erklärung in der Jugendamtsurkunde gebunden.
Die Beteiligten eines Unterhaltsverhältnisses sind nicht daran gehindert, im gegenseitigen Einvernehmen einen bestehenden gerichtlichen oder urkundlichen Unterhaltstitel außergerichtlich durch einen neuen Vollstreckungstitel im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zu ersetzen (BGH, Beschluss vom 07.12.2016 – XII ZB 422/15 ).
Klar: Jugendamtsurkunden sind mindestens im gleichen Umfang wie gerichtliche Unterhaltstitel abänderbar . Die spannende Frage ist vielmehr: Sind Jugendamtsurkunden in weiterem Umfang als gerichtliche Unterhaltsitel abänderbar, z.B. auch rückwirkend für die Vergangenheit? Wenn letzteres möglich ist, dann wären nachträgliche Fehlerkorrekturen möglich, was bei gerichtlichen Unterhaltstiteln ausgeschlossen ist. Der rückwirkenden Fehlerkorrektur kann keine “Rechtskraft ” der Jugendamtsurkunde entgegen gehalten werden. Nur gerichtliche Entscheidungen können “rechtskräftig” werden. Deshalb sind letztere nur nach Maßgabe des § 238 FamFG abänderbar.
| MEHR
Für Jugendamtsurkunden verweist § 239 FamFG auf allgemeine Vorschriften, d.h. vor allem auf § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage). § 313 BGB enthält kein ausdrückliches Verbot einer rückwirkenden Abänderung. Dennoch sind Jugendamtsurkunden nicht beliebig rückwirkend abänderbar. Sie entfalten zwar keine Rechtskraft wie Urteile und Beschlüsse. Doch haben sie eine materiellrechtliche Bindungswirkung, eben nach dem Motto “pacta sunt servanda” (an geschlossene Vereinbarungen hat man sich zu halten). Wegen dieser Bindungswirkung von Absprachen, Verträge und insbesondere Schuldanerkenntnissen gilt auch für Jugendamtsurkunden der Grundsatz, dass die Korrektur von Fehlern, die bei Erstellung der Jugendamtsurkunde begangen wurden, im Abänderungsverfahren nicht möglich ist (Ausnahme: > Anfechtung ). Das folgt aus dem Wortlaut des § 313 Abs.1 BGB, der grundsätzlich Vertragsänderungen nur zulässt, wenn Sie “nach Vertragsabschluss” ein Abänderungsgrund eingetreten (Ausnahme: § 313 Abs.2 BGB). In der Praxis hat die Frage nach der rückwirkenden Abänderung nur theoretische Bedeutung, wenn es um Herabsetzung des titulierten Unterhalts geht. Denn (zuviel) bezahlten Unterhalt bekommt man über die rückwirkende Abänderung in der Regel nicht zurück.
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