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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Unterhalt > Kindesunterhalt > Unterhalt für volljährige Kinder > anteilige Haftung der Eltern
Das Sorgerecht der Eltern und damit die Haftungsfreistellung des bisher kinderbetreuenden Elternteils entfällt. Volljährige Kinder haben keinen Betreuungsbedarf mehr. Für den Barunterhalt des volljährigen Kindes haften die Eltern nun anteilig (§ 1603 Abs.3 S.1 BGB). Erfahren Sie, wie die Haftung der Eltern bei der Unterhaltszahlung für erwachsene Kinder bestimmt wird.
| Wegweiser zur anteiligen Haftung
Formulare zur Auskunft und zur Ermittlung des Einkommens
Von Fachanwälten in der Praxis geprüft und empfohlen.
Bei der zweiten Stufe der Prüfung des Kindesunterhalts findet die Bestimmung des Bedarfs statt. Um die richtige Methode zur Bedarfsermittlung festzulegen, wird zwischen Kindern mit abgeleiteter oder eigener Lebensstellung unterschieden. Diese Unterscheidung ist entscheidend dafür, ob der Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes mit oder ohne Verwendung der Düsseldorfer Tabelle ermittelt wird. Wenn die Düsseldorfer Tabelle verwendet wird, bestimmt das Einkommen der Eltern den Bedarf. Wenn das Kind eine eigene Lebensstellung erreicht hat, sind die Werte der Düsseldorfer Tabelle nicht relevant.
Wenn bei einem Kind mit abgeleiteter Lebensstellung das Gesamteinkommen der Eltern den Betrag der 15. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (11.000 €) übersteigt, ist eine konkrete Bedarfsermittlung für den Volljährigenunterhalt erforderlich.
Ab dem Zeitpunkt, an dem ein Kind volljährig wird, verlieren die Eltern das Sorgerecht und das Kind wird voll geschäftsfähig. Mit dem Sorgerecht ist auch der Anspruch auf Naturalunterhalt verbunden. Das bedeutet, dass volljährige Kinder keinen Anspruch mehr auf Naturalunterhalt haben. Nur minderjährige Kinder haben Anspruch auf Naturalunterhalt. Eltern müssen nun freiwillig für Unterbringung und Verpflegung ihres volljährigen Kindes sorgen. Der Anspruch auf Kindesunterhalt besteht jetzt nur noch in Form von Geldunterhalt. Beide Elternteile haften gemeinsam für den Geldunterhalt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Naturalleistungen wie Unterkunft und Verpflegung den Haftungsanteil des betreuenden Elternteils für den Geldunterhalt nicht reduzieren oder beeinflussen dürfen. Es spielt keine Rolle, ob das volljährige Kind noch bei einem Elternteil lebt, wenn es um den Haftungsanteil geht.
(Zitat, Rn 18) „Seit der Volljährigkeit der Beklagten [Kind] schuldet die Mutter ihr auch keinen Betreuungsunterhalt mehr. Soweit sie [hier die Mutter] ihr [dem volljährigen Kind] gleichwohl Betreuungsleistungen erbringt, stellen diese sich als freiwillige Leistungen dar, die unterhaltsrechtlich unberücksichtigt bleiben müssen.
Achtung! Wer als Elternteil zur Barunterhaltsleistung an das volljährige Kind verpflichtet ist, muss aber den Unterhaltsanspruch nicht in “bar” erfüllen. Naturalunterhalt kann durchaus als Surrogat zur Erfüllung des Haftungsanteils in Betracht kommen.
Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.
Fragen zur anteiligen Elternhaftung bilden die > sechste Prüfungsebene zum Kindesunterhaltsanspruch. Beim Unterhalt für volljährige Kinder führt der > Wegfall des Naturalunterhaltsanspruchs zum Grundsatz der anteiligen Barunterhaltshaftung nach § > 1606 Abs.3 S.1 BGB. Beide Elternteile stehen in gleich nahem Verwandtschaftsverhältnis zu ihrem Kind. Die Anteilsquote am Barunterhalt richtet sich nach der anteiligen individuellen > Leistungsfähigkeit (“Erwerbs- und Vermögensverhältnissen“) des Elternteils.
OLG Celle, Beschluss vom 21.12.2022 – 21 UF 129/22
Anteilige Haftung der Eltern für den Volljährigenunterhalt
Leitsatz: Die Haftungsquoten der Eltern eines privilegiert volljährigen Kindes können nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts auch dann bestimmt werden, wenn nur ein Elternteil über Einkünfte oberhalb dieses Betrags verfügt, jedoch dieser nach seinen Einkünften insgesamt den Kindesunterhalt erbringen kann.
Das Problem: Die Eltern einer zwischenzeitlich volljährig gewordenen Tochter sind geschiedene Eheleute. Die Tochter wohnt bei der Mutter und besucht als Schülerin eine allgemeinbildende Schule. Neben dem Kindergeld hat sie keine Einkünfte. Die Mutter war teilweise geringfügig beschäftigt und erhält zwischenzeitlich Krankengeld. Sie erzielt allerdings Mieteinnahmen aus mehreren Immobilien. Der Vater befindet sich in Altersteilzeit und begehrt die Abänderung einer notariellen Unterhaltsvereinbarung über Kindesunterhalt.
Anmerkung: Ein unterhaltspflichtiger Elternteil ist leistungsfähig, wenn er unterhaltsrelevantes Vermögen besitzt oder sein Einkommen den für ihn maßgeblichen Selbstbehalt übersteigt.
Stehen mehrere Unterhaltsschuldner – wie hier beim Volljährigenunterhalt – beide Elternteile zur Wahl, ist § 1603 Abs.2 S.3 BGB zu beachten: d.h. in der Regel gilt für den jeweiligen unterhaltspflichtigen Elternteil die gesteigerte Leistungsfähigkeit nicht. Dies hat beim Volljährigenunterhalt zur Folge, dass zur Bestimmung der anteiligen Leistungsfähigkeit der Eltern nicht der notwendige Selbstbehalt, sondern generell der individuell angemessene Selbstbehalt zu berücksichtigen ist.
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Übersteigt das Einkommen des bislang betreuenden Elternteils die Schwelle des angemessenen Selbstbehalts nicht, so hat die eigene Existenzsicherung des Elternteils Vorrang vor der Beteiligung am Barunterhalt für das volljährige Kind. Nur soweit das unterhaltsrelevante Einkommen eines Elternteils den angemessenen Selbstbehalt übersteigt, kommt dessen Beteiligung am Aufkommen für den Barunterhaltsbedarf des volljährigen Kindes in Betracht. (OLG Celle, Zitat) “Verfügt der Antragsteller mithin über ein Einkommen, das den angemessenen Selbstbehalt gegenüber Volljährigen in Höhe von 1.400 € unterschreitet, scheidet seine Haftung auf den Unterhalt für die Antragsgegnerin aus. Im Rahmen der Bemessung der beiderseitigen Haftungsanteile ist grundsätzlich der angemessene Selbstbehalt zur Bestimmung der Einsatzbeträge in Abzug zu bringen. Dies gilt auch im Verhältnis zu privilegiert volljährigen Kindern, auch wenn diese nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind. Denn eine verschärfte bzw. gesteigerte Unterhaltspflicht mit dem dadurch gerechtfertigten Ansatz des herabgesetzten notwendigen Selbstbehalts besteht nur dann, wenn der Unterhaltsbedarf des Kindes durch beide Eltern nicht oder nicht vollständig gewährleistet werden kann. Verfügen jedoch beide Elternteile über Einkünfte oberhalb angemessenen Selbstbehalt oder ist ein Elternteil allein in der Lage, den ungedeckten Bedarf des volljährigen Kindes ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts aufzubringen, bestimmt sich die beiderseitige Haftung und die daraus folgende Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts (vgl. hierzu Der Unterhaltsprozess/Schwonberg, 7. Auflage 2021, Kap. 2 Rn. 891, 942; Wendl/ Dose/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 594 ff., 597; BGH FamRZ 2011, 454-460 Rn. 36). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass nur ein Elternteil über Einkünfte oberhalb des angemessenen Selbstbehalts verfügt und unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung für das volljährige Kind aufgrund seines höheren Einkommens ohne Gefährdung des angemessenen Bedarfs zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs des Kindes in der Lage ist.”
Achtung! Ob ein Unterhaltsschuldner leistungsfähig ist, bestimmt sich nicht nur nach dessen realem Einkommen, sondern auch nach dem sog. fiktiven Einkommen. (> mehr). Ob bei der Berechnung der anteiligen Haftung auch fiktives Einkommen eines Elternteils zu berücksichtigen ist, ist umstritten für den Fall, dass das volljährige Kind nicht (mehr) bei einem Elternteil lebt:
(Klinkhammer, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, > § 2 Rn 567 , Zitat): “Fiktives Einkommen des Elternteils, bei dem das Kind lebt, kann in den Einkommensvergleich einbezogen werden, wenn sein Bedarf (teilweise) durch Naturalunterhalt gedeckt ist. Im Übrigen braucht sich das volljährige Kind, insbesondere wenn es bereits das Elternhaus verlassen hat, auf fiktive Einkünfte eines Elternteils nicht verweisen zu lassen. Eine etwaige Verletzung der Erwerbsobliegenheit hat allein der betreffende Elternteil, nicht aber das Kind zu verantworten. Daher kann es den leistungsfähigen Elternteil entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1607 II BGB in Anspruch nehmen. Dasselbe gilt, wenn der Aufenthalt des anderen Elternteils unbekannt ist. Auch in einem solchen Fall ist die Rechtsverfolgung gegen den anderen Elternteil erheblich erschwert (§ 1607 II 1 BGB). Dem leistungsfähigen Elternteil bleibt es unbenommen, gegen den anderen Unterhaltspflichtigen Regress zu nehmen.” (vgl. dazu > OLG Frankfurt, Urteil vom 11.08.1992 – 3 UF 51/92).
Die Leistungsfähigkeit wird im Gegensatz zum Bedarf auch durch fiktives Einkommen indiziert (> Leistungsfähigkeit & fiktives Einkommen). Die Zurechnung fiktiver Einkünfte bei einem Elternteil hat Auswirkung auf die Beteiligungsquote am Barunterhalt des volljährigen Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Anderenfalls hätte der Elternteil mit einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit die Möglichkeit, den Wegfall bzw. Kürzung seiner Haftungsquote und somit seiner Unterhaltspflicht herbeizuführen (BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06, Rn 32). Mit anderen Worten: Wenn ein Elternteil mögliche Erwerbschancen nicht ergreift, um einen angemessen Elternbeitrag nach Maßgabe des § > 1606 Abs.3 Satz 1 BGB zu leisten, darf sich das nicht nachteilig auf die Haftungsquote des anderen Elternteils auswirken. Insofern besteht eine Erwerbsobliegenheit zur Erfüllung eines angemessenen Beitrags am Gesamtunterhalt für das volljährige Kind. Selbst für Hausfrauen, die noch einer Berufstätigkeit nachgehen können, besteht eine generelle Erwerbsobliegenheit, um den Ausbildungsunterhalt Volljähriger mit zu finanzieren (Seiler, in: Hdb des Fachanwalts für Familienrecht, 9. Auflage, Kap. 6, Rn 340 m.w.N.).
BGH, Beschluss vom 11.01.2017 – XII ZB 565/15
Anteilige Haftung der Eltern nach fiktivem Einkommen
Anmerkung: Anders als beim Ehegattenunterhalt geht der BGH beim Kindesunterhalt davon aus, dass bereits der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes nach fiktiven Einkommen-Elementen der Eltern bestimmt wird (Rn 27). Der BGH erklärt unter Rn 28 seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 weiter, dass ein Abstellen auf ein fiktives Einkommen eines Elternteils bei der Haftungsquotenbestimmung i.d.R. nur unterbleibt, wenn das Kind nicht (mehr) bei einem Elternteil wohnt.
Denn solange das Kind bei einem Elternteil lebt, und dort tatsächlich Naturalunterhalt bezieht, besteht für das volljährige Kind wegen Haftungsquoten der Eltern nach fiktivem Eltern-Einkommen nicht die Gefahr nur einen teilweise realisierbaren (Gesamt-)Unterhalt zu erhalten. Diese Gefahr besteht nur für die volljährigen Kinder, die nicht mehr bei einem Elternteil leben und deshalb auch keinen Naturalunterhalt mehr beziehen. Wenn das volljährige Kind in diesem Fall seinen Unterhaltsbedarf nur mit Barunterhalt seiner Eltern decken muss, läuft es Gefahr, diesen mangels realer Geldmittel der Eltern voll decken zu können, weil die Haftungs-Anteile der Eltern am Barunterhalt fiktiv ermittelt wurden.
Um das volljährige Kind mit eigenem Haushalt von diesem Zahlungs-Ausfallrisiko zu entlasten, erfolgt eine Risikoverschiebung auf den real zahlungsfähigen Elternteil, indem die Haftungsquoten der Eltern nach deren realen Einkommensverhältnissen festgelegt werden. Der damit (im Ergebnis) zu hoch in Anspruch genommene Elternteil wird dafür auf einen Regeressanspruch gegen den anderen Elternteil verwiesen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2015, 1505; KG NJW-RR 2010, 879, 880; OLG Köln FamRZ 2010, 382; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 231; Palandt/Brudermüller BGB 76. Aufl. § 1606 Rn. 17; jurisPK-BGB/Viefhues [Stand: 8. Dezember 2016] § 1606 Rn. 87 ff.; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 567).
BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06
Anteilige Haftung & fiktives Einkommen beim Volljährigenunterhalt
(Zitat, Rn 31) “Allein aufgrund des Umstands, dass es sich um fiktives Einkommen handelt, folgt auch im Rahmen der anteiligen Unterhaltspflicht nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB noch nicht, dass eine Mithaftung entfällt. Anderenfalls hätte der Elternteil die Möglichkeit, durch seine Pflichtverletzung den Wegfall seiner Unterhaltspflicht herbeizuführen. (…) Die Zurechnung fiktiven Einkommens ist für jedes Unterhaltsverhältnis gesondert zu beurteilen und setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige im jeweiligen Unterhaltsverhältnis gegen seine unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit verstoßen hat. Die Erwerbsobliegenheiten beim Ehegattenunterhalt und beim Kindesunterhalt sind unterschiedlich ausgestaltet. Sie unterscheiden sich nicht zuletzt auch danach, ob sie den Unterhaltsberechtigten oder den Unterhaltspflichtigen betreffen, wie der vorliegende Fall deutlich macht. Während die Beklagte im Rahmen des Ehegattenunterhalts schon seit 1998 unterhaltsrechtlich zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet war, erfüllte sie ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern, solange diese noch minderjährig waren, allein durch deren Pflege und Erziehung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) . Da der Barunterhalt der Kinder gesichert war (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB) und auch ansonsten kein Ausnahmefall von der Regel des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB in Betracht kommt, war die Beklagte gegenüber ihren Kindern somit erst seit deren im Mai 2005 eingetretener Volljährigkeit zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet.”
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.03.1992 – 1 WF 107/91 ( FamRZ 1992, 1099)
Volljährigenunterhalt bei Eltern mit neuem Lebenspartner – Patchwork
Anmerkung: Wenn ein anteilig haftender Elternteil mit einem neuen Partner (> Pachtwork) zusammen lebt, hat das Einfluss auf Haftungsverteilung. Denn beim Elternteil mit neuem Lebenspartner kommt es entweder wegen des Zusammenlebens in neuer Haushaltsgemeinschaft zur Zurechnung von weiterem Einkommen und/oder zur Korrektur der Selbstbehaltsätze.
BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06
Abgekürzte Bedarfsermittlung mit Düsseldorfer Tabelle: Wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig ist
(Zitat, Rn 31 ) “Nach ständiger Rechtsprechung schuldet ein Elternteil allerdings höchstens den Unterhalt, der sich allein auf der Grundlage seines Einkommens aus der vierten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle ergibt (Senatsurteil BGHZ 164, 375, 378 = FamRZ 2006, 99, 100). Die Berechnung kann abgekürzt werden, wenn nur ein Elternteil Einkommen oberhalb des eigenen angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB (…) erzielt und der andere Elternteil nicht leistungsfähig ist. In diesem Fall kann der Kindesunterhalt zur Vereinfachung sogleich allein nach dem Einkommen des allein leistungsfähigen Elternteils bestimmt werden. (…)”
Anmerkung: Eine Ausnahme vom bedarfsprägenden Gesamteinkommen der Eltern gilt, wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig erscheint, also das Einkommen eines Elternteils unterhalb des Selbstbehaltsatzes liegt. Ist nur ein Elternteil leistungsfähig, schuldet nur dieser Barunterhalt, jedoch höchstens den Betrag, der sich auf der Grundlage seines alleinigen Einkommens aus der 4. Altersstufe und danach maßgeblichen Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ergibt:
Ist das volljährige Kind unterhaltsbedürftig, hat es wie jeder Unterhaltsgläubiger die Beweislast für den Bedarf und seine Bedürftigkeit zu tragen. Dies hat Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast zu den Haftungsquoten der Eltern.
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OLG Koblenz, Beschluss vom 10.06.2016 – 13 WF 565/16
Grundsätze zur anteiligen Elternhaftung beim Volljährigenunterhalt
Leitsätze: Bei der Ermittlung der Haftungsanteile beider kindesbarunterhaltspflichtiger Elternteile ist vorab vom Einkommen jedes Elternteils ein sog. Sockelbetrag in Abzug zu bringen.
Dieser Sockelbetrag entspricht grundsätzlich dem angemessenen Selbstbehalt. Das gilt auch dann, wenn dies die alleinige Barunterhaltspflicht eines der beiden Elternteile zur Folge hat. Auf den notwendigen Selbstbehalt ist erst im Mangelfall zurückzugreifen. Ein solcher liegt indes erst vor, wenn auch der angemessene Selbstbehalt des anderen Elternteils nicht mehr gewahrt ist.
In den Durchschnittsfällen richtet sich die anteilige Barunterhaltspflicht beider auf Kindesbarunterhalt haftender Elternteile allein nach deren Einkommens – und nicht zusätzlich auch nach deren Vermögensverhältnissen.
Das unterhaltsrelevante Einkommen des Vaters beträgt 3.000,00 €; das der Mutter 1.500,00 €. Das volljährige Kind lebt im Haushalt der Mutter. Es leitet damit seine Lebensstellung von seinen Eltern ab. Für die Ermittlung des Geldbedarfs gilt in diesem Fall die Düsseldorfer Tabelle. Maßgebend ist die 4. Altersstufe und für die Einkommensgruppe das unterhaltsrelevante Gesamteinkommen der Eltern. Das Kindergeld für das volljährige Kind ist auf den Geldbedarf voll anzurechnen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 31.10.2007 – XII ZR 112/05, Rn 18 m.w.N.). Der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beträgt 1.300,– € (hier lt. Düsseldorfer Tabelle 2020, Anmerkung A. Ziff.5).
Die Unterhaltsberechnung mit anteiliger Haftung der Eltern stellt sich wie folgt dar:
Die Mutter hat den (Bar-)Bedarf des Kindes (insgesamt 560,00 €) mit einem Anteil von 6 %, d.h. in Höhe von 33,6 € zu decken. Der Vater hat Barunterhalt in Höhe von 94 %, d.h. in Höhe von 526,40 € an das Kind zu leisten.
Erhält ein volljähriges Kind von einem Elternteil nach wie vor “Kost & Logis” (Naturalunterhalt), so ist dies grundsätzlich eine > freiwillige Leistung, weil ein Anspruch auf Naturalunterhalt nicht existiert.
Ausnahme: Dem volljährigen Kind wird ein Aufenthalt im Haushalt des Elternteils angeboten und wobei der Verbleib im Haushalt des Elternteils zumutbar und erreichbar sein muss: mehr zum Unterhaltsbestimmungsrecht nach Trennung der Eltern
> hier
Dennoch kann die Naturalleistung des Unterhalts für das volljährige Kind im Rahmen des § 1612 Abs.2 S.1 BGB (> Unterhaltsbestimmungsrecht) als Erfüllung der Unterhaltsleistung zu beachten sein: Lebt ein volljähriges Kind bei einem Elternteil und erhält dort “Kost & Logis”, ist dafür das Kind seinem Elternteil ersatzpflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 – XII ZR 34/03, Rn 18; zum Wohnrecht bei den Eltern > mehr). Dem gegenüber steht die anteilige Haftung des Elternteils für den Barunterhalt des Kindes. Der Elternteil, bei dem das volljährige Kind lebt, kann bestimmen, in welcher Form dieser seiner Barunterhaltsverpflichtung nachkommt. Leben die Eltern voneinander getrennt, kann der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen ist, im Rahmen des Unterhaltsbestimmungsrechts den Ersatzanspruch für “Kost & Logis” mit dem anteiligen Barunterhaltsanspruch des Kindes “verrechnen“. Insofern ist die Leistung von Kost & Logis ein Surrogat zur Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs. Ob mit der Naturalleistung der anteilige Barunterhaltsanspruch vollständig erfüllt wird, wirft in der Praxis Fragen und Probleme bei der Bewertung der Naturalleistung auf. Für den Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, kommt eine Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs per Naturalleistungen nur in seltenen Ausnahmefällen nicht in Betracht.
OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.08.2014 – 11 UF 538/14
(nicht veröffentlicht)
Anmerkung: Die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 19.08.2014 bietet u.a. ein Beispiel für die unterhaltsrechtliche Behandlung von Naturalunterhaltsleistungen für ein volljähriges Kind, welches seine Lebensstellung noch von den Eltern ableitet (> Bedarfsermittlungsmethode bei abgeleiteter Lebensstellung):
(Zitat) „ Grundsätzlich schulden der Antragsteller und die Antragsgegnerin dem Sohn (…) Unterhalt, dessen Höhe anhand der Einkommensverhältnisse beider Eltern nach der Düsseldorfer Tabelle zu bemessen ist (Nr. 13.1.1 SüdL). Beim Antragsteller sind 1.968,45 € (durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen abzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag), bei der Antragsgegnerin 1.254,02 € bzw. 1.273,23 € maßgeblich, sodass das zusammengerechnete Einkommen zwischen 3.101 € und 3.500 € beträgt, was zur Folge hat, dass der Kindesunterhaltsbetrag sich nach der sechsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle richtet. Dieser beträgt bei einem volljährigen Kind nach Abzug des Kindergeldes, 441 €. Wegen der anteiligen Haftung entfallen auf die Antragsgegnerin gerundet 40 %, also 176 €. In dieser Höhe ist der als Naturalunterhalt geleistete Unterhalt abzuziehen, da davon ausgegangen werden kann, dass der Wert von Kost und Logis mindestens diesem Betrag entspricht. Wegen des jedem Elternteil zu verbleibenden angemessenen Selbstbehalts von 1.200 € würde die Antragsgegnerin zwar – würde M. von ihr Barunterhalt verlangen – nur in Höhe des diesen Betrag übersteigenden Einkommens haften. Da die Antragsgegnerin aber tatsächlich Unterhalt (in Form von Naturalunterhalt) leistet, kann ihr Selbstbehalt unberücksichtigt zu bleiben. Damit sind bei der Antragsgegnerin 176 € vom Einkommen abzuziehen, sodass bei ihr ein bereinigtes Einkommen von Höhe von 1.078,02 € bzw. 1.097,23 € in die Unterhaltsberechnung einzustellen ist.“
Die anteilige Haftung der Eltern für den Volljährigenunterhalt ermittelt sich nach dem Verhältnis der anteiligen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs.3 S.1 BGB), d.h. in erster Linie ist das jeweilige unterhaltsrelevante Einkommen der Elternteile zu ermitteln. Sind bei einem Elternteil nicht nur das volljährige Kind, sondern daneben weitere Unterhaltsberechtigte (Kinder, Ehegatte etc.) zu berücksichtigen, stellt sich die Frage, wie sich dies auf die Haftungsquotenbestimmung beim Volljährigenunterhalt auswirkt:
Wenn das der Fall ist, dann hat dies entsprechende Auswirkung auf die Haftungsquote des barunterhaltspflichtigen Elternteils: Die Haftungsquote verringert sich. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich u.a. danach, ob das volljährige Kind sich mit den weiteren Kindern die gleiche Rangstufe (§ 1609 Ziff.1 BGB) teilt oder nachrangig (§ 1609 Ziff.4 BGB) zu berücksichtigen ist. Die > Ermittlung der Haftungsquote eines Elternteils ist von der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs zu unterscheiden.:
Zur Haftungsquote und Leistungsfähigkeit eines Elternteils beim Volljährigenunterhalt, wenn
Wird das Elterneinkommen zur Bestimmung der Haftungsquote für den Unterhalt eines volljährigen Kindes bestimmt, das sich neben weiteren minderjährigen Kindern auf gleicher Rangstufe 1 (§ 1609 Ziff.1 BGB) befindet, erscheint es nicht angemessen, die Unterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen Kindern als Abzugsposten zu behandeln (anders OLG Celle, Urteil vom 05.06.2008 – 17 UF 11/08, und einige OLG-Leitlinien, wenn dadurch kein Mangelfall eintritt).
Hinsichtlich der Berücksichtigung gleichrangiger Unterhaltsschulden besteht keine Einigkeit. Dennoch belastet die Unterhaltslast gegenüber dem minderjährigen Kind die Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils und ist lt. BGH, Urteil vom 09.01.2002 – XII ZR 34/00 in der Anteilsberechnung angemessen zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 09.01.2002 – XII ZR 34/00
zur Haftungsanteilsbestimmung beim Gleichrang von minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern
(Zitat, Seite 15) “Zu einer angemessenen Bestimmung der Haftungsanteile dürfte es […] führen, wenn von dem nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden Einkommen des Beklagten der Betrag ermittelt wird, der dem Anteil des auf die Klägerin entfallenden Bedarfs am Gesamtunterhaltsbedarf aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten entspricht, und sodann dieser Betrag mit dem verfügbaren Einkommen des anderen Elternteils ins Verhältnis gesetzt wird (vgl. FamRefK/Häußermann § 1606 BGB Rdn. 4; Schwab/Borth aaO Kap. V Rdn. 168 ff.; Göppinger/Kodal Unterhaltsrecht 7. Aufl. Rdn. 1655 ff.). Hierdurch könnte sowohl dem Gleichrang der Unterhaltsberechtigten als auch der (eingeschränkten) Leistungsfähigkeit des Beklagten Rechnung getragen werden.”
Anmerkung: Die Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt derart, dass aufseiten des unterhaltspflichtigen Elternteils in die Anteilsberechnung nur der prozentuale Anteil seines (nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden) Einkommens eingestellt wird, der dem Anteil des auf das volljährige Kind entfallenden Bedarfs am Gesamtunterhaltsbedarf aller gleichrangiger Kinder entspräche, wenn der Bedarf des volljährigen Kindes allein am Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils zu bemessen wäre (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.08.2003 – 7 WF 396/03, in: FamRZ 2004, 829).
Beispiel für Anteilsberechnung nach BGH:
Dies führt hier zu folgender Anteilsberechnung [Beispiel nachgebildet aus unserer Praxis, Az.: 111/ 15 (D3/912-15)]: Das unterhaltsrelevante Einkommen des unterhaltspflichtigen Vaters (2.695,76 €) ist der Einkommensgruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle (2023) zuzuordnen. Hiernach beträgt der Bedarf der Kinder
Der Anteil an der Gesamtunterhaltslast für das privilegiert volljährige Kindes beläuft sich auf 51,64 % (691 ./. 1.338). Daher ist ein Betrag von rund 540,03 € = [2.695,76 € (Einkommen) – 1.650,00 € (angemessener SB)] x 51,64 % zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Vaters in die Anteilsberechnung einzustellen.
Angenommen, die Mutter ist nach Bereinigung ihres Einkommens um den angemessenen Selbstbehalt ein verfügbares Einkommen in Höhe von 1.200 € [= Leistungsfähigkeit], so ist eine Gesamtleistungsfähigkeit der Eltern in Höhe von 1.740,03 € [= 1.200 € + 540,03 €] festzustellen. Für das privilegiert volljährige Kind beträgt dann der Haftungsanteil des Vaters 31,04 % [= (540,03 ./. 1.740,03) x 100 %].
Wird das Elterneinkommen zur Bestimmung der Haftungsquote für den Unterhalt eines volljährigen Kindes der Rangstufe 4 (§ 1609 Ziff.4 BGB) ermittelt, gelten die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern der Rangstufe 1 (§ 1609 Ziff.1 BGB) als Abzugsposition und führen somit zur Einkommensbereinigung und Verringerung der Haftungsquote (zum Abzug des Zahlbetrags des Unterhalts für vorrangige Kinder: vgl. Gerhardt, in: Hdb. des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage, 6. Kap. Rn. 210; Klinkhammer, in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, § 2, 2. Abschnitt, Rn 573). Konsequenz: Das um vorrangige Unterhaltspflichten bereinigte Einkommen des Elternteils ist für die Haftungsanteilsrechnung maßgebend.
Das Problem des Konkurrenzverhältnisses zwischen Volljährigenunterhalt, Familienunterhalt und Ehegattenunterhalt oder Kinderbetreuungsunterhalt taucht auf, wenn Unterhalt für ein nicht privilegiert volljähriges Kind geschuldet wird. Denn Unterhalt für solche volljährigen Kinder sind wegen § 1609 Ziff.4 BGB gegenüber Unterhaltsansprüchen i.S.d. § 1609 Ziff.3 BGB nachrangig. Wie wirkt sich das auf der Bedarfs- und Leistungsfähigkeitsebene aus?
In der Praxis kommt es dabei häufig zu einer erheblichen Verringerung der Haftungsquote oder zum Mangelfall für den Unterhalt von nicht privilegiert volljährigen Kindern, wenn der barunterhaltspflichtige Vater erneut geheiratet hat und die einkommenslose Ehefrau weitere minderjährige Kinder zu betreuen hat (Fall aus unserer Praxis, unser Az.: 93/16; Az.: 43/23).
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