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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Vaterrechte > Vaterschaftsverfahren > Vaterschaftstest > Vaterschaft anfechten
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Das Familienrecht knüpft an die Vaterschaft vielfältige Vaterrechte und Vaterpflichten. Dabei ist nach allgemeinem Verständnis “Vater” der Mann, der das Kind gezeugt hat. Das > Familienrecht sieht das anders: Für die Vaterschaft im rechtlichen Sinn kommt es nicht auf die genetische Abstammung des Kindes an.
Gesetzliche und biologische Vaterschaft können auseinanderdriften. Es gibt eine Vielzahl von Gründen und Interessen, um die die gesetzliche Vaterschaft mit der biologischen Vaterschaft zu synchronisieren. Eines der Hauptmotive in der Praxis sind der Unterhaltsregress vom biologischen Vater für Unterhaltszahlungen an das Kuckuckskind. Auch dafür muss vorab ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren durchlaufen werden.
| Wegweiser zur Vaterschaftsanfechtung
Für viele Männer wurde sie bei Zweifeln über ihre Vaterschaft zu einer Frage, in der sie sich nicht gescheut haben, heimlich Haare des Kindes oder seinen Speichel (Zahnbürste) zu verwenden, und gutachtlich klären zu lassen, ob die von gehegten Zweifel zu Recht bestehen. Heimliche DNA-Tests nützen dem Betroffenen jedoch nichts. Das Bundesverfassungsgericht und der BGH haben längst festgestellt, dass ein auf solche Weise erlangtes Wissen über die fehlende biologische Vaterschaft keinen Anfangsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtungsverfahren begründen kann.
Diese Rechtssituation wurde häufig als unbefriedigend empfunden, wenn konkrete Anhaltspunkte, die eine Anfechtung der Vaterschaft ermöglichen würden, schlicht nicht vorlagen. Der gesetzliche Anspruch auf Klärung der Abstammung nach § 1598a BGB soll ermöglichen, auf offenem Weg und ohne weitere rechtliche Voraussetzungen, die genetische Abstammung zu klären. Damit wird der Einholung „heimlicher Gutachten“ weitgehend der Nährboden entzogen.
Wird die gesetzliche Vaterschaft mit Gerichtsbeschluss angefochten, so hat das betroffene Kind zunächst mal keinen gesetzlichen Vater, wenn der biologische Vater unbekannt ist oder jetzt die gesetzliche Vaterschaft nicht anerkennt. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es sein kann, dass ein Kind keinen gesetzlichen Vater hat und aus diesem Grund ein Anfechtungsverfahren ausgeschlossen ist. Das ist nicht der Fall: Das Familienrecht kennt das Phänomen “Kinder ohne Vater“.
Allein zu wissen, wer nicht der Vater ist, ist kein befriedigender Zustand. Somit stellt sich weiter die Frage, ob ein Auskunftsanspruch gegenüber der Mutter besteht, die den potenziellen Vater zu benennen hat.
Das Anfechtungsverfahren (§ 1599 Abs.1 BGB) hat Bedeutung für die Fälle, in denen der bisherige Status der gesetzlichen Vaterschaft eines Mannes beendet werden soll. Voraussetzung für ein solches Verfahren ist zunächst, dass eine nach §§ 1592 Nr.1 und Nr.2 oder 1593 BGB begründete gesetzliche Vaterschaft feststeht, die dann durch eine familiengerichtliche rechtskräftige Entscheidung beendet wird. Dafür stellt das Gericht per Beschluss fest, dass der Mann (bisheriger gesetzlicher Vater) nicht der Vater des Kindes ist (negative Feststellung).
Für ein Anfechtungsverfahren muss die gesetzliche Vaterschaft feststehen. Ist dies nicht der Fall, ist ein Verfahren nach § 1600d BGB (= Vaterschaftsfeststellung) zu betreiben. Dieses verfolgt nicht das Ziel, die leibliche Abstammung zu klären, sondern per Gerichtsbeschluss eine bislang fehlende gesetzliche Vaterschaft nach § 1592 Ziff 1. oder Ziff.2 BGB gerichtlich festzustellen (§ 1592 Ziff.3 BGB).
OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2014 – 8 WF 106/14
§ 1599 BGB | Grund für Härtefallscheidung
Orientierungssatz: Erwartet die Ehefrau aus einem Verhältnis zu einem andern Mann ein Kind, kann der Ehemann wegen der Möglichkeit des Ausschlusses der Vaterschaftsanfechtung nach § 1599 Absatz II 1 Hs. 2 BGB schon vor Ablauf des Trennungsjahres die Ehescheidung verlangen (>Härtefallscheidung).
Die gem. § 1592 BGB begründete gesetzliche Vaterschaft muss nicht der biologischen Vaterschaft entsprechen. Ein Auseinanderdriften von gesetzlicher und biologischer Vaterschaft kann somit Anfechtungsgrund für die bestehende Vaterschaft sein. Solange nicht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gerichtlich festgestellt ist, dass der gesetzliche (Schein-)Vater nicht der biologische Vater ist, bleibt der gesetzliche Vater gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig. Erst wenn der gesetzliche (Schein-)Vater in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren (§ 1599 BGB) rechtskräftig feststellen lässt, dass er nicht der biologische Vater ist, entfällt die Unterhaltsverpflichtung des gesetzlichen Vaters gegenüber dem Kind (vgl. auch BGH v. 11.01.2012 – XII ZR 194/09). Die familiengerichtliche Entscheidung, wirkt gegen jedermann und hat zur Folge, dass das Kind vaterlos wird, und zwar rückwirkend auf den Tag der Geburt. Mit Entfallen der Vaterschaft hat das Kind seit dem Tag der Geburt unberechtigt Unterhalt bezogen. Der Vater könnte von der Mutter diese Unterhaltszahlungen zurückfordern. Nur wird sich in der Regel die Mutter mit Erfolg auf den Verbrauch der Unterhaltsleistungen berufen können (Einwand der Entreicherung: § 818 Abs.3 BGB). Hier stellt sich dann die Frage des
| Regresses gegen den biologischen Vater.
Die Folge einer Vaterschaftsanfechtung ist grundsätzlich, dass das Kind > vaterlos wird. Es sei denn ein dritter Mann erkennt die Vaterschaft stattdessen an oder es wird dessen Vaterschaft gem. § 1600d BGB gerichtlich festgestellt. Der als Erzeuger in Betracht kommende Dritte muss allerdings am Anfechtungsverfahren durch das Kind, die Mutter oder den rechtlichen Vater nicht von Amts wegen beteiligt werden. Der Status “> vaterloses Kind” ist für das Kind ein äußerst kritisches Ergebnis, wobei sich eine Vaterschaftsanfechtung oft erheblich auf das Zusammenleben als Familie auswirkt. Deshalb ist die Anfechtung nur mit einem entsprechend begründeten Anfangsverdacht zulässig und schlüssig begründet. Es müssen im Anfechtungsantrag konkrete Umstände angegeben werden, die gegen die Vaterschaft sprechen sowie der Zeitpunkt, in dem diese Umstände bekannt wurden (§ 171 Abs.2 FamFG), die das Gericht auch überprüfen kann. Ein begründeter Anfangsverdacht besteht zum Beispiel in folgenden Fällen:
Ausschließliche Vermutungen dagegen reichen zur Vaterschaftsanfechtung nicht aus. So kommt zum Beispiel das Fehlen von äußerlichen Ähnlichkeiten nicht als Begründung in Betracht. Zudem ist ein Vaterschaftstest, der ohne die Zustimmung des Kindes oder des gesetzlichen Vertreters heimlich durchgeführt wurde, als Beweis vor Gericht nicht zulässig. Kein begründeter Anfangsverdacht besteht zum Beispiel in folgenden Fällen:
Kommt das Gericht im Anfechtungsverfahren zu dem Ergebnis, dass das Kind nicht vom gesetzlichen Vater biologisch abstammt, stellt es dies per Beschluss fest (§ 182 FamFG).
Gerichtlicher Hinweis
zur Ergänzungspflegschaft
BGH, Beschluss vom 24. März 2021 – XII ZB 364/19
Vertretung des Kindes – Schutz der rechtlich sozialen Familie
Leitsätze:
1. Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren sind der mitsorgeberechtigte rechtliche Vater und die mit ihm verheiratete Mutter von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 – XII ZB 510/10, BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 und vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15, FamRZ 2017, 123). Ist die Mutter hingegen mit dem rechtlichen Vater nicht (mehr) verheiratet, ist sie vom gesetzlichen Sorgerechtsausschluss nicht betroffen, sodass das Kind von ihr allein vertreten wird (Aufgabe von BGH, Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71, FamRZ 1972, 498).(Rn.16)
2. Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist unbegründet, wenn zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht, auch wenn eine solche zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags noch nicht vorlag (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16, FamRZ 2018, 275 und Senatsurteil vom 6. Dezember 2006 – XII ZR 164/04, BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538).(Rn.36)
Anmerkung: Sind Vater und Mutter von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen muss für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein > Ergänzugspfleger bestellt werden.
Leitsatz:
Der persönlichen Anhörung von Kind und Eltern bedarf es auch in Kindschaftsverfahren, die vom Rechtspfleger geführt werden. Sind sämtliche Anhörungen nachzuholen, kann dies eine Zurückverweisung rechtfertigen.
Das Problem: Der – nicht mit der Kindesmutter verheiratete – Kindesvater hat 2012 seine Vaterschaft zum Kind anerkannt. Die Kindesmutter ist alleinsorgeberechtigt. Der Kindesvater betreibt im Jahr 2021 ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren und hat beantragt, für dieses Verfahren das Jugendamt als Ergänzungspfleger zu bestimmen. Das AG hat der Kindesmutter und dem Kind schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sodann hat es der Kindesmutter mit Beschluss vom 6.9.2022 die elterliche Sorge betreffend die Vertretung des Kindes im Abstammungsverfahren entzogen und auf eine Rechtsanwältin als Ergänzungspflegerin übertragen. Mit ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde macht die Kindesmutter u.a. geltend, ein mutmaßliches gegenläufiges Interesse könne für einen Eingriff in ihr Sorgerecht nicht ausreichen. Auch habe nicht ohne persönliche Anhörung von Eltern und Kind entschieden werden dürfen.
Die Entscheidung: Der Senat hebt den angefochtenen Beschluss auf und verweist das Verfahren an das AG zurück. Das erstinstanzliche Verfahren leide an > wesentlichen Verfahrensfehlern. Insbesondere sei dem auch in vom Rechtspfleger geführten Verfahren zu beachtenden Anhörungserfordernis nach §§ 159, 160 FamFG nicht genügt worden. Erforderlich sei hiernach eine persönliche Anhörung mit Gelegenheit zur mündlichen Äußerung, wobei sich das Gericht einen persönlichen Eindruck verschaffe. Schwerwiegende Gründe, welche ausnahmsweise ein > Absehen von der persönlichen Anhörung rechtfertigen könnten (§ 159 Abs. 2, Abs. 3, § 160 Abs. 3 FamFG) seien nicht ersichtlich. Ferner sei gem. § 162 Abs. 1 FamFG das Jugendamt zu beteiligen und müsse die > Bestellung eines Verfahrensbeistands geprüft werden. Das Erfordernis der Nachholung der Anhörung sämtlicher Beteiligter stehe demjenigen einer „umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme“ (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG) gleich.
Praxishinweis: Wenn der Wortlaut der §§ 159, 160 FamFG eine „persönliche Anhörung“ verlangt, wird dem mit einem Anschreiben nicht genügt. Erst recht findet die Annahme, für Rechtspfleger seien die §§ 159, 160 FamFG nicht oder nur eingeschränkt verbindlich, im Gesetz keine Stütze. Die hohe Bedeutung der > persönlichen Anhörung von Kindern und ihren Eltern in Kindschaftssachen ist unumstritten und hat in der ober- und höchstrichterlichen > Rechtsprechung bereits häufig herausgestellt werden müssen. Das fehlerhafte Unterbleiben erforderlicher Anhörungen stellt regelmäßig einen schweren Verfahrensmangel dar, der je nach Anzahl der anzuhörenden Personen als einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme gleichstehend nach § 69 FamFG die Aufhebung und > Zurückverweisung rechtfertigen kann.
Anwaltsgebühren und Gerichtskosten berechnen sich nach Gegenstandswerten. Sie sind Anknüpfungspunkt für die sich daraus ergebenden Gebühren. In der Regel ist der Gegenstandswert eines Vaterschaftsanfechtungsverfahren 2.000 € (§ 47 Abs.1 FamGKG). Das Gericht legt ausnahmsweise einen anderen Gegenstandswert an, z.B. wenn mehrere Kinder betroffen sind. Neben Anwalts- und Gerichtskosten (für das gerichtliche Verfahren in erster Instanz voraussichtlich ca. 650,00 €) fallen Kosten von Sachverständigen an (geschätzt: 500,00 €). Gemäß § > 174 FamFG hat das Familiengericht bei minderjährigen Beteiligten auch einen > Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des minderjährigen Kindes notwendig ist. Auch dies ist mit Kosten verbunden.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 BGB besteht (> gesetzlicher Vater),
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (> leiblicher Vater),
die Mutter,
das > Kind und
die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr.2 BGB
Auch minderjährige Kinder sind anfechtungsberechtigt: Zur Ausübung ihres Anfechtungsrechts, ist der gesetzliche Vertreter befugt. In der Regel wird für das Verfahren ein Ergänzungspfleger (bei gemeinsamer Vertretungsbefugnis der Eltern: > Mehr) und ein > Verfahrensbeistand für das Kind (§ 174 FamFG) zu bestellen sein.
AG Kaufbeuren, Endbeschluss vom 24.05.2011 – 3 F 763/10
Anfechtung durch das Kind
Motiv für das vom Kind betriebene Anfechtungsverfahren war der Wunsch, den angeblich leiblichen Vater in die > Unterhaltsverpflichtung zu bringen. Ohne Erfolg, denn das Kind hat leider die > Anfechtungsfristen nach § 1600b BGB überschritten.
Muster
Anfechtung durch den leiblichen Vater
Vaterschaftsanfechtungsantrag durch den leiblichen Vater, um die Stellung des gesetzlichen Vaters zu gelangen. Solche Fallkonstellationen sind vorallem bei Leihmutterschaften oder Samenspenden von praktischer Bedeutung. Ist die Leihmutter verheiratet, gelangt der leibliche Vater bzw. Samenspender nur über die Anfechtung nach §§ 1599, 1600 Abs. 5 BGB in die gesetzliche Vaterrolle.
Exkurs: zur Elternstellung der Leihmutter nach deutschem und kalifornischem Recht sowie Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland siehe BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 463/13.
Das Anfechtungsrecht der Väter, vor allem des biologischen Vaters, wird wiederum durch § 1600 Abs.2 bis Abs.6 BGB beschränkt. Mit diesen Einschränkungen soll verhindert werden, dass eine bereits sozial-familiäre (gewohnte) Beziehung des Kindes zu seinen (faktischen) Eltern durch eine Anfechtung nicht gestört wird. Hier wird eine Einzelfallbetrachtung und Abwägung orientiert am > Kindeswohl stattfinden müssen. Die Vorschriften (§ 1600 Abs.2 bis Abs.6 BGB) sind auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt:
OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2020 – 12 WF 221/20
Anfechtung durch leiblichen Vater: Familiäre Beziehung geht Interesse an Vaterschaftsanfechtung vor
Anmerkung: Hier wurde die begehrte Vaterschaftsanfechtung wegen sozial-familiärer Bindung zwischen gesetzlichem Vater und Kind nicht zugelassen.
BVerfG, Beschluss vom 20.12.2013 – 1 BvR 1154/10
Anfechtung durch leiblichen Vater: Schutz der rechtlich-sozialen Familie vor Anfechtung
(Zitat): “Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass es mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist, den mutmaßlichen biologischen Vater zum Schutz der rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen, auch wenn der biologische Vater vorträgt, vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut zu haben und hat für diesen Fall lediglich aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Umgangsrecht abgeleitet (BVerfGE 108, 82). Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt nichts anderes. Der Gerichtshof hat insbesondere klargestellt, dass die Entscheidung darüber, ob dem biologischen Vater in dem Fall, dass die rechtliche Vaterschaft mit der Rolle als sozialer Vater übereinstimmt, die Anfechtung der Vaterschaft gestattet werden soll, innerhalb des Beurteilungsspielraums des Staats liegt (EGMR, Urteile vom 22. März 2012 – Beschwerde-Nr. 23.338/09, Kautzor/Deutschland – juris, Rn. 78 ff. und – Beschwerde-Nr. 45.071/09, Ahrends/Deutschland – juris, Rn. 74 ff.; Entscheidung vom 11. Dezember 2012 – Beschwerde-Nr. 11858/10, Koppikar/Deutschland).
BGH, Beschluss vom 15.11.2017 – XII ZB 389/16
Anfechtung durch leiblichen Vater: Schutz der rechtlich-sozialen Familie vor Anfechtung
Leitsätze:
Bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater ist der Antrag des leiblichen Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft stets unbegründet (Fortführung von Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 XII ZB 525/16 zur Veröffentlichung bestimmt und Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538).
Eine Auslegung des Gesetzes dahin, dass die Anfechtung dennoch möglich sei, wenn der leibliche Vater seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, ist nicht zulässig.
Das mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einhergehende Elternrecht des rechtlichen Vaters ist auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterstellung er-langen zu können, vorrangig (im Anschluss an BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 und Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538).
OLG Brandenburg, Beschluss, vom 14.10.2016 – 10 UF 17/16
Anfechtung durch leiblichen Vater bei sozial-familiärer Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater
Anmerkung: Zu der Frage, ob dem Vaterschaftsanfechtungsantrag des biologischen Vaters stets erfolglos bleibt, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht.
OLG Hamm, Beschluss, vom 08.04.2016 – 12 UF 244/14
Anfechtung durch leiblichen Vater: Fehlen der sozial-familiären Beziehung
Anmerkung: Maßgeblich ist nach § 1600 Abs.2 BGB, ob zwischen dem Kind und seinem Vater eine sozial gehaltvolle, > verfassungsrechtlich schützenswerte Beziehung besteht. Diese wird nicht schon dadurch begründet, dass der rechtliche Vater formell und finanziell die Verantwortung trägt. Daneben ist auch in tatsächlicher Hinsicht eine Betreuungs- oder sonstige Verantwortungsübernahme festzustellen. Das OLG Hamm stellte fest, dass der leibliche Vater die rechtliche Vaterschaft anfechten konnte, weil sich zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung i.S.v. § 1600 Abs.2 BGB d. Vorschrift nicht bestand.
OLG Hamm, Beschluss, vom 04.01.2016 – 12 UF 145/15
Anfechtung durch leiblichen Vater: Bestehen der sozial-familiären Beziehung
Anmerkung: Eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind kann auch dann vorliegen, wenn der rechtliche Vater nie mit der Mutter und dem betroffenen Kind, sondern durchgehend bis zum Zeitpunkt der Entscheidung mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern zusammengelebt hat. Maßgeblich ist auch in diesen Konstellationen, ob der rechtliche Vater für das betroffene Kind tatsächlich Verantwortung trägt. (Leitsatz des Gerichts)
(6) Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.
BGH, Urteil, vom 12.01.2005 – XII ZR 227/03
Anfechtungsfristen
Es bestehen Anfechtungsfristen nach § > 1600b BGB.
AG Kaufbeuren, Endbeschluss vom 24.05.2011 – 3 F 763/10
Anfangsverdacht bestand länger als zwei Jahre
Bei Einleitung des Anfechtungsverfahren dürfen die Umstände für den Anfangsverdacht nicht bereits mehr als zwei Jahre bekannt sein.
Die Anfechtungsfrist für die Vaterschaftsanfechtungsklage des minderjährigen Kindes beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem sein gesetzlicher Vertreter von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (§ 1600b BGB; dazu OLG Frankfurt DAVorm 1996,901).
1. Für die Anfechtungsfrist bei der Klage des minderjährigen Kindes kommt es auf die Kenntnis desjenigen gesetzlichen Vertreters an, der befugt ist, das Kind im Vaterschaftsanfechtungsprozess rechtswirksam zu vertreten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 04.10.2011 – 15 WF 84/11; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 59 ; OLG Köln FamRZ 2001, 245 ; OLG Bamberg FamRZ 1992, 220). Die Frist beginnt daher erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Vertretungsbefugnis hergestellt wird. Solange die Eltern bei bestehender Ehe noch das gemeinsame Sorgerecht haben, kann nicht ein Elternteil allein das Kind rechtswirksam vertreten, sondern erst mit der Rechtskraft einer Regelung, die einem Elternteil das alleinige Sorgerecht überträgt, beginnt die der Lauf der Frist für die Vaterschaftsanfechtung (OLG Frankfurt DAVorm 1996, 901; OLG Dresden ZfJ 1997, 387; OLG Bamberg FamRZ 1992, 220).
2. Ergänzungspflegschaft: In allen Fällen, in denen die Eltern nach der Rechtskraft der Scheidung das gemeinsame Sorgerecht behalten, beginnt die Frist daher erst mit der Bestellung eines > Ergänzungspflegers (§ 1909 ff BGB) für die Anfechtungsklage. Die gerichtliche Anordnung und Bestellung sowie Übertragung der Pflegschaft auf das Jugendamt war früher häufiger. Nach dem Fall Kevin wurde eine Fallgrenze pro Jugendamtsmitarbeiter eingeführt. Die Pflegschaft beim Jugendamt wird kostenlos geführt (§ 1836 Abs. 3 BGB, § 1835a BGB), dieses wiederum kann die Eltern mit den entstandenen Kosten belasten. Der Nachteil der Bestellung des Jugendamtes als Ergänzungspfleger ist darin zu sehen, dass das Jugendamt gegenüber den Eltern gleichzeitig in einer beratenden und unterstützenden Rolle auftreten muss (§ 16 bis § 18 SGB VIII), dies kann im Einzelfall zu unzulässigen Vermischungen von Bestimmungs-, Kontroll- und Helferrolle führen. Mit der Bestellung einer geeigneten Einzelperson wäre dies ausgeschlossen.
3. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man gemäß 1600b Abs.6 S.2 BGB eine angeordnete Anwendung des § 206 BGB eine Ablaufhemmung der Anfechtungsfrist annimmt, solange das Kind keinen gesetzlichen Vertreter hat, der es im Anfechtungsprozess vertreten kann, denn dann läuft die Anfechtungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab, nachdem der Mangel der Vertretung aufhört. Für den Fall der gemeinsamen elterlichen Sorge auch nach Rechtskraft der Scheidung ist eine andere Beurteilung des Fristablaufs nicht gerechtfertigt, da sich die Eltern bei der gemeinsamen Sorge zur gemeinsamen Verantwortung für das Kind bekennen, sodass wie bei gemeinsamem Sorgerecht bei bestehender Ehe eine Vaterschaftsanfechtung durch Vertretung des Kindes bei der Vaterschaftsanfechtung durch einen Elternteil allein nicht möglich ist (anders wohl Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl. (1994) § 51 V 5). Eine Sonderregelung (d.h. alleinige Vertretungsbefugnis trotz gemeinsamen Sorgerechts) hat der Gesetzgeber gem. § 1629 Abs.2 S.2 BGB nur für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei gemeinsamer elterlicher Sorge vorgesehen. Die Frist für die Vaterschaftsanfechtungsklage des minderjährigen Kindes, vertreten durch einen Ergänzungspfleger, kann daher erst ab Bestellung eines Ergänzungspflegers zu laufen beginnen sein, obwohl die Frist für die Anfechtungsklage der Mutter bereits abgelaufen ist (dazu OLG Stuttgart FamRZ 1999,1004).
4. Diesen Unterschied gleicht das Gesetz durch das zusätzliche Erfordernis der Kindeswohlprüfung gem. 1600a Abs.4 BGB aus, die das Gericht im Anfechtungsverfahren durchzuführen hat (Brudermüller, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 1600a BGB, Rn 10; MünchKomm/Seidel, Ergänzung zur 3. Aufl. (1999), § 1600a Rn.6 bezweifelt dagegen den Sinn der zusätzlichen Kindeswohlprüfung). Im Rahmen der Kindeswohlprüfung nach § 1600 a Abs. 4 BGB steht nicht eine Kindeswohlgefährdung oder Erziehungseignung eines Elternteils im Vordergrund, sondern eine Abwägung der konkreten Vor- und Nachteile, ob die Anfechtung der Vaterschaft im Interesse des Kindes liegt (vgl. OLG Schleswig, 01.03.2002 – 15 WF 32/02; BayObLG FamRZ 1995, 185 ; Brudermüller, in: Palandt, BGB., § 1600a Rn 10; Staudinger/Rauscher, 2011, Rn. 54 ff. zu § 1600 a BGB).
OLG Schleswig, 01.03.2002 – 15 WF 32/02
Kindeswohlprüfung nach § 1600 a Abs. 4 BGB
(Zitat) „Der Senat geht davon aus, dass die Anfechtung der Vaterschaft gemäß § 1600a Abs.4 BGB auch dem Wohl des Antragstellers dient. Die Klärung der biologischen Abstammung ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Abs. 1 i. V. mit Artikel 1 Abs.1 GG). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vergleiche Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 35, 202, 220). Verständnis und Entfaltung der Individualität sind mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählen neben anderen die eigene Abstammung. Grenzen können dadurch gesetzt werden, dass Schritte zur Klärung der Abstammung dem Wohl des anfechtenden Kindes zuwiderlaufen. Im vorliegen Fall ist nicht ersichtlich, dass durch das Anfechtungsverfahren die familiäre Situation des Antragstellers beeinträchtigt wird. Die Ehe der Mutter des Antragstellers mit dem Antragsgegner ist seit Ende 1998 geschieden. Die Mutter lebt mit dem Antragsgegner nicht zusammen. Es ist keine persönliche Bindung des Antragstellers zum Antragsgegner erkennbar. Wirtschaftliche Umstände, die gegen eine Anfechtung der gesetzlich vermuteten Vaterschaft des Antragsgegners zum Antragsteller sprechen, sind nicht ersichtlich. Nach Angaben des Jugendamtes ist der leibliche Vater des Antragstellers bekannt und wird entweder die Vaterschaft zum Antragsteller anerkennen oder im Rahmen eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens den Status des leiblichen Vaters erhalten.
Unter Abwägung der sich aus den Verfahrensakten insgesamt ergebenden Umstände dient die Anfechtungsklage dem Wohl des Antragsstellers, um im anschließenden Schritt den zutreffenden Vater/Sohn-Status zum biologischen Vater herzustellen. Das Jugendamt hat für den Antragsteller damit hinreichend das Zulässigkeitsmerkmal gemäß § 1600a Abs. BGB dargelegt.“
Anmerkung: Nach dieser Art der Kindeswohlprüfung wird nicht auf die bestehende soziale Bindung zum gesetzlichen Vater vorrangig abgestellt.
Das Kind kann nach Eintritt der Volljährigkeit dann unabhängig davon gem. § 1600b Abs.3 BGB (mit neuem Fristablauf) selbst anfechten (Brudermüller, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., 2018, § 1600b, Rn 9 m.w.N.).
Nach deutschem Unterhaltsrecht kann der > Scheinvater seine geleisteten Unterhaltszahlungen für das > Kuckuckskind § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB vom leiblichen Vater zurückverlangen (> Unterhaltsregressverfahren). Dafür muss die gesetzliche Vaterschaft des biologischen Vaters feststehen. Zur Vorbereitung des Regressverfahrens sind mehrere Vaterschaftsverfahren zu bewerkstelligen:
Damit wird deutlich, dass die Häufung der unterschiedlichen Verfahren, zu einem langwierigen Prozedere führen. Es besteht damit ein Interesse, das Unterhaltsverfahren möglichst rechtzeitig einleiten zu können, am besten in Kombination und gleichzeitig mit den erforderlichen Vaterschaftsverfahren.
BGH, Urteil vom 16.04.2008 – XII ZR 144/06
Unterhaltsregress des Scheinvaters ohne vorausgegangenes Vaterschaftsfeststellungsverfahren
Anmerkung: Näheres dazu siehe > BGH-Pressemitteilung Nr. 178/11 vom 09.11.2011. Sollten sich die feststellungsberechtigten Personen weigern, die Vaterschaft feststellen zu lassen, so wird im Regressverfahren eine sog. „inzidente Vaterschaftsfeststellung“ zugelassen. Dies bedeutet: sprechen starke Indizien für die tatsächliche Vaterschaft des Beklagten, muss dieser den Gegenbeweis führen, dass er nicht der biologische Vater ist.
> Blog: BGH-Pressemitteilung Nr. 76/2008).
OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.09.2022 – 11 UF 625/22
Unterhaltsverfahren in Verbindung mit Vaterschaftsfeststellung – veranlasst vom Kind
Orientierungssatz: Ein Unterhaltsverfahren kann nach § 237 FamFG auch dann mit einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren verbunden werden, wenn dieses wiederum mit einer Vaterschaftsanfechtung verbunden ist, derzeit also eine rechtliche Vaterschaft für das Kind besteht. Dass zwei konsekutive Verfahren vermieden werden und der Unterhalt beschleunigt geregelt wird, ist für das auf den Unterhalt angewiesene Kind von Vorteil; unabhängig davon, ob eine bislang bestehende Scheinvaterschaft in einem Vorverfahren oder in einem hiermit verbundenen Verfahren angefochten wird. Es erscheint demgegenüber nicht gerechtfertigt, ein minderjähriges Kind zu veranlassen, ein > Vaterschaftsanfechtungs– und ein > Vaterschaftsfeststellungsverfahren getrennt zu führen, möglicherweise sogar verbunden mit der Einholung von zwei Sachverständigengutachten, um sich nicht der Vorteile des Unterhaltsverfahrens nach § 237 FamFG zu begeben.
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