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Kanzlei für Familienrecht > Scheidung München > Infothek zum Familienrecht > Vater > Vaterschaftstest
Wer die Mutter des Kindes ist, lässt sich einfach klären. Es ist die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB = Mutterschaft). Der Nachweis oder die Gewissheit der biologischen Vaterschaft ist schwieriger. Deshalb stellt das Familienrecht nicht auf die biologische Abstammung ab. In den meisten Fällen ist die Feststellung der gesetzliche Vaterschaft (§ 1592 BGB) Voraussetzung dafür, dass rechtliche Beziehungen zwischen Vater und Kind existieren:
| Vaterrechte
Wenn es grundsätzlich für das Familienrecht nicht auf die biologische Abstammung (Ausnahme: Rechte leiblicher Väter) ankommt, stellt sich dennoch die Frage, ob Männer einen Rechtsanspruch auf Kenntnis ihres biologischen Abstammungsverhältnisses zum Kind haben, um u.U. einen Gleichklang von gesetzlichen Rechten und Pflichten mit den biologischen Gegebenheiten zu erreichen. Das Bedürfnis nach einem solchen Test greift das Familienrecht mit § 1598a BGB auf und bietet damit einen legalen Weg zum Vaterschaftstest (= Gentest).
Seit dem Gesetz zur Erklärung der Vaterschaft vom 26.03.2008 hat jeder an der Klärung seiner Vaterschaft interessierte Mann ein Wahlrecht: Er kann entweder sofort ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren betreiben oder er kann zunächst dafür – in einem vorgeschalteten Verfahren (§ 1598a BGB) – die biologische Herkunft des Kindes über eine genetische Abstammungsuntersuchung (Gentest) klären lassen.
| Wegweiser zum legalen Gentest
BGH, Urteil vom 12.01.2005 – XII ZR 227/03
Zur Verwertbarkeit heimlich eingeholter DNA-Analyse
Anmerkung:
Für ein erfolgreiches Vaterschaftsanfechtungsverfahren muss ein erforderlicher Anfangsverdacht für die Vaterschaft dargelegt werden. Ein ohne Zustimmung der Kindesmutter eingeholter DNA-Test ist dafür nicht ausreichend. Wer auf legalen Weg zu einem Abstammungsgutachten kommen will, muss beim Familiengericht einen Antrag auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung einreichen, falls die betroffenen Testpersonen am Gentest nicht mitwirken wollen. Dafür muss der nach § 1598a BGB gesetzlich vorgesehene Weg eingehalten werden.
a) Der rechtliche Vater kann vor dem Familiengericht auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung und Duldung der Entnahme einer geeigneten Probe klagen. Das ist in § 1598 a BGB (isoliertes Abstammungsuntersuchungsverfahren) geregelt. Es handelt sich um eine Abstammungssache (§ 111 Nr.3 FamFG) und nicht um eine Kindschaftssache (§ 111 Nr.3 FamFG). Die dazugehörigen Verfahrensvorschriften finden sich in §§ 169 ff FamFG. Die ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts regelt § 170 FamFG. Es ist grundsätzlich das Gericht, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 170 Abs.1 FamFG). Das Verfahren wird auf Antrag eingeleitet (§ 171 FamFG).
b) Auch die Mutter und das Kind haben einen solchen Anspruch gegenüber dem Vater. § 1598a Abs.1 BGB gibt dem Vater, der Mutter und dem Kind innerhalb der rechtlichen Familie gegenüber den jeweils anderen beiden Familienmitgliedern einen solchen Anspruch. Will heißen: Aufklärungsansprüche bestehen nur gegenüber dem gesetzlichen Vater (§ 1592 BGB), der gesetzlichen Mutter (1591 BGB) und dem gesetzlichen Kind. Ein Aufklärungsanspruch gegenüber dem mutmaßlichen biologischen Vater besteht dagegen nicht:
BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – BvR 3309/13
Kein Anspruch gegen mutmaßlichen biologischen Vater auf Einwilligung in Gentest
Hinweis:
Das BVerfG hält es verfassungsrechtlich nicht für geboten, § 1598a BGB analog auf > biologische Väter auszudehnen. Die wesentlichen Erwägungen des BVerfG finden sich in der
| Pressemitteilung Nr. 18/2016 vom 19.04.2016
Anmerkung:
Es verstößt nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Kindes, dass die Vaterschaft eines mutmaßlich biologischen Vaters gegen den Willen dieses Mannes nur im Wege der > Feststellung der rechtlichen Vaterschaft (§ 1600d BGB), nicht aber in einem isolierten Abstammungsuntersuchungsverfahren (§ 1598a BGB) klären kann.
c) Ob das Abstammungsverhältnis zu einem minderjährigen Kind über ein Abstammungsgutachten geklärt werden soll, entscheiden die sorgeberechtigten Eltern gemeinsam. Wenn ein sorgeberechtigter Elternteil die Einwilligung verweigert, ist im Ersetzungsverfahren (§ 1598a Abs.2 BGB) für beide Eltern zur Vertretung des minderjährigen Kindes ein Pfleger zu bestellen (§ 1629 Abs.2a BGB). Weigert sich einer der Beteiligten, die erforderliche Einwilligung in die Probeentnahme zu erteilen, muss das Gericht die Duldung der Probeentnahme anordnen. Damit ist die Mutter im ersten Schritt schriftlich aufzufordern, die Zustimmung in einem amtlich anerkannten Gentest zu erteilen.
d) Das Familiengericht muss dem Antrag auf Ersetzung der Einwilligung in aller Regel stattgeben. Es wird den Antrag nur dann abweisen, wenn die Klärung der Abstammung und Duldung der Probeentnahme zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls bei einem minderjährigen Kind führen würde. Zudem muss diese Beeinträchtigung auch unter Würdigung der Interessen des Antragstellers für das Kind unzumutbar sein.
OLG Koblenz, Beschluss vom 21.06.2013 – 13 WF 522/13
Vaterschaftstest & Kindeswohl
Das Gericht stellt dabei fest, dass grundsätzlich die Interessen des Klärungsberechtigten Vorrang vor gegebenenfalls anders lautenden Interessen des Kindes haben. Nur in engen Ausnahmefällen wird dem Interesse des Kindes Vorrang eingeräumt. Dafür muss aber eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls gegeben sein. Das Urteil stellt weiterhin darauf ab, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich den Interessen des klärungsberechtigten Vaters anderslautende Interessen Vorrang eingeräumt wird. Nur in krassen Ausnahmefällen kann sich ein Vorrang der Kindesinteressen ergeben und gegen den Anspruch nach § 1598a BGB sprechen. Als Beispiel werden genannt Suizidgefahr oder Gefahr der gravierenden Verschlechterung einer bereits bestehenden schweren Krankheit.
e) Eine Frist zur Klärung der Vaterschaft besteht nicht. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung beim Familiengericht im Rahmen der Klärung der Vaterschaft hat aber Auswirkungen auf die zweijährige Frist bei der Vaterschaftsanfechtung. Sie wird gehemmt. Sie läuft erst sechs Monate nach Abschluss des Verfahrens vor dem Familiengericht weiter. Die Schwelle für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist ungleich höher angesiedelt als bei einem Verfahren nach § 1598a BGB. Ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist ein fristgebundenes Verfahren (§ 1600b BGB). Dabei muss für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren der Berechtigte von Umständen erfahren haben, die gegen die Vaterschaft sprechen. Ab diesem Moment besteht für zwei Jahre die Möglichkeit eine gerichtliche Vaterschaftsanfechtung durchzuführen.
f) Die Abstammungsuntersuchung wird nicht vom Gericht, sondern vom Klärungsberechtigten auf eigenen Kosten in Auftrag gegeben. Mit der Abstammungsklärung sind unmittelbar keine statusrechtlichen oder sonstige familienrechtlichen Konsequenzen verbunden. Der Scheinvater bleibt sorgeberechtigt und unterhaltspflichtig. Jedoch ist er jetzt in der Lage, die rechtlichen Änderungen über eine Vaterschaftsanfechtung herbeizuführen: Das Erfordernis des Anfangsverdachts wird durch die isolierte Vaterschaftsklärung erledigt.
An das
FamFG ….(Die Zuständigkeit ergibt sich ausschließlich nach § 170 FamFG)
… [Antragsteller Vater, Mutter oder Kind]
Ich beantrage, die Zustimmung zur Abstammungsuntersuchung und Probeentnahme zu ersetzen.
Begründung:
[Der Sachverhalt ist darzustellen, aus dem sich der Anspruch ergibt (§ 23 FamFG)].
Mit der Einrichtung eines zentralen Registers für Samenspender sollen Kinder aus künstlicher Befruchtung künftig jederzeit Auskunft über ihre Abstammung erhalten können. Das sieht ein Gesetzentwurf (18/11291) der Bundesregierung vor, der dem Bundestag zur Beratung vorliegt. Mit dem Gesetzentwurf wird nach Angaben der Regierung ein Auskunftsanspruch für jene Personen festgelegt, die durch eine Samenspende und künstliche Befruchtung gezeugt worden sind. Das bundesweite Samenspenderregister wird beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eingerichtet. Dort sollen für eine Zeitspanne von 110 Jahren Angaben über die Samenspender und Empfängerinnen einer Samenspende gespeichert werden. Zugleich wird dem Entwurf zufolge durch eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders ausgeschlossen. So soll verhindert werden, dass an Samenspender im Sorge-, Unterhalts- und Erbrecht Ansprüche gestellt werden. Das Gesetz sollte 2018 in Kraft treten.
Ist die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung der Testperson durch Beschluss rechtskräftig geworden, so kann der Antragsteller ein Abstammungsgutachten in Auftrag geben. Er muss die Kosten hierfür tragen. Will man das Gutachten für eine Vaterschaftsanfechtung nutzen, so sollte das Gutachten in Übereinstimmung mit dem am 1. Februar 2010 in Kraft getretenen Gendiagnostikgesetz (GenDG) erstellt werden. Die weiteren Beteiligten haben Anspruch auf Einsicht des Gutachtens bzw. auf Aushändigung einer Abschrift. Sie können selbständig nach einem qualifizierten Abstammungsgutachter (Sachverständige für Abstammungsgutachten) suchen.
| Verzeichnis der Deutsche Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung
Ab dem 1. Februar 2012 darf eine genetische Beratung nur durch entsprechend qualifizierte Ärztinnen und Ärzte vorgenommen werden. Das am 1. Februar 2010 in Kraft getretene Gendiagnostikgesetz (GenDG) bestimmt die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen, im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen, die Verwendung genetischer Proben und Daten und legt Anforderungen für die genetische Beratung fest. Für die Veranlassung und Durchführung genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gilt ein Arztvorbehalt, ausgenommen hiervon sind lediglich Abstammungsuntersuchungen. Für genetische Beratungen im Kontext diagnostischer genetischer Untersuchungen bedarf es einer Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung. Die Qualifikationsanforderungen wurden auf der Grundlage des Gendiagnostikgesetzes von der Gendiagnostik-Kommission des Robert Koch-Institutes in einer am 11. Juli 2011 in Kraft getretenen Richtlinie festgelegt. Das Gesetz schreibt vor, dass ab dem 1. Februar 2012 eine genetische Beratung nur durch entsprechend qualifizierte Ärztinnen und Ärzte vorgenommen werden darf. Da das Gesetz alle genetischen Fragestellungen einschließlich vorgeburtlicher Risikoabschätzungen mit einschließt, werden die Indikationen für genetische Beratungen in erheblichem Umfang erweitert. Ein wesentliches Ziel des GenDG ist es, „die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen zu bestimmen und eine Benachteiligung aufgrund genetischer Eigenschaften zu verhindern, um insbesondere die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren“ (§ 1 GenDG). Um dieses Ziel zu erreichen, darf eine genetische Untersuchung oder Analyse nur vorgenommen und eine dafür erforderliche genetische Probe nur gewonnen werden, wenn die betroffene Person in die Untersuchung und die Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe ausdrücklich und schriftlich gegenüber der verantwortlichen ärztlichen Person eingewilligt hat (§ 8 GenDG). Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Eine gegebene Einwilligung umfasst sowohl die Entscheidung über den Umfang der genetischen Untersuchung als auch die Entscheidung darüber, ob und inwieweit das Untersuchungsergebnis zur Kenntnis zu geben oder zu vernichten ist (informationelles Selbstbestimmungsrecht). Das GenDG regelt im Weiteren die Aufklärung (§ 9 DG) und die Beratung (§ 10 DG). Vor einer genetischen Untersuchung muss vor Einholung der Einwilligung eine Aufklärung durch den verantwortlichen Arzt über das Wesen der Untersuchung, mögliche Ergebnisse und Konsequenzen der genetischen Untersuchung erfolgen. Der Inhalt der Aufklärung ist zu dokumentieren. Es wird zwischen diagnostischer, prädiktiver und vorgeburtlicher genetischer Untersuchung differenziert. Eine diagnostische genetische Untersuchung darf nur durch Ärztinnen oder Ärzte und eine prädiktive genetische Untersuchung nur durch Fachärztinnen oder Fachärzte für Humangenetik oder andere Ärztinnen oder Ärzte, die sich beim Erwerb einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung für genetische Untersuchungen im Rahmen ihres Fachgebietes qualifiziert haben, vorgenommen werden (§ 7 Abs.1 GenDG). Eine genetische Beratung darf nur durch die genannten Ärztinnen oder Ärzte, die sich für genetische Beratungen qualifiziert haben, vorgenommen werden (§ 7 Abs. 3 GenDG).
Erscheint die Testperson nicht zum Termin zur Probeentnahme oder weigert sich auf andere Weise daran mitzuwirken, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden. Jetzt stellt sich die Frage: Wie kann die Testperson zur Duldung von Probeentnahmen gezwungen werden? Der Ersetzungsbeschluss nach § 169 Ziff.2 FamFG ist nur der erste Schritt zum legalen Gentest. Doch ist dieser noch kein Vollstreckungstitel zur Durchsetzung der erforderlichen Probeentnahmen. Hierfür ist ein weiterer Beschluss zur Duldung konkreter erforderlichen Maßnahmen mit Androhung von Zwangsmitteln notwendig. Das Abstammungsgutachten ist ein Beweismittel. Wer sich der Erstellung dieses Beweismittels widersetzt, begeht eine Zeugnisverweigerung. Vor diesem Hintergrund ermächtigt § 178 FamFG das Familiengericht bestimmte Anordnungen zur Beweiserhebung zu treffen. § 178 FamFG hat exakt den gleichen Wortlaut wie § 372a ZPO (Beweis durch Augenschein). Mit Beweisbeschluss kann auf Antrag angeordnet werden, welche konkreten Maßnahmen durchzuführen sind, um ein erforderliches Abstammungsgutachten zu erreichen. Wird gegen die Anordnungen in einem Beweisbeschluss nach § 178 Abs.1 FamFG verstoßen, dann greifen die Rechtsfolgen des § 178 Abs.2 mit Verweis auf §§ 386 bis 390 ZPO. Die Verweigerung der angeordneter Probeentnahmen, kommt einer Zeugnisverweigerung gleich und wird nach §§ 386 bis 390 ZPO rechtlich auch so geahndet. Die Duldungsanordnung in eine medizinische Untersuchung kann gegen jede Person ergehen, deren Genmaterial für die Erstellung des Abstammungsgutachtens benötigt wird. Nach § 178 FamFG haben diese Personen insbesondere Entnahmen von Blutproben zu dulden. Wegen des Übermaßverbots wird aber für einen Gentest nur die Anordnung der Duldung eines Mundschleimhautabstrichs zulässig sein. Für die heutigen Gentests enthält ein solcher Abstrich eine ausreichende Menge genetischen Materials für die DNA-Analyse.
Wer zum angeordneten Untersuchungstermin ohne Angabe von Gründen nicht erscheint, begeht eine Zeugnisverweigerung. Diese lässt daran denken, das unentschuldigte Nichterscheinen zum Untersuchungstermin mit Verhängung von Ordnungsgeld und womöglich mit einer zwangsweisen Vorführung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher zu ahnden. Jedoch ist das nach einer Entscheidung des OLG Brandenburg, Beschluss vom 13. 10. 2000 – 9 WF 198/00 (zu § 372a ZPO), noch nicht möglich.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 13. 10. 2000 – 9 WF 198/00
Wenn der Vater zur Blutabnahme nicht erscheint
Sachverhalt:
Das klagende Kind begehrt die Feststellung der nicht ehelichen Vaterschaft zu dem Beklagten sowie die Zahlung von Regelunterhalt bzw. des Regelbetrages. Da der ordnungsgemäß geladene Beklagte zur mündlichen Verhandlung vom 19. 1. 2000 nicht erschienen war, ordnete das AG mit Beweisbeschluss vom selben Tage die Einholung eines Blutgruppengutachtens zur Frage der Vaterschaft an, in welches auch der Beklagte einbezogen wurde. Nachdem der Beklagte zu zwei zur Blutentnahme angesetzten Terminen erneut nicht erschien, drohte das AG ihm mit Beschluss vom 16. 3. 2000 ein Zwangsgeld bis zu 2000 DM sowie die Vorführung durch den Gerichtsvollzieher bei erneuter Nichtbefolgung der Ladungen des Gesundheitsamts an. Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte mit Schreiben vom 31. 3. 2000 Widerspruch ein, über den das AG bislang nicht befunden hat. Zugleich erhob er mit weiterem Schreiben vom selben Tage Einwendungen gegen die Durchführung des Bluttests. Da der Beklagte auch zu einem weiter angesetzten Termin zur Blutentnahme nicht erschien, ordnete das AG mit weiterem Beschluss vom 17. 7. 2000 die Vorführung des Beklagten zum Zwecke der Blutentnahme durch den zuständigen Gerichtsvollzieher an. Gegen diesen Beschluss richtet sich der „Widerspruch“ des Beklagten vom 9. 8. 2000, in dessen Begründung er seine Einwendungen gegen das Verfahren aufrechterhält bzw. ergänzt. Die Beschwerde des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
In Abstammungsverfahren hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung, zu dulden, soweit die Untersuchung nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung und nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn oder einen der in § 383 Abs.1 Nrn. 1-3 ZPO bezeichneten Angehörigen und ohne Nachteil für seine Gesundheit zugemutet werden kann (§ 372a Abs.1 ZPO). Zwar liegen die Voraussetzungen dieser Vorschriften vor, da das AG mit Beweisbeschluss vom 19. 1. 2000 die Einbeziehung des Bekl. in ein einzuholendes Blutgruppengutachten für die Feststellung der Abstammung des Bekl. zum Kl. angeordnet hat. Zu der Anordnung von Zwangsmaßnahmen, die das AG mit der angefochtenen Entscheidung vom 17. 7. 2000 getroffen hat, war es allerdings noch nicht befugt. Die Anordnung von Zwangsmaßnahmen kann nur unter den Voraussetzungen des § 372a Abs.2I ZPO, die hier nicht vorliegen, erfolgen. Nach dieser Vorschrift kann bei wiederholter unberechtigter Verweigerung der Untersuchung auch unmittelbarer Zwang angewendet, insbesondere die zwangsweise Vorführung zum Zwecke der Untersuchungen angeordnet werden, wobei die Vorschriften der §§ 386-390 ZPO entsprechend anwendbar sind.
Es fehlt bereits an einer ordnungsgemäßen Ladung des Bekl. zur Blutentnahme, da nur unter diesen Voraussetzungen eine unberechtigte Verweigerung in Betracht kommt. Die Ladung zur Blutentnahme muss den Anforderungen des § 377 Abs.2 Nrn. 1-3 ZPO entsprechen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Untersuchung nach § 372a ZPO eine gerichtliche Beweisaufnahme in Form der Augenscheinseinnahme ist, wie insbesondere die systematische Stellung dieser Vorschrift innerhalb der §§ 371ff. ZPO zeigt. Die Anordnung der Untersuchung hat daher durch das Prozessgericht zu erfolgen (BGH, NJW 1990, Seite 2937; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. [2000], § 372a Rdnr. 18; Damrau, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl. [2000], § 372a Rdnr. 21; im Ergebnis auch Stein/Jonas/Berger, ZPO, 21. Aufl. [1999], § 372a Rdnr. 5; Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl. [1999], § 372a Rdnr. 15); insbesondere ist eine „Ladung“ durch den Sachverständigen nicht ausreichend (ausdrücklich Damrau in: MünchKomm-ZPO, § 372a Rdnr. 21). Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bekl. durch das Gericht zu den gesetzten Untersuchungsterminen geladen worden ist. Nach Aktenlage ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Ladungen stets durch den bestellten Sachverständigen erfolgt sind. Dies folgt aus dem Schreiben der sachbearbeitenden Richterin vom 22. 2. 2000, mit dem sie die an den Bekl. gerichtete Bitte ausspricht, nach Aufforderung des Gesundheitsamts zur Blutentnahme zu gehen, dem Inhalt des Beschlusses vom 16. 3. 2000, der die darin ausgesprochene Androhung von Ordnungsmitteln an die „Ladungen des zuständigen Gesundheitsamts” anknüpft und dem Inhalt der durch die Sachverständige über das Nichterscheinen des Bekl. zur Akte gereichten Schreiben vom 3. 3. und 13. 4. 2000. Es fehlt damit bereits an der ordnungsgemäßen gerichtlichen Ladung des Bekl. i.S. von § 377 ZPO.
Darüber hinaus durfte das AG Zwangsmaßnahmen deshalb nicht erlassen, weil der Bekl. gegen die Blutentnahme Weigerungsgründe geltend gemacht hat. Die analog § 386 Abs.1 ZPO erforderliche schriftliche Geltendmachung von Verweigerungsgründen ist auf Grund des Inhalts der oben angeführten Schreiben des Bekl. gegeben. Bei der Geltendmachung von Verweigerungsgründen ist analog § 387 ZPO zu verfahren; das Prozessgericht hat daher nach durchzuführender mündlicher Verhandlung unter Anhörung der Parteien per Zwischenentscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung zu entscheiden (BGH, NJW 1990, 2937; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 372a Rdnr. 27; Damrau, in: MünchKomm-ZPO, § 372a Rdnr. 23; Zöller/Greger, § 372a Rdnr. 15). Das Zwischenverfahren wäre nur dann entbehrlich, wenn die Verweigerung ohne jegliche Angabe von Gründen erfolgt wäre (BGH, NJW 1990, 2936; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 372a Rdnr. 29; Damrau, in: MünchKomm-ZPO, § 372a Rdnr. 23; Musielak, ZPO, 1998, § 372a Rdnr. 14; Stein/Jonas/Berger, § 372a Rdnr. 20). Da dies hier nicht der Fall ist – der Bekl. hat seine Weigerungsgründe ordnungsgemäß in schriftlicher Form gem. § 386 Abs.1 ZPO analog erklärt -, hat das AG zunächst nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Zwischenentscheidung über die von dem Bekl. geltend gemachten Gründe zu entscheiden. Vor Durchführung des Zwischenverfahrens ist die Festsetzung von Ordnungsmitteln unzulässig (OLG Dresden, NJW-RR 1999, 84; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 372a Rdnr. 28; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. [1999], § 372a Rdnr. 2). Ob dagegen der Bekl. die Verweigerungsgründe zu Recht erhebt, kann hier dahinstehen; die Entscheidung darüber ist gerade dem Zwischenverfahren nach § ZPO § 387 ZPO vorbehalten.
Wer unter Angaben von Gründen die Probeentnahme verweigert, der löst damit ein Zwischenstreitverfahren aus. Entsprechend § 387 ZPO wird im sog. Zwischenstreitverfahren über die Rechtmäßigkeit der Weigerung eine Zwischenentscheidung in Form eines Beschlusses getroffen. Wird eine Untersuchung aus einem im Zwischenstreit entsprechend § 387 ZPO rechtskräftig für unerheblich erklärten Grund verweigert, gilt § 390 ZPO, wonach Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft festzusetzen ist. Achtung: Die Testperson muss nach § 386 Abs.1 ZPO unter Angabe seiner Gründe die Weigerung an der Untersuchung teilzunehmen, im Untersuchungstermin oder zuvor gegenüber dem Gericht erklären. Allein der Umstand, dass die Testperson nicht zu dem vom Sachverständigen anberaumten Termin erscheint, genügt weder für die Erklärung des Weigerungsrechts noch für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen (siehe Entscheidung des OLG Brandenburg FamRZ 2001, 1010
| Nichterscheinen zur Blutentnahme
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