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Kanzlei für Familienrecht > Infothek zum Familienrecht > Unterhalt > Unterhalt für Ehegatten > nach Scheidung > Herabsetzen und befristen
Streit über Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578b BGB ist üblich. Diese Übersicht liefert einen klaren Überblick über die wichtigsten Aspekte.
Es ist vom Gesetzgeber gewollt, dass mit der Scheidung die finanzielle Sorge für den Ex-Partner (nacheheliche Solidarität) nicht abrupt endet (nachehelicher Unterhalt). Ebenso ist anerkannt, dass diese vom Gesetzgeber gewollte Nachsorge für den Ex-Ehegatten auch mal sein Ende finden muss. Verschaffen Sie sich Klarheit über den Unterhalt nach der Ehe und Scheidung mit unserer Expertise. Informieren Sie sich in dieser umfassenden Übersicht über die Befristung des Ehegattenunterhalts nach § 1578b BGB sowie über Unbilligkeitsgründe.
| Wegweiser zur Herabsetzung und Befristung
Der Ehegattenunterhalt kann zusätzlich wegen illoyalen Verhaltens gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden.
| Begrenzung wegen illoyalem Verhalten
(1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen , wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindesunbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.
(2) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen , wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbilligwäre. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs können miteinander verbunden werden.
Dem geschiedenen Ehegatten ist nach der Scheidung eine Übergangsfrist zuzubilligen, während der Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.d. § 1578 Abs. 1 BGB zu bezahlen ist (zu den Ausnahmen > hier ). Der Bedarfsmaßstab “eheliche Lebensverhältnisse” bleibt nach der Ehe bestehen, solange nicht eine Ausnahme nach § 1578b BGB oder § 1579 BGB Platz greift:
Diese vom BGH gefundene Interpretation des § 1578b BGB arbeitet mit einer eigenen Begrifflichkeit (Schonfirst, nacheheliche Solidarität , ehebedingter Nachteil etc.). Zur Frage nach der Dauer der Schonfrist, den ehebedingten Nachteile, dem angemessenen Lebensbedarf und der Bedeutung der Ehedauer gibt es inzwischen eine umfassende Rechtsprechung. § 1578b BGB regelt nicht die Frage, wie sich die Bedarfsermittlung nach den ehelichen Lebensverhältnissen verändert, wenn es zu nachehelichen Einkommensveränderungen bei den Ex-Ehegatten kommt. Der primäre Grund für einen nachehelichen Unterhalt liegt darin, dass der bedürftige Ehegatte es nicht schafft und nicht schaffen kann mit eigenem Einkommen seine bisher gewohnten Lebensverhältnisse selbst zu finanzieren. Bei entsprechender Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten muss dieser die Bedarfslücke schließen. Warum ausgerechnet der Ex-Ehegatte für die Bedarfslücke Verantwortung trägt und nicht etwa andere Familienmitglieder oder gar der Sozialhilfeträger wird auf zwei Gründe gestützt:
Der erste Grund dafür, dass der bedürftige Ehegatte die gewohnten ehelichen Lebensverhältnisse nicht mit eigenem Einkommen und Vermögen finanzieren kann liegt in der Ehe (= ehebedingter Nachteil). Daraus folgt eine nachwirkende Solidar-Verantwortung des Ex-Ehegatten.
> mehr
Der zweite Grund ist die sog. nacheheliche Solidarität an sich, die dazu führen soll die ehelichen Lebensverhältnisse des Ex-Ehegatten aufrecht zu halten. Dass es diesen zweiten Grund gibt, hat der BGH deutlich erklärt und beruft sich dabei auf den erklärten Willen des Gesetzgebers. Der Ausgleich von ehebedingten Nachteilen als Grund für die nacheheliche Solidarität und damit für das Festhalten am Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen leuchtet mehr ein, als das bloße Abstellen auf eine sog. nacheheliche Solidarität. Deshalb ist stets vorrangig zu prüfen, ob ehebedingte Nachteile der Anwendung des § 1578b BGB entgegenstehen und es deshalb beim Grundsatz des § 1578 BGB verbleibt.
> mehr
BGH , Urteil v. 21.09.2011 – XII ZR 173/09
Gesichtspunkte für nachehelichen Solidarität
(Zitat, Rn 43, 44) „§ 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BT-Drucks. 16/1890, S. 19). Denn indem die Bestimmung insbesondere auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abstellt, schließt sie andere Gesichtspunkte für die Billigkeitsabwägung nicht aus (Senatsurteil vom 14. April 2010 – XII ZR 89/08 – FamRZ 2010, 869 Rn. 44). Die Feststellung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist – ebenso wie die entsprechende Billigkeitsabwägung – Aufgabe des Tatrichters”.
Anmerkung: § 1578b BGB kann und darf nicht so verstanden werden, dass automatisch eine Unterhaltsbegrenzung stattfindet, wenn ehebedingte Nachteile nicht festgestellt werden. Dies muss betont werden, weil streckenweise die Rechtsprechung diesen Eindruck aufkommen ließ, bis der BGH mit Urteil vom 27.05.2009 – XII 111/08 (Pressemitteilung) deutlich erklärte, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Befristung und Herabsetzung nicht nur ausscheidet, wenn ehebedingte Nachteile zu kompensieren sind, sondern auch die nacheheliche Solidarität als weiteres Kriterium in die Billigkeitsabwägung einzubeziehen ist und dagegen spricht.
Was ist nun die nacheheliche Solidarität konkret? Darauf gibt es leider keine allgemeingültige Antwort oder sogar Definition. Eine feste Modellvorstellung dafür gibt es nicht. Jedoch spricht in diesem Zusammenhang immer wieder von der sog. wirtschaftlichen Verflechtung, aus der sich die nacheheliche Solidarität ableitet. Die Rechtsprechung fordert ein Abstellen auf die jeweilige individuelle Situation der gelebten Ehe und fordert eine Billigkeitsentscheidung unter Einbeziehung aller Umstände.
Grundlage für das Aufleben einer nacheheliche Solidarität aus der gelebten Ehe ist das wechselseitige aufeinander Einstellen und Zusammenwachsen der Eheleute zu einer Familieneinheit, mit gegenseitigen Rücksichtnahmen in der Berufsplanung, Rollenverteilung bei der Kindererziehung und sonstigen wirtschaftlichen Verflechtungen. Wer hierbei einen langen Weg seiner Lebens („lange Ehedauer”) in einer familiären Symbiose mitgegangen ist, für den wirken die in der Ehe angelegten und gelebten Lebensumstände auch nach der Ehe fort. Auch dann, wenn hieraus keine nachweislichen ehebedingten Nachteile hervorgegangen sind. Die Auswahl nachfolgend zitierter Rechtsprechung soll einen Eindruck vom Merkmal der nachehelichen Solidarität vermitteln.
Fehlen ehebedingte Nachteile, kommt eine Herabsetzung des Unterhalts gem. § 1578b BGB viel schneller in Betracht. Dies zeigt sich anhand folgend dargestellter Rechtsprechung: bei einer kurzen kinderlosen Doppelverdiener-Ehe mit Einkommensdifferenzen (d. h. ohne ehebedingte Nachteile) kann die Maßstabsverschiebung nach § 1578b Abs.1 BGB zwar nicht sofort, doch nach einer relativ kurzen Übergangsphase angezeigt sein. Die Dauer der Übergangsphase kann sich nur daran orientieren, welche Frist dem Unterhaltsberechtigten zugestanden wird, bis der Unterhaltsberechtigte sich nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf die Kürzung des Unterhalts und ein Leben nach dem vorehelichen Lebensstandard einstellen kann.
BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 – XII ZR 109/07
Übergangsphase, wenn ehebedingte Nachteile fehlen
(Zitat, Rn 17) „Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin durch die Ehe keine beruflichen Nachteile erwachsen sind. Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal aus der Ehe der Parteien keine Kinder hervorgegangen sind und die Klägerin seit 1993, also annähernd während der gesamten Ehezeit, vollschichtig in ihrem Beruf als Küchenhilfe erwerbstätig war und dies auch weiterhin ist. Die Einkommensdifferenz beruht deswegen nicht auf ehebedingten Nachteilen der Klägerin i.S. von § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB, sondern darauf, dass die Parteien schon vorehelich infolge ihrer unterschiedlichen Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten. In solchen Fällen ist es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aber grundsätzlich zumutbar, nach einer Übergangszeit auf den vom höheren Einkommen des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten beeinflussten Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard nach den eigenen Einkünften zu begnügen.”
BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 – XII ZR 109/07
Übergangsphase – Einstellen auf den angemessenen Lebensbedarf
(Zitat, Rn 27, 28) “Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss sich die Übergangszeit vom Wegfall ehebedingter Nachteile bis zum Fortfall des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 2 BGB nicht schematisch an der Ehedauer orientieren. Vielmehr findet die Übergangszeit ihren Grund darin, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen. Zwar können auch dabei die Dauer der Ehe und das Alter des Unterhaltsberechtigten nicht unberücksichtigt bleiben.
Auch bei sehr langer Ehedauer wird es dem Unterhaltsberechtigten aber in Fällen, in denen er – wie hier – seit vielen Jahren vollschichtig erwerbstätig ist, regelmäßig möglich sein, seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse innerhalb einer mehrjährigen Übergangszeit auf die Einkünfte einzurichten, die er ohne die Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehegatten zur Verfügung hat. Nach vorangegangener Trennungszeit bleibt der Klägerin ab der rechtskräftigen Scheidung im Juni 2005 ein nachehelicher Unterhaltsanspruch für die Dauer von weiteren vier Jahren. Dieser Zeitraum ist ausreichend, um es der Klägerin zu ermöglichen, sich von den etwas günstigeren ehelichen Lebensverhältnissen auf den Lebensstandard nach den eigenen Einkünften einzurichten. Dem steht auch die Höhe der Einkommensdifferenz beider Parteien nicht entgegen.“
Anmerkung: Im Fall dieser Entscheidung des BGH war die Ehe kinderlos. Sind allerdings zu betreuende Kinder im Spiel tritt die nacheheliche Solidarität als Gegenargument für die Anwendung von § 1578b BGB verstärkt in den Mittelpunkt.
BGH,Urteil v. 18.04.2012 – XII ZR 65/10
Übergangsphase wegen Kinder aus der Ehe – Ehedauer
(Zitat, Rn. 47) “Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer Herabsetzung derzeit nicht vorliegen. Dabei hat es in zulässiger Weise die fortwährende Kinderbetreuung berücksichtigt und (abgesehen von der derzeit aufgrund der Kinderbetreuung eingeschränkten Erwerbsmöglichkeit) trotz fehlender ehebedingter Nachteile insbesondere in Anbetracht der Ehedauer und der erst seit Oktober 2009 rechtskräftigen Scheidung mit Recht von einer Herabsetzung (und Befristung) abgesehen. Es entspricht der Senatsrechtsprechung, dass auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen bei der Entscheidung über die Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts zudem die nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 2010 – XII ZR 202/08 – FamRZ 2010, 1971 und vom 2. März 2011 – XII ZR 63/09 – FamRZ 2011, 713).”
Anmerkung: Wie diverse Kriterien der nachehelichen Solidarität das Festhalten am ungekürzten nachehelichen Unterhalt verlängern können, erfahren Sie weiter beim Thema FAQ: “Wie lange gilt die Übergangs- und Umgewöhnungsphase?”
BGH,Urteil vom 8.06.2011 – XII ZR 17/09
Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität
(Zitat) “Als Aspekte kommen (…) die Dauer der Ehe (…) in Betracht. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen für sich genommen aber noch keine lebenslange Lebensstandardgarantie (…). Vielmehr ist auch die zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten zu beachten, die umso gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, und dementsprechend das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt.”
BGH, Beschluss vom 04.07.2018 – XII ZB 448/17
Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität
Aus den Entscheidungsgründen (Zitat, Rn 24) “§ 1578 b BGB beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen.
Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige – unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten – durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungenbedeutsam sein (Senatsbeschluss vom 8. Juni 2016 • XII ZB 84/15 • FamRZ 2016, 1345 Rn. 15 mwN).
BGH, Urteil vom 26.10.2011 – XII ZR 162/09
Maß der nachehelichen Solidarität
Anmerkung: Das Urteil ist in seinen wesentlichen Aussagen zitiert unter BLOG: Herabsetzung und Befristung nachehelichen Unterhalts. Hinweis: hier erklärt der BGH auch, wer bei der Frage von Begrenzung und Befristung was darzulegen und zu beweisen hat. Es ist immer eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls anzustellen. Eine einfache “Rechenschieber-Methode” gibt es nicht.
BGH, Urteil v. 23.11.2011 – XII ZR 47/10
Billigkeitsabwägung – wirtschaftliche Verflechtung – Vertrauensschutz
Aus den Entscheidungsgründen (Zitat, Rn 31): “Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 2. März 2011 XII ZR 44/09 – FamRZ 2011, 713 Rn. 21 ff.).” Vgl. auch BGH, Urteil vom 21.09.2011 – XII ZR 121/09). Weiter kann der Vertrauensschutz an Bedeutung gewinnen (Zitat, > BGH v. 23.11.2011, Rn 32): “Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist außerdem zu berücksichtigen, ob der Unterhaltsanspruch tituliert ist. Denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten oder durch Titulierung gesicherten Anspruch.”
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2020 – 13 UF 192/19
Zu den Anforderungen an Darlegung und Nachweis ehebedingter Nachteile
Zum Inhalt: Die Entscheidung bezieht sich auf eine Scheidung zwischen zwei Parteien, die ein gemeinsames Kind haben. Die Antragsgegnerin, eine medizinisch-technische Assistentin, hat vor der Geburt ihres Kindes Vollzeit gearbeitet, war jedoch während der Elternzeit nicht berufstätig. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie nur noch in Teilzeit (30 Stunden pro Woche).
Sie machte geltend, dass sie ohne den Erziehungsurlaub in eine höher eingestufte Position (Laborleiterin) aufgestiegen wäre, was mit einem höheren Einkommen verbunden gewesen wäre. Der Antragsteller bestritt dies und argumentierte, dass sie auch ohne Erziehungsurlaub nicht in diese Position gekommen wäre.
Das Amtsgericht entschied, dass die Antragsgegnerin Anspruch auf nachehelichen Unterhalt hat, aber nur in geringem Umfang. Die Antragsgegnerin begehrte in ihrer Beschwerde einen höheren und unbefristeten Unterhalt, während der Antragsteller die Änderung der Unterhaltszahlungen anfocht. Das Oberlandesgericht entschied schließlich, den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen und lehnte die weitergehenden Ansprüche ab.
Anmerkung: Die Entscheidung des OLG Brandenburg beschäftigt sich intensiv und systematisch mit dem „ehebedingten Nachteil“ und der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast. In der Entscheidung wird erklärt, dass ein ehebedingter Nachteil dann vorliegt, wenn eine Person aufgrund der Ehe berufliche Einschränkungen erlitten hat. Das bedeutet, dass jemand in seiner Karriere oder seinen Einkommensmöglichkeiten durch die Ehe Nachteile erfahren hat, die er ohne die Ehe nicht gehabt hätte.
Konkret müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
AG Ludwigsburg, Beschluss vom 30.12.2016 – 4 F 1272
(intern vorhanden)
Herabsetzung & Befristung des nachehelichen Unterhalts bei ehebedingten Nachteilen?
Aus den Entscheidungsgründen (Zitat) “Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin gemäß § 1578b BGB kommt im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht in Betracht, weil auf Seiten der Antragsgegnerin ehebedingte Nachteile vorliegen. Eine Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB stellt auch nach der Rechtsprechung des BGH „nicht die Regel, sondern die Ausnahme” dar (BGH FamRZ 2010, 1633, 1635). Eine Befristung oder Herabsetzung hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe, sowie aus der Dauer der Ehe ergeben(§ 1578 b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Die Nachteile der Antragsgegnerin resultieren vorliegend aus dem Zuschnitt der Ehe, die die Beteiligten geführt haben. Die Antragsgegnerin hat mit der Geburt des gemeinsamen Sohnes A ihre Berufstätigkeit aufgegeben und fortan die Kinder betreut und den Haushalt geführt. Wäre sie in ihrem Beruf als Bankkauffrau geblieben, hätte sie zumindest die üblichen Gehaltssteigerungen und zumindest eine Tarifstufe mehr erreichen können. (…) Verglichen mit dem der Antragsegnerin unterstellten fiktiven Einkommen aus einer Tätigkeit als Immobilienfachwirtin errechnet sich hier ein ehebedingter Nachteil in Höhe von 790 EUR. Dieser ist jedoch als Untergrenze anzusehen, da im Bankgewerbe bei langer Berufszugehörigkeit von mindestens 13 Monatsgehältern und bei entsprechender Weiterbildung von einer Eingruppierung in noch höhere Tarifgruppen auszugehen ist. Aufgrund dieser ehebedingten Nachteile und unter Berücksichtigung der langen Ehedauer von 21 Jahren ist deshalb eine Befristung auf das Jahr 2020 nicht angemessen. Im vorliegenden Fall ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass die ehebedingten Nachteile mit Eintritt des Rentenalters der Antragsgegnerin (…) ausgeglichen sein werden, da dann der Versorgungsausgleich und der Altersvorsorgeunterhalt in vollem Maße zum Tragen kommen. Der Antragsteller weist aber zu recht darauf hin. dass die ehebedingten Nachteile auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgeglichen sein können. Eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts könnte grundsätzlich auch vor Eintritt dieses Zeitpunktes festgelegt werden. Hierfür müssten aber sämtliche relevanten Umstände eingetreten oder zuverlässig vorhersehbar sein. Ist dies nicht der Fall, muss sie einem Abänderungsverfahren vorbehalten bleiben. Vorliegend sind mehrere Komponenten nicht konkret vorhersehbar: …”
BGH, Beschluss vom 04.07.2018 – XII 122/17
Höhe des ehebedingten Nachteils
Aus den Entscheidungsgründen (Zitat, Rn 7): “ Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum > angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt den ehebedingten Nachteil (Senatsbeschluss vom 26. März 2014 – XII ZB 214/13 FamRZ 2014, 1007 Rn. 18 mwN)”.
Anmerkung: der sog. “angemessene Lebensbedarf” bestimmt sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtige Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Es ist also eine Prognose über einen fiktiven Karriereverlauf ohne Kinder und Ehe anzustellen, wobei eine Schätzung analog 287 ZPO bei ausreichenden Grundlagen zulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.08.2010 – XII ZR 7/09 , Rn 32). Wenn sich bei dieser Betrachtung ein Karriere-Knick feststellen lässt, dann ist dieser gleichbedeutent mit dem sog. ehebedingten Nachteil.
| Zur Darlegung des fiktiven Karriereverlaufs und Karriere-Knick
BGH, Urteil vom 30. November 2011 – XII ZR 34/09, Rn 29 ff
Wie bemisst sich der ehebedingte Nachteil? – Zur Höhe des ehebedingten Nachteils
BGH, Beschluss vom 08.06.2016 – XII ZB 84/15
Der ehebedingte Nachteil wird in voller Höhe zugunsten des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt
Leitsatz:
Der ehebedingte Erwerbsnachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten begrenzt regelmäßig die Herabsetzung seines nachehelichen Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578b Abs.1 BGB. Dieser Nachteil ist nicht hälftig auf beide geschiedenen Ehegatten zu verteilen, sondern in voller Höhe zugunsten des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen.”
Anmerkung: Wenn Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind, ist regelmäßig ein Ehegatte wegen Betreuung der Kinder in der Entwicklung seiner eigenen beruflichen Karriere beeinträchtigt (= reale Lebenssituation). Diese Beeinträchtigung bleibt bestehen und setzt sich fort, so lange die Betreuung der Kinder aufrecht erhalten bleiben muss und deswegen die eigene berufliche Karriere nicht fortgesetzt werden kann. Im Hinblick auf Generierung eigenen Einkommens ist die Notwendigkeit der persönlichen Kinderbetreuung ein wirtschaftlicher Nachteil für das eigene beruflichen Fortkommen. Dieser Karriere-Knick ist ehebedingt, weil es ohne Ehe keine ehelichen Kinder geben würde.
Will man wissen, in welchem Umfang deshalb ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht, muss danach gefragt werden, welches Einkommen der betreuende Elternteil jetzt erzielen würde, wenn es keine ehelichen Kinder geben würde (= hypothetische Lebenssituation).
Gem. Berechnung des Unterhaltsbedarfs nach der Differenzmethode ermittelt sich ein Unterhaltsanspruch zu Gunsten der Ehefrau in Höhe von 1.000,00 €. Angenommen die Ehefrau könnte jetzt ohne Ehe ein Einkommen von aktuell 2.500,– € erzielen, so sind diese (fiktiven) 2.500,– € der sog. angemessene Lebensbedarf. Wegen der Ehe hat die Ehefrau aber einen Karriereknick erlitten und kann deshalb akktuell nur 1.500,– € verdienen (= reale jetzige Lebenssituation). Bei einem Einkommen der Ehefrau in Höhe von 2.500,00 € ergäbe sich nach der Differenzmethode ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 500,00 €. Somit führt der Unterschied zwischen realem Einkommen (hier: 1.500,00 €) und hypothetischem Einkommen (hier: 2.500,00 €) zu einer Unterhaltsdifferenz in Höhe von 500,00 €. Der Anteil von 500,00 € am Gesamtunterhaltsanspruch der Ehefrau (hier: 1.000,00 €) beruht also auf einem auszugleichenden ehebedingten Nachteil.
Um den ehebedingten Nachteil feststellen zu können, müssen folgende Situationen miteinander verglichen werden:
a) welche Verdienstmöglichkeiten hat der Unterhaltsbedürftige real in seiner tatsächlichen konkreten Situation aufgrund der Ehe? (= reale jetzige Lebenssituation )
b) welche Einkommensmöglichkeit hätte der Unterhaltsbedürftige in der( hypothetisch) angenommenen Situation, wenn er nicht die Ehe geschlossen hätte? (= hypothetisch realisierbarer eigener Lebensstandard ). Diese Hypothese ergibt den angemessene Lebensbedarf im Sinne von § 1578b Abs.1 BGB.
Ehebedingte Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 301/12
Erwerbsnachteile wegen der praktizierten Rollenveretilung in der Ehe sind ehebedingte Nachteile
(Zitat, Rn 28 ff.): “Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung (§ 1356 BGB) während der Ehe entstanden sind. Sie können sich etwa dann ergeben, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kin-derbetreuung zu übernehmen. Wird hingegen die Ehegestaltung für einen Er-werbsnachteil nicht ursächlich, so ist er nicht ehebedingt (Senatsbeschluss vom 13. März 2013 – XII ZB 650/11 – FamRZ 2013, 935 Rn. 36 mwN). Erkrankungsbedingte Einkommensausfälle sind daher in aller Regel nicht ehebedingt, weil sie gerade nicht aus der ehelichen Rollenverteilung folgen (vgl. zu Einzelheiten Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 – XII ZB 309/11 – FamRZ 2013, 1291 Rn. 20 f.)
BGH, Urteil vom 26.11.2008 – XII ZR 131/07
Ehe als Ursache für Nachteile
(Zitat) “Sowohl nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB (a.F.) als auch nach der daran orientierten Neufassung des § 1578 b Abs. 2 BGB (vgl. Dose FamRZ 2007, 1289, 1293) liegen ehebedingte Nachteile vor, wenn die Gestaltung der Ehe, insbesondere die Arbeitsteilung der Ehegatten, die Fähigkeit eines Ehegatten, für seinen Unterhalt zu sorgen, beeinträchtigt hat (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2007 – XII ZR 132/05 – FamRZ 2008, 582, 586).”
BGH, Urteil vom 20.02.2013 – XII ZR 148/10
Nachteile vor und nach der Ehe – Was bewirkt einen ehebedingten Nachteil?
Leitsätze :
a) Die geraume Zeit vor Eheschließung aufgenommene Betreuung eines gemeinsamen Kindes und eine damit verbundene Aufgabe des Arbeitsplatzes begründen keinen ehebedingten Nachteil.
b) Ein ehebedingter Nachteil kann sich allerdings aus der Fortsetzung der Kinderbetreuung nach der Eheschließung ergeben, soweit ein Ehegatte mit Rücksicht auf die eheliche Rollenverteilung und die Kinderbetreuung während der Ehe auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verzichtet. Demgegenüber haben Erwerbsnachteile, die bei dem betreuenden Elternteil bereits infolge der Geburt des Kindes oder durch die in der Zeit vorehelicher Kinderbetreuung getroffenen beruflichen Dispositionen endgültig eingetreten sind und nicht mehr ausgeglichen werden können, weiterhin keine ehebedingten Ursachen (Fortführung des Senatsurteils vom 7. März 2012 – XII ZR 25/10 – FamRZ 2012, 776).
BGH, Urteil vom 04.08.2010 – XII ZR 7/09
Hier setzt sich der BGH mit der Frage auseinander inwieweit der Versorgungsausgleich zu einer Kompensation von ehebedingten Nachteilen führen kann (speziell im Fall des Unterhalts wegen Alters).
BGH, Urteil vom 16.02.2011 – XII ZR 108/09
Leitsätze :
a) Für das Bestehen ehebedingter Nachteile kommt es vor allem darauf an, ob aus der tatsächlichen, nicht notwendig einvernehmlichen Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung Erwerbsnachteile entstanden sind (im Anschluss an Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – FamRZ 2010, 2059).
b) Gab der unterhaltsberechtigte Ehegatte während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft seinen Arbeitsplatz auf, ist es jedenfalls grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob der unterhaltspflichtige Ehegatte damit einverstanden war oder nicht, so dass daraus entstandene Erwerbsnachteile ehebedingt sind. Etwas anderes gilt, wenn die Aufgabe (oder der Verlust) der Arbeitsstelle ausschließlich auf Gründen beruhte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen.
BGH, Urteil vom 08.06.2011 – XII ZR 17/19, Rn 33 ;
BGH, Urteil vom 29.06.2011 – XII ZR 157/09, Rn 27
Anmerkung: Solange festzustellen ist, dass der Unterhaltsbedürftige bei Annahme der hypothetischen Lebenssituation (also ohne Ehe) besser gestellt wäre, als in der tatsächlichen Lebenssituation (also mit Ehe), sind ehebedingte Nachteile festzustellen. Solange diese festzustellen oder zu prognostizieren sind, kann es keine Reduzierung des nachehelichen Unterhalts auf “Null” geben .
OLG Frankfurt a.M, Beschluss v. 29.11.2011 – 3 UF 285/09, Rn 77ff.
Der Karriereknick und seine wertmäßige Erfassung
Anmerkung: Ein ehebedingter Nachteil ergab sich aus der in der Ehe praktizierten Rollenverteilung (Haushaltsführung, Kinderbetreuung) mit daraus folgender Berufspause und Wiedereinstieg in den ehemaligen Beruf. Dieser ehebedingte Nachteil (angemessene Erwerbstätigkeit nach der Ehe führte nicht zum gleichen Einkommen wie bei hypothetisch weggedachter Ehe). Der Fall bietet zugleich ein Beispiel dafür, ob und wie ein Karriereknick festgestellt wird, wenn nach der Ehe der Unterhaltsberechtigte einer selbständigen Tätigkeit nachgeht und welche Obliegenheiten bei Ausübung der selbständigen Tätigkeit bestehen.
OLG Brandenburg, Beschluss v. 11.08.2020 – 13 UF 192/19
Anforderungen an die Darlegung des Berechtigten über die ehebedingte Verhinderung seiner beruflichen Karriere
Anmerkung : von Hans-Ulrich Graba, in: NZFam 2020, 874
AG München, Enbeschluss v. 31.03.2015 – 512 F 7970/09 UHE
(Entscheidung kanzleiintern vorhanden)
Karriereknick wegen Studiumabbruch & Eheschließung
Anmerkung : Der Entscheidung liegt ein Fall zu Grunde, wonach die Ehefrau ihr Studium als Grundschullehrerin ehebedingt abgebrochen hat. Die Ehe dauerte 27 Jahre. Das AG München rechnete bei der Bedarfsermittlung mit einem angemessenem Lebensbedarf (§ 1578b Abs.1 S.1 BGB) nach Maßgabe des Einkommens, dass die Ehefrau bei Ausübung eines Lehramtsberufs nach Besoldungsgruppe A 12, Stufe 11 an Einkommen ohne Ehe hätte erzielen können. Im Ergebnis ist der Ehemann wegen ehebedingten Karriereknicks der Ehefrau auf unbestimmte Zeit unterhaltspflichtig. Zum Zeitpunkt der Ehescheidung arbeitete die Ehefrau als Verkäuferin in Bio-Läden.
Sehr geehrter Herr Dr. Schröck,
ich möchte Ihnen kurz berichten, dass die Richterin am Amtsgericht (…), der Meinung ist, dass es ehebedingte Nachteile grundsätzlich heute nicht mehr gebe und speziell in meinem Fall 12 Jahre nach der Scheidung diese obsolet wären. Frau Richterin hat nicht die leiseste Ahnung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung diesbezüglich und sie hat auch keine Lust, sich damit zu befassen. Deshalb hat sie die Schriftsätze und meine substantiierten Nachweise meiner ehebedingten Nachteile gar nicht erst gelesen. Im Beschluss steht, dass ehebedingte Nachteile nicht bestünden. Ohne Begründung. Die Anhörung vor Gericht dauerte knapp 20 Minuten. Gehört wurde ich zusammengenommen max. 2 Minuten. Die restliche Zeit gab es Probleme mit dem Diktiergerät, das dann ohnehin nicht benutzt wurde und es wurde nach der Vertretungsanzeige für meine Anwältin in den Akten geblättert. (..) Es war eine Farce. Wenn ich so „arbeiten“ würde wie diese Richterin, wäre ich längst aus dem Job geflogen. Nun geht es zum OLG Bamberg. Ich hoffe, dort arbeitet man.
Mit freundlichen Grüßen
BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 – XII ZR 157/09
Kein ehebedingter Nachteil mehr ab Rentenalter
Aus den Entscheidungsgründen (Zitat, Rn 29): Ein ehebedingter Nachteil ist nicht darin zu erblicken, dass die Ehefrau während der Ehezeit nicht erwerbstätig war, was zu einer geringeren Altersrente führen kann. Denn insoweit greift der zwischen den Parteien durchgeführte > Versorgungsausgleich.
Anmerkung : In der Regel werden die aus der ehebedingten Erwerbsunterbrechung resultierenden Nachteile (= ehebedingte Nachteile ) in der Altersvorsorge eines Ehegatten durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen. Der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge ist vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 – XII ZR 107/06 – FamRZ 2008, 1325 Tz. 42 und vom 25. Juni 2008 – XII ZR 109/07 – FamRZ 2008, 1508 Tz. 25). Das bedeutet: ein unbegrenzt zugesprochender Ehegattenunterhalt endet spätestens und in der Regel mitBezug von Rentenleistungen aus durchgeführtem Versorgungsausgleich .
BGH, Beschluss v. 07.11.2012 – XII ZB 229/11
Altersvorsorgeunterhalt gehört zum “angemessenen Lebensbedarf”
(Zitat, Rn 51) “Dem Unterhaltsberechtigten können Nachteile dadurch entstehen, dass er nach Zustellung des Scheidungsantrags und damit in einer nicht mehr vom Versorgungsausgleich umfassten Zeit ehebedingt ein geringeres Erwerbseinkommen erzielt und demgemäß auch geringere Rentenanwartschaften erwirbt. Sofern dem Unterhaltsberechtigten lediglich die ehebedingte Einkommensdifferenz als Unterhalt zugesprochen wird, setzt sich der ehebedingte Nachteil mit Renteneintritt in Form der geringeren Rentenanwartschaften fort. Durch die Bewilligung von Altersvorsorgeunterhalt i.S. von § 1578 Abs. 3 BGB bezogen auf die ehebedingte Einkommensdifferenz kann dieser Nachteil ausgeglichen werden (vgl. auch Senatsurteil vom 7. März 2012 – XII ZR 145/09 – FamRZ 2012, 951 Rn. 29 ff.).”
BGH, Beschluss vom 04.07.2018 – XII ZB 122/17
Möglicher Altersvorsorgeunterhalt kompensiert ehebedingte Nachteile
Leitsatz:
Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 14.Mai 2014 -XII ZB 301/12 – FamRZ 2014, 1276).
Anmerkung : Die BGH-Entscheidung macht die systematische Einordnung des Altersvorsorgeunterhalts als „Quasi-“Verlängerung des Versorgungsausgleichs deutlich. Wird mit der Scheidung der Versorgungsausgleich durchgeführt und kann weiter ein nachehelicher > Altersvorsorgeanspruch erreicht werden, dann fehlt es mit Erreichen der Regelaltersgrenze an einem nach § 1578b BGB zu berücksichtigenden ehebedingten Nachteil. Ein ehebedingter Nachteil liegt auch dann nicht vor, wenn die tatsächliche Altersrente der Ehefrau, die sie unter Einschluss des > Versorgungsausgleichs und des Vermögenszuflusses aus dem > Zugewinnausgleich erreichen könnte, hinter der berechneten Rente ohne Ehe und Kindererziehung zurückbliebe. Die Nachteile in der Versorgungsbilanz werden mit Durchführung des Versorgungsausgleichs in gleichem Umfang von beiden Ehegatten getragen und sind damit vollständig ausgeglichen. Die Entscheidung des BGH macht deutlich – ist, dass ein ehebedingter Nachteil nicht in der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und damit einhergehend mit dem geringeren Erwerb von Rentenanwartschaften begründet werden kann, wenn und soweit für diese Zeit ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist. Wer die Möglichkeit hatte, Altersvorsorgeunterhalt für die Zeit nach Durchführung des Versorgungsausgleichs geltend zu machen, dies aber unterlassen hat, kann sich nicht im Rentenalter auf fortbestehende ehebedingte Nachteile wegen geringerer Rente berufen.
§ > 1578 b BGB sieht zwei Rechtsfolgen vor:
Beide Rechtsfolgen können auch in Kombination zur Anwendung kommen (§ 1578 b Abs.3 BGB). Die Herabsetzung lässt den Bedarf abweichend von den > ehelichen Lebensverhältnissen bestimmen; die Befristung ist eine weitere Fallgruppe einer möglichen Unterhaltsbegrenzung neben den Fällen des § > 1579 BGB.
Grundsätzlich richtet sich der > Bedarf beim Ehegattenunterhalt nach den > ehelichen Lebensverhältnissen zum Zeitpunkt der Scheidung. Die Herabsetzung nach § 1578 b Abs.1 BGB ist die in der Praxis häufig und heftig umkämpfte gesetzliche Möglichkeit, den Maßstab des Bedarfs nach den “ ehelichen Lebensverhältnissen ” (§ 1578 BGB) auf den Maßstab “ angemessenen Lebensbedarf ” abzuändern. Dazu liegen zwischenzeitlich zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen vor. Was “angemessener Lebensbedarf” bedeutet, lässt sich aus § 1610 Abs.1 BGB ableiten. Ist die Herabsetzung nach § 1578 b Abs.1 BGB zulässig, wird der Bedarf nicht mehr nach den unterhaltsrelevanten Einkommen beider Ehegatten, sondern – wie beim Verwandtenunterhalt – nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs.1 BGB) ermittelt, also allein nach den Erwerbsmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten. Die Herabsetzung kann bei jedem möglichen nachehelichen Unterhaltsanspruch in Frage kommen. Rechtstechnisch wird damit eine Gleichschaltung der Bedarfsermittlung zum Unterhalt wegen Elternschaft (§ 1615 l BGB) zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern bewirkt.
(Zitat, Rn 25) “ Als Rechtsfolge sieht § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB die Herabsetzung bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach § 1578 b Abs. 1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss (Senatsbeschluss vom 8. Juni 2016 – XII ZB 84/15 • FamRZ 2016, 1345 Rn. 16 mwN).
BGH,Urteil v. 10. 11.2010 – XII ZR 197/08
Zum Begriff: “angemessener Lebensbedarf”
Leitsatz :
“Der angemessene Lebensbedarf gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB bestimmt sich nach der Lebensstellung, die der Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und damit verbundene Erwerbsnachteile erlangt hätte (im Anschluss an Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 –XII ZR 53/09 (…) und vom 4. August 2010 – XII ZR 7/09 – FamRZ 2010, 1633). Die – besseren – Verhältnisse des anderen Ehegatten sind für den sich nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bemessenden Bedarf ohne Bedeutung.”
BGH,Urteil v. 04.08.2010 – XII ZR 7/09
Angemessener Lebensbedarf & Existenzminimum
Anmerkung : Wird keine fiktive Vergleichsrechnung zwischen tatsächlichen nachehelichen Einkünften und möglichen Einkünften ohne Ehe angestellt, kann zumindest auf das > Existenzminimum als Mindestbedarf abgestellt werden. Ein Niveau unter dem Existenzminimum kann niemals “angemessen” sein. Hier wird die Grenze der Herabsetzungs möglichkeit nach § 1578b BGB erreicht. Nur noch eine Befristung könnte zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs führen.
§ 1578 b Abs. 2 BGB regelt nur einen möglichen Fall des Wegfalls des Unterhaltsanspruchs. Daneben sind selbstverständlich die Fälle des § 1579 BGB (Begrenzung) zu beachten. Die Befristung ist immer dann ein Thema, wenn weder ehebedingte Nachteile noch die nacheheliche Solidarität für ein Festhalten an einem nachehelichen Unterhalt sprechen. Keinesfalls kann ein > Betreuungsunterhalt befristet werden. Solange ein Grund für Betreuungsunterhalt gegeben ist und die Kinderbetreuung die Ausübung einer Vollzeittätigkeit verhindert, kann noch nicht beurteilt werden, ob evtl. nach Wiederaufnahme einer Vollzeittätigkeit sich ein ehebedingter Nachteil zeigt. Damit würde ohnehin eine Befristung ausscheiden.
BGH, Urteil v. 21.09.2011 – XII 173/09
Keine Befristung bei ehebedingtem Nachteil
(Zitat, Rn 42 ff) “Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach einer ehebedingten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit hingegen lediglich Einkünfte, die den eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf nach § 1578 b BGB nicht erreichen oder könnte er nur solche Einkünfte erzielen, scheidet (…) eine Befristung des Unterhaltsanspruchs regelmäßig aus. Auch dann kann der Unterhalt nach einer Übergangszeit aber bis auf den ehebedingten Nachteil herabgesetzt werden, der sich aus der Differenz des angemessenen Unterhaltsbedarfs mit dem erzielten oder erzielbaren eigenen Einkommen ergibt (Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – FamRZ 2010, 2059 Rn. 22 und vom 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08 – FamRZ 2009, 1990 Rn. 14 f.).”
OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06.2012 – II-8 UF 19/12
Befristung trotz ehebedingter Nachteile bei außergewöhnlichen Umständen
“Bei fortbestehenden ehebedingten Nachteilen ist eine Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig nicht auszusprechen, kommt jedoch unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht (Anschluss an BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 – XII ZR 11/09). Außergewöhnliche Umstände können gegeben sein, wenn der Unterhaltspflichtige durch die nacheheliche Betreuung gemeinsamer Kinder in seiner beruflichen Entwicklung eingeschränkt ist. Hier kann die Befristung eines Unterhaltsanspruchs trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile auf Seiten des Unterhaltsberechtigten rechtfertigen, weil die fehlgeschlagene Lebensplanung bei beiden Ehegatten zu beruflichen Nachteilen geführt hat.”
Anmerkung :
Soweit keine ehebedingten Nachteile festzustellen sind, kann der Unterhalt sich auf “Null” reduzieren.
BGH, Urteil vom 26.11. 2008 – XII ZR 131/07
Zum ehebedingten Nachteil und Befristung bei Krankheitsunterhalt
Will man im Rahmen eines > Scheidungsverfahrens eine > Scheidungsfolgenvereinbarung anstreben, die den > nachehelichen Unterhalt mit umfasst, trifft man in der Regel auf höchste emotionale Betroffenheit und Zukunftsängste. Die Vorstellung, sich wegen der Scheidung vom gewohnten Lebensstandard zu lösen, ist für viele Unterhaltsgläubiger schwer einzusehen, auch wenn man sich klarmachen muss, dass das Gesetz keine Lebensstandardgarantie vorsieht. Davon abgesehen ist auch das vorhandene gesetzliche Rahmenprogramm nicht gerade hilfreich, wenn man nach klaren Antworten zum nachehelichen Unterhalt sucht. Denn nirgendwo steht im Gesetz geschrieben, wie lange und in welcher Höhe ein nachehelicher Unterhalt voraussichtlich zu leisten ist. Die Norm, die dazu Aussagen enthalten könnte (§ > 1578b BGB) besagt – salopp formuliert: „ kommt darauf an, was im Einzelfall angemessen erscheint “ (na super …! Siehe > Exkurs). Somit braucht sich niemand wundern, warum bei langjährigen Ehen mit Kindern so gut wie kaum eine Scheidungsfolgenvereinbarung zustande kommt, die auch den nachehelichen Unterhalt mit einschließt.
Ein Beispiel dafür, wie eine vom Familiengericht angestellte Billigkeitsabwägung zur Herabsetzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578b BGB begründet wird, finden Sie hier:
AG Neu-Ulm, Beschluss vom 25.07.2018 – 2 F 197/14
(intern vorhanden unser Az.: 166/14)
Billigkeitsabwägung zur Herabsetzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts
(Zitat) “Gemäß § 1578b BGB ist zu prüfen, inwieweit unter > Billigkeitsgesichtspunkteneine > Herabsetzung des Unterhalts oder eine > zeitliche Begrenzung der Verpflichtung zur Unterhaltsleistung angezeigt wäre. Insoweit hat der Gesetzgeber die dauerhafte nacheheliche Solidaritätspflicht im Grunde abgeschafft, zumindest stark modifiziert dahingehend, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, unabhängig davon, ob er einmal verheiratet war oder nicht. Ausgangspunkt der Bewertung ist der Unterschied zwischen den ehelichen Lebensverhältnissen mit einem gesamten unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen beider Beteiligter in Höhe von ca. 8.000,00 € zu den jetzigen Einkommensverhältnissen der Antragsgegnerin alleine. Zu beachten ist jedoch auch die Höhe des eigenen Einkommens der Antragsgegnerin, ohne Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen, die auch bereits relativ hoch sind. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin in einer eigenen Wohnung lebt und in diesem Zusammenhang auch noch mit Schulden belastet ist. Andererseits lebt auch der Antragsteller in einer eigenen Wohnung bzw. einem eigenen Haus, das auch mit Schulden belastet ist, die jedoch auch deutlich höher sind, als diejenigen der Antragsgegnerin. Zudem ist die fast 22-jährige Ehedauer zu berücksichtigen. Des Weiteren ist zu beachten, dass > ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin nicht vorliegen. Im Hinblick darauf, dass danach die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin als durchaus gut zu bewerten sind, erscheint eine relativ kurze Zeit des Übergangs von den ehelichen Verhältnissen auf die alleine durch das Einkommen der Antragsgegnerin geprägten und getragenen Verhältnisse billig und angemessen. Das Gericht hält hier eine Übergangsfrist von vier Jahren für angemessen. Zudem ist es auch angezeigt und angemessen, über diesen Zeitraum hinweg eine allmähliche Anpassung angezeigt ist. Daher ist es nach der Auffassung des Gerichts angemessen und billig im Sinne des § 1578b BGB, den jeweils zu zahlenden Unterhaltsbetrag über diese Dauer hinweg stetig abzusenken. Eine regelmäßige Herabsetzung nach jeweils 12 Monaten der Zahlung um jeweils 25 % des Ursprungsbetrages von 720,00 €, also jährlich um 180,00 € ist dabei wiederum angemessen.”
Bei der Rechtsprechung zum § 1578 b BGB ist der Hinweis auf eine Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände der ehelichen Lebensverhältnisse allgegenwärtig. Dies liegt an dem Wortlaut des § 1578 b BGB wie „ unbillig “ (§1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und „ insbesondere zu berücksichtigen “ (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB). Doch welche Gesichtspunkte sollen nun in die Billigkeitsentscheidung einfließen? Ein Numerus Clausus der Billigkeitskriterien stellt § 1578 b BGB nicht auf. Ein weiteres Dilemma ist, dass die Gewichtung der einzelnen Billigkeitskriterien nicht feststeht. Für die Anwendung des § 1578 b BGB ist also nicht klar, welcher Gesichtspunkt den letztendlichen Ausschlag für eine Herabsetzung oder Befristung geben wird. Selbst Richter erklären unter vorgehaltener Hand, sie wüssten nicht, was letztendlich richtig oder falsch sei und entscheiden danach, was sie persönlich für angemessen halten. (Götz, FamRZ 2012, 350). Es wird offenbar: da es keine „Rechenschieber-Methode “ gibt, kann am Ende ausschlaggebend sein, welches Bild der Richter von der Familie gewinnt. Hier mag eine junge Richterin mit Kindern den zu betrachtenden Einzelfall anders bewerten, als ein geschiedener 50-jähriger Richter mit erwachsenen Kindern. Damit führt der Nimbus der Einzelfallbetrachtung und Billigkeitsentscheidung zur erheblichen Risiken in der Beratungspraxis. Es erscheint schon fast unseriös, den Mandanten auf die einfache Frage, wie lange noch Unterhalt zu bezahlen sei, eine konkrete Antwort zu geben. Dies schlichtweg unmöglich und wird regelmäßig auf eine plakative Antwort mit dem Einleitungssatz „Es kommt darauf an“ hinauslaufen. Dies hat natürlich Auswirkungen auf das Beratungsverhalten von Anwälten bei Vergleichsabschlüssen. In der Praxis zeigt sich, dass erstinstanzliche Richter mit ihren Vergleichsvorschlägen rigider umgehen als etwa Richter beim OLG. Die Unsicherheiten der Beratungspraxis führen eher dazu, die letztendliche Entscheidung dem Gericht zu überlassen, um Haftungsrisiken zu entgehen. Diese Verunsicherungen erschweren außergerichtliche Regelungen, weil pauschalierende Lösungsansätze fehlen, was wiederum dem Konsensgedanken des Familienrechts zuwiderläuft. Ein kontradiktorisches Urteil vergiftet natürlich die künftige Kooperationsbereitschaft der Parteien mehr als ein – halbwegs – ausgewogener Vergleich. Dies ist vor allem dann störend, wenn in Zukunft noch ein konfliktfreier Umgang mit gemeinsamen Kindern gepflegt werden soll.
BLOG
Ehen von langer Dauer
Das Dilemma um die Einzelfallbetrachtung und Billigkeitsentscheidung zeigt sich an der erneuten Gesetzesnovelle zu § 1578 BGB mit Wirkung zum 01.03.2013. (siehe BLOG “Ehen von langer Dauer “). Abgesehen davon, dass wiederum nicht klargestellt ist, mit welchem Gewicht die Ehezeit Einfluss auf § 1578b BGB nimmt, bleibt die Frage offen: Wann ist eine Ehe lang und wann ist sie kurz? Dies alles hat erhebliche Auswirkungen auf die Anforderungen an einen Schriftsatz, der die Herabsetzung oder Befristung nachehelichen Unterhalts nach § 1578b BGB verhindern soll. (siehe dazu BGH, Urteil vom 26.10.2011 – XII ZR 162/09 ; weiter unten 3. „Wer muss was darlegen und beweisen?“. Ein Ende der Unsicherheiten für die Beratungspraxis ist nicht abzusehen, egal wie viele höchstrichterliche Entscheidungen zu diesem Thema noch ergehen werden.
Diese Unsicherheiten sollten – wenn möglich – mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung beseitigt werden und darin ein konkret fixierter Zeitraum für den nachehehlichen Unterhalt geregelt werden. Wir empfehlen dazu folgende Formulierung :
Die Verpflichtung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt ist auf die Dauer von [Anzahl der Jahre] ab Rechtskraft der Scheidung befristet. Für die sich daran anschließende Zeit verzichten die Parteien hiermit auf nachehelichen Unterhalt in jeder Form und in allen Lebenslagen einschließlich des Falls der Not und nehmen diesen Verzicht gegenseitig an. Dieser Verzicht gilt auch für jeden Fall der Änderung der Rechtsprechung oder einer Gesetzesänderung.
Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Der BGH fordert stets eine umfassende Billigkeitsabwägung, die alle individuellen Umstände der ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen hat.
(Zitat, Rn 26) “ Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsbeschluss vom 8. Juni 2016 – XII ZB 84/15 • FamRZ 2016, 1345 Rn. 17 mwN).”
BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 301/12,
Billigkeitsabwägung aller Umstände
(Zitat, Rn 27 ) “Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unter- haltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Gemäß § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 26. Februar 2014 XII ZB 235/12 FamRZ 2014, 823 Rn. 12 und vom 19. Juni 2013 XII ZB 309/11 – FamRZ 2013, 1291 Rn. 18).”
Anmerkung : Solange ehebedingte Nachteile oder die nacheheliche Solidarität noch als Umstand für Unterhaltsverpflichtung nach den ehelichen Verhältnissen in Betracht kommen, kommt keine Befristung infrage. Bevor eine Befristung erfolgt, ist zunächst vorrangig zu prüfen, ob ehebedingte Nachteile vorliegen und weiter vorrangig zu prüfen, ob zunächst eine Herabsetzung auf den eigenen angemessenen Bedarf des Unterhaltsberechtigten erfolgen kann. In der Regel wird dann eine stufenweise Herabsetzung entsprechend der wirtschaftlichen Entflechtung der Ehe und des Vertrauensschutzgedankens infrage kommen.
Abweisungsantrag:
Es muss ein Antrag auf Abweisung des Antrags auf nachehelichen Unterhalt gestellt werden. Ein Antrag auf Abweisung des Unterhaltsantrags umfasst als Minus auch den konkludenten Antrag auf eine zeitliche Befristung oder betragsmäßige Begrenzung des Unterhalts (OLG München, FamRZ 1997, 295; Weinreich/Klein § 1578 Rn. 403). Die § 1578b BGB ist von Amts wegen zu beachten, wenn sich aus dem Sachvortrag die tatsächlichen Voraussetzungen für die Begrenzung eines Unterhaltsanspruchs ergeben.
Primäre Darlegungslast des Unterhaltspflichtigen:
§ 1578b BGB ist eine unterhaltsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter. Es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einwendung. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Unterhaltsbegrenzung obliegt grundsätzlich dem Unterhaltsverpflichteten. Hohe Anforderungen stellt die Rechtsprechung an die Darlegungslast dabei nicht. Wenn der Unterhaltspflichtige vorträgt
haben Sie Ihrer Darlegungslast i. d. R. Genüge getan. Für die Behauptung negativer Tatsachen gelten besondere Darlegungs- und Beweislastgrundsätze. Diese lassen es für einen Unterhaltspflichtigen taktisch sinnvoll erscheinen, im ersten Schritt möglichst kurz die Tatsachen schlüssig vorzutragen, die zu einer Befristung und Begrenzung nach § 1578b BGB führen können.
Sekundäre Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten:
Bestreitet der Unterhaltsberechtigte, das keine ehebedingten Nachteile vorliegen (negative Tatsache), hat er zunächst im Rahmen der sekundären Darlegungslastvorzutragen, welche ehebedingten Nachteile konkret entstanden sind. Vorzutragen ist auch zu den (hypothetischen) Einkommensverbesserungen des durch die eheliche Rollenverteilung benachteiligten Ehegatten. Es bietet sich an, entsprechende Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tabellen zu Durchschnittsverdiensten (z. B. vom Statistischen Bundesamt) vorzulegen. Da dem Unterhaltsberechtigten die Geltendmachung seines Anspruchs durch die sekundäre Darlegungslast de facto erschwert wird, dürfen die Anforderungen an die Darlegung ehebedingter Nachteile nicht überspannt werden. Der Vortrag muss nur so konkret sein, dass das FamG die Plausibilität der Angaben überprüfen kann.
Sekundäre Beweislast des Unterhaltspflichtigen:
Kommt der Unterhaltsberechtigte der sekundären Darlegungslast nach, so hat nun der Unterhaltspflichtige zu beweisen, dass der plausible Vortrag des Unterhaltsberechtigten zum ehebedingten Nachteil nicht den Tatsachen entspricht ( sekundäre Beweislast).
OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2020 – 9 UF 240/19
Darlegungs- und Beweislastverteilung zum ehebedingten Nachteil wegen Karriereknick
BGH, Urteil vom 26.10.2011 – XII ZR 162/09
Darlegungs- und Beweislastverteilung bei negativen Tatsachen
im Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 (siehe BLOG-Artikel)
(Zitat) “der Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Entsprechend der (…) Rechtsprechung des Senats trifft den Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). Diese hat im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteile BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 23 und vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 (siehe dazu BLOG). Der Senat verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Betrachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsachengrundlagesteht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat (vgl. Koch JR 2011, 304 f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – Rn. 32 f ; siehe dazu BLOG-EINTRAG) und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsachengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von Erfahrungssätzen in dem jeweiligen Berufsfeld wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelungen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 – Rn. 33 ; siehe dazu BLOG-EINTRAG). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persönlichen Fähigkeiten – etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren – vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 53/09 Rn. 24 ; siehe dazu BLOG-EINTRAG).”
BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 301/12
Darlegungs- und Beweislast zum ehebedingten Nachteil & Karriereverläufe
(Zitat, Rn 29): “Der Unterhaltspflichtige, der sich auf eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts beruft, trägt hinsichtlich der hierfür sprechenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast. In diese fällt deshalb grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne des § 1578 b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs- und Beweislast erfährt jedoch eine Erleichterung nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Nach diesen trifft den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast , die im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert bestreiten und seinerseits darlegenmuss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden. Dabei kann sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch des Hinweises auf vergleichbare Karriereverläufe bedienen, um sein Vorbringen zu den seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen plausibel zu machen(Senatsbeschluss vom 13. März 2013 – XII ZB 650/11 – FamRZ 2013, 935 Rn. 37 mwN).”
BGH, Beschluss vom 26.03.2014 – XII ZB 214/13
Darlegungs- und Beweislast zum ehebedingten Nachteil & Karriereverläufe ohne Hausfrauenrolle
Leitsätze:
Bei einem betriebsbedingten und damit nicht ehebedingten Verlust des Arbeitsplatzes kann sich ein ehebedingter Nachteil auch daraus ergeben, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung zunächst nur in einem eingeschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine seiner beruflichen Qualifikation und Fähigkeiten entsprechenden Stelle bewirbt (im Anschluss an Senatsurteile vom 7. März 2012 – XII ZR 25/10 FamRZ 2012, 776 und vom 20. Februar 2013 – XII ZR 148/10 FamRZ 2013, 860).
Auch in einem solchen Fall hat der Unterhaltsberechtigte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert zu bestreiten und seinerseits darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sind. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 und Senatsbeschluss vom 13. März 2013 XII ZB 650/11 FamRZ 2013, 935).
In der Praxis werden die Streitigkeiten um die Herabsetzung und Befristung häufig Jahre nach der erstmaligen Titulierung des Unterhalts vor den Familiengerichten ausgetragen. Dabei muss der Streit in einem besonderen familiengerichtlichen Verfahren (Abänderungsverfahren) geklärt werden. Die häufigsten Verfahren zu § 1587b BGB betreffen den Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs.2 BGB). Zwar gilt § 1587b für alle Arten nachehehlicher Unterhaltsansprüche, aber diese Fälle in der Praxis weniger häufig vor.
Oftmals entscheiden Familiengerichte im ersten Unterhaltsverfahren (zusammen mit der Scheidung im Scheidungsverbund) nicht über die Herabsetzung und Befristung eines nachehelichen Ehegattenunterhalts. Als Grund wird angegeben, dass zum Zeitpunkt der Scheidung noch keine entscheidungsreife Prognose über die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Unterhaltsberechtigten abgegeben werden kann (Fragestellung: Wie lange wird der ehebedingte Nachteil anhalten? Wird er durch wirtschaftliche Einkommensverbesserungen kleiner?) Da eine Befristung des Unterhalts in der Regel erst in Betracht kommt, wenn keine ehebedingten Nachteile mehr festzustellen sind, sind Entscheidungen zur Befristung des nachehelichen Unterhalts mit dem Scheidungsausspruch eher selten.
Doch muss bei Vorliegen ehebedingter Nachteile auch damit eine Entscheidung über die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts zurückgestellt und einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten bleiben? Damit hat sich der BGH im Jahr 2018 auseinandergesetzt. Es wird klargestellt, dass eine Herabsetzung des Unterhalts unabhängig vom Thema der ehebedingten Nachteile in Betracht kommt. Die Herabsetzung ist ab dem Zeitpunkt zuzubilligen, ab dem es keinen Aspekt der nachehelichen Solidarität gibt, den Ehegattenunterhalt auf der Grundlage der ehelichen Lebensverhältnisse fortzuzahlen. Wenn das Ende der nachehelichen Solidarität bereits mit dem Ausspruch der Scheidung prognostizierbar ist, dann kann bereits im Unterhaltsbeschluss zum Scheidungsverbund erklärt werden, ab welchen Zeitpunkt eine Herabsetzung greift.
(Zitat, Rn 27-30) “Zwar kann über eine Unterhaltsbefristung oder – herabsetzung erst dann abschließend entschieden werden, wenn die Verhältnisse der Ehegatten wirtschaftlich entflochten sind und sich danach abschätzen lässt, ob ehebedingte Nachteile dauerhaft bestehen oder nicht. Dementsprechend hat es der Senat im Einzelfall gebilligt, wenn die Entscheidung über eine Befristung und Herabsetzung nach § 1578 b BGB insoweit hinausgeschoben und einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten wurde (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 – XII ZR 78/08 • FamRZ 2009, 1300 Rn. 62 f.).
Die Rechtskraft einer Entscheidung, die das spätere Eingreifen der Folgen des § 1578 b BGB offen lässt, schließt dann eine künftige Abänderung nicht aus. Daraus, dass eine abschließende Entscheidung über die Folgen des § 1578 b BGB noch nicht möglich ist, folgt aber nicht, dass eine Entscheidung darüber vollständig zurückgestellt werden darf. Vielmehr muss das Gericht insoweit entscheiden, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Entscheidung über die Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578 b Abs. 1 BGB. Die materielle Rechtskraft einer solchen Entscheidung und die mit ihr verbundenen Präklusionsfolgen gehen dann nur so weit, als die Entscheidung eine abschließende Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände enthält.
Eine auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung schließt eine spätere Abänderung insbesondere dann nicht aus, wenn zunächst bestehende ehebedingte Nachteile später ganz oder teilweise entfallen sollten (Senatsurteil BGHZ 188, 50 • FamRZ 2011, 454 Rn. 42 f. mwN).”
(28) Bei Anlegung dieser Maßstäbe durfte das Oberlandesgericht die Entscheidung über eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht einem späteren Abänderungsverfahren überlassen.
(29) Zwar ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin im Hinblick auf den fortwirkenden ehebedingten Nachteil regelmäßig ausscheidet (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. Februar 2015 – XII ZR 80/13 • FamRZ 2015, 824 Rn. 24 mwN). Für den Ausnahmefall einer Befristung trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile ist nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen kein Raum; er wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.
(30) Etwas anderes gilt hingegen für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB nach Maßgabe der nachehelichen Solidarität (vgl. insoweit Dose, FamRZ 2011, 1341, 1347). Insoweit durfte das Oberlandesgericht die Entscheidung nicht einem späteren Abänderungsverfahren überlassen. Das Oberlandesgericht hat den ehebedingten Nachteil als Differenz zwischen dem angemessenen Lebensbedarf der Antragstellerin im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und ihrem tatsächlich erzielten Einkommen (zur Berechnung vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2016 – XII ZB 84/15 • FamRZ 2016, 1345 Rn. 19 mwN) für die Zeit ab Februar 2017 mit monatlich rund 506 € festgestellt. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass ein Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen für die Dauer von acht Jahren und sodann für die Dauer von vier Jahren ein Anspruch in Höhe des ehebedingten Nachteils zuzüglich der halben Differenz zum vollen Unterhalt der Billigkeit entspricht. Dass der auf Seiten der Antragstellerin entstandene ehebedingte Nachteil sich im weiteren Verlauf verringern oder wieder ausgeglichen werden könnte, ist kein Grund, derzeit von einer Ent- scheidung über die Herabsetzung des Unterhalts abzusehen. Es wäre vielmehr widersprüchlich, dem Unterhaltspflichtigen eine Entscheidung über die Herabsetzung zu versagen, nur weil sich die Sachlage noch zu seinen Gunsten verändern kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 188, 50 • FamRZ 2011, 454 Rn. 46). Ergeben sich nachfolgend hinsichtlich der Einkünfte der Antragstellerin wesentliche Änderungen der Verhältnisse, so wird durch die Erstentscheidung eine Abänderung des Unterhalts nicht ausgeschlossen.
Wenn bereits im Ausgangsverfahren zu überblicken ist, dass eine Herabsetzung und/oder Befristung wegen Wegfalls der nachehelichen Solidarität in Betracht kommt, ist § 1578 b BGB bereits im Ausgangsverfahren zu beachten. Sind nämlich die Gründe für eine Herabsetzung oder Befristung bereits in diesem Stadium sicher vorhersehbar, so kann aus diesem Grund daran ein späteres Abänderungsverfahren scheitern. Argument: Abänderungsverfahren gegen gerichtliche Unterhaltsbeschlüsse erlauben für den Antragsteller keine nachträgliche Fehlerkorrektur.
BLOG-Arikel:
Abänderung eines Unterhaltsvergleichs wegen § 1587b BGB
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