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Kanzlei für Familienrecht > Scheidung München > Infothek zum Familienrecht > Unterhalt > Ehegattenunterhalt > nachehelicher Unterhalt
Wie jeder Unterhaltsanspruch folgt auf bei den nachehelichen Unterhaltsansprüchen die Unterhaltsermittlung dem immer gleichen Grundschema. Wer die Prinzipien und Grundstrukturen des Ehegattenunterhalts erkennt, kann verstehen, warum es nachehelichen Unterhalt für den Ex-Ehegatten gibt und wie lange. Die Prinzipien ermöglichen eine systematische Auslegung des Unterhaltsrechts und bieten die stärksten Argumente zur Begründung der Lösung des konkreten Einzelfalls. Die Prinzipien des nachehelichen Unterhalts werden hier skizziert. Weitere Erklärungen zu den jeweiligen Besonderheiten finden Sie bei der Darstellung der einzelnen Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt:
» Aufstockungsunterhalt
» wegen Kinderbetreuung
» wegen Alter
» wegen Krankheit
Jeder nacheheliche Unterhaltsanspruch besteht entweder ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung oder knüpft unmittelbar an einen anderen (entfallenen) nachehelichen Unterhaltsanspruch nahtlos an. Man spricht vom Einsatzzeitpunkt, der gesetzlich vorausgesetzt wird und zu einer Anspruchskette aus mehreren nacheinander einsetzen Anspruchsgrundlagen führt (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 4 Rn 249).
Der Gesetzgeber baut den Ehegattenunterhalt nach einem Drei-Phasen-Modell auf (intakte Ehe – getrennte Ehe – geschiedene Ehe). Für jede dieser Phasen existiert eine eigene Anspruchsgrundlage.
Mit dem Stichtag der rechtskräftigen Scheidung der Scheidung endet der Trennungsunterhalt. Nach diesem Stichtag beginnt der Zeitraum für nachehelichen Ehegattenunterhalt. Das Stichtagsprinzip bestimmt nicht nur den Anwendungszeitraum, sondern auch Bedeutung für die Sicherung eines möglichen nachehelichen Unterhalts. Wird der Anspruch nicht gesichert, entsteht eine Anspruchslücke.
Weiterführende Links :
» Sicherung eines möglichen nachehelichen Unterhalts
Nicht nur das Ende, sondern auch der Beginn des nachehelichen Unterhalts wird mit der sog. nachehelichen Solidarität begründet (ein seltsames Kunstwort der ständigen Rechtsprechung). Dieser Begriff dient auch zur Rechtfertigung dafür, dass sich das Maß des Unterhalts an den Lebensverhältnissen der Ehegatten vor der Scheidung orientiert (Bedarfsmaßstab: eheliche Lebensverhältnisse ), obwohl nach der Scheidung keine gemeinsamen ehelichen Lebensverhältnisse mehr exitieren. Das hat der Gesetzgeber klar und unmissverständlich in § 1578 BGB hineingeschrieben.
BGH, Urteil vom 18.11.2009 – XII ZR 65/09
Bedarfsermittlung beim nachehelichen Unterhalt
Zum Sachverhalt:
In diesem Fall geht es um eine streitige Angelegenheit zwischen zwei geschiedenen Eheleuten. Der Kläger, geboren 1957, und die Beklagte, geboren 1956, waren von 1975 bis 2003 verheiratet und hatten keine Kinder. Nach der Trennung im Jahr 2002 wurde die Ehe 2003 rechtskräftig geschieden.
Das zentrale Thema des Streits ist der nacheheliche Unterhalt, also finanzielle Unterstützung, die einer der Ex-Partner nach der Scheidung vom anderen erhalten kann. Hierbei beantragt der Kläger eine Änderung des bestehenden Unterhaltstitels.
Die Beklagte hatte während der Ehe eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau gemacht und war zuvor als Hilfsarbeiterin tätig. Im Verlauf des Verfahrens hat das Gericht die Einkommensverhältnisse beider Parteien sowie die der neuen Ehefrau des Klägers in die Berechnung des Unterhalts einbezogen. Dabei wurde eine spezielle Methode, die Drittelmethode, verwendet, um den Unterhaltsbedarf der Beklagten zu ermitteln (Hinweis: Seit 2012 wird die Drittelmethode an Stelle des Halbteilungssatzes auf der Ebene der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten angewendet. Der Bedarf nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse wird nicht mehr nach der Drittelmethode bestimmt).
Der BGH bestätigte die Auffassung des Oberlandesgerichts. Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Abänderungsklage des Klägers zulässig ist, weil er sich auf die durch die Unterhaltsreform geänderte Rangfolge und die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützen kann.
Zur Berechnung des Unterhalts hat das Gericht das aktuelle Einkommen des Klägers berücksichtigt und das fiktive Einkommen der Beklagten beibehalten, wie es bereits im vorherigen Verfahren festgelegt wurde. Der Unterhaltsbedarf der Beklagten wurde nach Abzug des Kindesunterhalts gestaltet und unter Einbeziehung der neuen Ehefrau des Klägers mit einem Drittel des Gesamteinkommens berechnet.
Jedoch führte die Unterhaltsberechnung des Oberlandesgerichts dazu, dass der ermittelte Unterhalt unter dem vom Amtsgericht festgelegten Betrag lag. Das Gericht stellte fest, dass das Einkommen der neuen Ehefrau bei der Angemessenheitsprüfung des Unterhalts nicht anders behandelt werden sollte als das Einkommen der geschiedenen Ehefrau und rechnete daher ein fiktives Einkommen im Geringverdienerbereich an. Dies führte dazu, dass die Beklagte dennoch einen Unterhaltsanspruch in der ursprünglichen Höhe behielt.
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat , Rn 23 ) “Die Anknüpfung des Unterhaltsbedarfs an die ehelichen Lebensverhältnisse soll dem Unterhaltsberechtigten auch nach der Scheidung die Teilhabe am ehelichen Lebensstandard ermöglichen […] Es handelt sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die dem geschiedenen Ehegatten eine Teilhabe an dem auch aufgrund eigener Leistungen des Unterhaltsberechtigten erreichten höheren Lebensstandard gewähren soll (Senatsurteile BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590 und vom 5. Februar 2003 – XII ZR 29/00 – FamRZ 2003, 848).
Anmerkung:
Für jeden unterhaltspflichtigen Ex-Ehegatten ist diese gesetzgeberische Entscheidung ein Dorn im Auge und beschäftigt tagtäglich die Familiengerichte mit Streitfällen. Der “Dämon” der nachehelichen Solidarität wird vom unterhaltspflichtigen Ex-Ehegatten als ungerechte Alimentierung des Ex-Partners empfunden, der nicht in eine moderne liberale Welt mit entsprechender Selbstverantwortung für die eigene (nacheheliche) Lebensgestaltung passt. Man wurde in der Ehe belogen und betrogen und soll am Ende – und darüber hinaus! – weiter bezahlen, weil man solidarisch sein soll? Ja, das ist die gesetzgeberische Entscheidung.
Weiterführende Links:
» Affäre und nachehelicher Unterhalt?
» Bedarfsermittlung nach ehemaligen ehelichen Lebensverhältnissen
Diese vom Gesetzgeber geforderte fiktive Fortschreibung der ehelichen Lebensverhältnisse, auch für die Zeit nach der Scheidung, wird zusätzlich flankiert vom sog. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs.2 BGB). Der Aufstockungsunterhalt verfolgt primär den Zweck, in jedem Fall den in der Ehe gelebten und erreichten Lebensstandard selbt für die Zeit der Scheidung zu sichern. Der nacheheliche Aufstockungsunterhalt, führt deshalb zu vielen Streitigkeiten in der Folgesache Unterhalt, mit der Konsequenz, dass Scheidungsverfahren sich über mehrere Jahre erstrecken.
| Aufstockungsunterhalt
Noch verteufelter – weil verzwickter – wird die Rechtslage, wenn sich nach dem Stichtag der rechtskräftigen Scheidung die Einkommensverhältnisse der Ex-Ehegatten entwickeln, d.h. verändern. Welche Auswirkung hat dies auf den nachehelichen Unterhalt nach Maßgabe vergangener ehelicher Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB)?
Nach aktueller Rechtsprechung dürfen nacheheliche Einkommensentwicklungengrundsätzlich nur noch dann in die Bedarfsermittlung einfließen, wenn diese bereits in Zeiten der intakten Ehe angelegt waren bzw. dort bereits in dieser Zeit die Wurzel für die weitere nacheheliche Entwicklung zu finden ist (> BGH zur nachehelichen Einkommensentwicklung). Dieser Grundsatz bedeutet, dass – nach Maßgabe des Stichtagsprinzips und des Prinzips der nachehelichen Solidarität zusammen – der Bedarf an nachehelichen Unterhalt auch bei Einkommensänderungen nach ehemaligen ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmen ist.
| Nachehelicher Unterhalt nach Einkommensveränderungen
Mehr zu diesem Grundsatz – und den Ausnahmen davon – erfahren Sie > hier . Streitigkeiten um die Bedarfsermittlung bei nachehelicher Einkommensentwicklungen werden meist im Abänderungsverfahren ausgetragen. Einkommensentwicklungen nach der Ehe können einen Abänderungsgrund darstellen.
| Abänderungsverfahren
Das Unterhaltsrecht kennt keinen Stichtag für das Ende eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs. Das Ende ist erreicht, wenn die nacheheliche Solidarität nicht mehr für die Fortsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Ex-Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhaltnissen spricht. Auch die Pflicht zum Ausgleich ehebedingter Nachteile basiert auf dem Gedanken nachehelicher Solidarität. Grundsätzlich ist das Ende des Unterhaltsanspruchs an den Wegfall der nachehelichen Solidarität gekoppelt. Diese Grundaussage ist in § 1578b BGB verankert. In der Praxis wird der Streit um das Ende des nachehelichen Unterhalts im Abänderungsverfahren ausgetragen. Was ist nacheheliche Solidarität? Die Antwort hierauf fällt ebenso schwer wie die Antwort auf die Frage: Was ist Gerechtigkeit?
| Billigkeitsabwägung und Gründe für nacheheliche Solidarität
Allerdings ist das Prinzip der nachehelichen Solidarität das wichtigste und meist umstrittene Prinzip des gesamten Rechts zum nachehelichen Unterhalt und dessen Ende. Seine Ausprägung ist familienpolitisch, rechtsphilosophisch aufgeladen. Ex-Frauen kämpfen um den Erhalt ihres gewohnten ehelichen Lebensstandards. Ex-Männer kämpfen gegen die finanziellen Alt-Lasten aus der gescheiterten Beziehung und für die Gestaltung ihrer neuen Zukunft. Rechtswissenschaftlicher und Rechtsprechung kämpfen darum, diesem Prinzip für die Anwendungspraxis Konturen zu verleihen. Leider mit mäßigem Erfolg, was sich anhand der Anwendung des § 1578b BGB zur Beendigung des nachehelichen Unterhalts wegen Wegfall der nachehelichen Solidarität eindrucksvoll bestätigt.
| Herabsetzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts
Den Grundsatz des Wegfalls bzw. Kürzung des nachehelichen Unterhalts wegen unsolidarischem Verhalten gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten bringt § 1579 BGB zum Ausdruck.
| Begrenzung des Ehegattenunterhalts nach § 1579 BGB
Mit der Unterhaltsreform zum 01.01.2008 wurde der Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) in den Vordergrund gerückt. Daraus folgt, dass jeden Ex-Ehegatten eine Erwerbsobliegenheit trifft und er verpflichtet ist, mit eigenem Einkommen seinen Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu decken. Erst wenn feststeht, dass der Ex-Ehegatte aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen dazu nicht in der Lage ist, kommen Ansprüche auf nachehelichen Ehegattenunterhalt in Betracht ( Vorrang der Eigenverantwortung vor Unterhalt: § 1569 S.2 BGB). Vordergründig scheint dieses Prinzip im Widerspruch zur nachehelichen Solidarität zu stehen und wird auch häufig als Einwand gegen die nacheheliche Solidarität benutzt.
Im System der fünf Prüfungsebenen ist das Prinzip der Eigenverantwortung hauptsächlich auf der Prüfungsebene Bedürftigkeit (3. Prüfungsebene) anzusiedeln. Der Grundgedanke der nachehelichen Solidarität findet sich dem gegenüber auf der Prüfungsebene Bedarf (2. Prüfungsebene) und Begrenzung (5. Prüfungsebene). Das Verständnis der Prüfungsebenen hilft also manchen vermeintlichen Widerspruch wieder aufzulösen. § 1569 BGB ist im Zusammenspiel mit § 1574 BGB (angemessene Erwerbstätigkeit) der Maßstab dafür, welche Erwerbsbemühungen vom Unterhaltsgläubiger erwartet werden, um seinen Unterhaltsbedarf aus eigener Kraft selbst zu decken. Wird festgestellt, dass der Unterhaltsgläubiger diesen Maßstab nicht erfüllt (> Voraussetzungen für Erwerbsobliegenheit) wird ihm auf der Prüfungsebene Bedürftigkeit das Einkommen fiktiv in der Höhe zugerechnet, was nach Maßgabe des § 1574 BGB als erzielbar erscheint.
Weiterführende Links:
» Wann kommt es zu fiktiven Einkünften?
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