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Bei minderjährigen Kindern besteht der Gesamtbedarf des Kindes zu einem hälftigen Anteil aus Barunterhalt und zum anderen aus dem gleichwertigen Anteil von Betreuungsleistungen (d.h. Pflege und Erziehung).
Bei volljährigen Kindern besteht der Gesamtbedarf des Kindes dagegen nur noch in Form von Barunterhalt, für den beide Eltern anteilig haften. Dies hat Auswirkung auf die Anrechnung des eigenen Einkommens des Kindes auf den Unterhaltsbedarf: Bei minderjährigen Kindern wird das Eigeneinkommern zur Hälfte auf den Barunterhalt angerechnet. Bei volljährigen Kindern wird das Eigeneinkommen in voller Höhe auf den (Bar-) Gesamtbedarf angerechnet.
Das unterhaltsrelevante Einkommen des Kindes wird nach den allgemeinen Prinzipien ermittelt und zugerechnet. Das bedeutet: Alle unterhaltsrechtlichen Grundsätze der Einkommensermittlung werden auch beim Einkommen des Kindes angewendet und beachtet.
Es wird an das reale Gesamtbruttoeinkommen angeknüpft. Aus welcher Quelle und aus welchen Gründen das Einkommen stammt, ist irrelevant (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis. 10. Auflage 2019, § 2 Rn 107 ff). Alle Einkunftsarten des Bedürftigen werden bei der Unterhaltsanrechnung berücksichtigt (Totalitätsprinzip).
OLG München, Beschluss vom 21.06.2017 – 16 UF 1384/16
(intern vorhanden, unser Az.: 505/16)
Zinseinnahmen & Bedürftigkeit des Kindes
(Zitat) “Ein minderjähriges, unterhaltsbedürftiges Kind ist zwar nach § 1602 Abs.2 BGB nicht verpflichtet, den Stamm des eigenen Vermögens für Unterhaltszwecke zu verwenden, Erträge aus dem Vermögen, sind aber stets zur Deckung des Unterhalts heranzuziehen, insoweit entfällt die Bedürftigkeit des minderjährigen Kindes.”
Anmerkung: Im Fall des OLG München wurde der Antrag auf Kindesunterhalt als unbegründet zurückgewiesen, weil im Unterhaltsverfahren nicht ausreichend plausibel zu den Zinseinnahmen der Kinder vorgetragen hat (Hinweis: zur Darlegungs- und Beweislast der Bedürftigkeit).
Vermögen minderjähriger Kinder gilt in der Regel als unantastbares Schonvermögen. Doch ist zwischen Vermögensstamm und Erträgen aus dem Vermögensstamm zu unterscheiden. Vermögenserträge zählen nicht zum unantastbaren Schonvermögen. Beim Kindesunterhalt sind sowohl beim Unterhaltsberechtigten (auch bei minderjährigen Kindern, § 1602 Abs.2 BGB) als auch beim Unterhaltspflichtigen ohne Einschränkung alle Vermögenserträge bedeutsam, und zwar für die Bedarfsbemessung, die Bedürftigkeit und die Leistungsfähigkeit (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 1 Die Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens Rn. 602).
Die Vermögenserträge des Kindes sind zu bereinigen:
Es kann zu fiktiven Einkünften kommen, wenn Kinder eine Erwerbsobliegenheit trifft.
Wird einer überobligatorischen Tätigkeit nachgegangen, wird das daraus erzielte Einkommen nur zum Teil auf den Bedarf angerechnet. Das ist meist bei Studenten der Fall, die einer überobligatorischen Aushilfstätigkeit nachgehen.
Ein 16-jähriges Kind bezieht eine Ausbildungsvergütung von 500,– € netto/Monat. Der von der Mutter getrennt lebende Vater bezieht ein unterhaltsrelevantes Netto-Einkommen in Höhe von 2.500,– €. Bevor das Kind die Lehre begonnen hat, bezahlte der Vater nach Düsseldorfer Tabelle (2023) einen monatlichen Barunterhalt in Höhe von 522,– € (Tabelle Zahlbeträge nach dritter Einkommensgruppe und dritter Altersstufe). Nachdem der Vater erfahren hat, dass sein Kind in der Ausbildung ein Gehalt von 500,– € bezieht, möchte er seine Barunterhaltspflicht neu berechnen lassen.
Unterhaltsanspruch nach Anrechnung des Eigeneinkommens des Kindes beträgt 322,00 € (= 522,00 € – 200,00 €).
Das folgende Beispiel geht davon aus, dass das volljährige Kind noch bei einem Elternteil lebt (> abgeleitete Lebensstellung des Kindes). Der > Bedarf des volljährigen Kindes bestimmt sich in diesem Fall mithilfe der > Düsseldorfer Tabelle nach der > 4. Altersstufeund dem Gesamteinkommen beider Elternteile.
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Auf seinen > Bedarf muss sich das volljährige Kind das eigene unterhaltsrelevante Einkommen vollständig anrechnen lassen
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Vater und Mutter leben voneinander getrennt. Nach der > Trennung der Eltern bleibt Kind im Haushalt der Mutter. Das Kind besucht die Schule. Es wurde zu Gunsten des damals minderjährigen Kindes eine > Jugendamtsurkunde zur Barunterhaltsplicht des Vaters errichtet. Zwischenzeitlich wird das Kind volljährig über einen Barunterhalt nach Kind wird volljährig, es besucht das Gymnasium und bezieht aus Kapitalvermögen Zinseinkünfte in Höhe von 50,- € p.m. Die alleinerziehende Mutter, bei der das Kind nach wie vor lebt, hat ein unterhaltsrelevantes > Einkommen in Höhe von 1.500,- €. Sie kommt ihrer > Erwerbsobliegenheit vollständig nach. Der Vater bezieht ein unterhaltsrelevantes Einkommen in Höhe von 2.500,- €.
Nach Volljährigkeit des Kindes möchte der Vater nun wissen, ob er den Kindesunterhalt weiterhin bezahlen muss oder ob er die > Jugendamsturkunde abändern lassen kann.
» Bedarf des Kindes:
Das Kind lebt noch im Haushalt eines Elternteils. Es leitet seine Lebensstellung deshalb von den Eltern ab und führt zur > Anwendung der Düsseldorfer Tabelle (DT). Ab Volljährigkeit des Kindes gilt die > 4. Altersstufe der DT. Die richtige Einkommensgruppe ergibt sich jetzt aus dem > Gesamteinkommen der Eltern. Das volljährige Kind hat nur noch Anspruch auf Barunterhalt für den jetzt beide Eltern anteilig haften.
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Ausnahme: Ist ein Elternteil nicht > leistungsfähig, weil dessen Einkommen den maßgebenden > Selbstbehaltssatz nicht übersteigt, wird dieses Einkommen nicht zur Bedarfsermittlung herangezogen (siehe Rechtsprechung des > BGH).
Im vorliegenden Fall erzielt die Mutter kein Einkommen (1.500,00 €) über den ihr zustehenden Selbstbehalt (2023: 1.650,00 €). Die Einkommensgruppe nach Düsseldorfer Tabelle bestimmt sich hier also allein nach dem Einkommen des Vaters (2.500 € = 3. Einkommensgruppe) und führt nach zu einem Bedarf des volljährigen Kindes (4. Altersstufe) in Höhe von 691,00 € (= Tabellenbetrag nach > DT 2023).
» Bedürftigkeit des Kindes
Eigenes Einkommen:
Die eigenen > Zinseinnahmen in Höhe von 50,00 € p.m. sind auf den Bedarf (691,00 € p.m.) des Kindes in > voller Höhe anzurechnen. Vor Eintritt der Volljährigkeit konnten die Zinseinnahmen nur zur Hälfte (= 25,- €) angerechnet werden. Die andere Hälfte (25,- €) wurde auf den von der Mutter geleisteten Naturalunterhalt angerechnet (> Beispiel: Anrechnung eigener Einkünfte des minderjährigen Kindes). Ab Volljährigkeit entfällt ein Anspruch des Kindes auf Naturalunterhalt.
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Erwerbsobliegenheit:
Eine Anrechnung von > fiktiven Einkünften des Kindes wegen Verstoß gegen die > Erwerbsobliegenheit kommt hier nicht in Betracht. Das Kind befindet sich in > allgemeiner Schulausbildung (§ 1603 Abs.2 S.2 BGB).
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Kindergeld:
Weiter ist das > Kindergeld (2023: 250 €) ab Volljährigkeit in voller Höheanzurechnen (§ 1612b Abs.1 Nr. 2 BGB).
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Somit lässt sich eine Bedarfslücke in Höhe von 391,00 € feststellen [= 691,00 € (Bedarf) – 50,00 € (Kapitaleinkünfte) – 250,00 € (Kindergeld)].
Es wurde ein ungedeckter Bedarf des volljährigen Kindes an Barunterhalt in Höhe von 391,00 € festgestellt. Diesen hat der Vater allein zu decken, weil die Mutter am Barunterhalt mangels Leistungsfähigkeit nicht beteiligt werden kann. Der Vater kann wegen voller Anrechnung der Zinseinkünfte und des Kindergeldes ein > Abänderungsverfahren gegen die Jugendamtsurkunde anstreben.
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