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Kindesunterhalt
ermitteln und prüfen


Praxis der Unterhaltsermittlung

| Prüfungsschritte zum Kindesunterhalt in der Praxis

Prüfungsschema zum Kindesunterhalt

Das Prüfungsschema zum Barunterhalt für Kinder besteht aus sechs Prüfungsebenen. Es gilt für minderjährige und volljährige Kinder gleichermaßen. Wie jeder andere Unterhaltsanspruch folgt die Prüfung des Kindesunterhalts dem sog. Grundschema.

Prüfungsschema zum Barunterhalt für Kinder

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1. Prüfungsebene
Anspruchsgrundlage

§ 1601 BGB
Gesetzestext


Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.


Verwandtschaftsverhältnis
Eltern – Kind


Ob Kindesunterhalt von den Eltern zu gewähren ist, hängt nach § 1601 BGB schlicht davon ab, ob das Kind mit dem Unterhaltspflichtigen in gerader Linie verwandt ist. Ob ein Verwandtschaftsverhältnis besteht, richtet sich danach, ob man voneinander abstammt (§ 1589 BGB). Dabei ist nicht die genetische Abstammung entscheidend, sondern die sog. gesetzliche Abstammung. Problematisch können also beim Kindesunterhalt die Problemlagen werden, in denen die genetischen Eltern nicht gleich den gesetzlichen Eltern sind. Weder das Alter des Kindes ist maßgebend, noch die Frage, ob die Eltern miteinander verheiratet sind. Die Unterhaltspflicht beginnt mit der Geburt des Kindes und dauert dem Grunde nach lebenslang fort, solange das Kind bedürftig ist und die Eltern leistungsfähig sind; sie ist nicht an bestimmte Altersgrenzen gebunden.

Vorrangige Haftung
vor den Eltern?


Weiter ist zu klären, ob andere Personen vorrangig vor den Eltern dem Kind unterhaltspflichtig sind > mehr

§ 1602 BGB
Gesetzestext


(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.



Selbsterhaltungsfähigkeit

des Kindes


Solange sich Kinder in einer Ausbildung befinden, gelten sie grundsätzlich nicht als selbsterhaltungsfähig. Denn die Ausbildung und ihr > Anspruch gegen die Eltern auf Finanzierung einer Berufsausbildung befreit Kinder, von der Obliegenheit, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen (> mehr). Diese Pflicht zur Unterhaltsleistung und zur Finanzierung einer Ausbildung besteht über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus für die Dauer normaler Ausbildungs- und Studienzeiten. Das Kind erhält in dieser Zeit den sogenannten Ausbildungsunterhalt. Volljährige Kinder, die sich keiner Berufsausbildung unterziehen, sind grundsätzlich nicht unterhaltsbedürftig. Dies gilt auch dann, wenn sie ein Praktikum oder ein freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr durchlaufen, das für den beabsichtigten Beruf nicht förderlich ist, oder wenn sie zunächst ein Fach studieren, das nicht auf das Berufsziel bezogen ist (sog Parkstudium) ( Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 2, Rz 55).


Erwerbsobliegenheit
des Kindes


Wann trifft das Kind eine Erwerbsobliegenheit?
mehr

2. Prüfungsebene
Bedarf des Kindes

§ 1610 BGB
Gesetzestext


(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).
(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf, einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.


Anmerkung


Die Ermittlung des Geldbedarfs des Kindes ist das Kernstück jeder Unterhaltsberechnung. Der Gesetzgeber sagt zur Bedarfsermittlung nicht viel. § 1610 BGB weist lediglich darauf hin, dass Maßstab für den Bedarf die „Lebensstellung“ des Kindes sein soll und der gesamte Lebensbedarf erfasst werden soll. Was aber die „Lebensstellung“ des Kindes prägt und wie sich daraus die Höhe des Kindesunterhaltsanspruchs ableiten lässt, erklärt der Gesetzgeber nicht. Der Logik des § 1610 Abs.1 BGB folgend, muss das Maß des Unterhaltsanspruchs die individuelle Lebensstellung sein.


3. Prüfungsebene
Bedürftigkeit des Kindes

§ 1602 BGB
Gesetzestext


(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
(2) Ein minderjähriges unverheiratetes Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es > Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die > Einkünfte seines Vermögens und der > Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

Anmerkung


Auf der dritten Prüfungsebene zum Kindesunterhaltsanspruch, wird gem. § 1602 BGB festgestellt, ob der Unterhaltsgläubiger (hier: Kind) „außerstande“ ist oder nicht erwartet werden kann, sich selbst zu unterhalten (> Vorrang der eigenen Bedarfsdeckung). Dieser Grundsatz gilt auch für den > Kindesunterhalt. Es gilt die allgemeine > Berechnungsformel zur Bedürftigkeit. Somit reduziert sich der Unterhaltsanspruch, wenn das Kind sich eigenes Einkommen, eigenes Vermögen oder staatliche Leistungen für das Kind anrechnen lassen muss.

FAQ
zur Unterhaltsbedürftigkeit


4. Prüfungsebene
Leistungsfähigkeit der Eltern

§ 1603 BGB
Gesetzestext


(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich > Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

Anmerkung


  • Mit § 1603 Abs.1 BGB ist die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht, wenn der Unterhaltsschuldner Gefahr läuft, nicht mehr ausreichend Geldmittel für seinen eigenen Lebensunterhalt zur Verfügung zu haben. Ihm ist ein > angemessener Selbstbehalt zu belassen. Wie hoch der Selbstbehalt ist, definiert der Gesetzgeber nicht. Dafür stellt die > Düsseldorfer Tabelle Selbstbehaltsätze für den Regelfall zur Verfügung.
    mehr
  • Beim Kindesunterhalt bestimmt 1603 Abs.2 BGB eine weitere Grenze der > Leistungsfähigkeit der Eltern , wenn die erste Grenze der Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs.1 BGB erreicht ist. Diese weitere Grenze wird mit dem > notwendigen Selbstbehaltssatz der Düsseldorfer Tabelle gezogen. Die erweiterte Grenze der Leistungsfähigkeit der Eltern (= Notwendiger Selbstbehalt gilt nach § 1603 Abs.2 S.2 BGB gegenüber
    • minderjährigen Kindern
    • privilegiert volljährigen Kindern (> mehr)

Wegweiser & FAQ
zur Leistungsfähigkeit der Eltern



Wegweiser
zur Leistungsfähigkeit der Eltern > hier


Wird die Leistungsfähigkeit der Eltern zur Zahlung von Kindesunterhalt zum Problem, ist regelmäßig die Frage zu beantworten, ob die Eltern ausreichend Ihrer gesteigerten > Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs.2 BGB (“alle verfügbaren Mittel sind gleichmäßig zu verwenden”) nachkommen, um für den Unterhalt der Kinder zu sorgen.

FAQ
zur Leistungsfähigkeit der Eltern


Was geschieht, wenn die Eltern nicht leistungsfähig sind?


Können die Eltern mangels Leistungsfähigkeit den Kindesunterhalt nicht oder nicht vollständig bezahlen,

  • bei mehreren Unterhaltsberechtigten sind Rangfragen zu klären
    hier
  • Befinden sich mehrere unterhaltsbedürftige Kinder auf der gleichen Rangstufe lt. § 1609 BGB, wird eine Mangelfallberechnung durchgeführt
    hier

5. Prüfungsebene
Anspruchsbegrenzung

§ 1611 BGB
Gesetzestext


(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

Grenzen
des Unterhaltsanspruchs


  • Wegen illoyalen Verhaltens gegenüber den Eltern kann es beim Unterhalt für volljährige Kinder zur Unterhaltsbegrenzung oder zum Wegfall des Kindesunterhalts nach § 1611 BGB kommen.
    mehr
  • Weiter endet mit Vollendung des 21. Lebensjahres die Hemmung der Verjährung des Kindesunterhaltsanspruchs.
    mehr
  • Für jeden Kindesunterhaltsanspruch ist die Verwirkung wegen unterlassender Rechtsverfolgung von rückständigen Unterhaltsansprüchen zu beachten
    mehr

FAQ
zur Unterhaltsbegrenzung


6. Prüfungsebene
Anteilige Haftung der Eltern

§ 1606 Abs. 3 BGB
Gesetzestext


Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

§ 1606 Abs.3 S.2 BGB
Gesetzestext


Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

Grundsätze
zur anteiligen Barunterhaltspflicht



Unterhaltshaftung
für minderjährige Kinder



Vor Trennung
 der Eltern

der Eltern gelten die Grundsätze des > Unterhaltsbestimmungsrecht. Hier gibt es keine grundsätzliche Barunterhaltsleistungspflicht.
mehr


Nach Trennung der Eltern
  • Haftungsfreistellung wegen Kinderbetreuung

Gilt das Modell der aufgeteilten Kinderversorgung. D.h. der alleinerziehende Elternteil erbringt den Naturalunterhalt (= Pflege- und Erziehungsleistung in natura). Der andere Elternteil leistet seinen Beitrag für das Kind durch Leistung von > Barunterhalt. Hier haftet der kinderbetreuende Elternteil im Regelfall nicht zusätzlich für den Barunterhalt (§ 1606 Abs.3 S.2 BGB)
mehr.

  • Haftung trotz Kinderbetreuung?

Dem Regelfall nach § 1606 > Abs.3 S.2 BGB liegt die Modellvorstellung zu Grunde, dass der (Allein-)erziehende die Kinderbetreuung (abgesehen von den Zeiten des > Regelumgangs) vollständig übernimmt. Erst wenn kein Elternteil oder beide Elternteile (gemischt) für den Naturalunterhalt des Kindes sorgen, kann davon abgewichen werden, womit eine anteilige Elternhaftung für den Barunterhalt auch bei minderjährigen Kindern in Betracht kommt.
mehr

Unterhaltshaftung
für volljährige Kinder


Hier gilt stets der Grundsatz der anteiligen Elternhaftung. Denn volljährige Kinder haben keinen Bedarf an Betreuung.
mehr

FAQ
zur anteiligen Barunterhaltspflicht


Weiterführende Links


» Anteilige Barunterhaltspflicht der Eltern – § 1606 Abs.3 BGB

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