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Am Ende eines Scheidungsverfahrens wird eine Ehe per Gerichtsbeschluss geschieden. Was sind dafür die Voraussetzungen?
Jede familienrechtliche Angelegenheit, die in § 137 Abs.2 FamFG genannt ist, kann mit dem Scheidungsverfahren verbunden werden (sogenannter Scheidungsverbund). Mit dem Scheidungsverfahren verbundene weitere Familiensachen nennt man Folgesachen. Die Wirkung des Verbund ist, dass über die Scheidung nur zusammen mit sämtlichen Folgesachen durch einheitlichen Beschluss entscheiden werden darf (§ 142 Abs.1 S.1 FamFG).
| Wegweiser zu den Folgesachen
Regelmäßig wird der Versorgungsausgleich von Amts wegen zusammen mit der Scheidung im Verbund durchgeführt (§ 137 Abs.2 S.2 FamFG). Es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall vor (z.B. bei Ehedauer unter drei Jahren, einvernehmlicher Ausschluss des Versorgungsausgleichs, einvernehmliche Abtrennung gem. § 140 Abs.2 Ziff.4 FamFG).
| MEHR
Abgesehen von Versorgungsausgleichssachen wird mit der Scheidung nur auf Antrag eine weitere Familienangelegenheit mitentschieden. Nach BGH v. 21.03.2012 – XII ZB 447/10 sind die Familiengerichte angehalten, einen Scheidungstermin so zu bestimmen, dass es nach Zugang der Ladung zum Scheidungstermin noch möglich ist, eine Folgesache gerichtlich anhängig zu machen. Beachtet dies das Familiengericht nicht, so besteht ein Anspruch auf Verlegung des Scheidungstermins. Wenn die Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG vorliegen, tritt der aus Scheidungs- und Folgesache bestehende Verbund kraft Gesetzes ein, ohne dass die Ehegatten hierüber disponieren können. Der Antrag, eine Folgesache entgegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG in einem isolierten Verfahren zu führen, ist daher für die Entstehung des Verbunds unbeachtlich (BGH, Beschluss vom 21.7.2021 – XII ZB 21/21). Die wichtigsten
Sonstige Folgesachen können sein
Der Folgesacheantrag muss bei Gericht rechtzeitig vor dem Scheidungstermin eingehen (§ 137 Abs.2 FamFG), damit der Scheidungsverbund entsteht.
Erfolgte bereits Ladung zum Scheidungstermin, muss schnell reagiert und geprüft werden, welche Themenkomplexe ein Ehegatte zusammen mit der Scheidung geregelt wissen will. Der BGH hat erklärt, dass eine angemessene Frist zwischen Terminsladung und dem Anhörungstermin von mindestens drei Wochen liegen müssen (Ladungsfrist). Den Beteiligten soll ausreichend Zeit zur Einreichung und Ausarbeitung eines Folgesacheantrags zur Verfügung stehen. Es soll dabei gewährleistet sein, dass der Folgesacheantrag nicht zwingend an der Frist des § 137 Abs.2 FamFG scheitert. Wenn das Gericht diese Ladungsfrist nicht einhält, kann Antrag auf Terminsverlegung gestellt werden.
OLG München, Beschluss vom 23.08.2017 – 12 UF 659/17
Die Antragsfrist für Folgesachen (hier Unterhalt) zum Scheidungsverbund
Anmerkung: Das OLG München (Beschwerdegericht) hat die Abtrennung der Unterhaltssache wegen angeblich verspätet eingereichtem Folgesacheantrag aufgehoben. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die anhängige Unterhaltssache nicht in den Verbund aufgenommen und unter Verstoß gegen § 142 1 FamFG einen Endbeschluss erlassen, ohne über die Unterhaltssache zu entscheiden. Damit liegt ein unzulässiger Teilbeschluss i. S. v. § 113 FamFG i.V.m. § 301 ZPO vor, der gem. § 117 II S. 1 FamFG i. V. m. § 538 II Nr. 7 ZPO auf die Beschwerde der Antragsgegnerin aufzuheben war, damit das Verfahren in erster Instanz als Verbundverfahren unter Einbeziehung der Unterhaltssache fortgeführt werden kann.
Hinweis: BGH, Beschluss vom 15.3.2017 – XII ZB 109/16 – Zum Erfordernis eines bestimmten Antrags der Beschwerdebegründung in einer Unterhaltsfolgesache.
Im Unterschied zu anderen Folgesachen kann im Scheidungstermin bis kurz vor Ende der mündlichen Verhandlung eine Kindschaftssache als Folgesache anhängig gemacht werden (§ 137 Abs. 3 FamFG). In diesem Fall wird die Scheidung zunächst blockiert; die Scheidung scheitert im Scheidungstermin. Dies kann als taktisches Mittel genutzt werden, um Zeit für einen weiteren Folgesacheantrag zu gewinnen. Da es sich um eine Folgesache handelt, besteht Anwaltspflicht – auch in Kindschaftssachen (§ 114 Abs.1 FamFG). Wenn der nicht anwaltlich vertretene Beteiligte auf Anwaltspflicht verzichten möchte, muss ein Ausnahmefall gemäß § 114 Abs.4 FamFG vorliegen. In diesem Fall müsste ein VKH-Antrag oder eine einstweilige Anordnung für eine Kindschaftssache gestellt werden.
BGH, Beschluss vom 20.12.2023 – XII ZB 117/23
Funktion des Scheidungsverbundes
(Zitat, Rn 24) “Der Verbund von Scheidungssachen und Folgesachen dient dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juli 2021 – XII ZB 21/21). Durch ihn soll erreicht werden, dass die Scheidung erst dann ausgesprochen wird, wenn die mit ihr zusammenhängenden Folgefragen geklärt sind (Senatsbeschluss vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 – FamRZ 2013, 1366 Rn. 16). Wird einem Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben, schafft dies nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine selbständige Beschwer, die mit der (Erst-)Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss gerügt werden kann. In diesen Fällen verfolgt der Rechtsmittelführer mit einem auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteten Beschwerdeantrag in zulässiger Weise das Ziel, dass nach der von ihm begehrten Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zugleich mit dem Scheidungsausspruch über die von ihm geltend gemachten Ansprüche in Folgesachen entschieden wird (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 4. September 2013 – XII ZB 87/12). Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass die Scheidung der Ehe erstmals durch das Beschwerdegericht ausgesprochen wird und die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde das Ziel verfolgt, dass zugleich mit dem Scheidungsausspruch über von Amts wegen einzuleitende Folgesachen entschieden wird.“
Mit jeder Scheidung sind weitere familiäre und wirtschaftliche Entflechtungsprozesse verbunden. Eine Scheidung kann “schnell” gehen, wenn die Ehe einvernehmlich geschieden wird und keine weiteren Folgesachen zum Scheidungsverfahren anhängig gemacht werden. Oft hat (zumindest) ein Ehegatte ein starkes Bedürfnis, zusammen mitder Scheidung auch alle sonstigen Familiensachen zu regeln. Um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber den Scheidungsverbund vorgesehen. Der Scheidungsverbund ist ein Rechtsbegriff, der zum Ausdruck bringt, dass eine Scheidung ohne gleichzeitiger abschließender Regelung von Folgesachen nicht erfolgen darf. Diese Rechtsregel ist in den §§ 137 ff. FamFG festgeschrieben und sorgt dafür, dass die Scheidung nur gemeinsam mit weiteren Folgesachen (“im Verbund mit der Scheidung”) ausgesprochen werden darf. Bei einer Scheidung im Verbund erfolgt am Ende des Verbundverfahrens ein gemeinsamer Beschluss über alle im Verbund zu behandelnden Familiensachen. Alle Angelegenheiten müssen entscheidungsreif sein.
Mit anderen Worten: Folgesachen blockieren den isolierten Ausspruch der Scheidung. Eine isolierte Entscheidung über eine Folgesache ist nicht mehr möglich. Wenn der Verbund einmal entstanden ist, kann grundsätzlich keine Scheidung ohne eine endgültige Entscheidung über die Folgesache ausgesprochen werden. Ist ein Scheidungsverbund einmal entstanden, kann es nur noch ausnahmsweise zu einer Abtrennung der Folgesache aus dem Scheidungsverbund nach § 140 FamFG kommen.
Dieser Effekt wird in der Praxis oft dazu genutzt (missbraucht), um ein Scheidungsverfahren in die Länge zu ziehen. Seit Einführung der FamFG (2009) hat die Scheidung im Verbund mit weiteren Folgesachen kontinuierlich abgenommen (Erhebung von Destatis). Ursache dafür dürfte der steigende Trend sein, Streitpotentiale im Vorfeld gerichtlichen Auseinandersetzung per Einigung zu erledigen, wie es das Verfahrensrecht des FamFG auch unterstützt. Wegen des Verbunds können langwierige Scheidungskriege entstehen.
Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abtrennungsantrag (§ 140 Abs.5 FamFG) sind in § 140 Abs.2 FamFG geregelt.
(2) Das Gericht kann eine Folgesache vom Verbund abtrennen. Dies ist nur zulässig, wenn
1. in einer Versorgungsausgleichsfolgesache oder Güterrechtsfolgesache vor der Auflösung der Ehe eine Entscheidung nicht möglich ist,
2. in einer Versorgungsausgleichsfolgesache das Verfahren ausgesetzt ist, weil ein Rechtsstreit über den Bestand oder die Höhe eines Anrechts vor einem anderen Gericht anhängig ist,
3. in einer Kindschaftsfolgesache das Gericht dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Verfahren ausgesetzt ist,
4. seit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ein Zeitraum von drei Monaten verstrichen ist, beide Ehegatten die erforderlichen Mitwirkungshandlungen in der Versorgungsausgleichsfolgesache vorgenommen haben und beide übereinstimmend deren Abtrennung beantragen oder
5. sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde, und ein Ehegatte die Abtrennung beantragt.
In der Scheidungspraxis kommt es immer wieder vor, dass Verfahren aus taktischen Gründen in die Länge gezogen werden. Eine Möglichkeit dazu ist im Scheidungsverbund angelegt, weil die Scheidung erst dann ausgesprochen wird, wenn gleichzeitig mit der Scheidung sämtliche anhängigen Folgesachen entscheidungsreif sind. Als Gegenmaßnahme dazu hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass das Gericht einzelne oder sämtliche Folgesachen vom Scheidungsverbund abtrennen kann (§ 140 Abs.2 Ziff.5 FamFG). In der Praxis wird daher häufig an eine Abtrennung nach § 140 Abs.2 Ziff.5 FamFG gedacht. Denn überlange Scheidungsverfahren sind leider keine Seltenheit.
Zeitmoment:
§ 140 Abs.2 Ziff.5 FamFG zeigt, dass allein die außergerwöhnlich lange Verfahrensdauer ( Zeitmoment) nicht für eine Abtrennung der Folgesache genügt.
Umstandsmoment:
§ 140 Abs.2 Ziff.5 FamFG will der treuwidrigen Verzögerung eines Scheidungsverfahrens entgegenwirken. Es muss stets das Umstandsmoment der unzumutbaren Härte hinzukommen. Umfassend abzuwägen sind dabei das Interesse des Antragstellers an einer raschen Scheidung und dem Interesse des anderen (wirtschaftlich schwächeren) Ehegatten an einer umfassenden Verbundentscheidung. Eine lange Ehe spricht im Rahmen der Abwägung regelmäßig gegen eine Abtrennung, weil der Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dann grundsätzlich vorgeht. Liegt keine unzumutbare Härte vor, stellt die Entscheidung über die Scheidung eine unzulässige Teilentscheidung dar.
Die meisten Abtrennungsanträge in der Praxis stützen sich auf § 140 Abs.2 S.2 Ziff.5 FamFG, nachdem das Scheidungsverfahren bereits mehr als zwei Jahren bei Gericht anhängig ist. Trotz dieser Verfahrensdauer müssen weitere hohe Hürden für die Abtrennung genommen werden. Denn erst nach einer umfassenden Interessenabwägung aller Gründe, die für und wider die Abtrennung sprechen können, muss das Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass die weitere Verzögerung des Scheidungsauspruchs eine “unzumtbare Härte” für einen der Ehegatten bedeutet. Dazu Beispiele aus der Rechtsprechung:
OLG München, Beschluss vom 28.10.2022 – 12 UF 712/22 (FamRB, 2023, 178)
Abtrennung einer Folgesache aus dem Scheidungsverbund – unzumtbaren Härte i.S.d. § 140 Abs.2 FamFG
Leitsätze:
1. Die Abtrennung einer Folgesache unterliegt strengen Voraussetzungen. Neben einer außergewöhnlichen Verzögerung, die in der Regel ab einer Verfahrensdauer von zwei Jahren angenommen wird, muss der Aufschub der Ehescheidung eine unzumutbare Härte darstellen. Nach dem Gesetzeszweck darf nur ausnahmsweise die Auflösung des Verfahrens- und Ehescheidungsverbunds erfolgen.
2. Die in der Aufrechterhaltung des Verbunds liegende Härte muss für den die Abtrennung begehrenden Ehegatten umso größer sein, je gewichtiger die abzutrennende Folgesache für den anderen Ehegatten in seiner jeweiligen Lebenssituation ist.
3. Auch die Geburt eines Kindes und die Wiederverheiratung des Antragstellers nach islamischem Recht begründen nach nur zweijähriger Dauer des Scheidungsverfahrens nicht zwangsläufig eine unzumutbare Härte. Dies gilt vor allem dann, wenn das Verhalten des Antragstellers nicht seiner verfahrensrechtlichen Förderungspflicht entspricht. Stellt er Folgeanträge erst über ein Jahr nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, spricht dies gegen eine Auflösung des Verbunds.
Anmerkung: Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung. Diese steht Abtrennungsanträgen nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG sehr kritisch gegenüber. Es müssen schon eine Verfahrensdauer von 5 bis 6 Jahren oder außergewöhnliche Umstände vorliegen, um einen solchen Antrag erfolgreich durchzusetzen (vgl. hierzu z.B. OLG Hamm v. 17.11.2008 – 6 UF 131/08; OLG Hamm v. 19.12.2013 – 2 UF 150/13).
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.11.2021 – 6 UF 139/21G
Zur unzumtbaren Härte i.S.d. § 140 Abs.2 S.2 Ziff.5 FamFG
Orientierungssatz:
Der Umstand, dass ein Ehegatte, wenn die Ehe nicht vorab geschieden wird, für die Trennungszeit erheblich mehr Unterhalt zahlen müsste als nach der Scheidung, begründet allein keine unzumutbare Härte, soweit nicht festzustellen ist, dass der andere Ehegatte die Verbundentscheidung treuwidrig verzögert, um möglichst lange in den Genuss mit der Scheidung wegfallender Trennungsunterhaltszahlungen zu kommen.
AG Dachau, Beschluss vom 27.11.2017 – 2 F 10/15
(intern vorhanden; unser Az.: 506/16)
Zur unzumtbaren Härte i.S.d. § 140 Abs.2 S.2 Ziff.5 FamFG
(Zitat) “Die Folgesache Güterrecht und die Folgesache nachehelicher Unterhalt sind nach § 140 Abs. 2 Ziffer 5 FamFG vom Scheidungsverbund abzutrennen, da sich andernfalls der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache für den die Abtrennung beantragenden Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Verfahrensdauer des Scheidungsverfahrens beträgt mittlerweile knapp drei Jahre und stellt, ausgehend von einer regulären Verfahrensdauer eines Ehescheidungsverfahrens von etwa zwei Jahren eine lange Dauer im Sinne der Abtrennungsvorschrift § 140 FamFG dar.
(…)
Die Unzumutbarkeit ist dann anzunehmen, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung festgestellt werden kann, dass das Interesse des einen Ehegatten an einer alsbaldigen Scheidung vorrangig ist vor dem Interesse des anderen Ehegatten an einer gleichzeitigen Entscheidung auch der Folgesachen (vgl. Münchner Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013 RdNr. 55 mit weiteren Nachweisen). Um Unzumutbarkeit bejahen zu können, muss ein Vorrang der Interessen des die Abtrennung beantragenden Ehegatten festgestellt werden, wobei wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift strenge Maßstäbe anzulegen sind (Münchner Kommentar a.o., RdNr. 57). Bei der lnteressenabwägung ist nach Maßgabe des Gesetzes die Bedeutung der abzutrennenden Folgesache von besonderem Gewicht und zwar die Bedeutung, die Folgesache für den Ehe gatten hat, der sich der Abtrennung widersetzt. Dabei kommt es vor allem auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung auf den schwächeren Ehegatten an. Nach allgemeiner Einschätzung haben dabei die güterrechtlichen Ansprüche eine geringere Bedeutung, während die Folgesache Unterhalt für den schwächeren Ehegatten gewichtiger ist. Vorliegen ist hier zu berücksichtigen, dass von beiden Seiten ein hochemotionaler und mit größter Heftigkeit ausgetragener Scheidungskonflikt vorliegt, der bei Antragsteller und Antragsgegnerin zu großen Belastungen führt. Beide Seiten tragen vor, wegen der Auseinandersetzungen in ihrer Gesundheit und Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt zu sein. Bei einer Gesamtabwägung tritt das Interesse der Antragsgegnerin an einer gleichzeitigen Entscheidung auch über die Folgesache Unterhalt und Güterrecht im Hinblick auf die Interessen des Antragstellers an einem Ausspruch der Scheidung in den Hintergrund. Zu beachten ist das Interesse des Antragstellers im Hinblick auf seine künftige Lebensplanung, die 36-jährige Lebensge fährtin, mit der er seit 3 1/2 Jahren unwidersprochen zusammenlebt, zu heiraten, da auch ein Kinderwunsch verfolgt wird. Ein weiteres Zuwarten erscheint im Hinblick auf das Alter der Beteiligten für den Antragsteller unzumutbar.”
OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.06.2016 – 18 UF 51/16
Zur unzumtbaren Härte i.S.d. § 140 Abs.2 S.2 Ziff.5 FamFG
(Zitat, Rn 21) „ Unzumutbar ist die durch die Verzögerung des Scheidungsausspruchs hervorgerufene Härte dann, wenn das Interesse des Antragstellers an einer früheren Scheidung deutlich schwerer wiegt als das Interesse des Antragsgegners an einer gleichzeitigen Regelung der abzutrennenden Folgesachen (Prütting-Helms, FamFG, 3. Aufl., § 140 RZ 23). Dabei soll nach ganz einhelliger Auffassung die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer für sich genommen nicht schon eine unzumutbare Härte darstellen können (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2009, 64), soweit es sich nicht in Einzelfällen um eine „ganz außergewöhnliche Verzögerung“ handelt (OLG Köln FamRZ 2010, 659: 9 Jahre). Nachvollziehbar wird diese Auffassung damit begründet, dass andernfalls das eigenständige Erfordernis der unzumutbaren Härte in § 140 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 überflüssig werde (Prütting-Helms a.a.O. RZ 24 m.w.N.). Nach der mittlerweile überwiegenden Meinung kann das Vorliegen einer ungewöhnlichen Verzögerung für sich genommen noch keine unzumutbare Härte begründen, jedoch die Verfahrensdauer als ein Gesichtspunkt in die Abwägung eingehen (MüKo-Heiter a.a.O. RZ 58 a.A. Helms a.a.O. RZ 24).
(Zitat, Rn 22) “Im Rahmen des Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 ist nicht primär allein auf den Scheidungsantragsteller und auf „Gründe in der Person des anderen Ehegatten“ abzustellen, sondern es hat eine umfassende Abwägung der Interessen beider Ehegatten zu erfolgen, bei der weitere, etwa auch verfahrensbezogene Aspekte einbezogen werden können und bei der die Härtegründe durch entgegen gerichtete Aspekte an Gewicht verlieren können (vgl. MüKo-Heiter a.a.O. RZ 64).”
OLG Bamberg, Beschluss vom 24.08.2021 – 7 UF 123/21
Restverbund von Folgesachen nach Abtrennung von der Scheidungssache
Orientierungssätze:
1. Wenn der Scheidungsausspruch von keinem Beteiligten angefochten wurde, kann allein die Entscheidung über die Folgesache Versorgungsausgleich aufgehoben werden, um die von §§ 137, 142 I FamFG geforderte einheitliche Entscheidung „über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen“ zu ermöglichen.
2. Werden mehrere Folgesachen im Sinne von § 137 II FamFG abgetrennt, besteht der Verbund unter ihnen nach § 137 V FamFG fort. Gleiches gilt, wenn – wie vorliegend – eine Folgesache zu Unrecht abgetrennt wurde.
Anmerkung: Die Rechtsfolgen ergeben sich aus § 137 Abs.5 FamFG, d.h. Kindschaftssachen werden nach Abtrennung selbständig weitergeführt, während andere Folgesachen trotz Abtrennung ihren Charakter beibehalten. Sie sind also keine selbständige Familiensache, selbst wenn die Scheidung mittlerweile rechtskräftig geschieden wurde. Dies hat Bedeutung für die Beibehaltung des Anwaltszwangs (§ 114 FamFG) und die Kostenregelung des § 150 Abs.1 FamFG. Ansonsten richtet sich das Verfahren der abgetrennten Folgesache nach dem jeweils maßgebenden Verfahrensrecht. Wird die abgetrennte Folgesache vor Rechtskraft der Scheidung unanfechtbar, wird diese dennoch nach § 148 FamFG erst mit Rechtskraft der Scheidung wirksam, weil eine Entscheidung nur für den Fall der Ehescheidung ergeht. Wird der Scheidungsantrag abgewiesen, gilt § 142 Abs.2 FamFG auch für die abgetrennte Folgesache; sie wird gegenstandslos.
Wird ein Abtrennungsantrag von einem der beteiligten Ehegatten gestellt, wir das Gericht darüber mit einem Abtrennungsbeschluss entscheiden. Gegen diesen Abtrennungsbeschluss selbst ist ein Rechtsmittel nicht statthaft (§ 140 Abs.6 FamFG), jedoch stellt eine zu Unrecht vorgenommene Abtrennung einen Verfahrensfehler dar, der durch das Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch geltend gemacht werden kann (Münchener Kommentar-Heiter, FamFG, 2. Aufl., § 140 RZ 89). Rechtsschutzziel ist die Wiederherstellung des Verbundes. Der Antrag zum Beschwerdegericht beschränkt sich darauf, den Scheidungsbeschluss aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen (§ 117 Abs.2 i.V.m. § 538 Abs.2 ZPO). Die unberechtigte Auflösung des Verbundes begründet eine eigenständige Beschwer auch dann, wenn sich der Ehegatte der Scheidung selbst nicht widersetzt (vgl. OLG Zweibücken FamRZ 2012, 471; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 656). Wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs.2 FamFG vorliegen, kann das Gericht abtrennen, muss aber nicht. Erfolgt allerdings eine Abtrennungsentscheidung, so hat das Beschwerdegericht die Abtrennungsvoraussetzungen des § 140 Abs.2 FamFG eigenständig und umfänglich neu zu beurteilen. Dem erstinstanzlichen Gericht ist insoweit kein – nicht nachprüfbarer – Ermessensspielraum eingeräumt (BGH FamRZ 1991, 1043, 1044).
Über Folgesachen wird zusammen mit dem Ausspruch der Scheidung in einem Endbeschluss entschieden (§§ 137 Abs.1; § 142 Abs.1 FamFG). Vor Rechtskraft der Scheidung werden die Entscheidung zu den Folgesachen nicht wirksam (§ 148 FamFG). Meist sind die Beteiligten mit dem Ausspruch der Scheidung einverstanden und wollen diese rechtskräftig werden lassen. Doch häufig kommt es in der Praxis vor, dass einer der Ehegatten die Entscheidung über die Folgesache “nachehelicher Unterhalt” als rechtsfehlerhaft anfechten will. Dies ist mit einer teilweisen Beschwerde gegen den Endbeschlusses zum nachehelichen Unterhalt möglich (BGH, Urteil vom 26. 6. 2013 − XII ZR 133/11; Elzer/Gutowski, Formalien bei der Beschwerde in Familiensachen, in: NZFam 2015, 1042 ). Der Scheidungsverbund (§ 137 Abs.1 FamFG) gilt nur in erster Instanz. Mit isolierter Anfechtung einer Folgesache können der Scheidungsausspruch und die weiteren Folgesachen nach Abschluss der ersten Instanz rechtskräftig werden. Will dies der Anfechtungsgegner verhindern, weil er die Scheidung nicht ohne endgültiger Entscheidung über alle Folgesachen rechtskräftig werden lassen will, hilft ihm § 145 Abs.1 FamFG: Der Anfechtungsgegner kann durch Erweiterung des Rechtsmittels oder im Wege der Anschließung an das Rechtsmittel noch bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Rechtsmittelbegründung des Beschwerdeführers angefochten werden. Der Anfechtungsgegner hat also die Wahl :
Im Zweifel ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Variante im Einzelfall tatsächlich gewollt ist.
Wird etwa Beschwerde gegen eine Unterhaltsentscheidung aus dem Scheidungsverbund eingelegt, kann mit einer Anschlussbeschwerde gegen die Scheidungssache oder eine andere Folgesache “gekontert” werden. Das Anschlussrechtsmittel muss den Voraussetzungen des § 61ff. FamFG genügen und ist innerhalb der Frist des § 145 FamFG einzulegen (= ein Monat nach Bekanntgabe der Rechtsmittelbegründung).Dadurch kann verhindert werden, dass der Scheidungsausspruch oder die weiteren Folgesachen rechtskräftig werden, bevor nicht auch über die isoliert angefochtene Folgesache rechtskräftig entscheiden ist.
Folgesachen verlängern das Scheidungsverfahren nicht nur erheblich, sondern erhöhen die Scheidungskosten. Folgesachen sind eigene (weitere) Angelegenheiten und werden mit eigenen Gegenstandswerten bewertet. Der Verfahrenswert der Folgesache ist nicht im Verfahrenswert der Scheidungssache inkludiert. Der Verfahrenswert der Folgesache wird dem Verfahrenswert der Scheidungssache hinzuaddiert.
| Scheidungskosten
Über die Folgesachen wird zusammen mit der Scheidungssache entschieden (§ 137 Abs.1 FamFG). Das gilt auch im Hinblick auf die Kostenentscheidung. In der Regel werden die Kosten der Scheidungssache inklusive der Folgesachen gegeneinander aufgehoben (§ 150 Abs.1 FamFG).
Selbst im Fall der Abtrennung behält die Folgesache ihre charakterlichen Besonderheiten und wird nicht zu einer von der Scheidungssache isolierten (selbständigen) Verfahrensangelegenheit (§ 137 Abs.5 S.1 FamFG). Die Kostenregelungen zur Folgesache bleibt erhalten (§ 150 Abs.5 S.1 FamFG), mit der Möglichkeit nach § 150 Abs.4 FamFG von der Kostenaufhebung abzuweichen, über die infolge einer Abtrennung gesondert zu entscheiden ist.
Anderes gilt nur bei Kindschaftssachen als Folgesache. Denn diese sind nach Abtrennung als selbständiges Verfahren zu führen (§§ 137 Abs.5 S.2 i.V.m. Abs.3 FamFG).
Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Scheidung erstreckt sich automatisch nur auf die Folgesache Versorgungsausgleich.Wer für sonstige Folgesachen Verfahrenskostenhilfe beanspruchen will, hat diese gesondert zu beantragen.
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