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Startseite > Infothek > Leitfäden > Thema: Trennung > Mietwohnung nach Trennung > Zuweisung der Ehewohnung > Kanzlei für Familienrecht
Oftmals wird die räumliche Trennung (§ 1567 Abs.1 BGB) dadurch vollzogen, dass die Ehewohnung einem Ehegatten zur alleinigen Nutzung überlassen oder per gerichtlichem Beschluss zugewiesen wird.
Doch bei einem gemeinsamen Mietvertrag zur Ehewohnung schulden die Ehegatten weiterhin dem Vermieter die Miete als Gesamtschuldner. Der ausgezogene Ehegatte hat aber regelmäßig ein Interesse daran, aus den Pflichten des Mietverhältnisses entlassen zu werden.
Kein Ehegatte kann ohne Zustimmung des anderen Ehegatten einen gemeinsamen Mietvertrag einseitig kündigen. Das Kündigungsrecht von mehreren Mietern kann nur gemeinsam ausgeübt werden (BGH NJW 2005, 1715). In der Praxis kommt es bei Regelung der Trennungsphase häufig vor, dass der in der Wohnung verbleibende Ehegatte überhaupt nicht daran denkt, seine Zustimmung zur gemeinsamen Wohnungskündigung zu erteilen. Weiter kommt vor, dass der Vermieter das Mietverhältnis allein mit dem in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten fortführen will: der ausgezogene, aber solvente Ehegatte soll Mitschuldner der Miete bleiben.
Haben beide Ehegatten den Mietvertrag unterzeichnet, stellt sich die Frage, ob und wann der ausgezogene Ehegatte einen Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung des gemeinsamen Mietvertrags geltend machen kann (Musterantrag). Diese Frage ist äußerst umstritten.
Bis zur Rechtskraft der Scheidung (d.h. in der Trennungsphase) sind mit § 1361b BGB nur vorläufige Regelungen zur Mietwohnung möglich. Die theoretische Möglichkeit einer Versöhnung soll so wenig wie möglich mit irreversiblen Rechtsfolgen erschwert werden. § 1361b BGB formuliert keinen Anspruch auf Wohnungskündigung oder Mitwirkung an einer Kündigung. So werden aus dem Gebot zur gegenseitigen Verantwortung der Eheleute (§ 1353 Abs.1 S.2 BGB) und das Wohlverhaltensgebot in der Trennungsphase (§ 1361b Abs.3 S.1 BGB) von der Rechtsprechung verschiedene ungeschriebene Ansprüche abgeleitet; u.a. ein Anspruch auf Zustimmung zur Wohnungskündigung während der Trennungsphase. Allerdings gehen die Ansichten der OLG´s zu diesem Punkt sehr weit auseinander. Das OLG München z.B. verneint einen solchen Anspruch (OLG München, Urteil vom 29.04.2004 – 6 U 5683/03). Bejahend dagegen – ab endgültiger Trennung – OLG Köln, Urteil vom 11.04.2006 – 4 UF 169/05. Das OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.3.2021 − 6 UF 204/20 erkennt darin einen subsidiären Anspruch:
OLG Düsseldorf, Beschluss vom15.3.2021 − 6 UF 204/20
Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung ist subsidiär
Orientierungssätze:
1. Der Anspruch des trennungsbedingt ausziehenden Ehegatten oder Lebensgefährten, vom anderen die Mitwirkung an der für eine Beendigung des Mietverhältnisses erforderlichen gemeinsamen Kündigung zu verlangen, ist nur subsidiär.
2. Die Nachrangigkeit folgt daraus, dass durch eine Kündigung des Mietverhältnisses auch dem anderen Partner und etwaigen bei diesem verbleibenden Kindern die Mietwohnung als Lebensmittelpunkt genommen wird.
3. Vorrangig ist daher der Anspruch des ausziehenden Ehegatten gegen den in der Wohnung verbliebenen auf Umgestaltung des Mietverhältnisses in der Weise, dass der ausziehende Ehegatte aus dem Mietvertrag entlassen wird.
Anmerkung: Anspruchsgrundlage für den Anspruch des weichenden Ehegatten gegen den anderen auf Zustimmung zur Kündigung des Mietverhältnisses ist das aus § 1353 Abs.1 S.3 BGB folgende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich die aus dieser Vorschrift abzuleitende Verpflichtung, die finanzielle Belastung des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist (BGH FamRZ 2005, 182 = NJW-RR 2005, 225; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3.12.2020 – 13 UF 133/19; OLG Hamburg 10.9.2010 – 12 WF 51/10; Götz in Johannsen/Henrich, 6. Aufl. 2015, BGB § 1568 a Rn. 32). Allerdings besteht dieser Anspruch des trennungsbedingt ausziehenden Ehegatten oder Lebensgefährten, vom anderen die Mitwirkung an der für eine Beendigung des Mietverhältnisses erforderlichen gemeinsamen Kündigung zu verlangen, nur subsidiär. Die Nachrangigkeit letzteren Anspruchs folgt daraus, dass durch eine Kündigung des Mietverhältnisses auch dem anderen Partner und etwaigen bei diesem verbleibenden Kindern die Mietwohnung als Lebensmittelpunkt genommen wird. Vorrangig ist daher der Anspruch des ausziehenden Ehegatten gegen den in der Wohnung verbliebenen auf Umgestaltung des Mietverhältnisses in der Weise, dass der ausziehende Ehegatte aus dem Mietvertrag entlassen wird. Diese Umgestaltung erfolgt während der Trennungszeit im Einvernehmen der Eheleute mit Zustimmung des Vermieters (OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. Dezember 2020, 13 UF 133/19 mwN). Erst für den Fall der Rechtskraft der Ehescheidung ist in § 1568 a Abs.3 BGB geregelt, dass allein das Einvernehmen der Eheleute erforderlich ist und insoweit eine bloße Mitteilung an den Vermieter genügt ( Althammer in Johannsen/Henrich/Althammer BGB § 1568 a Rn. 30 ff.; BGH NZFam 2014, 525).
Fazit: Die Rechtsprechung zeigt, dass ein Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung der gemeinsamen Mietwohnung nach Ablauf des ersten Trennungsjahres in Betracht kommen kann. Ob eine Ehe als zerrüttet zu gelten hat, kann frühestens nach Ablauf des ersten Trennungsjahres beurteilt werden. Dies auch nur dann, wenn beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt (§ 1566 Abs.1 BGB). Vor Ablauf des ersten Trennungsjahres sollte ein solcher Anspruch – gestützt auf § 1353 Abs.1 S.2 BGB – i.d.R nicht zugestanden werden. Denn es gilt der Grundsatz, dass in der Trennungsphase im ersten Jahr so weit wie möglich keine irreversiblen Fakten (hier Verlust der Ehewohnung) geschaffen werden sollen, die mögliche Versöhnungsversuche erschweren.
Vor Ablauf des ersten Trennungsjahres ist ein Anspruch auf Kündigungszustimmung nur denkbar, wenn bereits zweifelsfrei feststeht, dass die Ehe geschieden wird. Waren die Lebenspartner nicht miteinander verheiratet, kommt eine Klage auf Zustimmung zur Kündigung des gemeinsamen Mietvertrages bereits nach Auszug infrage.
OLG Bremen, Beschluss vom 12.11.2020 – 4 WF 67/20
Antrag auf Zustimmung zur Kündigung ist Familienstreitsache gem. § 266 Abs.1 Nr.3 FamFG
OLG Hamburg, Beschluss vom 10.09.2010 – 12 UF 170/15
Pflicht zur Mitwirkung an der Entlassung des anderen Ehegatten aus dem gemeinsamen Mietverhältnis – Trennungszeit: zwei Jahre
(Zitat, Rn 4) “Ein Ehegatte kann daher gegenüber dem anderen auch verpflichtet sein, an der Entlassung aus dem gemeinsamen Mietverhältnis mitzuwirken, wenn diese Änderung angemessen und für den betroffenen Ehegatten zumutbar ist. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dem Verlangen auf Entlassung des Antragstellers aus dem Mietvertrag mit dem insoweit kooperationswilligen Vermieter kann die Antragsgegnerin insbesondere nicht die Bestimmung des § 1361b Abs. 3 BGB entgegen halten. Der Antragsteller beabsichtigt gerade nicht, das Nutzungsrecht der Antragsgegnerin an der Ehewohnung zu erschweren oder zu vereiteln. Die von ihm angestrebte Entlassung aus dem Mietverhältnis, ggfs. auch im Wege der Begründung eines eigenen Mietverhältnisses zwischen Antragsgegnerin und Vermieter, steht der Nutzung der Ehewohnung durch die Antragsgegnerin nicht entgegen, sondern entspricht dem übereinstimmenden Willen der Parteien, nach dem die Wohnung von der Antragstellerin auch auf Dauer allein genutzt werden soll. Hiervon ist auch weiterhin auszugehen, nachdem die Parteien seit nunmehr länger als zwei Jahren getrennt leben.
(Zitat, Rn 4) “Jedenfalls kann ein Ehepartner nach endgültiger Trennung der Eheleute die Zustimmung zur Kündigung der ehemaligen Ehewohnung dann verlangen, wenn unterhaltsrechtliche Gründe oder auch der Gesichtspunkt nachehelicher Solidarität dem nicht entgegenstehen. Denn in diesem Falle ist der Grund für einen Anspruch des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten, das Mietverhältnis unter Mitwirkung des anderen Ehegatten aufrecht zu erhalten, weggefallen. Dem Interesse des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten am Fortbestand des Mietverhältnisses steht das nunmehr vorrangig gewordene Interesse des auf Auflösung des Mietvertrages dringenden (geschiedenen) anderen Ehegatten entgegen. Dieser ist daran interessiert, nicht mehr möglichen finanziellen Belastungen aus diesem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein. Allein der unbestritten bestehende Freistellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bezüglich seiner Mietzahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter lässt sein Interesse an der Auflösung des Mietverhältnisses nicht entfallen. Der Freistellungsanspruch schützt ihn nämlich nicht vollständig. Dies gilt insbesondere bei einem finanziell schwachen (früheren) Ehepartner, der in der Wohnung verblieben ist. Der Freistellungsanspruch besteht nur im Innenverhältnis. Die Haftung im Außenverhältnis gegenüber dem Vermieter bleibt bestehen, wenn der andere Ehegatte nicht leistet.”
AG Tübingen, Urteil vom 07.10.2005 – 11 C 435/05
Pflicht zur Mitwirkung an Kündigung der Ehewohnung – nach 7 Monaten Trennungszeit
Anmerkung: Das AG Tübingen geht hier ausführlich auf die Abwägung der Interessenlage der getrennten Ehegatten am Erhalt der Ehewohnung und Haftentlassung des ausgezogenen Ehegatten aus dem Mietvertrag ein.
AG Rastatt , Beschluss vom 12.11.2014 – 5 F 155/14
Kein Kündigungsanspruch der Ehewohnung während der Trennungszeit
Anm. Verena Derichs, in: NZFam 2015, 1015
Mit (Rechtskraft) der Scheidung kommt eine alleinige und endgültige Übernahme des Mietverhältnisses nach § 1568a Abs.3 BGB in Betracht. Nach § 1568a Abs.3 BGB scheidet per gesetzlicher Bestimmung derjenige Ehegatte aus dem Mietverhältnis aus, der die Wohnung überlassen hat. Spätestens dann muss der ausgezogene Ehegatte für die ehemalige eheliche Mietwohnung keine Miete mehr bezahlen. § 1568a BGB gilt jedoch nicht für die Trennungsphase (a.A. OLG Hamm , Beschluss vom 21.1.2016 – 12 UF 170/15).
Solange der gemeinsame Mietvertrag nicht gekündigt werden kann, bleibt auch der aus der Mietwohnung ausgezogene Ehegatte weiterhin zur Mietzahlung im Außenverhältnis zum Vermieter verpflichtet. Die Haftung für die Miete gegenüber dem Vermieter (= Haftung im Außenverhältnis) ist nur die eine Seite der Medaille. Damit ist noch nicht gesagt, ob im Innenverhältnis der ausgezogene Ehegatte vom in der Wohnung verbleibenden Ehegatten die Erstattung der Mietzahlungen verlangen kann.
Der Einstieg in die Lösung des Problems für das Innenverhältnis führt stets über § 426 BGB und dann weiter zu der Frage, wie sich allgemein private Schulden unterhaltsrechtlich auswirken. Grundsätzlich bestimmt § 426 Abs.1 S.1 BGB, dass die Eheleute zueinander zu gleichen Anteilen für ihre gemeinsamen Schulden aufkommen müssen. Aber gleichzeitig erklärt die Vorschrift: Dies gilt nur, „soweit nichts anderes bestimmt ist„ (§ 426 Abs.1 BGB).
In der Praxis werden die Ehegatten nach der Trennung meist keine einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Mietzahlungsverpflichtung im Innenverhältnis treffen oder eine ausdrückliche Einigung hinbekommen. Hier muss die Rechtsprechung zur stillschweigenden (konkludenten) Bestimmung und Regelung des Innenverhältnisses nach Maßgabe des § 426 Abs.1 BGB weiter helfen. Ob und wann die Annahme einer konkludenten Ausgleichsvereinbarung für Mietzahlungen rechtfertigt, ist hier das Thema.
Zieht ein Ehegatte im gegenseitigen Einverständnis aus der Ehewohnung aus, so muss er sich nicht mehr an den Mietkosten beteiligen. Er hat keine Nutzungsmöglichkeit an der Wohnung mehr, sondern nur noch der in der Wohnung verbleibende Ehegatte. Der einvernehmliche Auszug wird von den Gerichten als eine konkludente anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs.1 S.1 BGB gesehen. Danach hat im Innenverhältnis der ausgezogene Ehegatte einen Ausgleichsanspruch auf Erstattung der nach Auszug bezahlten Mieten.
OLG Düsseldorf. Urteil vom 12.03.2010 – I-22 U 142/09
Mietzahlungen für gemeinsame Mietwohnung: Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis
(Zitat, Rn 46) „In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch dann, wenn ein Ehegatte gegen den Willen des Verbleibenden auszieht, die Mithaftung des Ausziehenden insbesondere in zeitlicher Hinsicht Einschränkungen unterliegt. Ist das endgültige Scheitern der Ehe erkennbar, steht dem verbleibenden Ehegatten zwar eine Überlegungsfrist zu; er muss sich jedoch sodann um eine Beendigung des Mietverhältnisses bemühen (OLG München, NJWE-MietR 1997, 6 ; Brandenburgisches OLG, FamRZ 2008, 156 ; vergl. auch OLG Dresden, FamRZ 2003, 158, 159 – dort allerdings keine Entlassung aus dem Mietvertrag, da ein befristeter Vertrag abgeschlossen war – ; vergl. auch Senatsentscheidung vom 24.10.1997, FamRZ 1998, 739 – nichteheliche Lebensgemeinschaft; Herneck, NJW-Spezial 2006, 343). Verbleibt der Ehegatte nach einer angemessenen Überlegungsfrist in der Wohnung, ohne sich um eine Auflösung des Mietverhältnisses zu bemühen, gibt er damit zu erkennen, dass er zu einer Fortführung des Vertrags unter alleiniger Kostentragung bereit ist. Die Wohnungssituation ist dem verbleibenden Partner dann nicht mehr aufgezwungen, sondern sie ist gewählt. Dann ist aber eine weitere Mithaftung des Ehegatten nicht mehr gerechtfertigt.“
Anmerkung: Findet der trennungsbedingte Auszug nicht einvernehmlich statt, ist zu berücksichtigen, dass für den in der Wohnung unfreiwillig allein verbleibenden Ehegatten die Mietwohnung meist zu groß und zu teuer ist. Ihm wurde durch den Auszug des anderen Ehegatten das „alleine Wohnen“ sozusagen „aufgedrängt“. In diesen Fällen gelingt es dem ausgezogenen Ehegatten nicht, die Tatsache des Auszuges aus der Mietwohnung als Grund für eine alleinige Übernahme der Mietverpflichtungen von dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten zu verlangen. Ob der ausgezogene Ehegatte im Innenverhältnis zum anderen Ehegatten einen Anspruch auf Freistellung und Übernahme der kompletten Miete hat, richtet sich danach, ob und wie lange sich der Verbleib des anderen Ehegatten in der Mietwohnung als freiwillig oder aufgedrängt darstellt:
a) Stellt sich der alleinige Verbleib in der Wohnung nicht als freiwillige, sondern als eine aufgedrängte Situation dar, erscheint die alleinige Mietzahlungsverpflichtung für den verbleibenden Ehegatten nicht als gerechtfertigt, da nicht im Rahmen akzeptabler allgemeiner Lebenshaltungskosten. Folge: Der ausgezogene Ehegatte hat gegenüber dem anderen Ehegatten die Verpflichtung, sich an der Miete wegen weiterhin zu beteiligen, weil „nichts anderes bestimmt“ (§ 426 BGB) wurde.
Beispiel: Ehewohnung kostet im Monat 800,– € Miete. Nach § 426 BGB hat sich der ausgezogene Ehegatte an den Mietkosten des gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrages in Höhe von 400 € zu beteiligen. Der Ausgleich kann über den Unterhalt (Trennungsunterhalt) erfolgen. Das OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.5.2022 – 13 UF 212/19, zieht in Betracht, das Einkommen um einen Teil der Miete für die nunmehr allein genutzte Ehewohnung zu bereinigen, solange eine Wiederherstellung der Ehe noch möglich erscheine. Dies entspricht der üblichen Behandlung der Nutzung eigenen Wohnraumes, bei der der Wohnwert bis zum endgültigen Scheitern der Ehe auf die angemessenen ersparten Wohnaufwendungen herabgesetzt wird, um die Ehewohnung zunächst zu erhalten (z.B. BGH, in: NJW 2014, S. 1531, Rn 17). Mietaufwendungen zum Erhalt der Ehewohnung sind bislang in der Rechtsprechung bislang nur sehr vereinzelt berücksichtigt worden.
b) Entscheidet sich der verbleibende Ehegatte nach Ablauf des ersten Trennungsjahres weiterhin für einen Verbleib in der Mietwohnung, stellt sich die Situation als freiwillig dar. Doch erklärt er sich somit einverstanden, nun auch die Mietkosten vollständig zu übernehmen? Frage: ist dies ein ausreichender Umstand, der zu einem Freistellungsanspruch des ausgezogenen Ehegatten gegen den in der Wohnung freiwillig verbleibenden Ehegatten führt? Ein solcher Freistellungsanspruch kann sich allenfalls aus § 426 Abs.1 S.1 BGB ergeben, wenn dies die Ehegatten (zumindest konkludent) im Innenverhältnis bestimmt haben.
In der Trennungsphase hat ein Familienrichter keine Befugnis, in ein bestehendes Mietverhältnis einzugreifen. Damit der ausgezogene Mieter endgültig aus dem gemeinsamen Mietverhältnis ausscheiden kann, muss eine Vereinbarung zwischen allen beteiligten Parteien getroffen werden. Während der Trennung können nur vorläufige Regelungen über die Nutzung der Ehewohnung gemäß § 1361 b BGB gerichtlich festgelegt werden. Ein Verfahren zur Zustimmung zur gemeinsamen Kündigung kann nur in Ausnahmefällen erfolgreich durchgeführt werden.
Die gesetzliche Rechtsfolge gemäß § 1568a Abs. 3 BGB besagt, dass das gemeinsame Mietverhältnis mit der Scheidung weiterhin für den Vermieter gilt, während der ausgezogene Ehegatte daraus ausscheidet. Diese Regelung tritt mit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung in Kraft. Wenn der ausgezogene Ehegatte endgültig aus dem Mietverhältnis ausscheiden möchte, kann er dies dem Vermieter gemäß § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB mitteilen, nachdem ihm die Ehewohnung überlassen wurde. Hier finden Sie einen Mustertext für die Mitteilung an den Vermieter:
Wir – Frau […] und Herr […] – sind aufgrund des mit Ihnen als Vermieter am [DATUM MIETVERTRAG] geschlossenen Mietvertrags gemeinsam Mieter der Wohnung [LEAGEBEZEICHNUNG der MIETWOHNUNG]. Unsere Ehe wurde rechtskräftig geschieden. Wir haben uns bereits geeinigt, dass die bisherige Ehewohnung künftig allein von Frau […] mit 10- und 6-Jahre alten Kindern […] und […] genutzt wird. Herr […] ist aus der Wohnung ausgezogen.
AG Augsburg, Beschluss vom 29.12.2017 – 408 F 2360/17
Private veranlasste Kosten doppelter Haushaltsführung
(Zitat) “Unterhaltsrechtlich unbeachtlich sind, die Geltendmachung von weiteren Fahrtkosten zur Lebensgefährtin nach (…) und die Kosten für eine Doppelmiete. Der Wunsch des Antragsgegners bei seiner derzeitigen Lebensgefährtin leben zu wollen, ist menschlich nachvollziehbar, unterhaltsrechtlich aber unbeachtlich. Die neue Partnerschaft wirkt sich nicht zu Lasten der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin aus. Antragstellerin und Antragsgegnerin sind weiter verheiratet und werden dies noch eine ganze Zeit lang sein. Sie sind im Rahmen der fortbestehenden ehelichen Solidarität zu Unterhaltsleistungen verpflichtet. Diese eheliche Solidarität kann der Antragsgegner nicht durch Aufnahme einer neuen Partnerschaft einseitig aufkündigen bzw. das eheprägende Einkommen reduzieren. Die zusätzlichen Kosten hat der Antragsgegner daher von seinem Anteil an dem ehelichen Einkommen selbst zu decken. Andernfalls würde die Antragstellerin durch die Reduzierung des unterhaltsrechtlichen Einkommens die Beziehung des Antragstellers mitfinanzieren. Das ist mit der ehelichen Solidarität und dem Schutz der Ehe nicht in Einklang zu bringen. Fahrtkosten nach … und die Doppelmiete für die Wohnung in (…) sind daher nach vorläufiger Würdigung nicht in Abzug zu bringen.
Anmerkung: Im vierten Schritt zum unterhaltsrelevanten Einkommen findet die Einkommensbereinigung statt. Schulden können als Abzugsposten berücksichtigt werden, wenn dafür die Abzugskriterien erfüllt sind. Wer aus der ehelichen Mietwohnung auszieht, dafür weiter Miete bezahlt und zusätzlich Miete für seine neue trennungsbedingte Mietwohnung bezahlt, hat hieraus Kostenbelastungen, die über den Rahmen von allgemeinen Lebenshaltungskosten hinausgehen. Für die Bedarfsermittlung nach Einkommensverhältnissen sind Mietschulden grundsätzlich keine berücksichtigungsfähige Abzugsposition vom unterhaltsrelevanten Einkommen. Sie zählen zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten, die im Selbstbehalt berücksichtigt sind und allenfalls bei Prüfung der Leistungsfähigkeit zu Korrekturen des Selbstbehalts führen.
Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden:
Welche Konsequenzen hat die freiwillige Beteiligung an den Mietkosten für einen möglichen Unterhaltsanspruch des in der Wohnung verbleibenden Ehegatten?
Dem verbleibenden Ehegatten wird jedenfalls kein Wohnvorteil wegen mietfreiem Wohnen als fiktives Einkommen zugerechnet. Dieses Phänomen gibt es nur beim mietfreien Wohnen im Eigenheim (Wohnvorteil des Ehegatten). Der ausgezogene Ehegatte kann freiwillige Mietzahlungen auch nicht von seinem Einkommen in Abzug bringen. Denn freiwillige Leistungen sind keine Schulden. Wer dem anderen Ehegatten freiwillig (d. h. ohne rechtliche Verpflichtung) dessen Miete ganz oder teilweise bezahlt, erbringt damit freiwillige Leistungen. Diese können auch nicht mehr nachträglich zurückgefordert werden, denn dem steht § 1360b BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift wird unterstellt, dass nicht beabsichtigt ist, solche freiwilligen Zahlungen zurückzufordern. Über § 1361 Abs.4 S.4 BGB ist dies auch für die Trennungsphase zu beachten.
Praxis-Tipp: Wer freiwillige Mietkostenbeteiligung unterhaltsrechtlich berücksichtigt wissen will, kann nach m. E. die Unterhaltszahlungen in Höhe der freiwilligen Mietzahlung kürzen. Dies gilt jedenfalls so lange, wie der andere Ehegatte dem Abzug vom Unterhalt nicht widerspricht (konkludente Vereinbarung). Sobald dies geschieht, sollte die freiwillige Übernahme der Mietkosten eingestellt und stattdessen der volle Unterhalt zu Händen des Unterhaltsbedürftigen bezahlt werden.
M und F haben sich getrennt. Im gegenseitigen Einvernehmen ist M aus der gemieteten Ehewohnung ausgezogen. F verbleibt in der Ehewohnung. Die Miete für die Wohnung beträgt insgesamt 800,- €. M bezahlt die Miete weiter. In solchen Fällen wird im Innenverhältnis der Ehegatten davon ausgegangen, dass F den M von Mietzahlungen freizustellen hat. Wenn M dennoch nach Auszug aus der Ehewohnung Miete bezahlt, sind dies freiwillige Mietzahlungen, die im Zweifel wegen § 1360b i.V.m. § 1361 Abs.4 S.4 BGB nicht zurückverlangt werden können. Wenn M nach Auszug die Mietkosten für die Ehewohnung weiter bezahlt, sollte er unbedingt klarstellen, dass diese Mietzahlungen auf den Trennungsunterhalt angerechnet werden. Hat F gegen M z. B. einen Anspruch auf Trennungsunterhalt in Höhe von 1.000,– €, dann sollte M die freiwillige Mietzahlung (800.- €) auf die Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt anrechnen und an F lediglich 200,– € (= 1.000,- € – 800,- €) überweisen. Widerspricht F dieser Vorgehensweise, sollte M unverzüglich die Mietzahlungen einstellen und dann 1.000,- € Unterhalt an F überweisen.
Sind beide Ehegatten Mietpartei und ist keine abweichende Bestimmung zur gemeinschaftlichen Mietverpflichtung (§ 426 Abs.1 BGB) festzustellen, bleiben beide Ehegatten bis zur möglichen Kündigung des Mietverhältnisses oder Eintritt des § 1568a BGB auch im Innenverhältnis anteilig zur Zahlung der Miete verpflichtet. Der Verbleib des in der Wohnung zurückgebliebenen Ehegatten stellt sich als eine aufgedrängte Wohnsituation dar. Diese Situation ist meist im ersten Trennungsjahr anzutreffen, weil der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte noch keine neue Wohnung gefunden hat. Die Tatsache, dass die Mietbelastungen zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten zählen, spricht ebenso gegen den Abzug vom Einkommen, wie die Tatsache, dass der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Situation nicht freiwillig herbeigeführt hat. Der ausgezogene Ehegatte muss hier – wohl oder übel – zum einen für seine neue Wohnung Miete bezahlen und sich zusätzlich zu Hälfte an den Mietkosten der ehemaligen Ehewohnung beteiligen. Die trennungsbedingten Zusatzkosten (doppelte Mietbelastung) können sich allenfalls auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auswirken, wenn Anlass für eine Korrektur des Selbstbehalts besteht und andernfalls ein Mangelfall droht. Eine weitergehende unterhaltsrechtliche Korrektur zulasten des Unterhaltsbedürftigen erscheint grundsätzlich nicht angezeigt.
Jetzt erscheint es gerechtfertigt, den in der Wohnung verbleibenden Ehegatten wiederum über das Unterhaltsrecht an der Mietzahlungslast des ausgezogenen Ehegatten zu beteiligen. Rechtstechnisch wird dieses Ergebnis dadurch erreicht, dass es nun dem ausgezogenen Ehegatten gestattet ist, die Mietzahlungen von seinem Einkommen als unterhaltsrelevante Schulden (sog. trennungsbedingte Verbindlichkeit) in Abzug zu bringen.
OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 2004 – 11 WF 195/03
Abzug der Mietzahlungen vom Einkommen als ehebedingte Verbindlichkeit
(Zitat) “Die Antragstellerin hat den Antragsgegner durch den Vermieter auffordern lassen, ab Juli die Hälfte der prägenden Miete für die eheliche Wohnung i.H.v. 513 Euro zu übernehmen. Die Antragsteller meinen, dies könne allenfalls als (teilweise) Deckung ihres Bedarfs berücksichtigt, nicht aber in voller Höhe auf den Unterhalt angerechnet oder gar vorab als ehebedingte Verbindlichkeit abgezogen werden. Zwar trifft es zu, dass Mietkosten grundsätzlich keine ehebedingten Verbindlichkeiten, sondern Kosten der allgemeinen Lebensführung sind, hier ist aber dennoch gerechtfertigt, diese Zahlung wie ehebedingte Verbindlichkeiten einkommensmindernd zu berücksichtigen, denn der Antragsgegner konnte sich dieser Verpflichtung auf Grund seiner gesamtschuldnerischen Mithaftung nicht entziehen. Daher sinkt das anrechenbare Einkommen des Antragsgegners (…)”
OLG Köln, Urteil v. 06.06.2001 – 27 UF 299/00 (FamRZ 2002, 98)
Abzug der Mietzahlungen für die Ehewohnung als ehebedingte Verbindlichkeiten?
Ehegatte verlässt die Mietwohnung nicht und bezahlt keine Mietkosten
(Zitat) “Grundsätzlich sind zwar Mietkosten keine ehebedingten Verbindlichkeiten, die durch Vorabzug zu berücksichtigen sind, sondern Kosten der normalen Lebensführung, die aus dem laufenden Unterhalt zu bezahlen sind (vgl. Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rz. 530). Im Streitfall hat allerdings die Kl. bislang keinerlei Zahlungen auf die Miete erbracht; es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß sie in Zukunft Mietzinszahlungen leisten wird. Vielmehr ist in der Vergangenheit ausschließlich der Bekl. aus dem Mietvertrag für die Miete der Ehewohnung in Anspruch genommen worden; er hat zwischenzeitlich die Mietschulden bis einschließlich Dezember 2000 beglichen. Nach der von ihm im Termin vorgelegten Korrespondenz kann auch ein ernsthafter Zweifel nicht bestehen, daß sich die Vermieterin weiterhin ausschließlich an ihn halten wird. Zwar müssen in der Regel unterhaltsrechtlich anzuerkennende Verbindlichkeiten auch tatsächlich bedient werden; es kann jedoch auch ausreichen, daß eine Zahlungspflicht unmittelbar bevorsteht (vgl. Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 1 Rz. 539). Daß hier die Inanspruchnahme für die laufenden Mietkosten und die Rückstände ab Januar 2001 konkret im Raum steht, ist nach den gesamten Umständen hinreichend dargetan. Daß die Mietzinsverpflichtungen – zumindest vorläufig – auch in entsprechender Höhe weiter entstehen werden, kann unterstellt werden. Die Kl. hat bislang der vom Bekl. angestrebten Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugestimmt; sie hat – insbesondere auch bei ihrer Anhörung vor dem Senat – keine ernstlichen Bemühungen erkennen lassen, aus der für sie mit 110 qm bei weitem zu großen und vor allem nach dem Familieneinkommen mit 1.320 DM einschließlich Nebenkosten deutlich zu teuren Wohnung in eine entsprechend kleinere und preisgünstigere Wohnung zu wechseln. Allein die telefonische Nachfrage bei einer Vermietungsgesellschaft in einem Turnus von drei Monaten reicht als anzuerkennende Bemühung um eine kleinere Wohnung keineswegs aus. In einem derartigen Fall, in dem der Ehegatte ohne nachhaltige Bemühungen für eine kleinere Wohnung in einer nach der Trennung zu teuren Wohnung in dem Bewußtsein der Inanspruchnahme des anderen Ehepartners verbleibt, erscheint es angezeigt, die Mietkosten als Familienlast anzusehen und sie vor der Quotenbildung vom Einkommen des Verpflichteten abzuziehen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 337, m.w.N.).”
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