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Die Frage, mit welchem Wert der bedarfsprägende Wohnvorteil bei der Bedarfsermittlung zum Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen ist, stellt sich beim zweiten Prüfungsschritt zum WOHNWERT. Ob der angemessene oder der objektive Mietwert dem Einkommen hinzugerechnet wird, entscheidet die Rechtsprechung danach, ab welchem Zeitpunkt es dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten zumutbar erscheint, die Wohnung aufzugeben und zu vermieten. Solange dieser Zeitpunkt noch nicht erreicht ist, wird der Wert des Wohnvorteils nach dem angemessenen Wohnwert bestimmt.
Dem liegt folgender Gedanke zugrunde: solange der Auszug nicht zugemutet wird (unfreiwilliger Verbleib in einer für nur einen Ehegatten zu großen Wohnung) kann sich der volle Ansatz des objektiven Mietwerts als sog. “aufgedrängte Bereicherung” darstellen (sog. aufgedrängter Wohnvorteil). Folge: der dem unterhaltsrelevanten Einkommen des in der Wohnung verbleibenden Ehegatten hinzuzurechnende Wohnvorteil ( fiktive Einkunft) bemisst sich nach dem Maßstab des fiktiv angenommenen Wohnbedarfs für eine Person (= angemessener Wohnwert). Damit ist der angemessene Wohnwert grundsätzlich niedriger als der objektive Mietwert. Zur Erhöhung des angemessenen Wohnwerts, wegen gedeckten Wohnbedarfs der Kinder, siehe > Thema Wohnvorteil des Kindes.
Mit welchem Wert das mietfreie Wohnen im > Eigenheim bei der > Einkommensermittlung zu berücksichtigen ist, entscheidet sich danach, ab wann eine Fremdvermietung der Wohnung > zumutbar erscheint. Dies erscheint um so eher der Fall, je weiter sich die > Trennung der Ehegatten verfestigt hat und damit eine Umkehr (> Versöhnung) immer unwahrscheinlicher wird. Der BGH hat hierzu folgende Grundsätze aufgestellt:
BGH, Urteil v. 05.03.2008 – XII ZR 22/06
Maßstab des sog. angemessenen Wohnwerts
(Zitat) “Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste”
Anmerkung: Dies bestätigt BGH, Urt. v. 31. 10. 2012 − XII ZR 30/10. In der Regel kann man schätzen, dass der Betreffende 1/3 seines Einkommens für eine angemessene Miete ausgeben würde. Verdient die Ehefrau also z.B. 1.200 Euro netto, dann kann ihr im ersten Trennungsjahr ein Wohnwert von 400 Euro angerechnet werden. In Ballungszentren, wo die Mieten teurer sind, kann es aber auch mehr als 1/3 des Nettoeinkommens sein.
AG Hamburg, Beschluss vom 14.10.2016 – 273 F 161/16 (intern vorhanden)
Wohnwertermittlung in der Trennungsphase
(Zitat) “Da das endgültige Scheitern der Ehe der Beteiligten durch Rechtshängigkeit des > Scheidungsverfahrens feststeht, bestimmt sich der Wohnwert nach der > objektiven Marktmiete, für den Ansatz des sogenannten > angemessenen Wohnwertes wie von der Antragstellerin vorgebracht ist in diesem Falle kein Raum. Dies gilt auch dann, wenn, wie hier, noch eines der gemeinsamen Kinder in häuslicher Gemeinschaft mit dem die ehemals gemeinsame eheliche Wohnung alleinnutzenden Ehegatten lebt, da der. Ansatz des sogenannten angemessenen Wohnwertes in der Trennungszeit aus Billigkeitsgründen ausschließlich deswegen erfolgt, um nicht wegen einer erforderlich werdenden Verwertung des durch den Auszug des Partners entstehenden sogenannten toten Kapitals eine Versöhnung der Ehegatten zu erschweren. Der Ansatz des angemessenen Wohnwertes erfolgt also nicht im Hinblick auf im Haushalt lebende gemeinsame Kinder und kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Das > Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO im Rahmen des notwendigerweise summarisch bleibenden Anordnungsverfahrens den Wohnvorteil unter Zugrundelegung einer Wohnfläche von 166 qm und eines erzielbaren Mietpreises von € 15,00 pro qm auf € 2.490,00. Hinsichtlich des Mietpreises wurde unter Berücksichtigung, dass es sich bei dem von der Antragstellerin bewohnten Objekt um ein Haus und nicht um eine Wohnung handelt ein Wert knapp unter dem obersten Wert des > Mietenspiegels herangezogen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Wohnwert auch nicht im Hinblick auf das in häuslicher Gemeinschaft mit der Antragstellerin lebende gemeinsame Kind, für das der Antragsgegner Barunterhalt leistet, zu reduzieren. Grundsätzlich erhöht sich vielmehr durch den im > Barunterhalt enthaltenen Mietkostenzuschuss der Wohnwert des mietfrei wohnenden Ehegatten.”
Im Regelfall wird der Bedarf des Ehegatten als sog. > Quotenbedarf ermittelt. Dabei wird der Wohnvorteil dem Ehegatten zum Einkommen hinzugerechnet, der in der Ehewohnung verbleibt. Die Einkommenserhöhung wirkt sich bei der Unterhaltsermittlung (> Prüfungsschema) sowohl auf der Prüfungsebene “Bedarf” als auch auf der Prüfungsebene “Bedürftigkeit” aus. Dementsprechend der Unterhaltsanspruch für den in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten um so geringer ausfallen, je höher ein Wohnvorteil seinem Einkommen hinzugerechnet wird
BGH, Urteil vom 31. 10. 2012 − XII ZR 30/10,
Ab wann ist (beim Quotenbedarf) der objektive Mietwert maßgebend?
(Zitat, Rn 24) “Nach der Rechtsprechung des Senats ist von der Berücksichtigung des vollen Wohnwerts dann abzusehen, wenn die Wohnung gemessen an den Einkommensverhältnissen der Eheleute zu groß ist und eine Pflicht zur Verwertung des Wohneigentums (noch) nicht besteht (Senatsurteile vom 5. März 2008 – XII ZR 22/06 – FamRZ 2008, 963, 965; vom 18. Januar 2012 – XII ZR 177/09 – FamRZ 2012, 514 und BGHZ 154, 247, 254 = FamRZ 2003, 1179, 1182 m.w.N.). Dann ist der Vorteil mietfreien Wohnens nach der Trennung der Parteien nur in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste (Senatsurteil vom 28. März 2007 – XII ZR 21/05 – FamRZ 2007, 879, 880 f.; vgl. Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 479). Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft allerdings nicht mehr zu erwarten, etwa wenn ein Scheidungsantrag rechtshängig ist oder die Ehegatten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe abschließend geregelt haben, sind solche Ausnahmen von der Berücksichtigung des vollen Mietwerts nicht mehr gerechtfertigt (Senatsurteile vom 5. März 2008 – XII ZR 22/06 – FamRZ 2008, 963 Rn. 15 und vom 18. Januar 2012 – XII ZR 178/09).”
Wird wegen > hohem Lebensstandard der Ehegatten der Unterhaltsbedarf > konkret ermittelt, ist der Gedankengang anders: Hier muss der Unterhaltsberechtigte zur Begründung seines individuellen Bedarfs > darlegen, welchen tatsächlichen Wohnbedarf er hat, also stets den nach seinen persönlichen Verhältnissen > angemessenen Wohnbedarf. Erst bei der Prüfungsebene > Bedürftigkeit ist festzustellen, ob die für den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten (jetzt zu große Wohnung) anderweitig (z.B. teilweise) verwertet werden kann. Mehr dazu erfahren Sie
> hier
Die Eheleute wohnten in einem gemeinsamen Eigenheim. Sie sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer der Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 100 qm. Der ortsübliche Mietwert (Kaltmiete) beträgt 7 €/qm. Die Eheleute trennen sich, wobei der Ehemann auszieht. Frage: Wie hoch ist der Wohnvorteil? Ein Wohnvorteil wird demjenigen als fiktives Einkommen zugerechnet, der wegen Wohnen im Eigenheim keine Mietkosten hat. Um den Umfang des Vorteils zu bestimmen, wird die Frage gestellt: was müsste an Miete für das bewohnte Eigenheim bezahlt werden, wenn man nicht Eigentümer der Wohnung wäre? Antwort: 100qm Wohnfläche x 7 €/qm Mietzins = 700 € = tatsächlicher Wohnvorteil Bei Bestimmung des Wohnvorteils im ersten Trennungsjahr wird nicht auf den tatsächlichen Wohnvorteil, sondern auf den angemessenen Wohnvorteil abgestellt. Deshalb lautet die Frage anders, und zwar: Was müsste an Miete für eine Single-Wohnung (d.h. kleinere Wohnung) bezahlt werden, die nach Ausstattung und Wohnraum dem ehelichen Lebensstandard entspricht: Vorliegend darf nach diesem Maßstab eine solche Single-Wohnung 50 qm haben mit einem Mietwert von 7 €/qm. Antwort für angemessenen Wohnwert: 50 qm Wohnfläche x 7 €/qm Mietzins = 350 € = angemessener Wohnvorteil
Ergebnis: Die Ehefrau ist im gemeinsamen Eigenheim verblieben. Bis Ablauf des ersten Trennungsjahrs muss sie sich als fiktive Einkunft einen angemessenen Wohnvorteil in Höhe von 350,- € zurechnen lassen. Dementsprechend erhöht sich ihr unterhaltsrelevantes Einkommen um 350,- €. Nach Ablauf des ersten Trennungsjahrs und auch bei nachehelichem Unterhalt muss sie sich den tatsächlichen Wohnvorteil in Höhe von 700,- € als fiktives unterhaltsrelevantes Einkommen zurechnen lassen.
In Abwandlung des obigen Beispiels ist nun der Ehemann M Alleineigentümer und bleibt nach Trennung seiner Ehewohnung. Ehefrau F zieht aus. Das unterhaltsrelevante Einkommen des Ehemanns beträgt 2.500 € und das der Ehefrau 800,- €. Das Eigenheim wird von M finanziert. An die Bank sind dafür monatlich 700 € Zins- und 100 € an Tilgungsraten zu bezahlen. M trägt die Kreditbelastung alleine. Die Belastungen für das Bankdarlehen sind beim Einkommen des Ehegatten M abzugsfähig.
(Zitat) “Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind vom Wohnwert die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Kosten abzusetzen (Senatsurteil vom 5. März 2008 – XII ZR 22/06 – FamRZ 2008, 963 Rn. 17 ff.). Dazu gehören grundsätzlich auch die Tilgungsleistungen. Dass diese der Vermögensbildung dienen, steht dem nicht entgegen, solange der andere Ehegatte von der Vermögensbildung profitiert. Letzteres ist nicht nur gegeben, wenn der andere Ehegatte Miteigentümer des Grundstücks ist, sondern auch bei bestehendem Alleineigentum, solange sich die Vermögensbildung noch im Zugewinn niederschlägt.”
a) Im ersten Trennungsjahr
Einkommen Ehemann: 2.050,- €reales Einkommen: 2.500 € fiktives Einkommen wegen angemessenen Wohnwert: 350,- € abzgl. Kreditverbindlichkeiten: 800,- € Einkommen Ehefrau: 800,- € Bedarf der Ehefrau: (2.050,- € + 800,- €) x ½ = 1.425,- € Bedürftigkeit der Ehefrau: Bedarf (= 1.425,- €) abzgl. eigenes Einkommen (= 800,- €) = 625,- € Der Unterhaltsanspruch beträgt 625 ,- €
b) Nach Ablauf des ersten Trennungsjahrs bzw. nach Scheidung
Jetzt ist zum einen die Zurechnung des tatsächlichen Wohnvorteils zu beachten. Zum anderen lässt die Rechtsprechung bei den Verbindlichkeiten nicht mehr – ohne weiteres – den Abzug der Tilgungsrate zu. Grund: der Unterhaltsberechtigte soll nicht Nachteile durch die Vermögensbildung des Unterhaltsverpflichteten erfahren. Mehr dazu klicken Sie > hier. Die Rechtsprechung gestattet jedoch Vermögensbildung bis zu einer Höhe von 4% des Jahresbruttoeinkommens jährlich als Altersvorsorge. Hier kann unterstellt werden, dass die jährliche Tilgungsleistungen von 1.200,- € (= 12 x 100,- €/Monat) die Grenze der zulässigen Vermögensbildung zur Altersvorsorge nicht übersteigt. (Näheres dazu siehe “ IMMOBILIE und PRIVATE ALTERSVORSORGE “ Nun ergibt sich folgende Berechnung: Einkommen Ehemann : 2.400,- € reales Einkommen: 2.500 € fiktives Einkommen wegen tatsächlichem Wohnwert: 700,- € abzgl. Kreditverbindlichkeiten: 800,- € (700,- € Zinsen + 100,- € Tilgung als zulässige private Altersvorsorge Einkommen Ehefrau : 800,- € Bedarf der Ehefrau: (2.400,- € + 800,- €) x ½ = 1.600,- € Bedürftigkeit der Ehefrau: Bedarf (= 1.600,- €) abzgl. eigenes Einkommen (= 800,- €) = 800,- € Der Unterhaltsanspruch beträgt 800,- € Leistungsfähigkeit des M: 2.500 (reales Einkommen) minus 700,- (Kredit) minus 800,- € (Unterhalt) = 1.000,- €. Der Selbstbehalt beträgt 1.100,- €. Weil darin aber Mietaufwendungen von 400,- € berücksichtigt sind (vgl. Ziff. 21.4 SüdL), ist der maßgebliche Selbstbehalt 700,- € (= 1.100 € – 400,- €). Dieser ist gewahrt.
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