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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Unterhalt > Einkommen > Einkommen korrigieren > Korrektur wegenüberobligatorischem Einkommen
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Erfahren Sie mehr über überobligatorisches Einkommen – was es ist, wie man es berechnet und wann man verpflichtet ist, Unterhalt zu zahlen.
| Wegweiser zum überobligatorischen Einkommen
Formulare zur Auskunft und zur Ermittlung des Einkommens:
Von Fachanwälten in der Praxis geprüft und empfohlen.
Unterhaltspflichtige berufen sich vielfach darauf, unter besonderen Anstrengungen Einkünfte zu erzielen, die ihnen dann auch – wenigstens zum Teil – verbleiben müssten. Damit ist die Behandlung von Einkünften aus überobligatorischer Tätigkeitangesprochen.
Überobligatorischer Arbeitseinsatz eines Unternehmers?
Viele Unternehmer arbeiten weit mehr als nur 40 Stunden pro Woche. Ist der Unternehmergewinn deshalb unterhaltsrechtlich zu korrigieren, weil er als überobligatorisch eingestuft wird? Die zeitliche Inanspruchnahme einer freiberuflichen Tätigkeit bedeutet nicht automatisch, dass diese das rechtlich geschuldete Maß überschreitet. Dies liegt daran, dass freiberufliche Tätigkeiten nicht an tarifliche Arbeitszeiten gebunden sind und daher eine größere Flexibilität bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitsvolumens ermöglichen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.12.2022 – 1 UF 78/22 -, FamRZ 2023, 776).
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – XII ZB 297/12
Zum Begriff “überobligatorische Tätigkeit”
(Zitat, Rn 12) “Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden (Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 801). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass auch beim Verwandtenunterhalt (§ 1601 BGB) das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist, wenn es auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu Unterhaltszwecken gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstieße(Senatsurteile BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 53 und vom 7. November 1990 – XII ZR 123/89 – FamRZ 1991, 182, 183 f.).”
Anmerkung: Auch beim Verwandtenunterhalt kann das Einkommen des Unterhaltspflichtigen auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruhen (BGH, Beschluss vom 10.7.2013 − XII ZB 297/12). Wird eine Erwerbstätigkeit als überobligatorischqualifiziert, bedeutet das nicht zugleich, dass das daraus erzielte Einkommen komplett nicht unterhaltsrelevant sei. Denn im zweiten Schritt muss geprüft werden, ob und wie weit das daraus erzielte Einkommen unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Erst nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall wird bewertet und festgestellt, ob es sich bei der überobligatorischen Erwerbstätigkeit um eine zumutbare oder eher (unterhaltsrechtlich) unzumutbare Tätigkeit handelt. Je unzumutbarer die Tätigkeit, desto eingeschränkter wird das überobligatorisch erzielte Einkommen berücksichtigt (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 1 Die Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, Rn 802).
| MEHR
>> BEISPIELE<<
Ob und in welcher Höhe überobligatorisches Einkommen bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigen ist, ist ein hochumstrittenes Thema. Eine generelle Faustformel, in welcher Höhe eine Korrektur (Anrechnung) stattzufinden hat, gibt es nicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt immer eine Abwägung aller Umstände im Einzelfall und danach eine Ermessensentscheidung des Tatrichters (Wendl/Dose UnterhaltsR, 10. Auflage, 2019, § 1 Rn. 822). Ein für die Praxis und Streitvermeidung leider keine besonders erfreuliche Erkenntnis. Das Meinungsbild nach Billigkeitsprüfung reicht von “teilweise” zu berücksichtigen bis hin zu “völlig unberücksichtigt” zu lassen. Ein Indiz für volle Anrechnung überobligatorischen Einkommens ist die freiwilligeArbeitsleistung, d.h. aus freien Stücken ohne nachvollziehbare zwingende Gründe, die die Erwerbstätigkeit veranlassen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2004 – XII ZR 121/03). BGH, Beschluss vom 10.07.2013 – XII ZB 297/12, Rn 17: “In welchem Umfang ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, bestimmt der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelfallumstände, die insbesondere der Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit und den Besonderheiten des Unterhaltsverhältnisses angemessen Rechnung trägt. Dabei wird beim Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung überobligatorisch erzielten Einkommens des Pflichtigen eher in Betracht kommen als beim Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte “.
Nach Rechtsprechung wird zur Anrechnung von überobligatorischen Einkommen des Unterhaltsbedürftigen als Beurteilungsmaßstab herangezogen (§ 1577 Abs.2 BGB). Die Vorschrift gilt unmittelbar für Einkommensanrechnung beim nachehelichen Ehegattenunterhalt. Allerdings wird der Rechtsgedanke des § 1577 Abs.2 BGB auf den Trennungsunterhalt, den Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB ebenso angewendet wie beim Verwandtenunterhalt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2004 – XII ZR 121/03). Liest man den Wortlaut des § 1577 Abs.2 BGB, ist man danach genauso schlau, wie vorher. Im Grunde kann der Vorschrift nur entnommen werden, dass es Einkünfte des Unterhaltsbedürftigen gibt, die nicht oder nur zum Teil auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen sind.
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – XII ZB 297/12
Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens
(Zitat, Rn 12) “In welchem Umfang ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, bestimmt der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelfallumstände, die insbesondere der Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit und den Besonderheiten des Unterhaltsverhältnisses angemessen Rechnung trägt. Dabei wird beim Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung überobligatorisch erzielten Einkommens des Pflichtigen eher in Betracht kommen als beim Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte.”
(Zitat): “Im vorliegenden Fall hat B allerdings nicht ihre Erwerbstätigkeit für drei Jahre aufgegeben, wozu sie nach § 1615l BGB [ Kinderbetreuungsunterhalt bei nichtehelichem Kind] berechtigt gewesen wäre. Vielmehr ist sie bis einschließlich Juli 2012 weiter in Vollzeit tätig gewesen und hat ihr bisheriges Einkommen weiterhin erzielt. Diese Erwerbstätigkeit war überobligatorisch. Sie war der nichtehelichen Mutter nur aufgrund der Beschäftigung einer Tagesmutter möglich. Das durch die überobligatorische Tätigkeit erzielte Einkommen kann nicht im vollen Umfang berücksichtigt werden. Der Senat hält es unter entsprechender Anwendung des § 1577 Abs. 2 BGB für angemessen, der nichtehelichen Mutter bei der Berechnung ihres Bedarfs nur die Hälfte ihres zuvor um die Tagesmutterkosten in Höhe von 277 € reduzierten Einkommens zuzurechnen.”
BGH, Urteil vom 13. April 2005 – XII ZR 273/02
Ehegattenunterhalt: Überobligatorisches Einkommen bleibt vollständig unberücksichtigt
Leitsatz: “Erzielt der Unterhaltsberechtigte überobligationsmäßige Einkünfte, ist nur der unterhaltsrelevante Teil des so erzielten Einkommens in die Additions- bzw. Differenzmethode einzubeziehen. Der nicht unterhaltsrelevante Teil bleibt bei der Unterhaltsermittlung vollständig unberücksichtigt (Fortführung der Senatsurteile BGHZ 148, 368 = FamRZ 2001, 1687 und vom 22. Januar 2003 – XII ZR 186/01 – FamRZ 2003, 518).”
BGH, Urteil v. 12.01.2011 – XII ZR 83/08
Ehegattenunterhalt: Überobligatorisches Erwerbseinkommen eines Rentners
Leitsätze: b) Die Anrechnung eines aus überobligatorischer Tätigkeit erzielten Einkommens richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und hat der Überobligationsmäßigkeit Rechnung zu tragen. Eine danach eingeschränkte Anrechnung des Einkommens ist sowohl beim Ehegattenunterhalt als auch beim Kindesunterhaltschon bei der Ermittlung des vom Unterhaltspflichtigen abgeleiteten Unterhaltsbedarfszu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 31.10.2012 – XII ZR 30/10,
Überobligatorische Tätigkeit teilweise berücksichtigt – Regelaltersgrenze – Einzelfallbetrachtung
(Zitat, Rn 15 ff) “Eine vom Unterhaltspflichtigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rente ausgeübte Erwerbstätigkeit ist vielmehr – entsprechend der Lage bei dem Unterhaltsberechtigten – regelmäßig überobligatorisch (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 19 ff. m.w.N.). Diese vom Senat für den nachehelichen Unterhalt aufgestellten Grundsätze gelten auch für den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB.
b) Aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) der Erwerbstätigkeit folgt indessen noch nicht ohne weiteres, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können etwa das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 23 ff. m.w.N.).
c) Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. (…) (Senatsurteile BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 25; vom 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08 – FamRZ 2009, 1990, Rn 19 und vom 14. April 2010 – XII ZR 89/08 – FamRZ 2010, 869, Rn 48).”
Beim Ausbildungsunterhalt gibt es immer wieder die Diskussion, ob Studenten in den Semesterferien arbeiten müssen, um ihren Unterhalt selbst zu decken. Oder ist das eine überobligatorische Tätigkeit?
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Eine regelmäßig vollständige Heranziehung des Einkommens aus einer gemessen an § 1603 Abs. 1 BGB überobligatorischen Erwerbstätigkeit ist nur dann angezeigt, wenn die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB eingreift, wobei in diesem Fall bereits die Erwerbsobliegenheit weiter reicht als beim nicht privilegierten Volljährigenunterhalt und beim Ehegattenunterhalt (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 und OLG Dresden NJW-RR 2003, 364). Im Mangelfall ist demnach regelmäßig auch das Einkommen aus einer nach dem Maßstab des § 1603 Abs. 1 BGB unzumutbaren Erwerbstätigkeit für den Kindesunterhalt einzusetzen, wenn anderenfalls der Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB gefährdet wäre.
(Zitat) “Soweit hingegen die Eingruppierung des Unterhaltspflichtigen in eine höhere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle in Frage steht, muss die Anrechenbarkeit des Einkommens nach Treu und Glauben bereits bei der Ermittlung des angemessenen Bedarfs nach § 1610 Abs. 1 BGB berücksichtigt werden. Denn das Kind leitet – insoweit vergleichbar mit dem Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB – seine Lebensstellung von der des Unterhaltspflichtigen ab. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass der Unterhaltsbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle entsprechend dem der Höhe nach gestaffelten Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen wird. Soweit demnach die Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens nicht mit Treu und Glauben vereinbar wäre, ist schon der Bedarf nur aufgrund des reduzierten Einkommens zu bemessen.”
Anmerkung: Nach der Rechtsprechung wird es nach Treu und Glauben nur zum Teil oder überhaupt nicht angerechnet. Im konkreten Einzelfall ist deshalb zunächst zu prüfen, ob es sich um Einkünfte aus einer nachhaltig erzielten, dauerhaften und damit zumutbaren oder aus einer überobligationsmäßigen, jederzeit beendbaren und damit unzumutbaren Tätigkeit handelt. Trifft letzteres zu, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles in einem zweiten Schritt abzuwägen, ob und wenn ja, in welcher Höhe das überobligatorisch erzielte Einkommen für die Unterhaltsberechnung herangezogen wird.
Einen Hinweis, wann Überstunden zu überobligatorischem Einkommen führen, gibt > Ziff. 1.3 SüdL: Schichtzulagen und Überstunden werden dann voll als unterhaltsrelevantes Einkommen berücksichtigt, wenn diese auf Veranlassung des Arbeitgebers typischerweise in dem Beruf bzw. Branche zu leisten sind. Kann keineÜblichkeit in diesem Sinne angenommen werden, sind (Sonder-) Einkünfte wegen Überstunden nicht unterhaltsrelevant. Das Unterhaltsrecht orientiert sich also auch hier an der Frage, ob Überstunden im individuellen Einzelfall überobligatorisch erbracht wurden oder nicht. Pauschale Aussagen zur Berücksichtigung von Überstundenvergütungen sind nicht möglich. Zahlungen vom Arbeitgeber, die als Reisekosten oder > Spesen bezahlt werden, werden mit einem Pauschalsatz von 30 %als unterhaltsrelevantes Einkommen berücksichtigt (> mehr).
Die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen kann als ganz oder teilweise überobligatorischbewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist. Wer sich aber gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will (> Erwerbsminderungsgrund), muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben und hat ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken.
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – XII ZB 297/12
Überobligatorische Erwerbstätigkeit der Eltern beim Kindesunterhalt
(Zitat, Rn 12) “Es ist ferner in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen auch dann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 1034; AG Flensburg FamRZ 2008, 1626; MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1578, Rn 106; Reinken in BeckOK BGB [Stand: Mai 2013] § 1602, Rn 43; jurisPK-BGB/Clausius [Stand: Juni 2013] § 1578, Rn 9).”
BGH, Beschluss vom 21.10.2020 – XII ZB 201/19
Überobligatorische Erwerbstätigkeit bei Krebserkrankung
Beweis- und Darlegungslast
(Zitat, Rn 34 ff) “Auch begegnet die durch das Oberlandesgericht für das Jahr 2017 erfolgte Bemessung des Einkommens des Antragsgegners im Hinblick auf seine Krebserkrankung mit zwei Dritteln seiner bereinigten Einkünfte rechtlichen Bedenken. Allerdings kann das aus einer überobligatorischen Tätigkeit erzielte Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach der Rechtsprechung auch beim Kindesunterhalt teilweise anrechnungsfrei bleiben. Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine oder nur eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden oder zu reduzieren (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 -XII ZB 201/16). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass auch beim Verwandtenunterhalt (§ 1601 BGB) das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist, wenn es auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu Unterhaltszwecken gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstieße (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 -XII ZB 297/12). Es ist ferner in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen auch dann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist. Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben und hat ferner darzulegen , inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 -XII ZB 297/12). Diesen Anforderungen genügt die vom Oberlandesgericht gegebene Begründung nicht. Es hat sich darauf beschränkt festzustellen, dass der Antragsgegner seit Dezember 2016 an Krebs erkrankt und laut einem ärztlichen Attest bis Ende 2017 nicht arbeitsfähig gewesen ist. Das Oberlandesgericht ist von der Prämisse ausgegangen, dass der Antragsgegner den Krankheitsverlauf und die durchgeführten Therapiemaßnahmen nicht näher dargelegt hat. Entsprechende Feststellungen wären aber nach den dargestellten Maßgaben erforderlich gewesen, zumal der Antragsgegner nach den getroffenen Feststellungen gerade im Jahr 2017 überdurchschnittlich gut verdient hat.”
Erwerbstätigkeit über die Regelaltersgrenze (zur stufenweisen Anhebung auf 67 > hier) hinaus, kommt häufig bei selbständigen Unternehmern vor. Somit stellt sich die Frage, ob hier Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze erwirtschaftet werden, zur Annahme von überobligatorischenEinkünften führt; wenn ja, in welchem Umfang (zum Freiberufler OLG Karlsruhe). Der BGH gibt kein allgemein gültiges Raster vor: Er stellt auf die Umstände des Einzelfalls (Alter, körperliche und geistige Belastungen etc.) nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ab. Ob diese Einkünfte etwa den Bedarf an Ehegattenunterhalt prägen können, wird auch danach zu entscheiden sein, ob die Ehegatten nach ihren ehelichenLebensverhältnissen auf ein weiteres Erwerbseinkommen nach Erreichen der Regelaltersgrenze eingestellt haben (Thema: Nacheheliche Einkommensentwicklung & Bedarf).
BGH, Urteil vom 12.01.2011 – XII ZR 83/08
Überobligatorische Tätigkeit wegen Erreichen der Regelaltersgrenze – selbständige und unselbständige Tätigkeit
Leitsätze: Eine vom Unterhaltspflichtigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rente ausgeübte Erwerbstätigkeit ist – entsprechend der Lage für den Unterhaltsberechtigten – sowohl hinsichtlich des Ehegattenunterhalts als auch des Kindesunterhalts regelmäßig überobligatorisch. Hierfür ist es unerheblich, ob der Unterhaltspflichtige abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist.
Die Anrechnung eines aus überobligatorischer Tätigkeit erzielten Einkommens richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und hat der ÜberobligationsmäßigkeitRechnung zu tragen. Eine danach eingeschränkte Anrechnung des Einkommens ist sowohl beim Ehegattenunterhalt als auch beim Kindesunterhalt schon bei der Ermittlung des vom Unterhaltspflichtigen abgeleiteten Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen.
Anmerkung: Grundsätzlich ist der Unterhaltspflichtige nicht gehalten, nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterhin erwerbstätig zu sein. Die Berücksichtigung dieser Einkünfte bei der Unterhaltsberechnung muss daher gerechtfertigt sein. Es kommt hierbei auf die Umstände des Einzelfalles an. Nach der Entscheidung des BGH sind solche Umstände das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse.
AG Saarbrücken, Beschluss vom 22.11.2019 – 52 F 180/14 (intern vorhanden)
Überobligatorische Tätigkeit eines Angestellten nach Erreichen der Regelaltersgrenze
(Zitat) “Wird über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus jedoch eine Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt, so handelt es sich regelmäßig um eine sog. überobligatorische Tätigkeit. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil als Arbeitnehmer tätig war oder ist, oder ob er selbständig war oder ist. (Viefhues, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 1603 BGB, Rn. 65). Aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) der Erwerbstätigkeit folgt indessen noch nicht ohne weiteres, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können etwa das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 23 ff. m.w.N.).”
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2011 – 2 UF 45/09
Überobligatorische Tätigkeit eines Freiberuflers wegen Erreichen der Regelaltersgrenze
Leitsatz: Die von einem niedergelassenen Arzt nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte freiberufliche Tätigkeit ist unterhaltsrechtlich überobligatorisch. Das hieraus erzielte Erwerbseinkommen kann nach den Umständen des Einzelfalls bei der Berechnung des > Kindesunterhalts zu 50 % anzurechnen sein.
Hinweis: Das Erreichen der Regelaltersgrenze bietet Anlass und Grund über die > Abänderung eines bisher bestehen Unterhaltstitels wegen veränderter Bedarfs- und Einkommensermittlung nachzudenken (vgl. dazu OLG Koblenz, Beschluss vom 18.06.2014 – 9 UF 34/14).
Man könnte auf die Idee verfallen, ein Schwerbehindertenausweis reicht aus, um die Gerichte davon zu überzeugen, man leiste als Schwerbehinderter stets überobligatorische Arbeit leistet, wenn man diese Vollzeit ausübt. Dies ist nicht der Fall. Wer sich auf überobligatorische Tätigkeit wegen körperlichen Gebrechen oder Krankheit berufen will, muss hierzu die Darlegungs- & Beweislasten erfüllen, die den Einwand rechtfertigen, dass eine Erwerbsobliegenheit zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit wegen Schwerbehinderung nicht besteht.
OLG Köln, Beschluss vom 10. Januar 2013 – 4 UF 164/12
Schwerbehinderung & überobligatorische Tätigkeit
(Zitat) „Den Senat überzeugt die auch in der Beschwerdeinstanz wiederholte Auffassungder Antragstellerin, lediglich der hälftige Betrag dieser tatsächlichen Einkünfte sei unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, weil sie mit einem Grad von 60 mit dem Merkzeichen “G” als schwerbehindert anerkannt und deshalb überobligatorischerwerbstätig sei, nicht. Eine vom zuständigen Versorgungsamt erteilte Bescheinigung über die Schwerbehinderung einer Person ist nicht aussagekräftig hinsichtlich der Beantwortung der maßgeblichen Frage, ob diese infolge physischer und/oder psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, einer Vollerwerbstätigkeit nachzugehen. An diesbezüglichen verifizierbaren Angaben der Antragstellerin, die konkrete Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit vollschichtiger Erwerbstätigkeit nahelegen könnten, fehlt es. Zu berücksichtigen ist auch die Förderung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte und die gesetzlich vorgegebene Rücksichtnahme auf die Arbeitsbedingungen entsprechender Personen.“
Es gibt Rechtsprechung, wonach Einkünfte aus Auslandseinsätzen in gefährlichen Regionen nur zum Teil unterhaltsrelevant angesetzt werden, weil sie als überobligatorisch eingestuft werden. Eine der Leitentscheidungen dafür ist BGH, Urteil vom 18. April 2012, XII ZR 73/10. Dazu wird zu Auslandsverwendungszuschlägenfolgendes erklärt: Auslandsverwendungszuschläge sind nicht in voller Höhe zum unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommen zu rechnen, wenn sie besonderepersönlich treffende (immaterielle) Belastungen ausgleichen sollen ist. Als immaterielle Belastungen kommen in Betracht
Nach BGH ergibt sich daraus und dem daraus festzustellenden Ausmaß, ob und in welchem Umfang es gerechtfertigt erscheint, (speziell Soldaten im Auslandseinsatz) einen Teil des Zuschlags als Ausgleich hierfür anrechnungsfrei zu belassen. Ein weiterer Punkt und Voraussetzung für eine überobligatorische Tätigkeit ist der Umstand, dass der Auslandseinsatz freiwillig und nicht nach Maßgabe des Anstellungsverhältnisses von Anfang an verpflichtend war. So erkennt u.a. das OLG Dresden, Urteil vom 10.10.2013 – 22 UF 818/12 eine überobligatorische Tätigkeit nur an, wenn diese als freiwilliger Sondereinsatz im Rahmen eines bestehenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses erfolgte.
OLG Koblenz, Beschluss vom 28.3.2019 – 13 UF 580/18
Auslandszulagen eines Berufssoldaten
Anmerkung: Nach Rspr. und Lit. erhöhen Auslandszulagen regelmäßig das Einkommen, wobei die Berücksichtigung jeweils auf ein Drittel bzw. die Hälfte beschränkt sei, da die Zahlungen auch Ausgleich für materielle Zusatzausgaben, immaterielle Entbehrungen und Gefahrenausgleich darstellten. Die Zulagen eines bereits beendeten Einsatzes hat lediglich das OLG Stuttgart (FamRZ 2002, 820) berücksichtigt und einkommenserhöhend auf einen Zeitraum von 5 Jahren verteilt. Die anderen OLG hätten die Zulagen jeweils nur im Jahr des Erhalts anteilig berücksichtigt. Die Entscheidung des OLG Koblenz betrifft die Berücksichtigung von Zulagen beendeter Auslandseinsätze. Das OLG Koblenz nimmt zu der Frage Stellung, ob erhaltene Zulagen (anteilig) – wie bei > Abfindungen üblich – über einen mehrj. Zeitraum zu verteilen sind. Dies lehnt das OLG Koblenz ab: es verweist auf die unterschiedlichen Zweckrichtungen von Abfindungszahlungen – auch auf die Zukunft gerichtete Kompensation – und Auslandszulagen – Ausgleich gegenwärtiger Beeinträchtigungen.
BGH, Urteil vom 18.4.2012 – XII ZR 73/10
zum Auslandsverwendungszuschlag eines Berufssoldaten in Afghanistan
OLG Dresden, Urteil vom 10.10.2013 – 22 UF 818/12
zum Auslandsverwendungszuschlag (§ 3 Abs.1 AuslVerwVO) eines Kriminalbeamten
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