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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Unterhalt > Einkommen ermitteln > geldwerte Vorteile > Wohnvorteil > Wohnwert ermitteln
Es gibt verschiedene Aspekte und komplexe Fragen, die im Zusammenhang mit dem Wohnvorteil stehen. Wir helfen Ihnen gerne weiter und beraten Sie kompetent. Nehmen Sie für eine professionelle Unterhaltsberechnung noch heute Kontakt mit uns auf.
Verstehen Sie besser, wie Ehegatten- und Kindesunterhalt im Zusammenhang mit mietfreiem Wohnen funktioniert.
| Wegweiser zum Wohnvorteil und Unterhalt
Formulare zum Einkommen und zur Auskunft:
Von Fachanwälten in der Praxis geprüft und empfohlen.
BGH, Beschluss vom 19. März 2014 – XII ZB 367/12
Zum wirtschaftlichen Vorteil des mietfreien Wohnens
(Zitat, Rn 16) „Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch seine Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen bestimmt, die er aus seinem Vermögen zieht. Dazu können auch die Gebrauchsvorteile eines Eigenheims (= Wohnvorteil zählen, denn durch das Bewohnen eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung entfällt die Notwendigkeit der Mietzahlung, die in der Regel einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ausmacht (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 5. März 2008 – XII ZR 22/06 FamRZ 2008, 963 Rn. 11 mwN).”
Anmerkung: Wer in einer eigenen Immobilie wohnt, hat keine Mietaufwendungen. Ihm steht damit mehr Einkommen für anderweitigen Konsum zur Verfügung. Den daraus resultierenden wirtschaftlichen Vorteil nennt man Wohnvorteil, der für unterhaltsrechtliche Zwecke mit einem sog. Wohnwert beziffert wird. Dabei besteht der Wohnwert/Wohnvorteil sowohl bei Allein- als auch bei Miteigentum der Immobilie, ebenso bei Gütergemeinschaft, Nießbrauch oder einem unentgeltlichen, dinglichen oder gar schuldrechtlichen Wohnrecht (Wendl/Dose-Gerhard, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 1 Rn. 474 mwN).
Formulare zum Einkommen und zur Auskunft
Von Fachanwälten in der Praxis geprüft und empfohlen.
Unterhaltsrelevantes Einkommen:
Das Unterhaltsrecht sieht bei denjenigen, die mietfrei wohnen, gegenüber Personen, die Mietaufwendungen oder Nutzungsentschädigung für ihren Wohnbedarf bezahlen, einen wirtschaftlichen (geldwerten) Vorteil. Denn die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle gehen von dem Regelfall aus, dass Mietkosten üblicher Bestandteil der allgemeinen Lebenshaltungskosten sind (> im Selbstbehalt einkalkulierte Wohnkosten). Wer sich aus rechtlichen Gründen (z.B. Eigentum, Nießbrauch oder sonstiges Wohnrecht) Wohnkosten erspart, dem ist im Rahmen der Einkommensermittlung ein geldwerter Vorteil zuzurechnen (> Effekte des mietfreien Wohnens). Wem der Wohnvorteil nicht aus rechtlichen Gründen zusteht, sondern Wohnraum von Dritten freiwillig zur Nutzung überlassen wird, muss sich keinen Wohnvorteil zum Einkommen zurechnen lassen.
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Steuerrelevantes Einkommen:
Der sog. Wohnvorteil ist kein steuerbares Einkommen. Denn dieser lässt sich keiner der sieben maßgebenden Einkunftsarten zuordnen. Darin unterscheidet sich ein Wohnvorteil vom geldwerten Sachbezug (z.B. privat genutzter Geschäftswagen), der auch einkommenssteuerrelevant ist. Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien erklären zwar, dass der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im Eigenheim als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln ist. Fazit: Der Wohnvorteil ist dem realen Netto-Einkommen hinzuzurechnen.
Von der Zurechnung eines sog. Wohnvorteils kann sowohl der Unterhaltsschuldner als auch des Unterhaltsgläubiger betroffen sein; je nachdem, wer mietfrei wohnt. Der Wohnvorteil erhöht das unterhaltsrelevante Einkommen (> fiktives Einkommen) oder ist als Ersparniseffekt beim Selbstbehalt zu berücksichtigen (> Effekte des mietfreien Wohnens). Beim Kindesunterhalt kann der Wohnvorteil der Eltern und der Wohnvorteil der Kinder eine Rolle spielen. Beim Ehegattenunterhalt, wenn die Ehegatten im Eigenheim gelebt haben. Meist wird das Eigenheim im Miteigentum beider Ehegatten stehen, wobei einer der Ehegatten trennungsbedingt das Haus verlässt ( > Wohnungszuweisung). Der im Haus bleibende Ehegatte hat seinen Unterhaltsbedarf z.T. durch das (weiterhin) mietfreie Wohnen gedeckt. Dies wird über die Zurechnung des Wohnvorteils berücksichtigt. Diese Regelungstechnik bewirkt quasi einen finanziellen Ausgleich für die mietfreie Überlassung des Miteigentums. Nur solange Ehegattenunterhalt bezahlt wird, kann die Mitbenutzung des Miteigentumsanteils des einen Ehegatten an dem Anwesen über einen Ansatz des Wohnvorteils aufseiten des anderen Ehegatten berücksichtigt werden. Danach besteht ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung oder für den Fall der Scheidung ein Anspruch auf Abschluss eine entgeltlichen Mietvertrages (§ 1568a Abs.4 BGB).
Die OLG`s haben Leitlinien zur Einkommensermittlung veröffentlicht, um als Orientierungshilfe und der Eindämmung ausufernder Einkommensdebatten zu dienen. Für den süddeutschen Raum finden Sie Hinweise zum Wohnvorteil in
Ziff. 5 SüdL (Text)
“Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Bei der Bemessung des Wohnvorteils ist auszugehen von der Nettomiete, d.h. nach Abzug der auf einen Mieter nach § 2 BetrKV umlegbaren Betriebskosten. Hiervon können in Abzug gebracht werden der berücksichtigungsfähige Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten und solche Kosten, die auf einen Mieter nicht nach § 2 BetrKV umgelegt werden können. Auszugehen ist vom vollen Mietwert. Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt in der Regel für die Zeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in Betracht.”
Weiter interessiert verheiratete Immobilienbesitzer die Frage, was mit gemeinsamen Immobilienkrediten ab Trennung geschieht. Die gemeinsame Immobilie der Ehegatten im Fall der Trennung und Scheidung ist nur eine von vielen Facetten, welche die Wohnvorteil-Debatte zu bieten hat.
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Der Bedarf beim Ehegattenunterhalt orientiert sich an den ehelichen Lebensverhältnissen. Diese werden durch das Einkommen der Ehegatten geprägt. Haben die Ehegatten mietfrei im Eigenheim gewohnt, spiegelt sich der zu deckende (eheprägende) Wohnbedarf der Ehegatten wertmäßig im objektiven Mietwert der Ehewohnung wider. Hierfür (= zur Deckung des Wohnbedarfs der Ehegatten) musste das eheliche Einkommen nicht verwendet werden. Um hier den ehelichen Ehegattenbedarf zu ermitteln, ist der Wohnvorteil als bedarfsprägendes Einkommen, also auf der Prüfungsebene Bedarf zu berücksichtigen.
Beim Kindesunterhalt ist zunächst festzustellen, ob ein Wohnvorteil dem barunterhaltspflichtigen Elternteil oder dem unterhaltsberechtigten Kind sich zuzurechnen ist. Der Wohnvorteil aufseiten des unterhaltspflichtigen Elternteils hat Einfluss auf die Bedarfsermittlung des Kindesunterhalts und Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Elternteils. Lebt das unterhaltsberechtigte Kind mietfrei, stellt sich die Frage, wie der Wohnvorteil des Kindes unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist.
Die Prüfungsschritte zur Höhe des Wohnvorteils
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BGH, Urteil v. 22.04.1998 – XII ZR 161/96
Wohnvorteil prägt die ehelichen Lebensverhältnisse
(Zitat) “Zunächst hat das OLG zwar zutreffend auf die für den Unterhaltsbedarf der Kl. maßgeblichen ehel. Lebensverhältnisse der Parteien abgestellt, die außer durch die beiderseitigen Einkünfte auch durch die Gebrauchsvorteile der Eigentumswohnung – im Umfang der seit der Trennung der Parteien noch geübten teilweisen Nutzung – geprägt worden seien. (…) Zusätzlich sind bei der Bestimmung der ehel. Lebensverhältnisse die Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB) zu berücksichtigen, die die Parteien dadurch gehabt haben, daß sie die ihnen gehörende Eigentumswohnung mietfrei genutzt haben. (…) Insoweit verwirklichen sich, soweit es um die Nutzung der Ehewohnung geht, die ehel. Lebensverhältnisse seit der Trennung der Parteien in Form eines (…) Gebrauchsvorteils als bedarfsprägender Wohnwert“.
Anmerkung: Beim Ehegattenunterhalt indiziert regelmäßig das reale Gesamteinkommen den Bedarf der Ehegatten. Die ehelichen Lebensverhältnisse spiegeln sich auch in den individuellen ehelichen Wohnverhältnissen. Die Tatsache, dass die Ehegatten vor der Trennung gemeinsam mietfrei im Eigenheim wohnten, prägt den Bedarf (so der > BGH ). Leben die Eheleute bis zur Trennung mietfrei im eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung, wird der Wohnvorteil des mietfreien Wohnens als (fiktives) Einkommen dem Gesamteinkommen der Ehegatten hinzugerechnet wird. Beträgt z.B. der Mietwert der Ehewohnung 1.200,- €, wird dieser dem Gesamteinkommen der Ehegatten hinzuaddiert. Im Endergebnis ergibt sich nach Halbteilungsgrundsatz ein monetärer individueller Wohnbedarf pro Ehegatte in Höhe von 600,- € (= ½ x 1.200,- €). Die Bedarfsermittlungsmethode beim Ehegattenunterhalt macht sich somit den Einkommenseffekt des mietfreien Wohnens zu Nutze.
Eine interessante Frage, die uns im Rahmen einer Beratung gestellt wurde: Können nacheheheliche Mietwertsteigerungen den nachehelichen Unterhaltsbedarf verändern (erhöhen)? Wenn der bedarsfprägende Wohnwert sich stets nach dem aktuellen objektiven Mietwert bestimmt, dann entwickelt sich die Höhe des Wohnwerts dirket proportional zur Marktentwicklung der Mietpreise. Die Lösung ist mit den Grundsätzen zur Bedarfsermittlung bei nachehelichen Einkommenssteigerungen zu suchen.
Wie werden die Fälle behandelt, in denen es zu Zeiten der intakten Ehe keinen Wohnvorteil gab, weil einer der Ehegatten erst nach der Scheidung im Eigenheim mietfrei wohnt (z.B. bedürftiger Ehegatte erbt nach Scheidung ein Haus und nutz dieses für eigene Wohnzwecke)? Ein nachehelicher Wohnvorteil bestimmt nicht die > ehelichen Lebensverhältnisse. Deshalb wird er nicht bei der > Bedarfsermittlung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt. Der nacheheliche Wohnvorteil wird ausschließlich auf der > dritten Prüfungsebene (= “Bedürftigkeit“) oder beim Unterhaltsschuldner auf der > vierten Prüfungsebene (= “Leistungsfähigkeit“) zugerechnet.
Während des Zusammenlebens der Eheleute in einer Mietwohnung unterhaltsrelevantes Einkommen (UE) des Ehemann : 2.500,- €; UE der Ehefrau: 500,- €. Nach der Scheidung erbt die Ehefrau ein Haus mit einem obj. Wohnwert in Höhe von 500,- € und nutzt dieses für eigene Wohnzwecke. Wie hoch ist der nacheheliche Unterhalt der Ehefrau?
Bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres wird es dem im Eigenheim verbleibenden Ehegatten grundsätzlich nicht zugemutet, die Wohnung zu verlassen und stattdessen die Wohnung ertragsbringend zu vermieten. Deshalb wird in dieser Phase dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten als > fiktives Einkommen nicht der obj. Wohnwert, sondern der sog. angemessene Wohnwert zugerechnet. Die Differenz zwischen dem > obj. Wohnwert und dem > angemessenen Wohnwert wird auch als “aufgedrängter“ Wohnvorteil bezeichnet. Mehr dazu
> hier .
KG Berlin, Beschluss vom 04.07.2016 – 25 UF 97/15
(intern vorhanden, Az. 128/15)
Zum Wohnwert des Ehegatten in der Trennungsphase
(Zitat) “Ob sich dieser nach dem objektiven Mietwert der genutzten Immobilie bemisst oder nur in Höhe eines angemessenen Wohnwertes besteht, hängt maßgeblich davon ab, ob er gehalten war, die Immobilie anderweitig zu verwerten. Beim Ehegattenunterhalt kann eine Verwertung der Immobilie von einem Ehegatten vor dem endgültigen Scheitern der Ehe (regelmäßig vor Zustellung des Scheidungsantrags) mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden. Daher ist der Wohnvorteil in dieser Zeit nur in einer Höhe in Rechnung zu stellen, wie es sich für eine Wohnungsnutzung des in der Ehewohnung allein verbliebenen Ehegatten als angemessen darstellt. Der Gebrauchswert der – für den die Wohnung weiter nutzenden Ehegatten ggfl. zu großen – Wohnung ist deswegen regelmäßig danach zu bestimmen, welchen Mietzins er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende, angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. Der > volle Wohnvorteil kommt grundsätzlich erst dann zum Tragen, wenn mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu rechnen ist (BGH FamRZ 2014,923; BGH FamRZ 2008, 963). (…) Der > angemessene Wohnwert bestimmt sich jedenfalls beim Trennungsunterhalt danach, was der in der zu groß gewordenen Ehewohnung verbliebene Ehegatte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende, angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste (vgl. BGH FamRZ 2014, 923; BGH FamRZ 2008, 963; BGH FamRZ 2007, 879)” .
Dabei wird der Wohnvorteil sowohl auf der Bedarfsebene als auch auf der Bedürftigkeitsebene stets mit dem gleichen Betrag berücksichtigt:
Für die Zurechnung des Wohnvorteils spielen die Eigentumsverhältnisse an der Wohnung keine Rolle . Entscheidend ist für die Zurechnung eines Wohnvorteils allein die Tatsache, dass der im Eigenheim verbleibende Ehegatte die Wohnung mietfrei nutzt . Die Frage der Vermögenszuordnung, ob das Eigenheim dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten allein, beiden oder dem anderen Ehegatten gehört hat für die Zurechnung des Nutzwertes der Wohnung keine Bedeutung. Erst bei der Frage, ob Zins und Tilgung des Immobilienkredits als > Abzugsposten bei der Einkommensbereinigung zu berücksichtigen sind, spielen die Eigentumsverhältnisse eine Rolle (siehe > Immobilienkredit nach Trennung).
Befindet sich das Eigenheim, in dem ein Ehegatte nach der Trennung verbleibt, im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten, wird immer wieder danach gefragt, ob neben der des > Wohnvorteils zum Einkommen zusätzlich dem ausgezogenen Ehegatten eine > Nutzungsentschädigung dafür zusteht, dass der andere Ehegatte seinen Miteigentumsanteil ” kostenlos” nutzt . Das ist nicht der Fall: Entweder wird der mietfreie Verbleib des Ehegatten durch Zurechnung eines Wohnvorteils erfasst oder ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung kommt in Betracht (> Nutzungsentschädigung contra Wohnvorteil). Die Nutzungsentschädigung kann als ” Mietzinsersatz” verstanden werden. Die Zurechnung eines Wohnvorteils setzt aber gerade voraus, dass keine ” Miete” bezahlt wird. Nutzungsentschädigung und Wohnvorteil schließen sich denknotwendig gegenseitig aus. Mehr dazu
> hier
Mit Hilfe der Surrogat-Theorie werden nacheheliche Einkommensentwicklungen dem eheprägenden Einkommen zugerechnet.
BGH, Urteil vom 5. Mai 2004 – XII ZR 10/03
Mietfreies Wohnen des Ehegatten in der ehemaligen Ehewohnung
Die Entscheidung ist nicht nur ein Beispiel für die Anwendung der > Surrogat-Theorie. Auf Seite 11 der Entscheidung zeigt der BGH, wie der Wohnvorteil der Ehefrau, die mit den Kindern nach Trennung im Eigenheim bleibt, auf der dritten Prüfungsebene (> Bedürftigkeit) zur Kürzung ihres Bedarfs an > Trennungsunterhalt führt. Die Rechtsprechung zur Surrogat-Theorie und Wohnvorteil hat der BGH fortgesetzt (BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 721/12 im Anschluss an BGH, vom 1. Oktober 2008 – XII ZR 62/07).
BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 721/12
In vielen Fällen verbleibt ein Ehegatte nach der Scheidung im ehemaligen Familienheim, das während der Ehezeit sich im Miteigentum der Ehegatten befand. Im Zuge der Vermögensauseinandersetzung zwischen den Ehegatten übernimmt ein Ehegatte (Erwerber) vom anderen Ehegatten (Veräußerer) die Immobilie zum Alleineigentum. Dabei stellt sich die Frage, welche Folgen dies für den Ehegattenunterhalt wegen Veränderungen beim zurechenbaren Wohnvorteil hat.
Nach Auffassung des BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 721/12, gelten folgende Grundsätze:
Im Ergebnis erhöht sich das unter haltsrelevante Einkommen des in der Wohnung verbliebenen Ehepartners auf den vollen Wohnwert des früheren Familienheims, abzüglich des hierfür aufgenommenen Darlehens. Das Gleiche gilt im umgekehrten Sinne für den gewichenen Ehepartner, der mit Hilfe des Verkaufserlöses aus seinem Miteigentumsanteil eine neue Wohnung erworben hat. Nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind zur Bemessung des Wohnvorteils davon auch die Tilgungen auf den Immobilienkredit in Abzug zu bringen (BGH FamRZ 2017, 519; FamRZ 2018, 1506 ff Rz. 31; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. Juni 2020 – 20 UF 83/19 –, Rn. 70, juris).
Erwerb des Alleineigentums nach Scheidung
mithilfe eines neuen Immobilienkredits :
Kann durch eine Kreditaufnahme nach der Scheidung durch den erwerbenden Ex-Ehegatten dessen unterhaltsrelevantes Einkommen nun um die neuen Tilgungsleistugen (> nach neuer Rechtsprechung ) bereinigt werden? Diese Frage ist auf Grundlage der neuen Rechtsprechung zum Abzug der Tilgungen noch nicht entschieden, soweit wir das überblicken können. Der Entscheidung des BGH (FamRZ 2018, 1506 ff Rz. 31) zum nachehelichen Unterhalt und Wohnvorteil lag nicht der – hier interessierende – Sachverhalt zu Grunde, dass eine kreditfinanzierte Miteigentumsübertragung zwischen Ehegatten nach der Scheidung stattfindet. Nach alter Rechtsprechung galt:
Steht eine Immobilie im Miteigentum der Eheleute und kauft der eine Ehegatte dem anderen Ehegatten seinen Hälfte-Anteil nach der Trennung ab, so ist – wie einer Veräußerung an einen Dritten – bei einem Ehegatten der volle Wohnwert abzüglich der Zinsen aus den Hausschulden und den Zinsen des für die Veräußerung an den Ehegatten aufgenommenen Darlehens, und bei dem anderen Ehegatten die erzielten oder erzielbaren Zinsen aus dem Erlös als in der Ehe angelegt beim Bedarf anzusetzen (BGH, Beschluss vom 05.03.2008, XII ZR 22/06-, juris, Rz.13; BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 721/12, juris, Rz.11). Die Tilgung bestehender Hausschulden sowie des neu aufgenommenen Darlehens sind als einseitige Vermögensbildung nicht zu berücksichtigen, es sei denn es handelt sich um eine zusätzliche Altersvorsorge (BGH aaO). Der Ansatz des vollen Wohnwerts beim erwerbenden Ehegatten entspricht den realen Verhältnissen und rechtfertigt sich durch die Berücksichtigung der zusätzlichen Zinsen aus dem Übernahmedarlehen, womit praktisch ausgeglichen wird, dass beim anderen Ehegatten bereits für eine Haushälfte Zinsen als Surrogat angesetzt werden (AG Köln, Beschluss vom 02. Februar 2017 – 321 F 9/15 –, Rn. 102, juris).
Es kann die Ansicht vertreten werden, dass die Tilgungsleistungen nicht vom Einkommen des erwerbenden und unterhaltsbedürftigen Ex-Ehegatten bei der Bedarfsermittlung in Abzug kommen können, denn im Ergebnis würde dadurch der veräußernde unterhaltspflichtige Ex-Ehegatte über höhere Unterhaltsleistung die einseitige Vermögensbildung des anderen Ex-Ehegatten und (jetzt) Alleineigentümer der Immobilie durch Tilgung des neuen Immobilienkredits mitfinanzieren. Der Bedarf an nachehelichen Unterhalt würde sich durch die Berücksichtigung des neuen Kredits nach Rechtskraft der Scheidung erhöhen. Das Ergebnis erscheint uns unbillig. Die neue Kreditaufnahme ist nicht in der Ehe angelegt , sondern sie erfolgte nach Rechtskraft der Scheidung.
Andererseits gilt nach BGH zwischenzeitlich die Ansicht, dass Zins- und Tilgungsleistungen auf ein Immobiliendarlehen der Preis für das mietfreie Wohnen sind, der stets zur Bereinigung des Wohnvorteils führt.
Bei der > Ermittlung des Kindesunterhalts mit Hilfe der > Düsseldorfer Tabelle wird auf das > Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils abgestellt. Wenn also der barunterhaltspflichtigen Elternteils mietfrei wohnt (> Wohnvorteil ), hat das Einfluss auf die Höhe des geschuldeten Kindesunterhalts. Für die Frage, in welcher > Höhe der Wohnwert zum Ansatz kommt, muss nach > BGH zwischen dem Wohnwertansatz auf der > Prüfungsebene
differenziert werden.
Wohnt der barunterhaltspflichtige Elternteil mietfrei, ist das Elterneinkommen vor Zuordnung einer > Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle um den Wohnvorteil zu erhöhen. Ob dies in Höhe des > angemessenen oder des > objektiven Wohnvorteils zu erfolgen hat, bestimmt sich nach der Möglichkeit einer > zumutbaren Fremdvermietung der Wohnung.
Solange für kinderbetreuende Elternteile die Regel gilt, dass sie mit der Kinderbetreuung ihren > Anteil an der > Unterhaltslast voll erfüllen , spielt das Einkommen des kinderbetreuenden Elternteils für die Unterhaltsermittlung keine Rolle. Deshalb spielen die tatsächlichen Wohnverhältnisse (Eigenheim oder Mietwohnung) beim kinderbetreuenden Elternteil für die Bedarfsermittlung keine Rolle.
> mehr
Ob für die Bedarfsermittlung der Wohnwert barunterhaltspflichtigen Elternteils die objektive Marktmiete oder nur ein angemessener Wohnwert anzusetzen ist, hängt – wie beim > Ehegattenunterhalt – davon ab, ob eine anderweitige Vermietung der Immobilie zumutbar erscheint oder nicht.
KG Berlin, Beschluss vom 04.07.2016 – 25 UF 97/15 (intern vorhanden, Az. 128/15)
Zum angemessenen Wohnwert des barunterhaltspflichtigen Elternteils beim Kindesunterhalt bei unzumutbarer Fremdvermietung
(Zitat) “Vorliegend geht es um den Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes des Antragsgegners, welcher nach der klaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes durch als Einkommen zu bewertende ersparte Mietkosten geprägt wird. Dabei besteht der Wohnwert sowohl bei Allein- als auch bei Miteigentum der Immobilie, ebenso bei Gütergemeinschaft, Nießbrauch oder einem unentgeltlichen dinglichen oder gar schuldrechtlichen Wohnrecht (Wendl/Dose-Gerhard, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 1 Rn. 474 mwN). (…) Der Antragsgegner muss sich also in jedem Falle einen Vorteil für das mietfreie Wohnen als Einkommen anrechnen lassen. Ob sich dieser nach dem objektiven Mietwert der genutzten Immobilie bemisst oder nur in Höhe eines angemessenen Wohnwertes besteht, hängt maßgeblich davon ab, ob er gehalten war, die Immobilie anderweitig zu verwerten. (…) Vorliegend war dem Antragsgegner bis zum Auslaufen der aus dem Fördervertrag mit dem Land Berlin vom (…) resultierenden Mietpreisbindung eine anderweitige Verwertung der Wohnung zu Unterhaltszwecken nicht möglich bzw. nicht zumutbar, weshalb ihm die Verletzung einer entsprechenden unterhaltsrechtlichen Obliegenheit nicht vorgeworfen und darauf basierend fiktive, den angemessenen Mietwert übersteigende Einkünfte nicht zugerechnet werden können. (…) Der angemessene Wohnwert bestimmt sich jedenfalls beim Trennungsunterhalt danach, was der in der zu groß gewordenen Ehewohnung verbliebene Ehegatte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende, angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste (vgl. BGH FamRZ 2014, 923; BGH FamRZ 2008, 963; BGH FamRZ 2007, 879). Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Rechtsprechung nicht auch für die Bestimmung des angemessenen Wohnvorteils beim Kindesunterhalt gelten soll. Damit kommt es nicht darauf an, dass der Antragsgegner eine Wohnung mit einer – infolge einer individuell von der Eigentümergesellschaft mit dem Senat von Berlin ausgehandelten Mietpreisbindung – besonders günstigen Quadratmetermiete bewohnt, sondern darauf, was er für eine Wohnung in vergleichbarer Lage und Ausstattung auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zahlen müsste.(…) Bei einer für den Antragsgegner angemessenen Wohngröße von 60 qm, was in etwa der von ihm nunmehr und von der Antragstellerin früher bewohnten Dachgeschosswohnung entspricht, kommt man auf einen Wohnvorteil von 372,00 EUR. Von diesem angemessenen Mietwert sind allerdings keine weiteren Abzüge vorzunehmen. Nach Ziffer 5 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Kammergerichts können insoweit nur allgemeine Grundstückskosten und – lasten, Zins- und Tilgungsleistungen sowie verbrauchsunabhängige Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, berücksichtigt werden. Inwieweit solche Kosten in dem vom Antragsgegner gezahlten Wohngeld enthalten sind, ist nicht ersichtlich.”
BGH, Beschluss vom 19. März 2014 – XII ZB 367/12
Zum Wohnwert eines kindesunterhaltspflichtigen Elternteils
(Zitat, Rn 19) “Geht es dagegen um die > Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen gegenüber einem minderjährigen Kind, ist die Höhe des Wohnwerts grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung > erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 XII ZB 298/12 FamRZ 2013, 1563 Rn. 16)”.
Anmerkung: Anders als auf der Prüfungsebene des Bedarfs des Kindes ist bei der Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils der Wohnvorteil stets mit seinem objektiven Mietwert dem Einkommen zuzurechnen, wenn die Eltern eine > gesteigerte Leistungsfähigkeit gegenüber ihren Kindern trifft. Auf die Zumutbarkeit einer Fremdvermietung kommt es nicht an. Auf der Ebene der Leistungsfähigkeit gelten andere Regeln als auf der > Prüfungsebene der Bedarfsermittlung. Die Obliegenheit der Eltern, ihre volle Erwerbsfähigkeit und das vorhandene Vermögen (§ 1613 Abs.2 BGB: „ alle verfügbaren Mittel “) einzusetzen, um Kindesunterhalt bezahlen zu können (> gesteigerte Erwerbsobliegenheit & Leistungsfähigkeit ), ist auf der Ebene der > Leistungsfähigkeit angesiedelt. Daraus lässt sich eine generell gesteigerte Obliegenheit zur Generierung von Einkommen im unterhaltsrechtlichen Interesse der Kinder ab, um nach Maßgabe des unterhaltsrelevanten Einkommens zu ermittelnden Bedarf über den bloßen Mindestbedarf hinaus zu erhöhen. Für fiktives Einkommen wegen Verletzung von > Erwerbsobliegenheit hat dies der BGH bereits festgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.2008 – XII ZR 182/06 ; BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 – XII ZR 83/00, Zitat: „ Dabei obliegt ihm (= Unterhaltsschuldner) aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Ausnutzung seiner Arbeitskraft, die es ihm ermöglicht, nicht nur den Mindestbedarf, sondern auch den angemessenen Unterhalt der Kinder sicherzustellen (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2000 – XII ZR 119/98 – FamRZ 2000, 1358, 1359 m.w.N.).“ Mit seiner Entscheidung vom > 19. März 2014 wiederholt der BGH seine Auffassung. Ausdrücklich wird vom BGH nicht nur eine besondere Erwerbsobliegenheit gesehen, sondern generell auch eine besondere Obliegenheit zur ertragsbringenden Vermögensverwertung.
BGH, Beschluss vom 19. März 2014 – XII ZB 367/12
Selbstbehalt und Wohnwertbemessung wegen Obliegenheit zur Einkommensoptimierung der Eltern gegenüber minderjährigen Kindern
(Zitat, Rn 19) „ Für die Eltern besteht deshalb eine > besondere Verpflichtung zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und zur Ertrag bringenden Nutzung von Vermögenswerten. Wenn in dieser Hinsicht mögliche und zumutbare Anstrengungen unterlassen werden, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch insoweit nicht nur die tatsächlichen, sondern ebenfalls > fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 30. Januar 2013 XII ZR 158/10 FamRZ 2013, 616 Rn. 18 mwN).“
Anmerkung: Auch wenn beim Bedarf nur der angemessenen Wohnwert angesetzt wurde, so kann deshalb im Mangelfall der Wohnvorteil nicht lediglich mit den im Selbstbehalt enthaltenen Wohnkostenanteil bemessen werden. Gegenüber nichtprivilegierten Volljährigen gelten diese Grundsätze nicht, da ihnen gegenüber keine erhöhte Erwerbsobliegenheit besteht. Wurde beim Bedarf nur der angemessene Wohnwert angesetzt, ist er auch bei der Leistungsfähigkeit entsprechend heranzuziehen.
AG Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 19.11.2015 – 157B F 15877/14
Kindesunterhalt: Zur Nutzungs- und Renovierungsobliegenheit einer eigenen renovierungsbedürftigen Immobilie
(Zitat) „Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch seine Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen bestimmt, die er aus seinem Vermögen zieht. Dazu können auch die Gebrauchsvorteile eines Eigenheims zählen, denn durch das Bewohnen eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung entfällt die Notwendigkeit der Mietzahlung, die in der Regel einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ausmacht (st. Rspr., vgl. nur BGH, FamRZ 2008, 963 [Rn. 11] m.w.N.). (…) Dass nach den Ausführungen der Antragstellerin das Haus nicht heizbar sei und Dachundichtigkeiten bestünden, hindert die Antragstellerin offensichtlich nicht daran, sich tatsächlich praktisch durchgängig mit Ausnahme der Schulzeiten sowie der Umgangszeiten der Antragstellerin zu 1.) in dieser Wohnung aufzuhalten. (…) Im Übrigen ist die Antragstellerin, die sich gegenüber ihren minderjährigen Kindern – soweit sie barunterhaltspflichtig ist – in gesteigerter Weise darum zu bemühen hat, den Kindern einen angemessenen Unterhalt zukommen zu lassen (§ > 1603 Abs.2 BGB), zu einer sparsamen und effektiven Lebenshaltung verpflichtet. Aus unterhaltsrechtlicher Perspektive steht es nicht im freien Belieben der Antragstellerin, auf die Nutzung einer Eigenimmobilie zu verzichten und lieber eine anderweitige Wohnung anzumieten. Der vorgelegte Mietvertrag datiert von Juni 2014. Seit dieser Zeit hätte sie anstelle der verhältnismäßig teuren Miete die entsprechenden Mittel längst zur Beseitigung der vermeintlichen Mängel der Wohnung investieren können, wofür allein in 2014 ein mittlerer vierstelliger Betrag zur Verfügung gestanden hätte. Da im Haus ein Heizsystem vorhanden ist – dies ist aufgrund eines im Güterrechtsstreit eingeholten Verkehrswertgutachtens gerichtsbekannt – ist nicht ersichtlich, dass dieses nicht mit überschaubaren Mitteln hätte instandgesetzt werden können. Nichts anderes gilt für etwaige Mängel am Dach.“
Die > weitere Nutzung des alleinigen oder gemeinsamen > Wohnungseigentums gehört zu den drängendsten Fragen, die nach einer Trennung möglichst kurzfristig geregelt werden sollten (> Trennung vorbereiten).
Sachverhalt:
Fall 1: Die Eltern lebten mit ihren gemeinsamen Kindern im Eigenheim, das M gehört. M zieht aus. F bleibt mit den gemeinsamen Kindern in der > Ehewohnung. F will von M für die Kinder > Kindesunterhalt geltend machen. M will nicht nach den Bedarfssätzen der > Düsseldorfer Tabelle bezahlen, sondern gekürzt um 20 %. In den > Tabellen-Beträgen der Düsseldorfer sind Wohnbedarfskosten der Kinder in Höhe von 20 % des Tabellenbetrages > einkalkuliert, der hier wegen mietfreien Wohnen der Kinder nicht anfallen. Hat M Recht?
Fall 2: Die Eltern streiten um > Kindesunterhalt. Die Mutter und der Vater sind miteinander verheiratet, leben aber getrennt. Aus der Ehe gingen zwei minderjährige Kinder hervor. Die Mutter lebt mit den Kindern in einer Immobilie, die im Miteigentum der Mutter zu 40 % und im Miteigentum des Vaters zu 60 % steht. Weder > Trennungsunterhalt noch > Nutzungsentschädigung werden verlangt oder gezahlt (Sachverhalt lt. BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – XII ZB 325/20).
Richtig ist, dass die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle (DT) einen (Miet-)Mehraufwand wegen Wohnen mit Kindern in Höhe von 20 % berücksichtigen (> Kalkulationsgrundlage der DT). Bei mietfreiem Wohnen der Kinder im Haus der Eltern fällt der in die Tabellenbeträge mit einkalkulierten Mietkostenbedarf nicht an. Man spricht man vom gedeckten Wohnbedarf der Kinder. Damit erscheint der Gedanke, dass der Kindesunterhalt nach DT um 20 % zu kürzen sei, naheliegend.
Fall 1: M gehört das Haus, in dem die Kinder nach der Trennung weiterhin mietfrei wohnen. In Höhe des Wohnbedarfs der Kinder leistet er damit Naturalunterhalt. Eine Barunterhaltsleistung in der Höhe, die auch Wohnbedarfskosten abdecken soll, ist nicht angezeigt.
Fall 2: Wenn die Eltern neben dem Regelbedarf nach DT den Kindern zusätzlich Mehrbedarf zu decken haben, haften die Eltern dafür anteilig. Dabei wirkt es sich auf die Haftungsquote der Eltern aus, welcher Elternteil mit welchem Anteil für den Wohnbedarf der Kinder aufkommt. Hier decken Vater zu 60 % und Mutter zu 40 % den Wohnbedarf der Kinder (BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – XII ZB 325/20).
Die überwiegende Auffassung in der Literatur erkennt die Möglichkeit einer bedarfsdeckenden Wirkung des vom Barunterhaltspflichtigen gewährten Wohnens an. Ob dem Kind bei mietfreiem Wohnen ein Wohnvorteil zuzurechnen sei, hänge davon ab, von wem es den Wohnvorteil erhalte.
Bei Wohnungsgewährung durch den betreuenden Elternteil finde eine Anrechnung nach § 1602 BGB regelmäßig nicht statt, weil es sich insoweit um eine Drittleistung handele, die den Unterhaltspflichtigen nicht entlasten solle (> freiwillige Leistungen).
Bei Wohnungsgewährung durch den Barunterhaltspflichtigen trete in Höhe der angemessenen Wohnkosten Erfüllung nach § 362 BGB ein. Wenn die Praxis in diesen Fällen eine Kürzung des Tabellensatzes um 20 % durchführe, handele es sich um eine vereinfachte Form der Anrechnung als Erfüllung (Staudinger/Klinkhammer BGB [2018] § 1610 Rn. 27; Wendl/Dose/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2 Rn. 326; ebenso MünchKommBGB/Langeheine 8. Aufl. § 1610 Rn. 114; Erman/Hammermann BGB 16. Aufl. § 1602 Rn. 26; Erdrich in Scholz/Kleffmann Praxishandbuch Familienrecht [Stand: September 2020] Teil I Kindesunterhalt Rn. 121).
Teilweise wird wiederum maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Kind die Wohnung von dem betreuenden Elternteil zur Verfügung gestellt wird (Wendl/Dose/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 573).
Schließlich wird auch vertreten, der Unterhaltspflichtige könne sich jedenfalls dann nicht darauf berufen, den Kindesunterhalt durch unentgeltliches Wohnen in dem in seinem Miteigentum stehendem Haus in Form von Naturalunterhalt gedeckt zu haben, wenn in einer Scheidungsfolgenregelung nicht vereinbart worden sei, dass der Wohnvorteil auf den Kindesunterhalt angerechnet werden solle (Viefhues jurisPK-BGB [Stand: 10. März 2022] § 1603 Rn. 376).
Grundsatz
| keine bedarfsdeckende Wirkung:
Zutreffender Ausgangspunkt ist der Grundsatz, dass das mietfreie Wohnen die Höhe des Kindesunterhalts nicht beeinflusst. Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum wird vorrangig im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen. Dabei erhöht der für das Kind geleistete Barunterhalt durch den darin enthaltenen Mietkostenzuschuss den Wohnwert des mietfrei wohnenden Betreuungselternteils bei der Berechnung des Trennungs- bzw. Ehegattenunterhalts (vgl. Senatsurteile vom 31. Oktober 2012 – XII ZR 30/10 – FamRZ 2013, 191 Rn. 26 mwN; vom 18. Dezember 1991 – XII ZR 2/91 – FamRZ 1992, 423, 424 mwN und vom 12. Juli 1989 – IVb ZR 66/88 – FamRZ 1989, 1160, 1163). Ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich kann auch darin bestehen, dass der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwerts keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht (BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – XII ZB 325/20, Rn 38).
Abweichung
| im Fall einer Vereinbarung zur bedarfsdeckenden Wirkung:
Die Eltern können eine – nach den Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls auch konkludente – Vereinbarung darüber treffen, dass die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden. Für eine solche Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner aber die Darlegungs- und Beweislast, weil es um den Einwand der Erfüllung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 362 BGB geht (BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – XII ZB 325/20, Rn 39).
BGH, Urteil vom 31. 10. 2012 − XII ZR 30/10
Wohnbedarf des Kindes & Naturalunterhalt
(Zitat) “Der (trennungsunterhaltpflichtige) Beklagte leistet (für das mietfreie Wohnen des Kindes) insoweit Naturalunterhalt, der ihn von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn teilweise befreit (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 – XII ZR 63/07 Rn. 16).”
Anmerkung: Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der BGH – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung – beim Kindesunterhalt die Kürzung des Tabellenbetrags um den Wohnkostenanteil akzeptiert. Wenn dem ausziehenden Elternteil die Ehewohnung allein gehört, halten wir diesen Lösungsansatz für angemessen. Eine Weichenstellung für die bedarfsdeckende Wirkung hat der BGH im Jahr 2022 anhand eines Falles vollzogen, in dem die Eltern Miteigentümer einer gemeinsamen Ehewohnung waren. Der BGH die Frage hat hierbei entscheiden, dass eine bedarfsdeckende Wirkung nur bei entsprechender Erfüllungsvereinbarung zwischen den Eltern anzunehmen sei. Lässt sich eine solche (konkludente) Vereinbarung nicht feststellen, wird der Barunterhalt der Kinder nicht um den Wohnbedarfsanteil gekürzt. Die spannende Frage hierbei: wann ist von einer Erfüllungsvereinbarung auszugehen? Das könnte der Fall sein, wenn über einen längeren Zeitraum unbeanstandet der um den Wohnkostenanteil ermäßigte Barunterhalt gezahlt wird (so Niepmann, in NZFam 2022, 839).
Wie stellt sich die Situation dar, wenn der Ehepartner zusammen mit dem neuen Lebenspartner ein Haus kauft. Wenn ein Ehepartner in die Wohnung des neuen Lebenspartners einzieht, entsteht damit die Frage, nach welchem Maßstab der Vorteil des mietfreien Wohnens zu bewerten ist? Auch ein neuer Lebenspartner ist im Verhältnis zu den Eheleuten ein sog. > “Dritter” (> mietfreies Wohnen bei Dritten). Die Bewertung des Wohnvorteils nach Maßgabe des objektiven Mietwerts erscheint hier nicht richtig, weil nicht erwartet werden kann, dass eine (auch) fremde Wohnung der Wohnung vermietet wird (zum Wohnwert bei zumutbarer Fremdvermietung > hier). Die Zurechnung eines Wohnvorteils als > fiktives Einkommen ist grundsätzlich davon abhängig, ob der wirtschaftliche Vorteil (= Nutzen in Form möglicher Mieteinnahmen: § 100 BGB) auch tatsächlich gezogen werden könnte (> Einkommenseffekt). Es muss (fiktiv) unterstellt werden, dass der Unterhaltsschuldner tatsächlich seinen Miteigentumsanteil an dem neuen Eigenheim nutzbringend vermieten könnte. Das ist bei einem neuen Haus, das der Unterhaltsschuldner zusammen mit einem neuen Lebenspartner angeschafft hat (Miteigentum) und bewohnt, nicht der Fall, und auch nicht fiktiv zu unterstellen. Der neue Lebenspartner wird einer solchen (fiktiv gedachten) Vermietung des Hauses oder kaum zustimmen. Hieraus zieht das OLG Nürnberg mit seinem Beschluss vom 23.05.2012 die richtigen Konsequenzen: Bei der > Bedarfsermittlung wird der Wohnvorteil eines Unterhaltsschuldners nicht als > Einkommen in Ansatz gebracht. Erst auf der Prüfungsebene der > Leistungsfähigkeit hat der > Spareffekt des mietfreien Wohnens zusammen mit dem neuen Lebenspartner in der neuen Immobilie unterhaltsrechtliche Auswirkung, weil das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt gegenüber einem Singlehaushalt zu einem > Synergieeffekt führt. In den für die Leistungsfähigkeit maßgebenden > Selbstbehaltsätzen ist stets ein Aufwand für Warmmiete einkalkuliert und wird in der > Düsseldorfer Tabelle separat ausgewiesen. Dementsprechend ist der jeweils einschlägige Selbstbehalt bei mietfreiem Wohnen des Unterhaltsschuldners um den kalkulierten Betrag für Mietkosten zu bereinigen und abzusenken.
BGH, Beschluss vom 21.10.2020 – XII ZB 201/19
Barunterhaltspflichtiger Elternteil wohnt als Alleineigentümer mietfrei mit neuer Familie: Bedarfsermittlung – Objektiver Wohnwert wird dem Einkommen zugerechnet
(Zitat, Rn 22 ff) “[22] Der vom Oberlandesgericht auf Seiten des Antragsgegners in Ansatz gebrachte Wohnvorteil von nur dem hälftigen Mietwert für die Zeit, in der seine neue Ehefrau mit in dem Haus gewohnt hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[…] Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur durch seine Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen bestimmt, die er aus seinem Vermögen zieht. Dazu können auch die Gebrauchsvorteile eines Eigenheims zählen, denn durch das Bewohnen eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung entfällt die Notwendigkeit der Mietzahlung, die in der Regel einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ausmacht. [24] Geht es um die Bemessung des Unterhalts für ein minderjähriges Kind, ist die Höhe des Wohnwerts grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen. Dies beruht auf der sich aus § 1603 Absatz II 1 BGB ergebenden besonderen Verantwortung der Eltern für den Unterhalt ihrer minderjährigen Kinder. Die Eltern trifft deshalb eine besondere Verpflichtung zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und zur Ertrag bringenden Nutzung von Vermögenswerten. Wenn in dieser Hinsicht mögliche und zumutbare Anstrengungen unterlassen werden, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch insoweit nicht nur die tatsächlichen, sondern ebenfalls fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (vgl BGH FamRZ 2014, 923 Rn. 19 mwN). [25] Steht eine vom Unterhaltspflichtigen bewohnte Immobilie in seinem Alleineigentum, ist ihm unbeschadet etwaiger Unterhaltsansprüche Dritter grundsätzlich der gesamte Wohnwert zuzurechnen. Das gilt auch dann, wenn die neue Ehefrau des Unterhaltspflichtigen mit in dem Eigenheim lebt. Zum einen ist ihr Unterhaltsanspruch gegenüber dem hier in Rede stehenden Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes gemäß § 1609 BGB nachrangig […]. Zum anderen ändert die Wohnungsüberlassung an die Ehefrau nichts daran, dass der Unterhaltspflichtige als Alleineigentümer das alleinige Nutzungsrecht an der Immobilie hat und grundsätzlich zur Verwertung des Eigenheims verpflichtet und in der Lage ist. Dem Umstand, dass er damit seiner (Familien-)Unterhaltsverpflichtung nachkommt, wird nicht zuletzt dadurch Rechnung getragen, dass dies bei der Einordnung in der jeweiligen Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigt wird (vgl. BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189 Rn. 17 ff.)”.
Anmerkung: Ist einem barunterhaltspflichtigen Vater die > Fremdvermietung seiner ihm allein gehörenden Immobilie zumutbar, wenn er dort mit neuer Familie (weiteren Kindern & neuer Ehefrau) wohnt? Der BGH sagt ja! Damit beantwortet der BGH die bisher umstrittene Rechtsfrage, ob in einem solchen Fall der > objektive Wohnwert oder nur der > angemessene Wohnwert (so OLG München v. 20.7.1998 – 12 WF 885/98) dem Einkommen hinzuzurechnen ist. Anders ist der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige nicht Alleineigentümer der Immobilie ist. Denn ohne Zustimmung des Miteigentümers kann keine Fremdvermietung stattfinden.
OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.05.2012 – 7 UF 159/12
Unterhaltsschuldner wohnt mit einem neuen Lebenspartner im gemeinsamen | Unzumutbare Fremdvermietung
(Zitat) “Dieser objektive Mietwert kann einem Schuldner allerdings dann nicht zugerechnet werden, wenn es ihm nicht möglich oder zumutbar ist, die Immobilie zu vermieten oder zu veräußern und damit den vollen Mietwert zu realisieren (…). Im vorliegenden Fall erscheint eine Realisierung des wahren Mietwertes des Hauses für den Antragsgegner deshalb nicht möglich, weil davon ausgegangen werden muss, dass seine Lebensgefährtin, die Miteigentümerin des Hauses ist, einer Vermietung oder Veräußerung des Hauses nicht zustimmen wird. Im Hinblick auf die Nutzung der von ihm und seiner Lebensgefährtin bewohnten Wohnung von 95 qm kommt ein Wohnvorteil damit nur dann und insoweit in Betracht, als der Antragsgegner durch die Nutzung des in seinem Miteigentum stehenden Hauses ansonsten anfallende Aufwendungen für eine eigene Wohnung erspart. Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit anhand eines dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts ist insoweit weiter zu berücksichtigen, dass dieser Selbstbehalt zu einem Teil der Abdeckung des Wohnbedarfs dient und der übrige Teil zur Bestreitung der sonstigen Grundbedürfnisse in bar zur Verfügung stehen soll. Dies wird etwa auch dadurch deutlich, dass bei einer nicht vermeidbaren Überschreitung der in den jeweiligen Selbstbehaltssätzen enthaltenen Wohnkosten eine Erhöhung des Selbstbehalts in Betracht kommt (vgl. dazu etwa Süddeutsche Leitlinien 2012 Nr. 21.5.2 Satz 1), um den Unterhaltsschuldner die im Selbstbehalt vorgesehenen Barmittel zur Bestreitung seiner sonstigen Bedürfnisse zu belassen. Dieses Ziel kann im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines eine eigene Immobilie nutzenden Unterhaltspflichtigen, der, wie der Antragsgegner, noch nicht verpflichtet ist, durch Realisierung des objektiven Mietwertes der von ihm genutzten Immobilie zu Barmitteln zu kommen, aber nur so verwirklicht werden, dass der Mietwert nur in Höhe des in dem jeweiligen Selbstbehalt enthaltenen Anteils für Kaltmiete angesetzt bzw., was rechnerisch auf dasselbe hinausläuft, der Selbstbehalt um den darin enthaltenen Kaltmietanteil gekürzt wird (…).
Mietfreies Wohnen bei Dritten (Familienmitgliedern, Freunden, etc.) lässt sich entweder als eine freiwillige Zuwendung Dritter oder als Ersparnis eigener Wohnkosten erfassen (> Synergieeffekt). Sind die Kriterien einer freiwilligen Zuwendung Dritter erfüllt, wirkt sich das mietfreie Wohnen nicht auf das Unterhaltsverhältnis aus. Es werden auch keine Synergieeffekte berücksichtigt. Ausnahme: Berücksichtigung zur Vermeidung eines Mangelfalls.
| MEHR
Wer im Haus oder Wohnung der Eltern , eines anderen Verwandten oder (sonstigen) Freunden mietfrei lebt, dem werden dafür keine > fiktiven Einkünfte in Höhe des objektiven Mietwerts als Wohnvorteil angerechnet. In diesen Fällen besteht nicht die alternative Möglichkeit, die Wohnung des Dritten zu vermieten, um dadurch weitere Einkünfte zu generieren. Fehlt die Möglichkeit einer Einkommensgenerierung, zeigt das mietfreie Wohnen keinen
> Einkommenseffekt.
Sind die Voraussetzungen einer > freiwilligen Leistung Dritter nicht erfüllt, hat mietfreies Wohnen bei Dritten (auch ohne Einkommenseffekt) unterhaltsrechtliche Relevanz: Wer mit anderen in einem gemeinsamen Haushalt lebt, hat durchschnittlich weniger Lebenshaltungskosten zu bestreiten als derjenige, der in einem Single-Haushalt lebt. Dieser wirtschaftliche Vorteil (Spareffekt) führt zum berücksichtigungswürdigen sog.
> Synergieeffekt.
Außerhalb eines Mangelfalls haben Synergieeffekte keinen Einfluss auf die > Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten, weil sie eben kein Bestandteil seines > unterhaltsrelevanten Einkommens sind (vgl. Gerhardt, in: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage, 6. Kap. Rn 554a). Diese Ansicht ist umstritten (> mehr). Allenfalls, wenn zusätzlich dem Dritten bzw. dem neuen Lebenspartner der Haushalt geführt wird, kann die Erbringung dieser Haushaltsleitung als fiktive Einkunft bewertet werden. (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2012 – XII ZR 73/10, Rn 30: Haushaltsführung für Dritten).
Wohnt der Unterhaltspflichtige mietfrei bei einem Dritten, wobei die Kriterien einer > freiwilligen Leistung nicht (alle) erfüllt sind, führt dies zur Korrektur seines Selbstbehalts. In den > Selbstbehaltsätzen der Düsseldorfer Tabelle, die maßgebend zur Bestimmung der > Leistungsfähigkeit des Unterhaltschuldners sind, sind Mietkosten einkalkuliert. Wenn solche Mietkosten nicht anfallen, kann der zu verbleibende Selbstbehalt um den Mietkostenanteil herabgesetzt werden.
» Freiwillige Leistungen Dritter
» Korrektur der Selbstbehaltsätze
» Die Haushaltsgemeinschaft im Unterhaltsrecht
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.02.2015 – 9 UF 132/14
Fiktive Mieteinnahmen wg. Unterlassener Vermietung von Immobilienbesitz
Anmerkung: Die bisher vermietete Immobilie war aufgrund einer verzögerten Behebung von dringenden Reparaturen gekündigt worden. Der Unterhaltsschuldner nutzt die Immobilie nun allein. Das Gericht sieht darin einen Verstoß gegen die Obliegenheit zur optimierten Vermögensverwertung zur Generierung von Mieteinnahmen. Der Unterhaltsschuldner habe die Beendigung der Mietverhältnisse verschuldet. Ihm wäre es zumutbar gewesen, sich als ortsansässiger Vermieter sofort um die Reparatur zu kümmern, um seine Mieteinnahmen zu erhalten. Die aber zögerliche Vorgehensweise stelle sich als vorwerfbar dar, mit der Folge, dass er sich so behandeln lassen müsse, als wäre das Mietverhältnis ungekündigt fortgeführt worden. Nachweise, dass eine Neuvermietung nicht möglich gewesen sei, seien nicht erbracht worden. Ferner müsse er sich auch den Wohnwertvorteil für die von ihm selbst genutzte Wohnung anrechnen lassen.
Weiteres Beispiel: Der Unterhaltsberechtigte muss sich als Alleineigentümer einer Ferienwohnung fiktive Mieteinnahmen für die ganzjährige Vermietung der Wohnung anrechnen lassen, wenn sich die Wohnung in einem gastronomisch herausragenden Umfeld befindet und insofern von einer Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten zur ganzjährigen Vermietung auszugehen ist (OLG Saarbrücken v. 31.01.2019 – 6 UF 76/18, NZFam 2020, 87).
» Obliegenheit zur Einkommensoptimierung
» Obliegenheit zur optimalen Nutzung von Vermögenswerten
» Obliegenheit zum Erhalt des Wohnvorteils
» Zur Höhe des fiktiven Einkommens
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