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Informieren Sie sich ausführlich über die Regeln und die Rechtsprechung zum berufsbedingten Aufwand im Unterhaltsrecht. Erfahren Sie, welche Kriterien solche Aufwendungen erfüllen müssen, damit sie absetzbar sind. Holen Sie sich Fachwissen aus unseren Wegweisern:
| Wegweiser zu den berufsbedingten Aufwendungen
Für die Praxis haben wir spezielle Formulare mit Checklisten zur rechtssicheren Ermittlung und zur Auskunft über das unterhaltsrelevante Einkommen entwickelt. Sie werden nichts Vergleichbares in einem Formularbuch finden.
Formulare zur Auskunft und Einkommensermittlung:
Von Fachanwälten in der Praxis geprüft und empfohlen.
Berufsbedingte Aufwendungen sind Kosten (Abzugsposten vom Netto-Einkommen), die anfallen, damit der Arbeitnehmer überhaupt seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Es ist also ein finanzieller Aufwand, der anlässlich einer beruflichen Tätigkeit anfällt.
Im Prinzip sind berufsbedingte Aufwendungen im unterhaltsrechtlichen Sinn das, was im Einkommensteuerrecht Werbungskosten sind. Doch können die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten nicht ohne weiteres zur unterhaltsrechtlichen Einkommensbereinigung übernommen werden.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2020 – II-3 UF 100/19
Steuerlich anerkannter betrieblicher Aufwand
Leitsatz: Allein die Anerkennung bestimmter Aufwendungen durch die Finanzverwaltung im Rahmen der Veranlagung der Unterhalt begehrenden Person zur Einkommensteuer rechtfertigt es nicht, diese Positionen im selben Umfang unterhaltsrechtlich einkommensmindernd abzuziehen.
Anmerkung: Eine konkrete Darlegung der Höhe berufsbedingter Aufwendungen kann man sich nicht dadurch ersparen, indem auf die anerkannten Abzugsposten im Einkommensteuerbescheid verwiesen wird.
Der Abzug berufsbedingter Aufwendungen setzt voraus, dass die betreffenden Kosten notwendigerweise mit der Ausübung der Erwerbstätigkeit verbunden sind und sich eindeutig von denjenigen der privaten Lebensführung abgrenzen lassen (BGH, Senatsurteil vom 22. Oktober 2006 – XII ZR 24/04, Tz. 14).
Dass bestimmte Aufwendungen steuerlich als Werbungskosten anerkannt werden, hat unterhaltsrechtlich nicht die entsprechende Bewertung zur Folge (BGH, Senatsurteil vom 23. April 1980 – IVb ZR 410/80). Für die steuerliche Anerkennung reicht es regelmäßig aus, dass Kosten durch die Berufsausübung veranlasst sind. Dieses Kriterium ist unterhaltsrechtlich indessen nicht ausreichend; insofern ist zu fordern, dass die Kosten notwendig durch die Berufsausübung entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2009 – XII ZR 54/06).
Als Orientierungshilfe dienen in erster Linie die Leitlinien zur Einkommensbereinigung der Oberlandesgerichte für ihren jeweiligen OLG-Bezirk. Höhe und Anlass sind für jeden Berufstätigen individuell festzustellen. Zu den berufsbedingten Aufwendungen zählen:
BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 – XII ZB 661/12
Spesen vs. berufsbedingte Aufwendungen
(Zitat, Rn 30) „Während Spesen durch Geschäfts- oder Dienstreisen veranlasste Aufwendungen sind, wie etwa der Aufwand für die Verpflegung, Übernachtungskosten sowie sonstige Nebenkosten (vgl. Wendl/Dose 8. Aufl. Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis § 1 Rn 78), sind berufsbedingte Aufwendungen zur Einkommenserzielung notwendig, wie etwa die Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstätte (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn 122). Berufsbedingte Aufwendungen unterscheiden sich von den Spesen mithin dadurch, dass sie anfallen, damit der Arbeitnehmer überhaupt seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, während Spesen Kosten darstellen, die während der Ausführung der Erwerbstätigkeit oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit entstehen.”
Anmerkung: Spesen sind kein Thema für die Einkommensbereinigung. Spesen, die vom Arbeitgeber gezahlt werden und dementsprechend auf Gehaltszetteln ausgewiesen sind, zählen zum real zufließenden Einkommen. Weil den Spesen regelmäßig auch geschäftlich veranlasste Aufwendungen gegenüber stehen, werden Spesen – ohne konkrete Darlegung der dienstlichen Aufwendungen – mit einem Anteil von einem Dritteldem Einkommen hinzugerechnet (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1, Rn 82).
Um ausufernde Diskussionen zur Einkommensbereinigung im Unterhaltsrecht einzudämmen, haben die Oberlandesgerichte für ihren jeweiligen OLG-Bezirk Leitlinienzur Einkommensbereinigung veröffentlicht. Dies gilt auch für die Abzugsposition “berufsbedingter Aufwand”. Nach fast allen OLG-Leitlinien können berufsbedingte Aufwendungen entweder pauschal in Höhe von 5 % vom Nettoeinkommen oderin konkret belegter Höhe abgezogen werden. Der Darstellung dieser Seite liegen die Leitlinien der süddeutschen Oberlandesgerichte (SüdL) zugrunde.
10.2: Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind im Rahmen des Angemessenen vom Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit abzuziehen.
10.2.1: Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte kann eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens angesetzt werden. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, so sind sie im Einzelnen darzulegen. Bei beschränkter Leistungsfähigkeit kann im Einzelfall nur mit konkreten Kosten gerechnet werden.
10.2.2: Für die notwendigen Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann ein Betrag von derzeit 0,42 € pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden. Damit sind i. d. R. Anschaffungskosten miterfasst. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 30 km einfach) kann nach unten abgewichen werden (für die Mehrkilometer in der Regel 0,28 €).
Bei einem Auszubildenden sind i. d. R. 100 € als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen
Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Im Übrigen gilt Ziffer 12.4.
AG München, Verfügung vom 26.10.2021 – 512 F 6979/21
(intern vorhanden; unser Az.: 23/21)
Wahlrecht bei KFZ-Kosten
(Zitat) „Es ist lediglich die Frage streitig, in welcher Höhe berufsbedingte Aufwendungen / Fahrtkosten / Darlehenskosten für PKW beim Antragsgegner zum Abzug kommen. Grundsätzlich kommt lediglich einer dieser Posten zum Abzug, (vergl. OLG Hamm vom 24.9.2004): Mangels Sachvortrag zur beruflichen Tätigkeit des Antragsgegners und der Entfernung vom Wohnort zur Arbeitsstätte ist das Gericht nicht in der Lage zu berechnen, ob die Fahrtkosten gegebenenfalls die Höhe der pauschalierten berufsbedingten Aufwendungen übersteigen. Die Darlehenskosten wären anstelle der tatsächlichen Fahrtkosten nur unter Abzug eines zu schätzenden Anteils für die private Nutzungberücksichtigungsfähig, auch hier ist der private Anteil der Nutzung des PKW mangels Sachvortrag zur beruflichen Nutzung nicht schätzbar. Es erscheint angemessen, es bei den pauschalierten berufsbedingten Aufwendungen zu belassen.”
Anmerkung:
Fazit: Die 5 %-Aufwandspauschale schließt die Berücksichtigung konkreter Aufwendungen nicht aus. Es besteht eine Wahlmöglichkeit; entweder wird die angewendet oder die tatsächlichen berufsbedingten Aufwendungen führen zur Einkommensbereinigung. Beides zugleich geht nicht.
Sollen berufsbedingte Aufwendungen in konkreter Höhe berücksichtigt werden, müssen dies konkret dargelegt und belegt werden (Ziff. 10.2.1 SüdL) und notwendig und angemessen erscheinen. Meist wird eine Aufwandspauschale von 5 % vom Netto-Erwerbseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit akzeptiert, sodass ein konkreter Nachweis zu den tatsächlichen berufsbedingten Aufwendungen nicht geführt werden muss.
Wer den Abzug für konkrete berufsbedingte Fahrtkosten nach Kilometersätzen (Kilometerpauschale) wählt (Ziff. 10.2.2 SüdL), kann daneben nicht zusätzlich die 5%-Aufwandspauschale zum Ansatz bringen.
Weiterführende Links:
» Abzug konkret, pauschal oder fiktiv?
» Berücksichtigung der PkW-Anschaffungs- und Finanzierungskosten
Berufsbedingte Aufwendungen belasten das Netto-Einkommen des Arbeitnehmers, d. h. sie mindern das zum Bestreiten des Lebensunterhalts verfügbare Einkommen. Auf letzteres stellt das Unterhaltsrecht ab (Einkommen als Indikator der Lebensstellung).
Berufsbedingte Aufwendungen sind ein gesonderter Abzugsposten zur Ermittlung des verfügbaren Einkommens, weil sie nicht im Selbstbehaltsatz zur Bestimmung des Eigenbedarfs einkalkuliert sind.
Die OLG-Leitlinien erklären, dass nur vom Netto-Einkommen aus unselbständiger Arbeit der Abzug von berufsbedingten Aufwendungen möglich ist (vgl. Ziff. 10.2 SüdL). Warum? Die Einschränkung ist damit erklärt, weil beim Unternehmer diese Aufwendungen als Betriebsausgaben erfasst werden und damit über die Gewinnermittlung (Gewinn = Einnahmen abzgl. Betriebsausgaben) bereits eine Einkommensbereinigung stattfindet.
Bemessungsgrundlage für die 5 %-Pauschale ist das Netto-Erwerbseinkommen aus unselbständiger Arbeit. Es wird nicht vorab um weitere Abzugsposten (z. B. Beiträge zur privaten Altersvorsorge) bereinigt.
Leider kommen im Unterhaltsrecht nicht alle berufsbedingten Aufwendungen in unbegrenzter Höhe zum Abzug. Manche OLG-Leitlinien legen eine generelle Obergrenze für den Abzug in Höhe von maximal 150,– € fest. Die Düsseldorfer Tabelle bestätigt unter Anmerkung A.3., dass im Rahmen einer pauschalierten Berechnungsmethode berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 % vom Nettoeinkommen, jedoch höchstens 150,– €/Monat vom Einkommen abgezogen werden können. Ein höherer Abzug ist nur bei konkreter Darlegung und Nachweis (mit Belegen) möglich.
Dagegen enthalten die SüdL unter Ziff. 10.2.1 eine solche Kappungsgrenze nicht. Die pauschalierte Berechnungsmethode setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für vorhandene berufsbedingte Aufwendungen gegeben sind. Wer mit seinem PKW zur Arbeit fährt, bietet damit einen solchen Anhaltspunkt.
Für die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt ist das Einkommen um den Erwerbstätigenbonus zu bereinigen. Hierfür erklärt die Düsseldorfer Tabelle unter Anmerkung B. zu I-III, dass berufsbedingte Aufwendungen, die sich nicht nach objektiven Merkmalen eindeutig von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen, im Erwerbstätigenbonus pauschal enthalten sind. Dies haben einige OLG-Richtlinien übernommen (vgl. z. B. Leitlinien des Kammergerichts Berlin).
Auch für Zeiten, in denen die Erwerbstätigkeit krankheitsbedingt nicht ausgeübt wird, darf kein pauschaler Abzug vorgenommen werden (OLG Brandenburg, Beschluss v. 16.5.2022 – 13 UF 212/19).
Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht (Unterhalt für minderjährige Kinder) werden berufsbedingte Aufwendungen nur bis zur Pauschale von 5 % des Einkommens berücksichtigt. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist und ein eigenes Auto nicht erforderlich ist.
Wird der Unterhalt mit Zurechnung von fiktivem Einkommen ermittelt, ist nach BVerfG (Beschluss vom 18. Juni 2012 – 1 BvR 774/10, Rn 22) auch das fiktive Einkommen fiktiv zu bereinigen. Somit sind auch fiktive berufsbedingte Aufwendungen zu berücksichtigen. Dies erfolgt mittels Ansatz der Aufwandspauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 % vom (fiktiven) Nettoeinkommen (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss v. 21.7.2022 – 2 UF 88/21; OLG Koblenz, Beschluss v. 29.6.2022 – 13 UF 178/22, FamRZ 2023, 128).
BGH, Urteil v. 06.02.2002 – XII ZR 20/00
Abzugspauschale für berufsbedingte Aufwendungen
(Zitat): „Da es sich bei Unterhaltsfällen um Massenerscheinungen handelt, ist aus Vereinfachungsgründen eine pauschalierende Berechnungsmethode notwendig (Senatsurteil vom 16. April 1997 – XII ZR 233/95 – FamRZ 1997, 806, 807).
BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 – XII ZB 661/12
Konkreter Anlass für Abzugspauschale
(Zitat, Rn 27) „Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein solcher pauschaler Abzug für berufsbedingte Aufwendungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Voraussetzung ist aber, dass konkrete Anhaltspunkte dargelegt sind, wonach der Unterhaltspflichtige überhaupt berufsbedingte Aufwendungen gehabt hat (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860, 861).”
KG Berlin, Beschluss vom 04.07.2016 – 25 UF 97/15
(intern vorhanden, Az. 128/15)
5 %-Pauschale beim Einkommen des geschäftsführenden Gesellschafterseiner Ein-Mann-GmbH
Anmerkung: Gemäß Ziffer 10.2.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Kammergerichts ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ohne Nachweis auch eine Pauschale von 5 % des monatlichen Nettoeinkommens, höchstens jedoch 150,00 EUR, für berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen.
Es ist möglich, dass ein Geschäftsführer einer GmbH, der auch der Alleingesellschafter ist, Werbungskosten hat, die nicht als Betriebsausgaben der GmbH abgesetzt werden können. Diese Kosten können beispielsweise Fahrten zur Arbeit, Weiterbildung oder Beiträge zu Berufsverbänden sein.
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 30.06.2014 – 2 F 347/14
Mit dem Fahrrad zur Arbeit – Anhaltspunkt für berufsbedingte Aufwendung?
Anmerkung: Wer mit dem Fahrrad seinen Arbeitsplatz erreicht, lässt noch nicht vermuten, dass berufsbedingte Aufwendungen in der Größenordnung der 5%-Pauschale vorhanden sind. Hierfür wird man weitere konkrete Anhaltspunkte nachlegen müssen (AG Kaufbeuren, Beschluss vom 30.06.2014 – 2 F 347/14).
Wer mit seinem privaten PKW von der Wohnung zur Arbeit fährt, nutzt damit sein Fahrzeug zum Teil beruflich. Dies führt für den Einsatz des privaten PKW zu entsprechenden berufsbedingten Aufwendungen.
Dabei gibt es ein Wahlrecht: Entweder wird für den Abzug berufsbedingter Aufwendungen die sog. 5 %-Pauschale in Ansatz gebracht oder die Pendlerkosten werden konkret ermittelt. Wer sich für letzteres entscheidet, hat die Obergrenzen der Kilometerpauschalen nach OLG-Richtlinien als zu beachten.
Weiterführende Links:
» Pendlerkosten mit Kilometerpauschalen ermitteln
Pendler zur Arbeitsstätte mit Dienstwagen:
Stellt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Verfügung, den er sowohl für private Zwecke als auch zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verwenden darf, richtet sich der daraus folgende steuerrechtliche geldwerte Vorteil in der Regel nach § 8 II S. 2 i. V. mit § 6 I Nr. 4 S. 2 EStG (sog. 1 %-Regelung des inländischen Listenpreises des Pkw) für die Nutzung zu privaten Zwecken und nach § 8 II S. 3 EStG für die Fahrten zur Arbeitsstätte (i. H. von 0,03 % des Bruttolistenpreises). Dieser steuerrechtliche geldwerte Vorteil wird für unterhaltsrechtliche Zwecke als geldwerten Gebrauchsvorteil, der zum unterhaltsrelevanten Einkommen zählt, übernommen, wenn sich dieser aus den Gehaltsnachweisen ablesen lässt (Schätzungsmethode I).
Wird der geldwerte Vorteil nach dem steuerlichen Nutzwert bemessen, so kann dieser um die Pendlerkosten nach Kilometerpauschalen bereinigt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 09.07.2015 – 14 UF 70/15, Rn 45; OLG Brandenburg, Beschluss v. 14.4.2022 – 9 UF 155/21, FamRZ 2023, 1116 [m. Anm. Borth] = NZFam 2022, 975)
Weiterführende Links:
» Der Geschäftswagen im Unterhaltsrecht und Fahrten zur Arbeiststätte
In der Praxis ist man in vielen Fällen damit konfrontiert, dass die konkrete Berechnung, getrennt nach beruflich und privat veranlasster Fahrten, nicht angestellt werden kann, weil kein Fahrtenbuch und keine konkreten Aufzeichnungen über die tatsächlichen Kosten geführt wurden oder sonstige Belege fehlen. Anhand der Rechtsprechung des BGH lässt sich zeigen, dass konkrete Fahrtkosten auch über der 5%-Pauschale zu berücksichtigen sind, wenn Sie einer Schätzung nach § 287 ZPO zugänglich sind. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der konkrete Sachvortrag in Form eines ordentlich geführten Fahrtenbuchs erfolgt (= Darlegungslast).
Weiterführende Links:
» Darlegungs- und Beweislast im Unterhaltsrecht
BGH, Urteil vom 17.12.2008 – XII ZR 63/07
Beweislast – Fahrtkosten
(Zitat) “Das Berufungsgericht hat vom Beklagten geltend gemachte Fahrtkosten bei der Ermittlung seines Einkommens nicht berücksichtigt. Der Beklagte hat Fahrten zu den Einsatzorten im Jahresumfang von 31.212 km vorgetragen und dazu detaillierte Aufstellungen über die Benutzung von Fahrzeugen seines Arbeitgebers und die von ihm zwischen Wohnort und Arbeitsort zurückgelegten Fahrten vorgelegt. Für dieses – von der Klägerin bestrittene – Vorbringen hat das Berufungsgericht den Beklagten als beweisfällig angesehen. Für eine Schätzung fehle die Grundlage, weil nicht jeder aufgeführten Fahrt eine Rückfahrt am gleichen Tag folgte und sich in den Listen andere Tage fänden, in denen es nur eine Rückfahrt gäbe. Auch das hält den Angriffen der Revision nicht stand. Allerdings hat sich die Klägerin entgegen der Auffassung der Revision nicht mit einem schlichten Bestreiten begnügt (Beibringungsgrundsatz), sondern ihrerseits sogar Aufstellungen mit Daten vorgelegt, an denen dem Beklagten Fahrzeuge seines Arbeitgebers zur Verfügung standen. Da aber noch das Amtsgericht sich die vom Beklagten eingereichten Listen hat erläutern lassen und aufgrund dessen – offenbar unter Berücksichtigung von Tagen, an denen Dienstfahrzeuge benutzt werden konnten – einen Abzug der Fahrtkosten zugelassen hat, hätte das Berufungsgericht dem Beklagten Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag und Beweisangeboten geben müssen.
BGH, Urteil vom 9. November 2005 – XII ZR 31/03
Konkrete Fahrtkosten bei wechselnden Arbeitseinsatzorten
(Zitat) “Der Beklagte ist Leiharbeitnehmer und wird auf kurzfristigen Abruf auf Großbaustellen im gesamten Bundesgebiet eingesetzt. Angesichts der hierfür erforderlichen Mobilität wird er nicht auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden können.
Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass eine Pauschale von 5 % des Einkommens dem Aufwand für Fahrtkosten in einem solchen Fall jedenfalls dann ersichtlich nicht gerecht wird, wenn – wie hier – der Unterhaltspflichtige unter Bezeichnung der wechselnden Arbeitsstellen nachvollziehbar darlegt, von Mai 2001 bis April 2002 rund 23.400 km, monatlich also fast 2.000 km, für Fahrten zwischen seinem Wohnort bzw. dem Ort seiner auswärtigen Unterbringung und der jeweiligen Arbeitsstelle zurückgelegt zu haben, und der Arbeitgeber ihm diese Kosten nicht ersetzt.
Angesichts der detaillierten und übersichtlichen Zusammenstellung in Form von Monatstabellen, in denen für jeden Arbeitstag der Einsatzort und die zurückgelegte Entfernung aufgeführt sowie angegeben wird, ob eine Heimfahrt oder eine Übernachtung am Einsatzort stattfand, hätte die Klägerin sich nicht auf ein pauschales Bestreiten dieser Angaben beschränken dürfen. Zumindest hätten diese für eine nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung ausgereicht.
Wird ein Pkw – wie meist – auch privat genutzt, sind die Gesamtkosten im Falle einer konkreten Berechnung im Verhältnis der beruflichen und privaten Nutzung aufzuteilen. Geht man den Weg über den Abzug der konkreten berufsbedingten PKW-Kosten sind die Gesamtkosten des PKW in den Privatanteil und den berufsbedingten (absetzbaren) Anteil zu splitten. Dies erfolgt, indem an die konkreten gefahrenen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angeknüpft wird. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass nicht die kürzeste Strecke, sondern diejenige zugrunde gelegt wird, die ohne Staugefahr genutzt werden kann (BGH, Urteil vom 21.01.2009 – XII ZR 54/06, Rn 44). Für die berufsbedingten Fahrten zur Arbeitsstelle können dann nicht die gesamten Betriebskosten, sondern nur die durch diese Fahrten entstehenden Mehrkosten vom Einkommen abgezogen werden.
Bei berechtigter Pkw-Benutzung zählen sowohl die Betriebskosten als auch die Anschaffungskosten zu den abziehbaren berufsbedingten Aufwendungen. Für eine notwendig werdende Neuanschaffung dürfen Rücklagen gebildet werden, die aber nicht neben Kreditkosten für das alte Auto berücksichtigt werden dürfen. Die Anschaffungskosten für einen Pkw können aber auch auf die voraussichtliche Laufzeit des Fahrzeugs umgelegt und wie bei Abschreibungen abgesetzt werden. Die Betriebskosten (Steuer, Versicherung, Treibstoff, Wartung und Reparaturen) sind entweder konkret abzurechnen oder können nach § 287 ZPO geschätzt werden . Mit folgenden Online-Rechnern können die Gesamtkosten ermittelt werden:
Rechner
AUTOKOSTEN.ORG
Dieser Online-Rechner berücksichtigt nicht die Kosten der sehr individuell benötigten Ersatzteile, wie z.B. Reifen, Bremsen und Werkstattbesuche etc.
Konkrete Pendlerkosten werden nach Wegstrecke zum Arbeitsplatz und Kosten pro gefahrenen Kilometer (Kilometerpauschale) bestimmt. Dabei sind mit Online-Rechnernermittelte Kilometerpauschalen nicht berücksichtigungsfähig. Sie übersteigen regelmäßig die nach OLG-Leitlinien anerkannten Pauschalsätze erheblich. Die in unterhaltsrechtlichen Leitlinien vorgesehenen Kilometerpauschalen sind als Obergrenze zu verstehen und lassen keinen höheren Ansatz einer anderen Kilometerpauschale zu.
Mit der Pauschale gelten Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie die Abnutzung des Fahrzeugs als abgegolten. Diese Rechtsprechung hat der BGH ausdrücklich gebilligt (BGH FamRZ 2006, 1511). Ab Januar 2022 wurden die berücksichtigungswürdigen Kilometerpauschalen deutlich erhöht. Statt bisher 30 Cent können jetzt nach OLG-Leitlinien (Ziff. 10.2.2) 42 Cent pro gefahrenen Kilometer geltend gemacht werden. Ausgangspunkt für diese Anhebung ist die zum 1. Januar 2021 geänderte Regelung in § 5 II Nr. 2 JVEG2 für Sachverständige, während für Zeugen oder Dritte der Kilometersatz 0,35 EUR (Nr. 1) beträgt. Gerechnet wird nun mit neuen Kilometerpauschalen; lt. Ziff. 10.2.2 Süddeutschen Unterhaltsleitlinie in der Regel nach folgender
Formel:
(Entfernung zum Arbeitsplatz) x 2 x 220 Tage x 0,42 € x 1/12
Steuerrecht: Für Fahrtstrecken von mehr als 20 km wird steuerrechtlich für die Veranlagungsjahre 2021 bis 2023 die Kilometerpauschale von vormals 30 Cent auf (lediglich) 35 Cent sowie für die Veranlagungsjahre 2024 bis 2026 auf 38 Cent erhöht (§ 9 I Nr. 4 Satz 8 EStG).
Unterhaltsrecht: Die unterhaltsrechtlichen OLG-Leitlinien weichen von den steuerrechtlichen Vorgaben teilweise ab. Es muss also jeweils unter Ziff. 10.2.2. der Richtlinien nachgesehen werden, welche Pauschalsätze bei welchen Fahrtstrecken im jeweiligen OLG-Bezirk anerkannt werden. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 30 km einfach) kann nach unten abgewichen werden (für die Mehrkilometer in der Regel 0,28 €: vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 14.4.2022 – 9 UF 155/21 -, FamRZ 2023, 1116 [m. Anm. Borth]; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 16.5.2022 – 2 UF 184/21; OLG Hamm, Beschluss v. 16.9.2022 – 5 UF 44/22).
Zu den Tagessätzen/Jahr bei Lehramtspersonal (= 200 Tage)
vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.05.2015 – 10 UF 210/14, Rn 36 )
Bei Benutzung anderer Fahrzeuge können nur entsprechend geringere Pauschalen berücksichtigt werden. Das OLG Karlsruhe (FuR 2001, 565) ging bei Benutzung eines Motorrades von 0,24 DM/km, das OLG Hamm (BeckRS 2003, 09223) bei der Nutzung eines Motorrollers von 0,12 EUR/km aus.
In der unterhaltsrechtlichen Praxis begegnet man immer wieder der Streitfrage, ob PkW-Anschaffungskosten, die zu Leasing- bzw. regelmäßigen Finanzierungsfixkosten führen, aus dem zu verbleibenden Selbstbehalt zu bestreiten sind, oder vorab eine gesonderteAbzugsposition (in Form berufsbedingter Aufwand oder unvermeidbare Kreditverbindlichkeit) zu Bereinigung des Einkommens darstellen. Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Denn – wie fast überall im Unterhaltsrecht – zählt die Einzelfallbetrachtung. An dieser Stelle können nur allgemeine Hinweise für den Lösungsweg gegeben werden.
BGH, Urteil vom 1. März 2006 – XII ZR 157/03
Kalkulationsgrundlage der Kilometerpauschale – PKW-Anschaffungskosten – Einkommensbereinigung für Bedarf an Ehegatten- und Kindesunterhalt
Leitsatz: Werden Fahrtkosten zur Arbeit mit der in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien vorgesehenen Kilometerpauschale angesetzt, so sind hierin regelmäßig sämtliche Pkw-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierungsaufwand enthalten.“
Anmerkung: Als Grundsatz gilt: Die Anschaffungskosten bzw. Vorhaltekosten für den PKW sind bereits in die Kilometerpauschalen der OLG-Leitlinien einkalkuliert (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 09.06.2011 – 6 UF 47/11). Das gilt auch für Finanzierungsmodelle, wie Leasing oder Finanzierungskauf. Die entsprechenden Finanzierungsraten sind grundsätzlich nicht gesondert abzugsfähig. Diese BGH-Rechtsprechung erscheint im ersten Zugriff als ungerecht; denn die ehelichen Lebensverhältnisse waren ja zweifelsfrei geprägt sowohl durch die Kreditraten wie die zusätzlichen Kosten für den Betrieb des Fahrzeugs. Nach den anerkannten Kriterien zur Einkommensbereinigung von eheprägenden Kreditverbindlichkeiten sollte eine Einkommensbereinigung von Pkw-Finanzierungskosten möglich sein. Wie ist dieses Problem zu lösen?
Korrektur der Kilometerpauschale:
Die Lösung liegt in der Bereinigung der Kilometerpauschale um den darin einkalkulierten Anteil für die Pkw-Anschaffungskosten. In der Kilometerpauschale sind sämtliche Pkw-Kosten einkalkuliert: Anschaffungskosten, Ausgaben für für Benzin, Öl, Reifen, Wartung, Reparaturkosten, Steuern und Versicherung, etc. Mit Bereinigung der Kilometerpauschale um den Anteil für Pkw-Anschaffungskosten wird eine Doppel-Berücksichtigung vermieden, wenn die Bereinigung des Einkommens von Pkw-Anschaffungskosten separat geltend gemacht wird, weil diese die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben. Auf diese Weise wird die Geltendmachung von Pkw-Anschaffungskosten als weiterer Abzugsposten vom Einkommen möglich (vgl. Anm. Born zu BGH, Urteil vom 1. März 2006 – XII ZR 157/03, in: FamRZ 2006, 846, 849). Anerkannt ist auch, dass für eine notwendig werdende Neuanschaffung eines Fahrzeugs Rücklagen gebildet werden dürfen (BGH, FamRZ 1982, 360, 362), aber nicht neben Kreditkosten für das alte Fahrzeug (OLG Hamm, FamRZ 1997, 835). Als Kilometerpauschale können nur noch die zu schätzenden reinen Betriebskosten (zB 50% der Pauschale) oder die pauschalen 5% als berufsbedingte Aufwendungen angesetzt werden.
Praxishinweis:
Neben dem Ansatz der Pauschale können keine zusätzlichen Kosten für einen Anschaffungskredit abgezogen werden, weil dieser sonst doppelt berücksichtigt würde. Wer also die Kreditkosten für Pkw-Anbschaffung als eigenen Abzugsposten ansetzen will, kann in der Kilometerpauschale nur die reinen Betriebskosten berücksichtigen (OLG Hamm, FamRZ 1997, 835: 0,15 DM/km geschätzt im Rahmen von § 287 ZPO; dies wird von Wendl/Dose, § 1 Rz. 99, Fn. 178, für zu niedrig gehalten). Damit ergeben sich für die Praxis folgende Alternativen:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.06.2020 – 9 UF 166/19
Kein gesonderter Ansatz von PKW-Fianzierungskosten neben Kilometerpauschale beim Kindesunterhalt
Leitsatz: Ein gesonderter Ansatz von Pkw-Finanzierungskosten neben der geltend gemachten Kilometerpauschale ist regelmäßig nicht vorzunehmen; dies gilt auch dann, wenn gesundheitliche Beschränkungen die Inanspruchnahme des Pkw rechtfertigen.
(Zitat) “Diese Einkünfte sind um berufsbedingte Pkw-Fahrtkosten von monatlich 280,80 EUR zu bereinigen. Die – auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge der Grunderkrankung des Antragsgegners gründende – Notwendigkeit der Nutzung des Pkw für die Fahrten zur und von der Arbeitsstelle mit einer einfachen Entfernung von 27 km ist grundsätzlich unstreitig. Abweichend vom Amtsgericht berücksichtigt der Senat allerdings nicht 220 (= monatsdurchschnittlich 18,33 Arbeitstage), sondern nur 208 (= monatsdurchschnittlich 17,33 Arbeitstage), nachdem der Arbeitgeber den Antragsgegner an den Tagen der monatlichen Infusionen unter Lohnfortzahlung freistellt. Die berufsbedingten Fahrtkosten errechnen sich somit aus 27 km x 2 x 0,30 EUR x 208 Arbeitstage : 12 Monate und belaufen sich auf lediglich 280,80 EUR. Der Antragsgegner kann daneben nicht die Absetzung der Kfz-Versicherungskosten mit 74,97 EUR verlangen. In der Kilometerpauschale von 0,30 EUR sind sämtliche Pkw-Betriebskosten (Benzin, Öl, Reifen, Wartung, Reparatur, Versicherung und Steuer und zudem die Anschaffungskosten – dazu sogleich gesondert) enthalten. Die Versicherungskostenkönnen deshalb daneben nicht gesondert in Abzug gebracht werden. […] Das entspricht auch der vom Antragsgegner selbst zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH FamRZ 2006, 846); der BGH hat diese Entscheidung allerdings mit dem – eine Öffnung für besondere Umstände im Einzelfall andeutenden – Zusatz versehen, dass nicht dargetan sei, dass im dortigen Streitfall ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebotenwäre. Der Umstand, dass der Antragsgegner für die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit krankheitsbedingt auf die Nutzung eines Kfz angewiesen ist, trägt schon die Anerkennung der Kilometerpauschale und kann deshalb für sich betrachtet nicht noch zusätzlich die Darlehensrate rechtfertigen, jedenfalls im hier vorliegenden Fall, da es nicht um eine Erstanschaffung eines Pkw geht. Im Streitfall fällt besonders ins Gewicht, dass diese erhebliche Zahlungsverpflichtung in 03/2018 und damit nur kurze Zeit nach der Inanspruchnahme wegen übergegangener/übergehender Unterhaltsansprüche des minderjährigen Sohnes begründet worden ist. Insoweit ist aber unter Beachtung der erhöhten Anforderungen an die Herstellung und Wahrung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine besonders kritische Würdigung der Begründung einer neuen erheblichen Darlehensverpflichtung geboten. Dass die fortgesetzte Nutzung des vorhandenen Pkw nicht mehr möglich gewesen wäre, ist nicht (substantiiert) vorgetragen. Aus der vorgelegten Fahrzeugbewertung ergeben sich keine belastbaren Anknüpfungstatsachen für eine nicht mehr bestehende Fahrbereitschaft; eine Vorstellung zur nächsten Hauptuntersuchung war erst im Januar 2019 fällig. Auch eine krankheitsbedingte Notwendigkeit für eine Ersatzbeschaffung gerade im Streitzeitraum ist nicht substantiiert dargetan. Der letzte Krankheitsschub des Antragsgegners ereignete sich 2012/13, lag also Jahre zurück. Beachtlich ist weiter der Umstand, dass der Antragsgegner nach Aktenlage auch vor 01/2018 lediglich 15 EUR an Kindesunterhalt gezahlt hat. Bei dem vorhandenen Einkommen (rund 1.570 EUR netto) hätte danach aber durchaus die Möglichkeit bestanden, für eine Ersatzbeschaffung eine Rücklage anzusparen. Soweit der Antragsgegner substanzlos und ohne jeden tauglichen Beleg darauf verweist, er habe schon vor der Ersatzbeschaffung ein Pkw-Darlehen zurückzuführen gehabt, ist das unbehelflich. Im Übrigen standen ihm im Frühjahr 2018 aus einer nicht rückzahlbaren Zuwendung Mittel von 5.439 EUR tatsächlich zur Verfügung. Dass mit eigenen Mitteln und dieser Zuwendung eines – hier unterstellt notwendige – angemessene Ersatzbeschaffung eines Gebrauchtfahrzeuges (auch eines SUV mit Automatikgetriebe) nicht möglich gewesen sein sollte, ist nicht tragfähig vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung der in Rede stehenden besonderen Umstände des Streitfalles ist nach alledem eine mit 200 EUR monatlich erhebliche Neuverschuldung in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Inanspruchnahme wegen Unterhalts des minderjährigen Sohnes unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen.”
Anmerkung: Die Entscheidung erklärt, welche Kosten durch die Kilometerpauschale abgegolten sind. Die Nichtberücksichtigung von Finanzierungskosten ist immer auch eine Frage des Einzelfalls (PKW zwingend notwendig oder möglicher Verstoß gegen die Obliegenheit zur Einkommensoptimierung). Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte sehen zwar Regelungen vor, weichen aber im Detail voneinander ab. Überwiegend sind die Anschaffungskosten jedoch durch die Kilometerpauschale abgedeckt.
Weiterführende Links:
» Kriterien für den Abzug von Krediten vom Einkommen
» Gerhardt, Fahrtkosten und Einkommensbereinigung, in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl. § 1 Rn 1047
Eine doppelte Haushaltsführung liegt steuerlich vor, wenn Arbeitnehmer außerhalb ihres Wohnorts beschäftigt sind, einen eigenen Haushalt haben und nicht täglich zu ihrem Wohnort zurückkehren (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Arbeitnehmer ohne eigenen Haushalt außerhalb des Beschäftigungsortes erfüllen nicht die Kriterien für eine doppelte Haushaltsführung (BMF v. 30.6.2004, DStR 2004, 1217). Privat motivierte Gründe für die Gründung eines weiteren Haushalts sind in Bezug auf Unterhaltsrecht irrelevant.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.02.2021 – 6 UF 160/20
Umzugskosten – Aufwand für doppelte Haushaltsführung des Unterhaltspflichtigen
Leitsätze: Umzugskosten können als berufsbedingter Aufwand beachtlich sein, wenn sie dadurch veranlasst gewesen sind, dass der Unterhaltsverpflichtete eine recht weit von seinem bisherigen Arbeitsort entfernt liegende, neue Arbeitsstelle angetreten hat. Indessen müssen sie konkret nachgewiesen und steuerliche Vorteile angerechnet werden.
Die Anerkennung des Aufwandes für doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass sowohl deren Begründung als auch ihre Aufrechterhaltung notwendig ist.
Anmerkung: Berufsbedingte Aufwendungen können in vollem Umfang vom Einkommen abgezogen werden, sofern sie konkret dargelegt und belegt werden. Kosten für einen doppelten Haushalt können abgezogen werden, wenn sie beruflich bedingt sind und nachweisbar sind. Es ist wichtig, sie von den privat veranlassten Lebenshaltungskosten abzugrenzen.
Sind die Kosten doppelter Haushaltsführung tatsächlich beruflich veranlasst, muss weiter danach gefragt werden, ob die Kosten unvermeidbar sind oder es unterhaltsrechtlich zumutbar ist, die Kosten durch Sitzverlegung des privaten Haushalts in die Nähe des Arbeitsplatzes zu minimieren (Obliegenheit zur Einkommensoptimierung).
Nach Trennung oder Scheidung ist zu prüfen, ob die Kosten niedrig sind und persönliche Gründe die doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (Behandlung von trennungsbedingtem Mehraufwand; Wendl/Dose § 1 Rn. 105).
Beispiel: zur Einkommensbereinigung wegen doppelter Haushaltsführung beim Volljährigenunterhalt: OLG Thüringen, 1 UF 240/02).
Es ist für eine korrekte Unterhaltsberechnung wesentlich, welche unterhaltsrechtliche Qualität Kinderbetreuungskosten aufweisen. Sie können sich als Mehrbedarf des Kindes darstellen, für den die Eltern anteilig haften oder sie sind als berufsbedingter Aufwand vom Erwerbseinkommen des kinderbetreuenden Elternteils abziehbar (Weichenstellung). Bei der Frage von Kinderbetreuungskosten ist zwischen Kosten des Kindergartenbesuchs, und Kosten sonstiger Fremdbetreuung (z.B. Hortbesuch, Internatsbesuch, Besuch einer Privatschule etc.) zu differenzieren.
Dient der Besuch der Einrichtungen vorwiegend erzieherischen Zwecken des Kindes, so sind sie als Lebensbedarf des Kindes zu qualifizieren. Soweit Sie aber vorwiegend die berufliche Tätigkeit eines Elternteils ermöglichen sollen, können sie berufsbedingte Aufwendungen darstellen. Je nachdem, zu welchem Ergebnis man gelangt, wird der Aufwand als Mehrbedarf des Kindes von den Eltern anteilig getragen oder er führt zur Einkommensbereinigung wegen Abzug konkreter berufsbedingter Aufwendungen.
Ob Kinderbetreuungskosten als Teil des Naturalunterhaltsbedarfs des Kindeseinzustufen sind, war bislang sehr umstritten. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung von der gesetzlichen Regelung aus, die bei minderjährigen Kindern zwischen dem Betreuungs- und dem Barbedarf unterscheidet.
Grundsätzlich hat im Residenzmodell nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ein Elternteil die Betreuung des Kindes sicherzustellen, während der andere den Barunterhalt schuldet. Die Betreuung deckt dann den gesamten üblichen Betreuungsbedarf ab; bedient sich der betreuende Elternteil dafür der Hilfe einer Fremdbetreuung, hat er deren Kosten zu übernehmen.
Im Gegenzug kann der betreuende Elternteil die Betreuungskosten, die ihm seine Erwerbstätigkeit ja erst ermöglichen, bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts von seinen Einkünften abziehen. Zwar versagt diese Art der Berücksichtigung, wenn der betreuende Elternteil aus anderen Gründen, etwa wegen ausreichender eigener Einkünfte, nach § 1578 b BGB oder wegen Wiederheirat nach § 1586 Abs.1 BGB, keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt mehr hat. Dann sind die Betreuungskosten grundsätzlich allein von dem betreuenden Elternteil aufzubringen. Diese Folge ist aber nicht unbillig, weil im Gegenzug ja auch der andere Elternteil allein den Barunterhalt schuldet.
Eine Ausnahme lässt der BGH in seiner Rechtsprechung nur für die Fälle zu, in denen Betreuungskosten entstehen, die den Rahmen der üblichen Betreuungsleistungübersteigen. Das hatte der BGH schon in der Vergangenheit hinsichtlich der Kosten für die besondere Förderung der Kinder in Kindergärten, Kindertagesstätten und im Hortangenommen. Jetzt hat er diesen Grundsatz auch auf eine besondere Förderung in entsprechenden privaten Einrichtungen erstreckt. Zudem hat der BGH den Grundsatz betont, dass es für die Abgrenzung darauf ankommt, ob die konkrete Betreuung und damit auch die Kosten einer Fremdbetreuung über die vom betreuenden Elternteil allgemein geschuldete Betreuungsleistung hinausgeht (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2017 – XII ZB 55/17, Rn 16ff). Die Kosten für den Besuch eines Kindergartens, einer Kindertagesstätte oder eines Horts sind nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls Unterhaltsbedarf des Kindes. Diese zusätzlichen Kosten sind also kein Teil der vom betreuenden Elternteil nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB geschuldeten Pflege und Erziehung. Andererseits sind diese Kosten auch nicht Teil des vom anderen Elternteil geschuldeten (Regel-)Barunterhalts. Denn der Barunterhalt orientiert sich, wie sich aus § 1612 a Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, an dem Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG. Dieser – höhere – Kinderfreibetrag wird den Eltern aber neben dem weiteren Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf des Kindes eingeräumt. Weil die Kosten für den Kindergarten eher von dem letzteren Freibetrag erfasst sind, haben sie nichts mit dem Barunterhalt zu tun (BGH, Urteil vom 26. November 2008 – XII ZR 65/07). Weil die fortlaufenden Kosten für den Kindergarten auch kein Sonderbedarf sind (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 – XII ZR 4/04), bleibt nur die Möglichkeit, sie als Mehrbedarf einzustufen. Für den Mehrbedarf, der zusätzlich zum Bar- und Betreuungsunterhalt geschuldet ist, haften die Eltern anteilignach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.
BGH, Versäumnisurteil vom 5. März 2008 – XII ZR 150/05
Kinderbetreuungskosten – Erzieherische oder berufsbedingte Gründe?
(Zitat, Rn 19) “Zwar hat der Senat Kosten, die einem erwerbstätigen Ehegatten für die Fremdbetreuung des bei ihm lebenden Kindes notwendigerweise entstehen, als mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwand angesehen (vgl. etwa Senatsurteil vom 29. November 2000 – XII ZR 212/98 – FamRZ 2001, 350, 352). Dass die mit einer Fremdbetreuung verbundenen Kosten berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils darstellen, kann aber nicht in allen Fällen angenommen werden. Vielmehr ist insofern eine differenzierte Betrachtungsweise geboten, die darauf Bedacht zu nehmen hat, dass der Unterhaltsbedarf eines Kindes dessen gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten der Erziehung umfasst (§ 1610 Abs.2 BGB). Wenn Aufwendungen in erster Linie erzieherischen Zwecken dienen, wie es bei denjenigen für den Kindergartenbesuch der Fall ist, bestimmen sie jedenfalls den Bedarf des Kindes und nicht denjenigen des betreuenden Elternteils.“
BGH, Beschluss vom 04.10.2017 – XII ZB 55/17
Kinderbetreuungskosten allein wegen Berufstätigkeit veranlasst
Leitsatz: Wird die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich, stellen die Betreuungskosten keinen Mehrbedarf des Kindes dar, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Dafür entstehende Betreuungskosten können mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden (im Anschluss an Senatsurteile vom 14. März 2007 – XII ZR 158/04 – FamRZ 2007, 882 und vom 5. März 2008 – XII ZR 150/05 – FamRZ 2008, 1152).
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2016 – 1 UF 12/16
Kinderbetreuungskosten – Einstellung einer Betreuungsperson
(Zitat) “Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmen Betreuungskosten für das Kind nicht den Bedarf des Kindes (als Kosten der Erziehung), sondern stellen berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils dar, wenn die fragliche Betreuung in erster Linie nicht aus pädagogischen Gründen erfolgt, sondern um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (BGH, FamRZ 2007, 882 ff., Rn. 42; 2008, 1152 ff., Rn. 19). Auch wenn der Bundesgerichtshof im Rahmen seiner Rechtsprechung zur unterhaltsrechtlichen Zuordnung von Kosten des Kindergartenbesuchs ausgeführt hat, die Kosten der Kinderbetreuung seien bei der Unterhaltsbemessung angemessen zu berücksichtigen, was über den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils nicht in allen Fällen möglich sei (BGH, FamRZ 2008, 1152 ff., Rn. 23), ändert dies nichts an der nach dem Hauptzweck der Betreuungsmaßnahme differenzierenden Zuordnung der Betreuungskosten entweder zum Bedarf des Kindes oder zum Bedarf des betreuenden Elternteils, weil eine solche Differenzierung, die der Bundesgerichtshof im Fall des Kindergartens im Einzelnen unter Herausarbeitung der pädagogischen und bildungsmäßigen Aufgaben der Einrichtung vornimmt (vgl. BGH, FamRZ 2008, 1152 ff., Rn. 20 ff.; 2009, 962 ff., Rn. 14 ff.), im Fall einer generellen Zuordnung dieser Kosten zum Bedarf des Kindes überflüssig wäre. Aufgrund dieser differenzierenden Betrachtung sind Kosten der Hortunterbringung eines Kindes nicht dem Mehrbedarf des Kindes zuzurechnen, sondern als Aufwendungen zu werten, die in erster Linie die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils ermöglichen oder erleichtern und daher im Rahmen des Ehegattenunterhalts zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2007, 1353 f., juris Rn. 5).
Aufteilung der Kosten für gemeinsam engagiertes Betreuungspersonal:
“(…) Es ist von einer Gesamtschuldnerschaft [der Eltern] betreffend die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts an die Kinderfrau auszugehen, weil beide [Eltern] den Arbeitsvertrag mit der Kinderfrau M P geschlossen haben (…) Der Ausgleichsanspruch besteht gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in hälftiger Höhe, weil sich auch insoweit eine andere Bestimmung der [Eltern] nicht feststellen lässt (…).”
Weiterführende Links:
» Job & Kind – das unterhaltsrelevante Einkommen kinderbetreuender Eltern
» Mitbetreuung & Umgangskosten – unterhaltsrechtliche Bedeutung
» Heim & Internat – Kindesunterhalt bei auswärtiger Unterbringung
Wenn Kinder eigenes Erwerbseinkommen erzielen, handelt es sich in der Regel um eine Ausbildungsvergütung oder bei Studenten um einen Nebenjob. Eigenes Einkommen der Kinder mindert die Unterhaltsbedürftigkeit.
In welcher Höhe die Ausbildungsvergütung auf den Kindesunterhalt zur Anrechnung kommt, hängt von der Bereinigung der Ausbildungsvergütung ab. Einer der Abzugsposten ist der ausbildungsbedingte Mehrbedarf, der (vgl. Ziff. 10.2.3 SüdL) und höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 26.10.2005 – XII ZR 34/03) pauschal 100,00 € (2023) beträgt. Man könnte annehmen, dass es bei Auszubildenden berufsbedingte Aufwendungen nur diese Abzugspauschale (100 €) anstelle der 5%-Aufwandspauschale gäbe. Diese Ansicht ist falsch. Die ausbildungsbedingte Pauschale hat nichts mit berufsbedingten Aufwendungen zu tun. Sie soll vielmehr einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf pauschal in Abzug bringen lassen. Soweit daneben berufsbedingte Fahrtkosten von der Wohnung zur Ausbildungsstätte festzustellen sind, können diese zusätzlich in Ansatz gebracht werden.
Weiterführende Links:
» Eigenes Einkommen der Kinder im Unterhaltsrecht
» Anrechnung des Einkommens minderjähriger Kinder auf den Kindesunterhalt
» Anrechnung des Einkommens volljähriger Kinder auf den Kindesunterhalt
OLG Köln, Beschluss vom 30.01.2013 – II-4 UF 218/12
Azubi – Mehrbedarf – Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte
(Zitat, Rn 19) “Bei dem Abzug von 90,00 € handelt es sich nicht um eine berufsbedingte Pauschale, sondern um eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf (siehe auch Anm. 8. zur Düsseldorfer Tabelle und Ziffer 10.2.3 der Kölner Unterhaltsleitlinien). Dieser findet seine Rechtfertigung neben sonstigen berufsbedingten Aufwendungen in einem Arbeitsanreiz (vgl.: Büttner/Niepmann/Schwamb, a. a. O., Rn. 560) und in der Notwendigkeit der Anschaffung von Büchern, sonstigen Lernmitteln und Einrichtungsgegenständen, die bei einem Arbeitnehmer normalerweise nicht anfallen bzw. durch steuerliche Absetzung einen gewissen Ausgleich finden. Eine Verrechnung mit Fahrtkosten findet daher nicht statt.”
Insbesondere in den Fällen, bei denen es um die Zahlung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder geht (Fall der gesteigerten Leistungsfähigkeit – erhöhte Unterhaltsverpflichtung), hat der BGH verschärfend entschieden, dass nur eine 5 %-Pauschale in Abzug gebracht werden darf, wenn ein Gericht es für zumutbar hält, dass der unterhaltspflichtige Elternteil mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeitsstelle gelangt oder den Wohnsitz an den Dienstort verlegt. Es besteht kein Wahlrecht.
Auch wenn objektiv die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, wird der pauschale Ansatz (5 % – Regel) akzeptiert, wenn die Beteiligten selbst die Nutzung eines Autos als notwendig erachten und die damit verbundenen Kosten in die Einkommensberechnung einbeziehen (BGH, Beschluss v. 9.3.2022 – XII ZB 233/21, FamRZ 2022, 781, m. Anm. Norpoth)
Eingeschränkte Einkommensbereinigung besteht grundsätzlich dann, und in mehrfacher Hinsicht, wenn die Eltern eine es um die Existenzsicherung minderjähriger Kinder geht (Mangelfall & Einkommen der Eltern). Im Mangelfall werden nur die Treibstoffkosten für die anfallenden Fahrkosten bei Umgangsterminen berücksichtigt. Bei einer monatlichen Fahrstrecke von etwa 550 km kann dies auf etwa 50 Euro im Monat geschätzt werden. Dies wurde durch einen Beschluss des OLG Bamberg vom 9.2.2022 – 7 UF 196/21, bestätigt.
Weiterführende Links:
» Begrenzte Einkommensbereinigung wegen Zahlung des Mindestunterhalts
» Berücksichtigung von Umgangskosten bei der Einkommensbereinigung
OLG Bamberg, Beschluss vom 09.02.2022 – 7 UF 196/21
Ansatz von Fahrtkosten bei Mindestunterhalt für Kinder
(Zitat) “Anfallende Fahrtkosten können im Hinblick auf die > gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB nur mit der Pauschale in Höhe von 5 % des Einkommens, hier also einem Betrag von 70,33 € pro Monat, berücksichtigt werden (vgl. SüdL Stand 2021 Nr. 10.1.2). Grundsätzlich dürfen hohe Fahrtkosten nämlich nicht dazu führen, dass für minderjährige Kinder nicht einmal mehr der Mindestunterhalt gezahlt werden kann (Handbuch FamR / Fuchs, 12. Auflage, 2021, Kapitel 6 Rn. 209). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass beispielsweise die Stadt Fulda vom Wohnort des Antragsgegners aus nach Auskunft unter www.rmv.de auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 10 UF 104/16
Abzug berufsbedingter Fahrtkosten bei Sicherung des Kindes-Mindestunterhalts
(Zitat, Rn 24) “Nicht in jedem Fall können die berufsbedingten Aufwendungen unterhaltsrechtlich in vollem Umfang Berücksichtigung finden. So kommt im Einzelfall in Betracht, einen Unterhaltsschuldner, der die Wegstrecke zu seiner Arbeitsstelle mit dem privaten Pkw zurückgelegt, auf die Inanspruchnahme der kostengünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel zu verweisen (vgl. Niepmann/Schwamb, a.a.O., Rn. 983). Insbesondere dann, wenn den Unterhaltspflichtigen – wie im vorliegenden Fall – gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen Kindern trifft, kann von ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verlangt werden. Dies gilt auch, wenn dies umständlich ist ; ein arbeitstäglicher Zeitaufwand von 2½ bis 3 Stunden erscheint zumutbar (Senat, NJWE-FER 1999, 236). Auch wenn die berufsbedingten Fahrtkosten zu dem erzielten Nettoeinkommen außer Verhältnis stehen, ist der Unterhaltsschuldner insbesondere bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zunächst auf die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen (vgl. BGH, FamRZ 1984, 988, 990). Wenn die Fahrtkosten einen hohen, unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, durch den angemessene Unterhaltsleistungen ausgeschlossen werden, ist ferner zu prüfen, ob von dem Unterhaltspflichtigen nicht ein Wechsel des Wohnortes erwartet werden kann (vgl. BGH, FamRZ 1998, 1501, 1502; Senat, Urteil vom 1.8.2006 – 10 UF 203/05, BeckRS 2006, 10142). Das kann zu bejahen sein, wenn dem Ortswechsel schutzwürdige wichtige persönliche oder sonst anerkennenswerte Gründe nicht entgegenstehen (Senat, Beschluss vom 13.11.2007 – 10 UF 230/06, BeckRS 2008, 09471). Ergibt sich bei weiten Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsstelle eine unangemessen hohe Belastung, muss schließlich auch darüber nachgedacht werden, ob der Wechsel in eine näher zum Wohnort gelegene Arbeitsstelle zumutbar ist (Senat, Urteil vom 9.11.2010 – 10 UF 3/10, BeckRS 2010, 29950; Urteil vom 1.8.2006, a.a.O. Wendel/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 140)“.
BGH, Urteil vom 06.02.2002 – XII ZR 20/00
Ansatz von Fahrtkosten bei Mindestunterhalt für Kinder
(Zitat) „Es ist nicht zu beanstanden, dass für die Fahrten zur Arbeitsstelle nur die Pauschale von 5 % und nicht die geltend gemachten konkreten Fahrtkosten von monatlich 583 DM vom Nettoeinkommen abgezogen werden. (…) Dies schließt zwar die Berücksichtigung konkreter Aufwendungen nicht aus, soweit diese notwendig und angemessen sind. Es hält sich aber im Rahmen der revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Bewertung, wenn ein Gericht es für zumutbar gehalten hat, dass der Unterhaltsschuldner mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeitsstelle gelangt oder den Wohnsitz an den Dienstort verlegt.“
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