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Kanzlei für Familienrecht > Infothek zum Familienrecht > Unterhalt > Kindesunterhalt > Ausbildungsanspruch > Ausbildungswege > Ausbildungsfinanzierung
§ 1610 Abs.2 BGB bestimmt, dass Eltern grundsätzlich bis zum > Abschluss der Berufsausbildung des Kindes unterhaltspflichtig sind, weil bis dahin die Ausbildung einen Erwerbshinderungsgrund darstellt (Ausbildungsanspruch). Der Ausbildungsweg kann lange dauern und sich über mehrere Ausbildungsabschnitte erstrecken. Die Kinder sind zwischenzeitlich längst volljährig geworden (Volljährigenunterhalt). Nach jedem abgeschlossenen Ausbildungsabschnitt (z.B. allgemeinbildende Schule, Lehre, Fachhochschule, Universität etc.) stellt sich die Frage, ob der nächste Ausbildungsabschnitt noch immer von § 1610 Abs.2 BGB gedeckt ist. Oder können die Eltern jetzt das Kind auf seine Erwerbsobliegenheit verweisen?
| Wegweiser zum Bedarf an Ausbildung
Bis zum Abschluss der allgemeinen Schulausbildung kann auch vom volljährigen Kindgrundsätzlich keine Erwerbstätigkeit verlangt werden. Bis dahin geht der Ausbildungsanspruch einer Erwerbsobliegenheit vor. Doch endet damit derAusbildungsanspruch ? Nein: dieser reicht gem. § 1610 Abs.2 BGB) bis zum Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung.
Unterhaltspflicht bis Ende der Erstausbildung:
Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind daher nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.
Weiterführende Links:
>> Rechtsprechung zur Zweitausbildung?
Unterhaltspflicht bei Weiterbildung:
Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (Senatsurteil vom 30. November 1994 – XII ZR 215/93 – FamRZ 1995, 416 f. m.w.N.). Diese Grundsätze hat der BGH für die Fälle modifiziert, in denen ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Grund für die Modifizierung war das zunehmend geänderte Ausbildungsverhalten der Studienberechtigten, die sich durch eine praktische Berufsausbildung eine sichere Lebensgrundlage schaffen, ein anschließendes > Studium aber nicht von vornherein ausschließen wollen. Dabei hat der BGH allerdings wegen des aus § 1610 Abs. 2 BGB abzuleitenden Merkmals der Einheitlichkeit des Ausbildungsganges daran festgehalten, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen müssen. Er hat es jedoch genügen lassen, dass der Studienabschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird, weil es gerade der Eigenart des vom herkömmlichen Bild abweichenden Ausbildungsverhaltens entspricht, dass sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung vielfach noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig ist (Senatsurteil vom 23. Mai 2001 – XII ZR 148/99 – FamRZ 2001, 1601 f.).
Weiterführende Links:
>> Rechtsprechung zur angemessenen Weiterbildung
OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2018 – 7 UF 18/18
Kein Kindesunterhalt für Finanzierung einer zweiten Berufsausbildung
(Zitat, Rn 30, 31) “Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird nach dieser Vorschrift eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.”
OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.11.2018 – 11 UF 159/18
Kein Kindesunterhalt für Finanzierung einer zweiten Berufsausbildung
(Zitat, Rn 20 bis 22) ” [Rn 20]…. Ausnahmen [= weitere unterhaltsrechtliche Ausbildungsfinanzierung] hiervon bestehen nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde. [Rn 21] Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung wegen des zunehmend geänderten Ausbildungsverhaltens der Studienberechtigten für die Fälle modifiziert, in denen ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). [Rn 22] Für Ausbildungsabläufe, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert wird, sind die einzelnen Ausbildungsabschnitte hingegen nur dann als einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung anzusehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde. Hinter dieser Differenzierung steht der Gedanke, dass die Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach einem Schulabschluss und einer zu Ende geführten, in sich geschlossenen Berufsausbildung noch eine berufsqualifizierende Ausbildung – gegebenenfalls über weitere Ausbildungsstufen hinweg – anstrebt. Denn die Belange der Unterhaltspflichtigen dürfen insoweit nicht unberücksichtigt bleiben. Die Eltern müssen sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben (BGH Urteil vom 17. Mai 2006 – XII ZR 54/04 und BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 192/16 ).
Anmerkung: Eine zweite Berufsausbildung ist von einer Berufsausbildung, die in mehrere Ausbildungsabschnitte unterteilt werden kann, zu unterscheiden. Besteht eine Berufsausbildung aus mehreren Berufsausbildungsabschnitten, dann hat das Kind einen Anspruch gegen die Eltern auf Finanzierung jedes der einzelnen Ausbildungsabschnitte, die mit Erreichen der vollständigen Berufsausbildung zusammenhängen.
Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten besteht, wenn deren Ausbildungsinhalte aufeinander aufbauen und sich der fachliche Bezug zu einem Berufsbild herstellen lässt. Dienen die jeweiligen unterschiedlichen Ausbildungsabschnitte unterschiedlichen Berufsbildern, kann in der Regel ein sachlicher Zusammenhang kaum anzunehmen sein. Führt die “Ausbildungskette” über mehrere aufeinander aufbauende Schulformen (z.B. Realschule – Berufskolleg – Fachhochschule) ist immer zu prüfen, ob die jeweiligen Schulabschnitte einer angemessenen und den Neigungen und Fähigkeiten des Kindes entsprechenden Berufsausbildung dienen.
OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 15.11.2017 – 4 UF 135/17
Ausbildungsabschnitte: Lehre > Fachhochschule > Studium
(Zitat, Rn 13) “Das Amtsgericht – Familiengericht hat mit zutreffender Begründung einen Unterhaltsanspruch für die Dauer des Studiums der Tochter …bejaht, obwohl diese bereits eine Ausbildung abgeschlossen hatte. Geschuldet wird die Finanzierung einer Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Entschließt sich ein Kind erst nach einer praktischen Ausbildung zum Studium, müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich sinnvoll ergänzen. Es reicht dabei aus, dass der Studienentschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der praktischen Ausbildung gefasst wird (BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 192/16).… hat vorliegend im Bereich der Lebensmitteltechnik ihre praktische Ausbildung absolviert und nachfolgend das Studium der Wirtschaftsingenieurwissenschaft für Lebensmitteltechnik begonnen. Das Studium knüpft damit unmittelbar an die Erfahrungen der praktischen Ausbildung an. Die Entwicklung ihrer Noten zeigt, dass … den Willen und die Fähigkeiten hat, den sich stellenden Anforderungen eines Studiums gerecht zu werden. Ob das Kind dabei durch die Erfahrungen im Ausbildungsbetrieb (Schichtarbeit, mögliche Entlassungen) zur Aufnahme des Studiums veranlasst worden ist, ist ohne Belang.
BGH, Urteil vom 30.11.1994 – XII ZR 215/93
Zum Anspruch auf Besuch weiterbildender Berufs- und Hochschulen
(Zitat) „Nach § 1610 Absatz II BGB umfaßt der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind daher nicht verpflichtet, auch noch Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hat der Senat nur unter besonderen Umständen angenommen, nämlich wenn der Beruf etwa aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann oder wenn das Kind von den Eltern in einen seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt wurde oder die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung beruht. Ferner kommt eine weitergehende Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde.”
BGH, Urteil vom 17.05.2006 – XII ZR 54/04
Ausbildungsweg: Realschule – Lehre – Fachoberschule – Fachhochschule
Leitsätze:
1. Die Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt in den so genannten Abitur-Lehre-Studium-Fällen ist nicht auf Ausbildungsabläufe übertragbar, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert wird. In solchen Fällen ist nur dann von einer einheitlichen, von den Eltern zu finanzierenden Berufsausbildung auszugehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde (im Anschluss an die Senatsurteile vom 10. Oktober 1990 – XII ZR 111/89 – FamRZ 1991, 320, 321 und vom 30. November 1994 – XII ZR 215/93 – FamRZ 1995, 416, 417 f.).
2. Die Eltern schulden ihrem Kind aber jedenfalls Unterhalt für eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich dabei in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hält. Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert deswegen auch dann fort, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht (Fortführung des Senatsurteils vom 12. Mai 1993 – XII ZR 18/92 – FamRZ 1993, 1057, 1058 f.).
3. Im Einzelfall kann der Unterhaltsschuldner auch eine nicht unerhebliche Verzögerung in der Ausbildung des Kindes hinnehmen müssen, wenn diese unter Berücksichtigung aller Umstände nur auf ein leichteres, vorübergehendes Versagen des Kindes zurückzuführen ist.
OLG Bremen, Beschluss vom 19.10.2021 – 4 UF 59/2
Ausbildungsweg: Realschule – Lehre – Fachoberschule – Fachhochschule
Orientierungssätze:
1. Die Eltern schulden ihrem Kind Unterhalt für eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich dabei in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hält.
2. In den Fällen, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert wird („Realschul-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschul-Fälle“), ist jedenfalls dann von einer einheitlichen, von den Eltern zu finanzierenden Berufsausbildung auszugehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wird.
3. Der enge zeitliche Zusammenhang kann aber auch dann gewahrt sein, wenn die Zeit zwischen zwei Ausbildungsstufen auf zwangsläufige, dem Kind nicht anzulastende Umstände zurückzuführen ist, z. B. auf Entwicklungsstörungen infolge von familiären Schwierigkeiten oder bei leichterem, nur vorübergehendem Versagen des Kindes (hier: zwischenzeitlicher Abbruch der Fachoberschule aufgrund familiärer Konflikte).
Anmerkung: Eine zweite berufsqualifizierten Ausbildung müssen die Eltern nicht finanzieren. Die zu klärende Frage ist also: gehört der nächste Ausbildungsabschnitt noch zu der einen berufsqualifizierenden Ausbildung, oder ist dieser der Beginn einer zweiten Ausbildung? Dazu muss der gesamte Ausbildungsablauf näher betrachtet werden. Den Grundsatz einer Unterhaltsverpflichtung der Eltern für nur eine Ausbildung hat der BGH zunächst für die sogenannten „Abitur-Lehre-Studium-Fälle“ eingeschränkt, bei denen nicht erforderlich ist, dass der Studienentschluss bereits bei Beginn der Ausbildung vorhanden war (BGH 2006 1101), da die Eltern nach dem Abitur immer mit der Aufnahme eines Studiums rechnen müssen. Daneben erkennt die Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Finanzierung einer zweiten Ausbildung auch an, wenn die zunächst getroffene Entscheidung auf einer Begabungsfehleinschätzung des Kindes beruhte (BGH FamRZ 2006, 1102).
KG, Beschluss vom 24.05.2017 – 13 UF 48/17KG
Ausbildungsunterhalt – Mit welchen Abschlüssen endet der Anspruch?
Leitsatz:
1. In Berlin ist der Besuch der Berufsfachschule für Sozialassistenz, wenn der Schüler dort den mittleren Schulabschluss erlangt, nachdem er zuvor ein Gymnasium besucht hat und im Anschluss an den Besuch der Berufsfachschule ein berufliches Gymnasium besucht, als allgemeine Schulausbildung im Sinn von § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB anzusehen.
2. In diesem Fall ist der an der Berufsfachschule erlangte Abschluss als “staatlich geprüfter Sozialassistent” nicht als berufsqualifizierender Abschluss anzusehen, mit dem der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Pflicht, Ausbildungsunterhalt zu leisten (§ 1610 Abs. 2 BGB), genügt hätte.
3. Ein gestufter Schulbesuch “Gymnasium-Berufsfachschule/mittlerer Schulabschluss-berufliches Gymnasium” ist mit den sogenannten “Abitur-Lehre-Studium” Fällen nicht vergleichbar und unterliegt auch nicht den hierzu entwickelten Rechtsregeln.
Anmerkung: Der Abschluss an einer Berufsfachschule als „staatlich geprüfter Sozialassistent“ stellt keinen berufsqualifizierenden Abschluss dar, wenn danach das Fachabitur angestrebt wird. Für Eltern muss das Ausbildungsziel aber erkennbar sein. Nach dem Gesetz ( § 1610 Abs. 2 BGB ) umfasst der Unterhaltsanspruch des Kindes auch die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Angemessen ist eine Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht. Das beim Besuch einer Berufsfachschule verfolgte Ausbildungsziel des Fachabiturs, um später ggf. ein Studium aufnehmen zu können, ist mit der sogenannten „Abitur-Lehre-Studium“- Konstellation nicht vergleichbar. Denn diese Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass das ausbildungswillige Kind nach Ablegung des Abiturs zunächst eine betriebliche Ausbildung im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses erfolgreich abschließt, somit eine vollständige Berufsausbildung erlangt und erst danach mit dem Studium eine weitere, zweite Ausbildung beginnt. Letztlich führen auch wirtschaftlich beengte Verhältnisse der Eltern nicht schon dazu, dass dem ausbildungswilligen Kind der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt schon dem Grunde nach zu versagen wäre, sondern das notwendige Regulativ ergibt sich aus der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ( § 1603 BGB ).
Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsstufen besteht, wenn das Kind planvoll und zielstrebig die Ausbildungsabschnitte angeht und die Eltern damit rechnen können, dass ihr Kind nach Schulabschluss noch weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Angemessene Orientierungsphasen zwischen den Ausbildungsabschnitten zerstören den zeitlichen Zusammenhang nicht. Hier ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, welche Rechtfertigungsgründe die “Ausbildungspause” nachvollziehbar erklären.
BGH v. 03.05.2017 – XII 415/16
Ausbildungsabschnitte: Abitur > Lehre > Studium
Leitsätze :
a) Zum Ausbildungsunterhalt in den so genannten Abitur-Lehre-Studium-Fällen – hier: anästhesietechnische Assistentin – Medizinstudium (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. März 2017 – XII ZB 192/16 – juris; Senatsurteile vom 17. Mai 2006 – XII ZR 54/04 – FamRZ 2006, 1100 und BGHZ 107, 376 = FamRZ 1989, 853).
b) Die Leistung von Ausbildungsunterhalt für ein Studium des Kindes kann einem Elternteil unzumutbar sein, wenn das Kind bei Studienbeginn bereits das 25. Lebensjahrvollendet und den Elternteil nach dem Abitur nicht über seine Ausbildungspläne informiert hat, so dass der Elternteil nicht mehr damit rechnen musste, noch auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden.
BGH v. 29.06.2011 – XII ZR 127/09
Ausbildungspause & individuelle Einzelfallbetrachtung
(Zitat Rn 16, 17) “Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt auch die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig angehen. Zwar ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss. § 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Nachholung der Hochschulreife und der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einen Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen (Senatsurteil vom 4. März 1998 – XII ZR 173/96 – FamRZ 1998, 671, 672). Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt (OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181). Die Frage, bis wann es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, seine Ausbildung aufzunehmen, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. Senatsurteil vom 4. März 1998 XII ZR 173/96 – FamRZ 1998, 671, 672). Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist.”
OLG Hamm, Beschluss vom 05.02.2013 – 7 UF 166/12
Zum engen zeitlichen Zusammenhang und angemessenerOrientierungsphase
(Zitat) “Im Ausgangspunkt hat jedes Kind grundsätzlich Anspruch auf eine Berufsausbildung ; das gilt insbesondere für die (…) Erstausbildung. Der Ausbildungsanspruch kann daher nur dann versagt werden, wenn das Kind nachhaltig über einen längeren Zeitraum seine Ausbildungsobliegenheit verletzt und den Eltern – nach deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen – weitere Unterhaltsleistungen nicht mehr zugemutet werden können. Danach hat ein Kind, das nach dem Schulabschluss nicht sogleich eine Ausbildung begonnen hat, um bspw. zur “Selbstfindung” eine Weltreise zu unternehmen, mangels Bedürftigkeit zunächst keinen Unterhaltsanspruch. Es ist vielmehr darauf zu verweisen, seinen Bedarf durch eigene (ungelernte) Arbeit oder aus eigenem Vermögen zu decken. Dadurch verliert das Kind aber nicht ohne weiteres den Anspruch auf eine (dann später noch begonnene) angemessene Ausbildung. So kann auch ein 24-jähriges Kind jedenfalls dann eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, wenn die Eltern unter Abwägung aller Umstände noch damit rechnen mussten, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden. Von einem jungen Menschen kann nicht unbedingt von Beginn an eine zielgerichtet richtige Entscheidung in der Frage der Berufswahl erwartet werden. Dem Kind ist deshalb in der Regel eine Orientierungsphase zuzubilligen, deren Dauer unterschiedlich ist und sich nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen richtet (W/S-Scholz, § 2, Rn. 77, 88; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, § 6, Rn. 255 u Fn 970: 3 Semester). Die Kasuistik setzt beim Studium eine Grenze nach zwei, höchstens drei Semestern, wobei aber auch hier die besonderen Umstände des Einzelfalles zu beachten sind.“
Grundsätzlich muss sich das (volljährige) Kind selbst unterhalten, sofern es nach Abschluss seiner Schulausbildung nicht eine (Anschluss-) Berufsausbildung aufgenommen hat. Bei Nichtaufnahme einer Ausbildung, einem Ausbildungsabbruchoder nach Abschluss der Ausbildung trifft das volljährige Kind eine umfassende Erwerbsobliegenheit. Es muss somit in zumutbarer Weise seine Arbeitskraft ausnutzen, um sich selbst zu unterhalten. Z.B. zwischen Abitur und Studium-Beginn wird von der Rechtsprechung eine Orientierungsphase von drei Monaten zugebilligt. Verzögert sich der Beginn der weiteren Ausbildung danach weiterhin, muss das volljährige Kind auf alle Fälle Aushilfstätigkeiten aufnehmen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Allerdings ist die Faustformel (Drei-Monatige-Orientierungsphase) keine starre Frist für eine angemessene Orientierungsphase des Kindes. Insoweit sind die Verhältnisse des Einzelfalls unter Beachtung des Gegenseitigkeitsprinzips maßgeblich. Entscheidend kann beispielsweise sein, dass das Kind im Unterbrechungszeitraum krank oder in seiner geistigen oder seelischen Entwicklung erheblich verzögert war. Nimmt ein (volljähriges) Kind nach Beendigung der Schulausbildung nicht sofort eine berufsbezogene Ausbildung auf, führt dies nicht zwangsläufig zum Verlust des Ausbildungsunterhalts. Allerdings muss sich das Kind nach einer Orientierungsphase für eine Ausbildung entscheiden; dies folgt aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis (1618a BGB), nach dem das Kind Rücksicht auf die Belange der Eltern nehmen muss. Die Dauer der Berufsfindung hängt von den persönlichen Verhältnissen des Kindes ab; sie soll einem in der Entwicklung und den Lebenszielen noch nicht ausgereiften jungen Menschen die Möglichkeit geben, einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Beruf zu finden. Dies schließt auch Irrtümer des Kindes ein. Je länger die Zeit des Schulabgangs zurückliegt, umso stärker verdrängt der Grundsatz der Eigenverantwortung des Kindes die Verantwortung der Eltern für eine angemessene Ausbildung. Dies gilt vor allem dann, wenn das Kind über einige Jahre hinaus keine Ausbildung aufgenommen und seinen Lebensunterhalt durch eine berufliche Tätigkeit ohne eine qualifizierte Ausbildung bestritten hat. Insoweit ist auch erheblich, dass die Eltern nach Vollendung des 25. Lebensjahres keine steuerlichen Entlastungen nach §§ 32 Abs.4 Nr. 2, 33a EStG geltend machen können. Mit zunehmendem Alter obliegt es dem Kind, die Voraussetzungen an die Aufnahme einer angemessenen Ausbildung besonders zu begründen. Verletzt das Kind das Gegenseitigkeitsverhältnis, entfällt der Unterhaltsanspruch, ohne dass auf die Härteklausel nach § 1611 BGB zurückzugreifen ist. Auf einen Ausnahmefall für ein mögliches Überschreiten der Orientierungsphase mit fortgeltender Unterhaltszahlungspflicht möchten wir hier hinweisen:
OLG Koblenz, Beschluss vom 6. 4. 2011 – 13 UF 88/11
Orientierungsphase
Leitsatz: Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann im Einzelfall auch nach Ablauf der angemessenen Orientierungsphase fortbestehen, wenn dem Pflichtigen die Finanzierung der Erstausbildung zumutbar ist und die Versagung gravierende Folgen für die Lebensstellung des Kindes hätte.
(Zitat) “Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann im Einzelfall auch nach Ablauf der angemessenen Orientierungsphase fortbestehen, wenn dem Pflichtigen die Finanzierung der Erstausbildung zumutbar ist und die Versagung gravierende Folgen für die Lebensstellung des Kindes hätte. (…) Gemäß § 1610 BGB schulden die Eltern die Kosten einer der Begabung angemessenen Ausbildung. Im Gegenzug dazu ist das Kind verpflichtet, innerhalb einer angemessenen Orientierungsphase nach Abschluss der Schulausbildung seinen Berufs- und Lebensweg in eigener Verantwortung zu gestalten. Vorliegend beträgt der Zeitraum zwischen Beendigung der Hauptschule und dem Beginn des weiterführenden Schulabschlusses vier Jahre, was grundsätzlich zu einem Verlust des Ausbildungsunterhaltsanspruchs führen würde. Ein Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs für eine Erstausbildung ist auch in einem Fall wie dem vorliegenden jedoch möglich, wenn einerseits die Finanzierung der Ausbildung dem Pflichtigen zumutbar ist und andererseits die Versagung des Anspruchs für das Kind gravierende Folgen hätte. Für die Gewährung des Anspruchs spricht, dass der Vater nur für einen Zeitraum von 1½ Jahren in Anspruch genommen wird und er nicht dargetan hat, dass ihn die Zahlungen übermäßig belasten. Außerdem konnte die Tochter nach Beendigung der Hauptschule keine Erwerbstätigkeit finden, mit der sie ihren eigenen Bedarf hätte decken können. Dies wird belegt durch ihre vollschichtige Tätigkeit als Zimmermädchen, die ihr monatlich rund 900 Euro einbrachte. Zudem verfolgt die Tochter ihre Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit. In der Gesamtabwägung ist daher die lange Orientierungsphaseals Argument zu vernachlässigen.”
Es kommt also darauf an, was im Einzelfall für oder gegen die Verlängerung der Orientierungsphase spricht.
AG Speyer, Beschluss vom 06.08.2015 – 42 F 137/13
Orientierungsphase & wechselnde Ausbildungsverhältnisse
Die Entscheidung geht auf mehrere Aspekte ein, die zu einem Wegfall des Unterhaltsanspruchs wegen Ausbildung nach § 1610 Abs.2 BGB führen kann. Behandelt werden die Themen “Orientierungsphase”, Ausbildungsabbruch, Anforderungen an eine berufsqualifizierende Ausbildung. Achtung! Nicht jede Form und Art einer Ausbildung begründet einen Ausbildungsanspruch. Hat das Kind seinen allgemeinen Schulabschluss erreicht, muss die daran anschließende Ausbildung eine berufsqualifizierende Ausbildung sein. Andernfalls besteht kein Ausbildungsanspruch gegen die Eltern (> Reichweite des Ausbildungsanspruchs). Auch unter diesem Aspekt ist der Beschluss des AG Speyer beispielhaft. Das AG Speyer vertritt insbesondere die Auffassung, dass eine Orientierungsphase nach Schulausbildung bis zu einem Jahr zugestanden wird, in der Unterhalt zu bezahlen sei, ohne dass in dieser Zeit tatsächlich eine Ausbildung stattfindet. Diese Ansicht teilen wir nicht: Wer sich auf eine lang dauernde Orientierungsphase ohne Erwerbsobliegenheit berufen will, muss nach u.A. dafür nachvollziehbare Gründe anführen. Auf solche (Rechtfertigungs-)Gründe hat das AG Speyer seine Entscheidung nicht abgestellt.
BGH, Urteil vom 14.03.2001 – 81/99
Orientierungsphase & Wechsel des Ausbildungsabschnitts in der Phase der Erstausbildung zu einem Beruf
Anmerkung: Zum Anspruch eines Kindes auf Ausbildungsunterhalt nach einem Wechsel der Ausbildung (hier: abgebrochene Heilpraktiker-Ausbildung und Aufnahme des Medizinstudiums). Pressestelle des BGH: “Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, daß er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Im übrigen wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet“. Zur Pressemitteilung > hier
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.03.2012 – 2 WF 174/11
Erholungsphase zwischen Ausbildungsabschnitten
(Zitat, Rn 21) Nach Abschluss der Schulausbildung hat das Kind die Obliegenheit, alsbald eine Berufsausbildung zu beginnen und sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu beenden (Wendl/Dose/Scholz, a.a.O., Rn. 77). In der Übergangszeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiterführenden Ausbildung oder eines Studiums besteht jedoch in der Regel keine Erwerbsobliegenheit. Nach dem Ende der Schulzeit kann das Kind vielmehr im Regelfall eine gewisse Erholungsphase für sich in Anspruch nehmen (OLG Hamm, NJW-RR 2006, 509 ff., m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.06.2011 – 2 UF 7/11). Für welche Dauer dem Kind eine Phase der Erholung zuzugestehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen ist eine Erwerbstätigkeit des Kindes auch in der Zeit zwischen dem Ende der Schulzeit und der Aufnahme einer weiterführenden Ausbildung oder eines Studiums zu erwarten; besteht die Möglichkeit, eine Beschäftigung zu finden, und bemüht sich das Kind nicht darum, besteht kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern (Ehninger/Griesche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 5. Aufl., B IV, Rn. 188, m.w.N.). Während einer längeren Wartezeit bis zur Zulassung zum gewünschten Studium hat das Kind seinen Bedarf durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen (OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 789; Wendl/Dose/Scholz, a.a.O., Rn. 87). Nach Beendigung einer Ausbildung kann das Kind nur dann für eine gewisse Übergangszeit Unterhalt von seinen Eltern verlangen, wenn es trotz ausreichender Bemühungen nicht sogleich eine Beschäftigung findet (Ehninger/Griesch/Rasch, a.a.O., Rn. 189, m.w.N.).
(Zitat, Rn 28) Entscheidet sich das volljährige Kind für eine bestimmte Ausbildung oder – wie hier der Antragsteller – für die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres, so ist die ihm nach Abschluss der Schulzeit zuzugestehende Phase der Erholung auf die Zeit bis zum Beginn der Ausbildung oder des freiwilligen sozialen Jahres beschränkt und lebt auch danach nicht wieder auf.
Anmerkung: Der Abbruch des freiwilligen Jahres (oder freiwilligen Wehrdienstes) bis zur potenziellen Aufnahme eines Studiums im kommenden Sommersemester oder gar erst Wintersemester ist also kein Zeitabschnitt, der eine Phase darstellt, in der die Erwerbsobliegenheit ruht. Insofern hat das Kind Ihr Mandant erstmal plausibel darzulegen und nachzuweisen, dass es seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachkommen kann bzw. hier unzumutbar sein soll, seinen Unterhaltsbedarf selbst zu decken.
OLG Frankfurt a.M. Beschluss vom 04.04.2018 – 2 UF 135/17
Zum Kindesunterhalt während des freiwilligen sozialen Jahres
(Zitat) “ Die wohl überwiegende Auffassung verneint die Unterhaltsberechtigung eines Kindes gegenüber den Eltern während eines freiwilligen sozialen Jahres, wenn diese Tätigkeit nicht eine notwendige Voraussetzung für eine Ausbildung des Kindes ist (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2007, 1380; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1353; OLG Hamm NZFam 2014, 232; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1648; Viefhues in Juris Praxiskommentar zum BGB, 6. Aufl., § 1602 BGB, Rdnr. 65; Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 2, Rdnr. 489 jeweils m.w.N.). Diese Auffassung wird damit begründet, dass das Kind nach Abschluss der Schulausbildung die Obliegenheit trifft, alsbald eine Berufsausbildung zu beginnen und sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu beenden. Demgegenüber hat das OLG Celle (FamRZ 2012, 995) die Auffassung vertreten, dass auch während des freiwilligen sozialen Jahres ein Unterhaltsanspruch des Kindes als Ausbildungsunterhalt bestehe, auch wenn diese Tätigkeit nicht für die weitere Ausbildung erforderlich ist. Nach dem Gesetz zur Förderung von Jugend-Freiwilligen-Diensten vom 16.5.2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 842) verfolge die am Gemeinwohl orientierte Tätigkeit auch das Ziel, für die Jugendlichen soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln (OLG Celle a.a.O.).
Anmerkung: Das Thema kommt nicht zur Ruhe. Zwischenzeitlich dachte man, dass sich eine herrschende Meinung herausgebildet habe, dass im freiwilligen sozialen Jahr kein Kindesunterhalt zu bezahlen ist, weil sich das Kind in diesem Abschnitt nicht in einer berufsqualifizierenden Ausbildung befindet. Doch nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.03.2019 – 3 WF 140/18 soll das freiwillige soziale Jahr u.U. als eine Orientierungsphase für das Kind zu werten sein: eine evtl. unangemessene finanzielle Belastung für die Eltern (kritisch dazu Doris Kloster-Harz, in: NZFam 2019, 586).
Weiterführende Links:
» Wann sind Kinder unterhaltsbedürftig?
Eine Unterhaltsbedürftigkeit wegen Ausbildung liegt in dem Zeitraum vor, in dem das Kind eine Ausbildung zielstrebig verfolgt. Dieses Kriterium ist stets bei einem Ausbildungsabbruch kritisch zu hinterfragen. Nach Ausbildungsabbruch muss ein volljähriges Kind umgehend jede Arbeitsmöglichkeit ausnutzen. Kommt das Kind dieser Obliegenheit nicht nach, führt der Ausbildungsabbruch zum Verlust des Unterhaltsanspruchs wegen fehlender Zielstrebigkeit nach Erwerbs – und Ausbildungsmöglichkeit.
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» Unterhaltsanspruch von Studenten
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013 – XII ZB 220/12 , Rn. 13ff.
Obliegenheiten & Zielstrebigkeit beim Ausbildungsunterhalt
Anmerkung: Zum Verlust des Ausbildungsunterhaltsanspruchs bei nachhaltiger Verletzung der Obliegenheit zur zielstrebigen Durchführung der Berufsausbildung und > Orientierungsphase (hier: keine nachhaltige Obliegenheitsverletzung trotz Ausbildungsverzögerung von drei Jahren).
(Zitat) aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (Senatsurteile vom 4. März 1998 – XII ZR 173/96 – FamRZ 1998, 671 und vom 29. Juni 2011 – XII ZR 127/09 – FamRZ 2011, 1560 Rn. 15).
bb) Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt auch die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig beginnen. Zwar ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss (Senatsurteile vom 4. März 1998 – XII ZR 173/96 – FamRZ 1998, 671 und vom 29. Juni 2011 – XII ZR 127/09 – FamRZ 2011, 1560 Rn. 16).
Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt. Die Frage, bis wann es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, seine Ausbildung aufzunehmen, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 – XII ZR 127/09 – FamRZ 2011, 1560 Rn. 17 mwN).
So ist einerseits anerkannt, dass subjektive Beeinträchtigungen des Unterhaltsberechtigten, die diesem nicht vorwerfbar sind, wie etwa eine psychische Erkrankung, die verzögerte Aufnahme eines Studiums rechtfertigen können (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 2011 – XII ZR 127/09 – FamRZ 2011, 1560 Rn. 18 mwN). Andererseits mutet § 1610 Abs. 2 BGB den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Nachholung etwa der Hochschulreife und der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einem Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei kann auch ins Gewicht fallen, dass es sich um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen (Senatsurteil vom 4. März 1998 – XII ZR 173/96 – FamRZ 1998, 671, 672).
AG Bruchsal – Familiengericht –, Beschluss vom 28.6.2022 – 5 F 100/22
Ausbildungsunterhalt und persönliche Anforderungen an die Lernfähigkeit des Unterhaltsgläubigers
Orientierungssätze:
Fall-Situation:
Der Antragsteller ist der Vater der Antragsgegnerin, die bei ihrer Mutter wohnt. Durch einen Anerkenntnisbeschluss wurde der Antragsteller zur Zahlung des Mindestunterhalts verpflichtet. Diese Verpflichtung wurde in Modifikation eines bereits bestehenden Unterhaltstitels in Form einer Jugendamtsurkunde eingegangen. Bis zum 31.12.2021 ist der Antragsteller dieser Verpflichtung nachgekommen. Im Weiteren forderte er außergerichtlich mehrmals die Antragsgegnerseite zur Auskunft über den schulischen Werdegang, die Entwicklung und die Zukunftspläne (Ausbildungsbeginn) auf. Auf das per Einschreiben übersandte Schreiben erfolgte keine Reaktion seitens der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin hat bis 07/2020 eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen besucht und das dortige Bildungsziel erreicht. Anschließend hat sie bis 07/2021 die Ausbildungsvorbereitung dual besucht und erfolgreich abgeschlossen, was dem Erwerb des Hauptschulabschlusses entspricht. Während des Schuljahres hatte die Antragsgegnerin keinen Englischunterricht. Ab dem 1.11.2021 war die Antragsgegnerin für den Onlinekurs des Lernzentrums zur Vorbereitung auf den Realschulabschluss eingeschrieben. Eine Zulassung zur Realschulabschlussprüfung für Schulfremde 2022 (Schulfremdenprüfung) durch das staatliche Schulamt liegt vor. Im Rahmen der Prüfung hätte die Antragsgegnerin eine Lektürebesprechung im Fach Deutsch durchführen und im Fach Englisch eine Übersetzung anfertigen müssen. Die Antragsgegnerin hat an den Abschlussprüfungen, die am 17.5.2022 mit dem Fach Deutsch begonnen haben, nicht teilgenommen. Sie hat sich nicht für die Nachprüfungen, die am 21.6.2022 begonnen haben, angemeldet. Sie beabsichtigt, sich im Mai 2023 erneut zur Prüfung anzumelden, hat dies aber bisher noch nicht unternommen.
OLG Köln, Beschluss vom 24.05.2022 – II-14 UF 192/21
Ausbildungsunterhalt und Regelstudienzeit
Orientierungssatz : Verlangt ein Kind nach Überschreiten der Regelstudienzeit Ausbildungsunterhalt, so muss es konkret und substantiiert dazu vortragen, dass es die Verzögerung des Studienabschlusses trotz planvoller und zielstrebiger Durchführung des Studiums nicht vermeiden konnte.
OLG Frankfurt, Urteil vom 30.07.2008 – 5 UF 46/08
Ausbildungsabbruch – Erwerbsobliegenheit – Ausbildungsobliegenheit – Auskunft über schulische Leistungen
(Zitat) “Ein volljähriges Kind , das sich nicht in einer Ausbildung befindet, muss selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Für diese Erwerbsobliegenheit gelten strenge Maßstäbe, das heißt der Volljährige muss jede Arbeitsmöglichkeit ausnutzen und auch Arbeiten annehmen, die unter seiner gewohnten Lebensstellung liegen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.3. 99, 5 WF 129/98). Der für seine Bedürftigkeit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat insoweit nichts vorgetragen, was zur Begründung dafür herangezogen werden könnte, dass er trotz Abbruchs seiner Schulausbildung nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst sicherzustellen.Auch für die Zeit vor Abbruch der Schulausbildung steht dem Kläger kein Ausbildungsunterhaltsanspruch zu. Ein Unterhaltsanspruch nach § 1610 Abs.2 BGB auf Unterhaltsleistungen für eine angemessene, der Begabung, Neigung und Leistungsfähigkeit entsprechende Ausbildung eines Kindes setzt nämlich im Gegenseitigkeitsverhältnis gemäß § 1618 a BGB voraus, dass der Unterhaltsberechtigte die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit durchführt und beendet. Hieran fehlt es nach der Überzeugung des Gerichts auf der Seite des Klägers. Er hat bereits vor seinem Auszug aus dem Haushalt des Beklagten die ihm obliegende Verpflichtung, die Schulausbildung zielstrebig zu ver folgen, nicht erfüllt, da er seiner Schulpflicht nicht nachkam und daher den schulischenLeistungsanforderungen nicht gerecht werden konnte. Dieses Verhalten, das zu dem Zerwürfnis mit dem Beklagten maßgeblich beitrug, hat er nach seinem Auszug nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz fortgesetzt und damit die Bedingung dafür gesetzt, dass er nicht versetzt und letztlich auch von der Schuleverwiesen wurde. Dieser Verstoß des Klägers gegen seine Ausbildungsobliegenheit führt auch zu einem Wegfall der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten. Zwar ist der Unterhaltsverpflichtete gehalten, Verzögerungen in der Ausbildung hinzunehmen. Auch ein zwischenzeitliches leichtes Versagen des Unterhaltsberechtigten in der schulischenAusbildung führt nicht dazu, dass ein Unterhaltsanspruch sofort entfällt, denn jungen Menschen sind gewisse Orientierungsphasen zuzugestehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.1.2002, 1 WF 228/01). Der Zeitraum, in dem der Kläger seine schulische Ausbildung nicht mit dem gebotenen Fleiß und Ernsthaftigkeit betreibt, erstreckt sich hier schon über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr und die Versäumnisse haben jetzt zum Schulverweis geführt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit hier Abhilfe seitens des Klägers zu erwarten ist. Er hat die Vorlage von Leistungsnachweisen, zu denen er gegenüber dem Beklagten schon aus dem -Gegenseitigkeitsprinzip verpflichtet wäre, verweigert und hat auch keinerlei Angaben zu Ursachen seines Schulversagens oder Perspektiven des weiteren Ausbildungsganges gemacht. Angesichts der engen wirtschaftlichen Verhältnisse der Kindeseltern war der Kläger spätestens ab seinem Auszug aus dem Haushalt des Beklagten verpflichtet, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass er das Jahrgangsziel erreicht. Mit dem Auszug hat er sich nämlich dem Einflussbereich des Beklagten entzogen und musste damit in verstärktem Maße die Verantwortung für seine schulischen Angelegenheiten selbst wahrnehmen. Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern hätte es geboten, die Ausbildung nun zielstrebig durchzuführen. Da der Kläger dieser Obliegenheit nicht nachgekommen ist, hat er seinen Unterhaltsanspruch eingebüßt und muss sich darauf verweisen lassen, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. (vergleiche BGH FamRZ 1998, 671; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.3.1999, 5 WF 129/98; OLG Hamm FamRZ 2005, 1005).”
Ein Kind, das nach seinem Schulabschluss zunächst keine Ausbildung beginnt, hat zwar mangels Bedürftigkeit zunächst keinen Unterhaltsanspruch, es hat seinen Bedarf durch eigene (ungelernte) Arbeit oder aus eigenem Vermögen zu decken (> Erwerbsobliegenheit des Kindes ). Aber dadurch verliert es nicht den Anspruch auf Unterhalt für eine später begonnene angemessene Ausbildung (> Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs ). So könne auch ein 24jähriges Kind noch eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Von einem jungen Menschen könne nicht von Beginn an eine zielgerichtete, richtige Entscheidung in der Berufswahl erwartet werden. Ihm sei eine Orientierungsphase zur Berufswahl zuzubilligen, deren Dauer sich nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen richte. Jedoch ist mit zunehmendem Alter des Kindes besonders zu prüfen, ob die erste oder ggf. die weitere Ausbildung angemessen ist, ob angesichts der Entwicklung des Kindes Zweifel an seiner Eignung und seinem Leistungswillen bestehen und ob mit einem erfolgreichen Abschluss des Studiums gerechnet werden kann (vgl. OLG Hamm, 05.02.2013 – II-7 UF 166/12 ).
Beispiele aus der Rechtsprechung:
Kontrollrechte:
Der Verpflichtung, dem Kind eine optimale begabungsbezogene Ausbildung zu finanzieren, korrespondieren entsprechende Informations- und Kontrollrechte der Eltern. Diese Elternrechte ergeben sich aus § 242 BGB. Sie zielen auf eine Überprüfung ab, ob das Kind seiner Obliegenheit nachkommt, die Ausbildung zielstrebig und fleißig zu absolvieren. Die Eltern haben Anspruch, sich regelmäßig und in kürzeren Abständen durch Vorlage von geeigneten Ausbildungsnachweisen (z.B. Zeugnisse, Leistungsnachweise, Teilnahmebescheinigungen) ein Bild über den Fortgang der Berufsausbildung und den Fortbestand des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt machen zu können (Kontrollrechte).
Auskunftsobliegenheit – Zurückbehaltungsrecht:
Dass Kinder Ihre Eltern über Ihren Ausbildungsstatus informieren, ist leider keine Selbstverständlichkeit. Wird die Erfüllung der Kontroll- und Auskunftsansprüche der Eltern seitens des Kindes grundlos verweigert, kann sich die Frage stellen, inwieweit den Eltern im Hinblick auf ihre Unterhaltszahlungen ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, bis die entsprechenden Informationen erteilt und Nachweise vorgelegt sind. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs bei Verletzung der Informationspflicht scheidet aus. Folglich erlischt ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht mit der Vorlage der geschuldeten Nachweise. Ein einbehaltener Unterhalt wäre von den Eltern unverzüglich nachzuzahlen. Im Übrigen muss das Kind im Rahmen eines Rechtsstreits darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es seiner Ausbildung pflichtbewusst und zielstrebig nachgeht. Gelingt der Nachweis nicht, büßt das Kind seinen Unterhaltsanspruch ein (vgl. OLG Brandenburg, 18.01.2011 – 10 UF 161/10; Wendl/Dose, Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 10 Aufl. 2019, § 2 Rn 90). Wegen des Zurückbehaltungsrechts kann bei bestehendem Unterhaltstitel die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommen (vgl. Fall in eigener Sache, unser Az.: 63/22).
Weiterführende Rechtsprechung:
» OLG Hamm, Beschluss vom 5. 2. 2013 – II-7 UF 166/12: Rechtsfolgen bei vorsätzlichem Verstoß gegen Auskunftsobliegenheit über Ausbildungsverlauf und Verschweigen eigener Bezüge.
Abgesehen von angemessenen Erholungsphasen nach oder in einem Ausbildungsabschnitt greift die Erwerbsobliegenheit des Kindes. Auch wenn nach einer längeren Ausbildungspause ein Ausbildungsanspruch wieder auflebt , weil die Pause nicht den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang des Weges zur Gesamtausbildungzerstört hat. Danach hat ein Kind, das nach dem Schulabschluss nicht sogleich eine Ausbildung begonnen hat, um bspw. zur “Selbstfindung” eine Weltreise zu unternehmen, mangels Bedürftigkeit zunächst keinen Unterhaltsanspruch. Es ist vielmehr darauf zu verweisen, seinen Bedarf durch eigene (ungelernte) Arbeit oder aus eigenem Vermögenzu decken. Dadurch verliert das Kind aber nicht ohne weiteres den Anspruch auf eine (dann später noch begonnene) angemessene Ausbildung (OLG Hamm, Beschluss vom 10.09.2012 – II-14 UF 165/12 ).
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013 – XII ZB 220/12 , Rn. 28
Wieder Ausbildungsanspruch gegen die Eltern nach Erwerbstätigkeit
Leitsatz: Das unterhaltsberechtigte Kind verliert den Ausbildungsunterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern nicht schon dann, wenn es ihm aufgrund eines notenschwachen Schulabschlusses erst nach drei Jahren vorgeschalteter Berufsorientierungspraktika und ungelernter Aushilfstätigkeiten gelingt, einen Ausbildungsplatz zu erlangen.
AG Büdingen, Beschluss vom 29.10.2015 – 53 F 994/14 UK
Wer länger im erlernten Beruf arbeitet, kann Eltern nicht mit einem erneuten Ausbildungsunterhalt überraschen
Sachverhalt: Der Vater wird auf Erstattung von BAföG -Vorausleistungen an seine Tochter in Anspruch genommen. Die 1984 geborene Tochter bestand 2004 das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Sie bewarb sich anschließend ununterbrochen für ein Medizinstudium, erlangte aber erst zum Wintersemester 2010/2011 einen Studienplatz. Zwischenzeitlich hatte sie von Februar 2005 bis Januar 2008 eine Ausbildung als Anästhesietechnische Assistentin absolviert und arbeitete bis zum Studienbeginn in diesem Beruf. Der Vater hatte letztmalig 2003 persönlichen Kontakt zu seiner Tochter. Ein Schreiben von ihm im Juni 2004 blieb unbeantwortet. Der Vater stellte daraufhin seine Unterhaltszahlungen ein. Im September 2011 wurde der Vater vom Studentenwerk über den Antrag der Tochter auf BAföG unterrichtet, zur Auskunft aufgefordert und auf die Möglichkeit des Übergangs der Unterhaltsforderung bei Leistungen informiert. Im Mai 2012 erhielt der Vater die Aufforderungen, die monatlichen BAföG-Vorausleistungen von 287,68 Euro ab Oktober 2011 bis zunächst Februar 2012 zu ersetzen. Der Vater ist der Auffassung, dass er aufgrund der erfolgreichen Ausbildung der Tochter und der Verzögerung bis zum Studienbeginn keinen Unterhalt mehr schulde. Das Gericht hat dem Vater recht gegeben.
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