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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Unterhalt > Kindesunterhalt > Ausbildungsanspruch des Kindes > Schuldbildung – Weiterbildung – Ausbildungswege
Die Fragestellung betrifft die Reichweite des Ausbildungsanspruchs. Dieser reicht bis zum Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung (§ 1610 Abs.2 BGB). Bis dahin kann das Kind von seiner Erwerbsobliegenheit befreit sein (“lernen statt arbeiten”). Trifft den Auszubildenden eine Erwerbsobliegenheit, muss dieser sich u.U. die Zurechnung von fiktiven Einkünften gefallen lassen, weil er arbeiten gehen sollte, statt ohne Erwerbseinkommen einer Ausbildung nachzugehen.
| Wegweiser zum Ausbildungsanspruch
Bis die berufsqualifizierende Berufsausbildung erreicht und abgeschlossen ist, können mehrere – aufeinander aufbauende – Ausbildungsabschnitte nötig sein.
| Schuldbildung – Weiterbildung – Ausbildungswege
(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf, einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf , bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.
Da mit Absolvieren der allgemeinen Schulausbildung noch keine Vorbildung zu einem Beruf im Sinne des § 1610 Abs.2 BGB erreicht ist, befreit die allgemeine Schulausbildung von der Erwerbsobliegenheit.
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Studenten
Wegweiser zur
Studiumfinanzierung
Wird ein Ausbildungsabschnitt abgeschlossen und wird anschließend ein neuer Ausbildungsabschnitt begonnen, ist zu überlegen, ob dieser weitere Ausbildungsabschnitt noch in die Kategorie des § > 1610 Abs.2 BGB passt. Ist das nicht der Fall, kann die grundsätzliche Erwerbsobliegenheit greifen.
| MEHR
Semesterferien, Schulferien etc. führen immer wieder zu der Frage, ob in diesen Abschnitten eine Erwerbsobliegenheit auflebt.
| MEHR
Kommen Kinder in ein arbeitsfähiges Alter (siehe Jugendarbeitsschutzgesetz:JArbSchG) kann stets kritisch danach gefragt werden, ob das Kind noch unterhaltsbedürftig ist. Denn nun kann das Kind eine Erwerbsobliegenheit treffen und verpflichtet sein, seinen Lebensunterhalt mit eigenem Einkommen zu finanzieren.
OLG Köln, Beschluss vom 08.06.2021 – 10 UF 24/21 – juris
Mindestunterhalt tritt bei Erstausbildung des unterhaltspflichtigen Elternteils zurück
Leitsatz:
1. Die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den er auch bei Verpflichtung zum Mindestunterhalt minderjähriger Kinder grundsätzlich vorrangig bedienen darf.
2. Dieses Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt aber hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalts zurück, wenn bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen wurden und der Unterhaltsschuldner in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann (im Anschluss an OLG Hamm, FamRZ 2015, 1972 [LSe])
Anmerkung: Befindet sich ein barunterhaltspflichtiger Elternteil in Ausbildung (Studium) wird er in der Regel kein ausreichendes reales Einkommen beziehen, um den Mindestunterhalt seines unterhaltsbedürftigen Kindes bezahlen zu können. Meist trifft ihn die sog. gesteigerte Leistungspflicht, weil es sich um minderjährige Kinder im Sinne von 1603 Abs.2 S.1 BGB handelt. Hier stellt sich die Frage, ob das Studium von der sog. gesteigerten Erwerbsobliegenheit befreit. Ist das nicht der Fall, kann es wegen Verletzung einer bestehenden Erwerbsobliegenheit zur Zurechnung fiktiven Einkommens kommen, weil keiner Vollzeitbeschäftigung nachgegangen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet die erweiterte Erwerbsobliegenheit zu Tätigkeiten auch unterhalb des Ausbildungsniveaus, Nebenbeschäftigungen und Überstunden. In zumutbaren Grenzen kann sowohl ein Orts- als auch ein Berufswechsel verlangt werden. Kann auch ein Studienabbruch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verlangt werden? Ob dies der Fall ist, weil die gesteigerte Erwerbsobliegenheit Platz greift, hängt davon ab, ob das Studium/die Ausbildung eine berufsqualifizierende Erstausbildung im Sinne des § 1610 Abs.2 BGB darstellt oder nicht. § 1610 Abs.2 BGB wird somit zum Maßstab und Weichenstellung dafür, ob dem Ausbildungsinteresse der Eltern oder dem Existenzsicherungsinteresse des Kindes Vorrang einzuräumen ist. Nur eine Ausbildungim Sinne des § 1610 Abs.2 BGB geht einer ansonsten bestehenden Erwerbsobliegenheit vor.
OLG Bamberg, Beschluss vom 09.02.2022 – 7 UF 196/21
Erstausbildung eines 45-jährigen Unterhaltspflichtigen | in Vergangenheit nur ungelernte Arbeiten
(Zitat) “Zwar ist es unterhaltsrechtlich anerkannt, dass einer Erstausbildung regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB der Vorrang einzuräumen ist, da diese zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen gehört (BGH FamRZ 2011, 1041 ff).
Allerdings gilt ausnahmsweise etwas anderes dann, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung ungelernter Tätigkeiten beschränkt hat (BGH FamRZ 1994, 372). Ein solcher Ausnahmefall setzt die Ausübung ungelernter Tätigkeiten über einen längeren – mehrjährigen – Zeitraum voraus.
In BGH FamRZ 1994, 372 wurde insoweit ausgeführt: Die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf. Das mag anders sein, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung von ungelernten Tätigkeiten beschränkt hat und sich erst später zur Aufnahme einer Berufsausbildung entschließt, obwohl sich der Anlass, seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung zu verbessern, für ihn nicht verändert hat. In derartigen Fällen wird zu prüfen sein, ob es dem Unterhaltspflichtigen nicht zuzumuten ist, die nunmehr angestrebte Ausbildung zu verschieben und ihre Aufnahme so lange zurückzustellen, bis die Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig sind oder mit einem etwaigen reduzierten Unterhalt, den der Unterhaltspflichtige auch während der Ausbildung zu leisten vermag, ihr Auskommen finden.“
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.11.2010 – 6 UF 72/10
Student in der Rolle des Vaters | Studienabbruch unzumutbar
Anmerkung: Diese Entscheidung bietet ein Beispiel dafür, dass Eltern, die zum Erreichen einer erstmaligen “Vorbildung zum Beruf” (§ 1610 Abs.2 BGB) ein Studium ausüben, nicht verpflichtet sind, das Studium zu unterbrechen, um ihrer Erwerbsobliegenheit gegenüber ihrem minderjährigen Kind nachzukommen.
OLG München, Beschluss vom 28.09.2011 – 12 UF 129/11
Student in der Rolle des Vaters | Studienabbruch zumutbar
Anmerkung: Hier hat das Gericht dem studierenden Vater einen Studienabbruch zugemutet, um seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber seinem minderjährigen Kind nachzukommen. Der Vater hatte bereits vor dem Studium eine berufsqualifizierende Lehre abgeschlossen und somit eine Vorbildung zum Beruf erreicht. Somit wurde das Studium nicht als vorrangig im Sinne des § 1610 Abs.2 BGB qualifiziert.
AG Hamburg, Beschluss vom 15.02.2023 – 271 F 102/22
Vater erwirbt in Deutschland anerkannte Berufsqualifikation |Ausbildungsabbruch unzumutbar
Anmerkung: Hier hielt das Gericht einen Ausbildungsabbruch nicht für zumutbar. Der ausländische Vater – mit ständigem Aufenthalt in Deutschland – wollte eine in Deutschland anerkannten Berufsabschluss als Lehrer erwerben. Seine im Ausland erworbene Berufsqualifikation wurde in Deutschland nicht anerkannt. Ihm war es nicht zumutbar, neben seiner Ausbildung für den Mindestunterhalt seines Kindes aufzukommen und zu bezahlen.
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