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Beim Thema Kindesunterhalt können Eltern, die verpflichtet sind, Barunterhalt zu zahlen, kostenlos eine Jugendamtsurkunde erstellen lassen. Wann und wie empfiehlt es sich, dies zu tun? Bevor eine Jugendamtsurkunde abgegeben wird, müssen einige Punkte geklärt werden.
Sinn und Zweck der Jugendamtsurkunde ist es, die kostenlose Erfüllung des Interesses des Kindes an einem Unterhaltstitel (Titulierungsinteresse). Wenn die Aufforderung zur Abgabe einer Jugendamtsurkunde ins Haus flattert, sollte fachkompetenter Rat zum weiteren Vorgehen eingeholt werden.
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 14.02.2014 – 2 F 8/14
Anerkenntnis mit vollständiger Kostentragung des Unterhaltsschuldners
Anmerkung:
In diesem Fall ist der unterhaltspflichtige Vater der außergerichtlichen Aufforderung eine Jugendamtsurkunde zu erstellen nicht nachgekommen. Um dennoch einen Unterhaltstitel zu erreichen, wurde ein Unterhaltsverfahren gegen den Vater eingeleitet. Im laufenden Verfahren hat der Vater noch vor der mündlichen Verhandlung den geforderten Unterhalt über seinen Rechtsanwalt anerkannt. Das Gericht erließ einen Anerkenntnisbeschluss.
Das Anerkenntnis konnte den Vater nicht davor bewahren, die gesamten Verfahrenskosten (u. a. Anwaltskosten der Gegenseite inklusive (!) Terminsgebühr für eine nicht stattgefundene mündliche Verhandlung) zu bezahlen. Hätte er außergerichtlich ein Anerkenntnis in Form der Jugendamtsurkunde abgegeben, so hätte es keinen Anlass für ein Gerichtsverfahren gegeben. Das zögerliche Verhalten kostete dem unterhaltspflichtigen Vater unnötige Verfahrensgebühren.
Um die Verfahrenskosten eines Kindesunterhaltsverfahrens im Streitfall möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, einen berechtigten Teilbetrag per Jugendamtsurkunde titulieren zu lassen, bevor es zu einem gerichtlichen Verfahren über die Gesamtsumme des geforderten Kindesunterhalts kommt. Damit reduzieren Sie den verbleibenden Streitwert für ein Unterhaltsverfahren und somit die Verfahrenskosten. Im Fall des Teilanerkenntnisses der Unterhaltsforderung kann es nur noch zu einem Unterhaltsverfahren in Höhe des darüber hinausreichenden, noch strittigen Teils der Forderung kommen. In diesem Fall hat der Unterhaltsberechtigte im Wege des Abänderungsverfahrens vorzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2011 − XII ZR 70/09,NJW 2011, 1874).
Der Gegenstandswert für das Abänderungsverfahren ergibt sich nur noch dem geforderten Mehrbetrag, der über den bereits per Jugendamtsurkunde titulierten Betrag hinausgeht. Wenn nicht einmal eine Teiltitulierung mit Jugendamtsurkunde erfolgt, ist eine Leistungsklage über den vollen Unterhalt mit der entsprechenden Kostenfolge die Konsequenz (vgl. KG, Beschluss vom 21.03.2016 – 13 WF 33/16). Um hier die richtige Strategie auszuloten, ist jetzt eine professionelle Unterhaltsberechnung oder zumindest eine anwaltliche Beratung angezeigt, die Ihre Interessen berücksichtigt. Dafür sprechen mehrere Gründe:
Der Weg
zur Jugendamtsurkunde
Ob ein solcher Anspruch besteht, hat der BGH offen gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2013 – XII ZR 157/12, Rn 22). Die Textvorlagen der Jugendämter beinhalten jedenfalls den Text für die Errichtung eines dynamischen Titels. Alle zwei Jahre wird der Mindestunterhalt mithilfe des Existenzminimumsberichts der Bundesregierung neu festgelegt. Damit ändern sich die Tabellenwerte der Düsseldorfer Tabelle. Ohne dass sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ändert, erfährt der Kindesunterhalt damit mehrfach Veränderungen, bis das Kind nicht mehr auf Unterhalt angewiesen ist. Um nicht immer wieder Abänderungsverfahren an die jeweils aktuelle Situation zu provozieren, sind in der Regel dynamisch titulierte Jugendamtsurkunden für minderjährige Kinder sinnvoll.
Ein volljähriges Kind kann für sich keinen dynamisierten Kindesunterhalt wie für ein minderjähriges Kind fordern. § 1612a BGB erklärt eindeutig, dass ein dynamischer Kindesunterhalt mit Bezugnahme auf einen „Prozentsatz vom jeweiligen Mindestunterhalt“ nur für ein minderjähriges Kind beantragt werden kann. Auch für privilegiert volljährige Kinder gilt insoweit keine Ausnahme (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.08.2003 – 7 WF 396/03: FamRZ 2004, 829).
Wenn das Kind volljährig wird, verändern sich die Bemessungsgrundlagen des Kindesunterhalts gravierend. Wir empfehlen barunterhaltspflichtigen Eltern, die Laufzeit der Jugendamtsurkunde bis zum Erreichen der Volljährigkeit zu begrenzen, wenn eine künftige Veränderung von Bemessungsgrundlagen absehbar ist. Die zeitlich begrenzte Jugendamtsurkunde läuft dann einfach aus. Die Jugendamtsformulare sehen so etwas nicht vor. Ohne Befristung auf den Zeitpunkt der Volljährigkeit des Kindes sind Sie gezwungen, ein Abänderungsverfahren gegen die Jugendamtsurkunde, mit dem volljährigen Kind, als Verfahrensgegner zu führen, wenn nicht ein Titelverzicht erklärt wird. Laufzeitbegrenzungen sind sinnvoll, weil sie Abänderungsverfahren vermeiden helfen und der Kindesunterhalt ohne risiko- und kostenerhöhendes Abänderungsverfahren an mögliche veränderte Einkommensverhältnisse angepasst werden kann.
| Abänderungsverfahren
Um eine Laufzeitbegrenzung bis zum Erreichen der Volljährigkeit in einer Jugendamtsurkunde (§ 59 SGB VIII) zu formulieren, sollte eindeutig geregelt werden, dass die Verpflichtung automatisch endet, wenn die betroffene Person das 18. Lebensjahr erreicht. Hier ist eine geeignete Formulierung:
Formulierungsvorschlag:
„Diese Verpflichtungserklärung gilt bis zum Erreichen der Volljährigkeit der/des [Name des Kindes], also bis zum [genaues Datum der Volljährigkeit]. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit endet die Verpflichtung automatisch, ohne dass es einer weiteren Erklärung oder Handlung bedarf.“
Der BGH hat zur Laufzeitbegrenzung noch keine allgemeingültige Entscheidung getroffen. Mehrere OLG`s lehnen dies jedoch ab. Das unterhaltsberechtigte Kind muss also eine Jugendamtsurkunde mit Laufzeitbegrenzung nicht akzeptieren und auf einen zeitlich unbegrenzten Unterhaltstitel bestehen und den Klageweg beschreiten.
OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2011 – 8 WF 37/11
Anspruch auf unbefristete Jugendamtsurkunde
Leitsatz:
„Hat der Unterhaltspflichtige ohne eine entsprechende Übereinkunft einen auf die Zeit der Minderjährigkeit befristeten Titel geschaffen, so hat der Minderjährige daher einen Anspruch auf unbefristete Festsetzung seines Unterhaltsanspruchs in Form eines dynamisierten Titels über einen bestimmten Prozentsatz des Mindestunterhalts.”
OLG Bamberg, Beschluss vom 14.05.2018 – 2 UF 14/18
Anspruch auf Jugendamtsurkund ohne Laufzeitbegrenzung bis zur Volljährigkeit
Leitsatz:
Ein minderjähriges Kind hat einen Anspruch auf die Errichtung eines unbefristeten Titels über zu zahlenden Kindesunterhalt, also eines Titels, der nicht auf die Zeit der Minderjährigkeit begrenzt ist.
Anmerkung:
Familiengerichte in München vertreten ebenfalls die Ansicht eines Titulierungsanspruchs ohne Laufzeitbegrenzung besteht. Ob der BGH die Ansicht teilt, bleibt abzuwarten. Bislang hat der BGH dazu nicht Stellung bezogen.
Weiterführende Links und Literatur:
» Grün, in: NZFam 2018, 998.
» Graba, Unterhalt für die Vergangenheit und Zukunft, in: NZFam, 2014, S. 6ff.
[9]: „Gegen einen Titel, der auch über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus verwendet werden kann, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Es schießt jedoch über das Ziel hinaus, allgemein dem Kind einen lebenslangen Titel in die Hand zu geben.”
| Abänderung von Jugendamtsurkunden wegen Volljährigkeit
OLG Hamm, Beschluss vom 07.11.2006 – 2 WF 204/06
Erreichen der Volljährigkeit verhindert die Vollstreckbarkeit nicht
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Vergleich hat durch den Eintritt der Volljährigkeit der Antragsteller seine Wirksamkeit nicht verloren. Zwar erlischt mit dem Eintritt der Volljährigkeit das Sorgerecht (§ 1626 I BGB). Betreuungsunterhalt wird nicht mehr geschuldet. Wegen des Wegfalls der Betreuungsverpflichtung wird der bisher den Betreuungsunterhalt sicherstellende Elternteil ebenfalls barunterhaltspflichtig mit der Folge, dass sich der Barunterhalt anteilig nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen beider Elternteile bemisst (§ 1606 III 1 BGB).
Darüber hinaus trifft den Volljährigen die Obliegenheit zur eigenverantwortlichen Sicherung seines Lebensunterhalts stärker als das minderjährige Kind. Die Besonderheiten, die für den Unterhalt minderjähriger Kinder gelten, rechtfertigen es jedoch nicht, den Anspruch auf Volljährigenunterhalt als eigenständigen und nicht mehr als Fortsetzung des bisherigen (während der Minderjährigkeit gegebenen) Anspruchs aufzufassen, denn die nach § 1601 BGB bestehende Unterhaltspflicht zwischen Eltern und ihren Kindern ist nicht an feste Altersgrenzen gebunden.
Sie besteht – unter den allgemeinen Voraussetzungen der Bedürftigkeit des Kindes einerseits und der Leistungsfähigkeit des Elternteils andererseits – lebenslang fort (BGH FamRZ 1984, 682 f.; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 1999, 676, 677; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 907).
Soweit in der Rechtsprechung – unter Verweis auf die durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6.4.1998 neu eingefügte Vorschrift des § 798a ZPO – eine andere Auffassung vertreten wird (OLG Hamm, 9. FamS, FamRZ 2006, 48), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.
§ 798a ZPO bestimmt, dass ein nach § 1612a BGB während der Minderjährigkeit des Unterhaltsgläubigers erwirkter dynamischer Titel auf Unterhalt für die Zeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit in der Weise fortwirkt, dass der Unterhaltsschuldner dem titulierten Anspruch nicht (z. B. im Wege der Vollstreckungsgegenklage) entgegenhalten kann, dass die für Schaffung des dynamischen Titels erforderliche Minderjährigkeit nicht mehr besteht. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die auf nicht dynamisch titulierte Ansprüche über konkret bezifferte Unterhaltsbeträge nicht analog anwendbar ist (OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1888).
Daraus folgt jedoch nicht, dass nur nach § 1612a BGB dynamisierte Unterhaltstitel über den Eintritt der Volljährigkeit des Titelgläubigers hinaus Gültigkeit haben können. Dabei würde verkannt, dass der Sinn und Zweck § 798a ZPO darin besteht, der Besonderheit Rechnung zu tragen, dass die Erstellung eines dynamischen Unterhaltstitels nach § 1612a BGB nur für minderjährige, nicht aber für volljährige Kinder vorgesehen ist.
Eine dem § 1612a BGB entsprechende Begrenzung auf die Zeit der Minderjährigkeit für nicht dynamische Unterhaltstitel von Kindern ist im Gesetz dagegen nicht vorgesehen. Deshalb besteht für nicht dynamische Unterhaltstitel kein Bedürfnis zur Schaffung einer gesetzliche Regelung, die die Vollstreckung daraus über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus zulässt. Die Zulässigkeit der Vollstreckung über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus ergibt sich in diesem Falle bereits aus der Identität der den Unterhaltsanspruch begründenden Anspruchsgrundlage des § 1601 BGB.
Zu einem anderen Ergebnis kommt auch nicht die von der abweichenden Meinung zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG Brandenburg FamRZ 2004, a. a. O.). Danach scheiterte die Vollstreckung aus dem während der Minderjährigkeit des Unterhaltsgläubigers geschaffenen Titel nach Eintritt der Volljährigkeit im konkreten Fall lediglich daran, dass der titulierte Unterhaltsanspruch in der betreffenden Jugendamtsurkunde ausdrücklich auf die Zeit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Unterhaltsgläubigers begrenzt war.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.02.2004 – 15 WF 198/02
Unterhaltstitel wird bei Laufzeitbeschränkung gegenstandslos
Aus den Entscheidungsgründen:
Vorliegend ist der Titel ausdrücklich auf die Zeit bis zur Volljährigkeit der ASt. begrenzt. Er ist mithin mit Ablauf gegenstandslos geworden; für die Zeit danach kann aus ihm nicht mehr vollstreckt werden. Sofern der ASt. auch nach dem Eintritt ihrer Volljährigkeit noch Unterhaltsansprüche gegen den AGg. zustehen, bedarf es mithin eines neuen Titels; es gilt nichts anderes als bei jedem anderen befristeten Titel auch.
Eine Jugendamtsurkunde ist ein kostenloser, vollstreckbarer Unterhaltstitel, der durch das Jugendamt ausgestellt wird. Sie dient der Sicherstellung von Kindesunterhalt ohne die Notwendigkeit eines Gerichtsverfahrens.
Jugendamtsurkunden können für minderjährige Kinder und volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ausgestellt werden, wenn diese sich in allgemeiner Schulausbildung befinden.
Sie ist kostenfrei, da keine Notar- oder Gerichtskosten anfallen.
Sie ermöglicht eine schnelle und einfache Titulierung des Unterhalts.
Ein gerichtliches Verfahren wird durch freiwillige Anerkennung vermieden.
Sie können die Urkunde bei jedem Jugendamt beantragen. Mitarbeiter des Jugendamtes übernehmen die Erstellung und Belehrung über die rechtlichen Folgen. Eine Unterhaltsberechnung sollte im Voraus professionell durchgeführt werden.
Ja, Änderungen sind möglich, jedoch nur mit einem anerkannten Abänderungsgrund. Fehler bei der ersten Erstellung, wie eine zu hohe Einkommensangabe, können nicht uneingeschränkt korrigiert werden.
Die Urkunde bleibt vollstreckbar, auch nach Eintritt der Volljährigkeit, solange kein Abänderungsverfahren durchgeführt wird. Unterhaltszahlungen dürfen nicht eigenmächtig eingestellt werden.
Neben dem Regelunterhalt können auch Mehr- und Sonderbedarf, wie z. B. Krankheitskosten oder Betreuungskosten, tituliert werden.
Das Jugendamt kann als Beistand für den alleinerziehenden Elternteil agieren und den Unterhalt durchsetzen. Diese Unterstützung ist ebenfalls kostenfrei.
Diese FAQ bieten eine Grundlage für die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Jugendamtsurkunde erreichten lassen”.
Für spezifische Fälle empfiehlt es sich, rechtliche Beratung einzuholen.
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