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Grundsätzlich wird der Kindesunterhalt mithilfe der Düsseldorfer Tabelle (DT)ermittelt. Die DT ist so aufgebaut, dass mit Höhe des Elterneinkommens die Bedarfssätze für den Kindesunterhalt steigen. Zur Bedarfsermittlung mithilfe der DT.
| Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle
Seit dem Jahr 2022 wurden die vormals 10. Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle (DT) auf insgesamt 15. Einkommensgruppen ausgedehnt. Der Anwendungsbereich der DT endete bis zum Ende des Jahres 2021 ab einem Elterneinkommen von über 5.500,00 €. Jetzt gelten Tabellen-Bedarfsbeträge bis zu einem Elterneinkommen in Höhe von 11.000 € p.m. Die Frage lautet jetzt: Wie wird der Kindesunterhalt bei Elterneinkommen von über 11.000 € p.m. ermittelt?
| Kindesunterhalt bei hohem Lebensstandard der Eltern
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2016 – II-1 UF 12/16
Darlegung konkreter Bedarfspositionen bei Bedarf jenseits der höchsten Einkommensgruppe
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Der Unterhaltsberechtigte, der einen den Höchstbedarf gemäß Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Bedarf geltend macht, muss besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse und die zu ihrer Deckung notwendigen Mittel darlegen. Übertriebene Anforderungen an seine Darlegungslast dürfen nicht gestellt werden, um zu verhindern, dass der Kindesunterhalt auch bei einem das Höchsteinkommen nach Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Elterneinkommen faktisch auf den Tabellenhöchstbedarf beschränkt wird. Es ist danach zu differenzieren, welche Bedürfnisse des Kindes auf der Grundlage einer Lebensführung, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation seiner Eltern entspricht, zu befriedigen sind und welche Wünsche des Kindes als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssen (vgl. BGH, FamRZ 2000, 358 f., juris Rn. 30).”
Anmerkung:
Überstieg das unterhaltsrelevante Einkommen der Eltern den Höchstbetrag der 10. Einkommensgruppe (lt. DT 2021 = 5.501,00 €), erreichte die Bedarfsermittlung mithilfe der DT ihre Grenze. Sollte ein höherer Bedarf geltend gemacht werden, musste für das Kind ein Mehrbedarf konkret ermittelt werden. Dieser mühsame Weg hat sich nun verschoben: Seit dem Jahr 2022 endet die Düsseldorfer Tabelle erst ab einem Einkommen von mehr als 11.000 € p.m.
BGH, Beschluss vom 16.09.2020 – XII ZB 499/19
Fortschreiben der Düsseldorfer Tabelle 2021 bis zu einem Elterneinkommen von 11.000 € p.m.
Anmerkung:
Ab einem Einkommen von 5.501 EUR waren in der Düsseldorfer Tabelle bis 2021 keine Bedarfssätze mehr ausgewiesen. Es wurde auf eine Bemessung „nach den Umständen des Falles“, also eine konkrete Bedarfsermittlung , hingewiesen. Der XII. Zivilsenat des BGH kündigte diesen Grundsatz im Jahr 2020 auf und verlangte eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin ausgewiesenen Einkommensbetrags (= 11.000 € im Jahr 2021).
Bis zur Entscheidung des BGH im September 2020 war es rechtlich nicht anerkannt, die Düsseldorfer Tabelle um weitere Einkommensgruppen (11./ 12./ 13. Einkommensgruppe usw.) fiktiv fortzuschreiben. Das hat sich mit Düsseldorfer Tabelle 2022 geändert. Nun besteht die Düsseldorfer Tabelle aus insgesamt 15. Einkommensgruppen. Die höchste Einkommensgruppe reicht jetzt bis zu einem Einkommen in Höhe von 11.000 € p.m. Die Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstags e. V hat zur Fortführung der DT statt 20. insgesamt nur 15. Einkommensgruppen vorgeschlagen. Diese Lösung wurde für die DT 2022 übernommen (vgl. Birgit Niepmann, Mathias Denkhaus, Heinrich Schürmann, Die Düsseldorfer Tabelle 2022 – es besteht Handlungsbedarf, in: FamRZ 2021, 923). Wegen der Auswirkungen der Inflation wurden die (Mindest-)Bedarfssätze von 2022 in 2023 nochmals erheblich angehoben.
Bis 2020 wurde davon ausgegangen, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes mit dem Tabellenbedarf der damals höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (bis 5.500 €) abgedeckt ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde darauf hingewiesen, dass die Unterhaltsgewährung für Kinder (lediglich) die Befriedigung ihres – ggfs. auch gehobenen – Lebensbedarfs bedeutet, aber nicht Teilhabe am Luxus und dass auch ein in besten Verhältnissen lebender Unterhaltspflichtiger nicht das schuldet, was das Kind wünscht, sondern was es braucht (vgl. BGH FamRZ 1983, 473 = NJW 1983, 1429). Der Grundbedarf eines Kindes u. a. für Nahrung, Kleidung, Wohnbedarf, Schulbedarf etc. ist regelmäßig bereits durch die Ansätze der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt (vgl. KG NZFam 2019, 718 (724), sowie Klinkhammer in Wendl/Dose UnterhaltsR § 2 Rn. 342). Die Unterhaltsbemessung darf weder einem gedeihlichen Eltern-Kind-Verhältnis entgegenwirken noch dazu führen, die Lebensstellung des betreuenden Elternteils anzuheben. Es ist danach zu differenzieren, welche Bedürfnisse des Kindes auf der Grundlage einer Lebensführung, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation seiner Eltern entspricht, zu befriedigen sind und welche Wünsche des Kindes als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssen (vgl. BGH, FamRZ 2000, 358 f., juris Rn. 30; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2016 – II-1 UF 12/16). BGH, NZFam 2024, 112: “Das Beschwerdegericht hat sich insoweit der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen, dass der Bedarf der Antragstellerin an Kleidung bereits durch den vom Antragsgegner anerkannten Kindesunterhalt in Höhe von 272 % des Mindestbedarfs nach der Düsseldorfer Tabelle finanziert werden kann. Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.”
a) Ein (Mehr-)Bedarf des Kindes ist nicht mit Luxusaufwendungen zu begründen: z.B. bei Smartphones handelt es sich eindeutig um Luxusaufwendungen, die im Rahmen des Unterhalts für minderjährige Kinder nicht geschuldet sind.
b) Auch soll der Kindesunterhalt nicht dazu dienen, die wirtschaftliche Situation des betreuenden Elternteils zu verbessern (OLG Hamm FamRZ 2010, 2080). Mit der Rechtsprechung des BGH im Jahr 2020 zur Fortschreibung der Werte der Düsseldorfer Tabelle bei einem Elterneinkommen über 5.500 € stellt sich die Frage neu, wo denn nun die Teilhabe des Kindes am Luxus der Eltern anfängt und damit eine Bedarfsgrenze (relative Sättigungsgrenze) gezogen wird.
c) Hans-Joachim Dose, (Zitat) : “Oberhalb dieser Beträge [11.000 € Einkommen] sollte sich der Kindesunterhalt aus meiner Sicht nicht mehr nach einem höheren Einkommen der Eltern richten, weil dies gegen die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH (keine Teilhabe am Luxus; Beachtung des „Kindseins“) verstoßen würde. Ein noch höherer Kindesunterhalt sollte somit nur dann geschuldet sein, wenn ein konkreter weiterer Bedarf vorgetragen wird, der nicht bereits durch den Tabellenunterhalt abgedeckt ist.”
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2016 – 1 UF 12/16
Darlegungslast der konkreten Bedarfspositionen
(Zitat) “… In der Regel ist der Unterhalt auch bei Einkünften deutlich über dem Bereich der Düsseldorfer Tabelle nur maßvoll anzuheben (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage, § 2 Rn. 341). Denn die Lebensstellung der Kinder wird in erster Linie durch ihr Kindsein geprägt. (…) Ein erhöhter Bedarf des Kindes kann sich insbesondere aus besonderen Betätigungen wie Teilnahme an Musikunterricht oder Reiten ergeben (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2010, 2080 f., juris Rn. 30 ff.). Soweit keine besonderen Bedarfspositionen dargelegt werden, ist davon auszugehen, dass die Bedürfnisse des Kindes angemessen vom Höchstbedarf gemäß Düsseldorfer Tabelle abgedeckt werden.… “
Anmerkung zur Entscheidung: Regina Bömelburg, in: FF 2018, 124
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