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Unterhalt nach Maßgabe des Einkommens: Ein verringertes Einkommen führt zu einem verminderten Kindesunterhalt. Denn Maßstab für den Bedarf an Kindesunterhalt ist in der Regel das Einkommen des Unterhaltspflichtigen (vgl. Bedarfsermittlung nach der Prozentsatzmethode). Verfügt der Unterhaltspflichtige über ein geringes Einkommen, das deutlich unter seiner Leistungsfähigkeit liegt, so entfällt die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind.
Fiktives Einkommen: Der unterhaltsrechtliche Anspannungsgrundsatz geht beim Unterhaltsschuldner von der Obliegenheit aus, seine Arbeitskraft bestmöglich in zumutbarer Weise einzusetzen und sein Vermögen effektiv zur Einkommenserzielung zu nutzen, um seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten angemessen nachkommen zu können. In der Praxis dient die Anspannung vor allem als eine Art Missbrauchsvorbehalt gegen eine willentliche Unterhaltsentziehung. Der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens, der nicht durch besondere Gründe gerechtfertigt ist, darf den Unterhalt des Kindes nicht schmälern (6 Ob 573/91, 1 Ob 502/94; RIS-Justiz RS0047566). Das Kind hat grundsätzlich Anspruch darauf, von evtl. überdurchschnittlichen Fähigkeiten und Einkommensmöglichkeiten des Unterhaltspflichtigen zu profitieren .Je umfangreicher die Sorgepflichten sind, desto strengere Anforderungen sind nach der Rechtsprechung an die Anspannung des Unterhaltspflichtigen zu stellen (RIS-Justiz RS0047568). Zurechnung fiktiven Einkommens nach dem Anspannungsgrundsatz ist an zwei Voraussetzungen gekoppelt. Zum einen ist eine subjektive Schuldkomponente und zum anderen eine objektivtatsächliche Einkommensmöglichkeit festzustellen.
a) Verschulden des Unterhaltsschuldners: Die Anspannung setzt stets ein Verschulden des Unterhaltsschuldners voraus, wobei schon die leicht fahrlässige Herbeiführung des Einkommensmangels genügt (RIS-Justiz RS0047495). Maßstab für die Intensität der Einkommensbemühungen ist das Verhalten eines pflichtgetreuen Elternteiles (RIS-Justiz RS0047421, RS0047590). Maßstab für die Anspannung ist das Leitbild eines pflichtbewussten Elternteils (RIS-Justiz RS0047421, RS0047590). Wenn ein Elternteil diese Verpflichtung schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) verletzt (z.B. weniger verdient als seiner Leistungsfähigkeit entspricht), wird der Unterhaltsbemessung (fiktiv) jenes Einkommen zugrunde gelegt, das er bei zumutbarer Ausschöpfung seiner Möglichkeiten tatsächlich erzielen könnte (2 Ob 596/94; RIS-Justiz RS0047511, RS0047686 uva). Die im Gesetz vorgesehene Anspannung greift immer dann Platz, wenn dem Unterhaltsverpflichteten die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann.
b) Objektiv reale Beschäftigungsmöglichkeit: Als Bemessungsgrundlage zur Bestimmung zuzurechnenden fiktiven Einkommens dient jenes Einkommen, das bei zumutbarer Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der konkreten Umstände – Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten, seine individuellen über- oder unterdurchschnittlichen Fähigkeiten sowie die Möglichkeiten bei gegebener Markt- und Arbeitsmarktlage – erzielen könnte; darüber hinaus ist die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit auch unter Berücksichtigung von Alter, körperlicher und geistiger Verfassung, Ausbildung, familiäre Belastung und u. U. auch nach dem sozialen Umfeld des Unterhaltspflichtigen zu beurteilen. Es handelt sich bei der Anspannung also um eine nach dem Einzelfall zu beurteilende Bemessungsgrundlage, die jedoch nicht auf unbegründeter Fiktion basieren darf ; das Einkommen ist gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens betragsmäßig und realistisch zu schätzen. Die Anspannung endet keinesfalls mit der Deckung des Durchschnittsbedarfs oder dem Erreichen eines Durchschnittseinkommens, wenn der Unterhaltspflichtige durch zumutbare höhere Anstrengungen ein höheres Einkommen ins Verdienen bringen könnte. Je weiter allerdings der berechnete Unterhalt den Regelbedarf unterschreitet, desto intensiver und dringlicher müssen die Bemühungen des Verpflichteten sein, um ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Die Anwendung dieses Grundsatzes ist nicht auf die Fälle bloßer Arbeitsunwilligkeit beschränkt (RIS-Justiz RS0047550). Dieser Grundsatz gilt auch für solche Fälle, in denen der Verzicht auf ein höheres Einkommen auf einem dem Unterhaltspflichtigen vom Gesetzgeber eingeräumten Recht beruht (z.B. bei Inanspruchnahme des Karenzurlaubes: RIS-Justiz RS0047450). Begnügt sich ein Unterhaltsschuldner mit einer Halbtags- oder Teilzeitbeschäftigung, ohne dafür überzeugende Gründe ins Treffen zu führen, ist er auf eine Ganztagsbeschäftigung anzuspannen.
Während der Unterhaltsberechtigte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anspannung beweisen muss, hat der Unterhaltsschuldner vorzutragen, warum er trotz des Einsatzes all seiner Kräfte die Unterhaltsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Die Darlegeungs- und Beweislastverteilung wird in beiden Ländern (Deutschland – Österreich) gleich gesehen. Somit kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum deutschen Recht (Erwerbsobliegenheit & Beweislast) verwiesen werden.
So muss auch nach österreichischem Recht der Unterhaltsberechtigte Beweis dafür bieten, dass dem Unterhaltsschuldner eine reale Beschäftigungsmöglichkeit über den tatsächlich ausgeübten Umfang gegeben ist. Nutzt der Unterhaltsschuldner eine solche reale Beschäftigungsmöglichkeit nicht, muss er dafür die (Hinderungs-)Gründe darlegen und beweisen.
LG Innsbruck, Teilbeschluss vom 04.09.2013 – 52 R 87/11t
Zur Aufklärung der Anspannungsvoraussetzungen
Anmerkung: Der Entscheidung lag die Situation zu Grunde, dass der unterhaltspflichtige Vater darlegte, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, in seinem erlenten Beruf weiter tätig zu sein. Dazu legte er dem Bezirksgericht medizinische Atteste vor. Das Bezirksgericht ist diesen erheblichem Einwand gegen die Einkommensermittlung nach Anspannungsgrundsätzen nicht nachgegangen (Untersuchungsgrundsatz im Außerstreitverfahren). Das Landgericht Innsbruck hat als Rekursgericht die Sache deshalb zur weiteren Aufklärung, ob hier dem Vater fiktives Einkommen nach Anspannungsgrundsätzen zugerechnet wrden kann, zurück verwiesen.
OGH Beschluss vom 20.10.2005 – 3 Ob 237/05g
Zur krankheitsbedingt eingeschränkten Leistungsfähigkeit (Burn-Out-Syndrom) und Pflicht zur bestmöglichen Einkommenssicherung
OGH, Beschluss vom 20.06.2007 – 7Ob121/07f
Zur Erwerbsobliegenheit unterhaltspflichtiger Eltern (= sog. Anspannungsgrundsatz)
(Zitat) “Mehrfach wurde vom Obersten Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass die Anspannungstheorie auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Unterhaltspflichtige es unterlässt, einer seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit nachzugehen (3 Ob 541/95, ÖA 1996, 129 = EFSlg 77.069; 1 Ob 597/95, ÖA 1996, 96/U 149 = EFSlg 77.069; 10 Ob 523/95, ÖA 1996, 121 U 154 = EFSlg 77.069). Die Anspannungstheorie ist demnach nicht auf die Fälle bloßer Arbeitsunwilligkeit beschränkt, sondern greift auch Platz, wenn dem Unterhaltspflichtigen die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann (Gitschthaler aaO Rz 142 mwN; RIS-Justiz RS0047550), wenn sich der Unterhaltspflichtige also mit einem geringeren Einkommen begnügt, als ihm möglich wäre (Gitschthaler aaO mwN). Dies jedenfalls dann, wenn der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens nicht durch besondere berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen ist (3 Ob 541/95, ÖA 1996, 129; 4 Ob 2327/96a, EFSlg 80.232; 9 Ob 168/98s, EFSlg 86.238; vgl RIS-Justiz RS0047566). Der Unterhaltspflichtige darf daher nicht etwa grundlos überdurchschnittliche (gehobene) Lebens- und Einkommensverhältnisse aufgeben (2 Ob 591/95, ÖA 1996, 192/U 165) und darf also Änderungen seiner Lebensverhältnisse, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflichten verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster Familienvater in aufrechter Ehe tun würde (4 Ob 4/98m, EFSlg 86.225 = ÖA 1998, 208/U 231; 9 Ob 168/98s, EFSlg 86.225). Da Anspannung des Unterhaltspflichtigen, wie bereits erwähnt, die Zumutbarkeit einer entsprechenden Erwerbstätigkeit voraussetzt, darf sie nur dann erfolgen, wenn den Unterhaltspflichtigen ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt, wobei zumindest leichte Fahrlässigkeit vorliegen muss (Gitschthaler aaO Rz 151 mwN; Schwimann/Kolmasch aaO 70 mwN). Je umfangreicher die Sorgepflichten sind, desto strengere Anforderungen sind nach stRsp an die Vorheriges SuchergebnisAnspannungNächstes Suchergebnis des Unterhaltspflichtigen zu stellen (RIS-Justiz RS0047568; Gitschthaler aaO Rz 152 mwN). Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof schließlich (mit Bezug auf Berufswechsel) auch schon ausgesprochen, dass auch ein geschiedener ehelicher Vater Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflichten verbunden wären, nur insoweit vornehmen darf, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster Familienvater in aufrechter Ehe getan hätte (1 Ob 599/90, SZ 63/74 = EvBl 1990/128 = ÖA 1991, 99 = EFSlg 62.022 = RZ 1993, 39; 6 Ob 655/90, EFSlg 62.022 = ÖA 1992, 110/U 38; 1 Ob 532/92, EFSlg 77.125; 3 Ob 541/95, ÖA 1996, 129 = EFSlg 77.125; 10 Ob 523/95, ÖA 1996, 121/U 154 = EFSlg 77.125; RIS-Justiz RS0047590).”
BGH, Beschluss vom 19. März 2014 – XII ZB 367/12
Obliegenheit zur Insolvenzanmeldung im Interesse des Mindestunterhaltsfür Kinder
(Ziat) “Gemäß § 140 Abs 1 ABGB [jetzt § 231 Abs.1 ABGB] haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse der Kinder nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit im Interesse seiner Kinder, alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (stRsp; SZ 63/74; ÖA 1999, 12; ÖA 1999, 33 uva; (…) Dieser Anspannungsgrundsatz kommt immer dann zum Tragen, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0047550). Dies richtet sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles (RISJustiz RS0113751). Dabei ist die für die Ausmittlung des konkreten Unterhaltsbedarfes zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen danach zu bemessen, wie ein „pflichtbewusster, rechtschaffener Familienvater” in der konkreten Lage des Unterhaltspflichtigen die diesem zur Erzielung von Einkommen zur Verfügung stehenden Mittel an Arbeitskraft und Vermögen vernünftigerweise einsetzen würde (vgl RIS-Justiz RS0113751). Maßstab ist also stets das Verhalten eines pflichtbewussten, rechtstreuen Elternteiles in der Lage
des konkreten Unterhaltspflichtigen (RIS-Justiz RS0047421; vgl RS0047590; Gitschthaler aaO Rz 152 mwN). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass ein Unterhaltspflichtiger mit überdurchschnittlichen persönlichen Fähigkeiten zur Bedarfsdeckung nicht nur insoweit beizutragen hat, dass mit seiner Leistung der statistisch erhobene Durchschnittsbedarf von Kindern der betreffenden Altersgruppe gedeckt werden könnte. Jedes Kind hat vielmehr das Recht, dass seine Bedürfnisse gemäß den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen gedeckt werden (RIS-Justiz RS0047473; Gitschthaler aaO Rz 141 mwN). Wäre der Unterhaltspflichtige also zu Unterhaltsleistungen imstande, die über die Deckung des Regelbedarfes des unterhaltsberechtigten Kindes hinausgehen, so ist seine Leistungskraft auch über den Regelbedarf hinaus anzuspannen, sofern ihm die betreffende Beschäftigung zumutbar ist (7 Ob 628/90, RZ 1991/25 = ÖA 1992, 111/U41; 10 Ob 523/95, ÖA 1996, 121/U154 = EFSlg 77.079; 3 Ob 2163/96a, ÖA 1997, 136 ua; RIS-Justiz RS0047487; teilw. abw. 3 Ob 1097/90, RIS-Justiz RS0047572); eine Anspannung ist also auch auf gehobene Einkommensverhältnisse möglich, wenn die Voraussetzungen als solche dafür gegeben sind (2 Ob 591/95, ÖA 1996, 192/U165 = EFSlg 80.182; vgl Schwimann/Kolmasch aaO 69 f). Wie der Oberste Gerichtshof auch bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist die Anspannungstheorie nicht auf Fälle bloßer Arbeitsunwilligkeit beschränkt, sondern greift auch Platz, wenn dem Unterhaltspflichtigen die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0047550; Gitschthaler aaO Rz 142 mwN), wenn sich der Unterhaltspflichtige also mit einem geringeren Einkommen begnügt, als ihm möglich wäre (Gitschthaler aaO mwN). Dies jedenfalls dann, wenn der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens nicht durch besondere berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen ist (3 Ob 541/95, ÖA 1996, 129; 9 Ob 168/98s, EflSg 86.238; vgl RIS-Justiz RS0047566). Der Unterhaltspflichtige darf daher nicht etwa grundlos überdurchschnittliche (gehobene) Lebens- und Einkommensverhältnisse aufgeben (2 Ob 591/95, ÖA 1996, 192/U165). Er darf also Änderungen seiner Lebensverhältnisse, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflicht verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster, rechtschaffener Familienvater tun würde (4 Ob 4/98m, EFSlg 86.225 = ÖA 1998, 208/U231; 9 Ob 168/98s, EFSlg 86.225; 7 Ob 210/05s, Zak 2006, 12/10 = ÖA 2006, 27/U470 = EFSlg 110.329).”
(Zitat) “Mehrfach wurde bereits ausgesprochen, dass die Anspannungstheorie auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Unterhaltspflichtige es unterlässt, einer seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit nachzugehen (7 Ob 210/05s mwN). Die Anspannungstheorie ist demnach nicht auf die Fälle bloßer Arbeitsunwilligkeit beschränkt, sondern greift auch Platz, wenn dem Unterhaltspflichtigen die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0047550), wenn sich der Unterhaltspflichtige also mit einem geringeren Einkommen begnügt, als ihm möglich wäre (Gitschthaler aaO Rz 142 mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens nicht durch besondere berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen ist (RIS-Justiz RS0047566). Der Unterhaltspflichtige darf demnach nicht etwa grundlos überdurchschnittliche (gehobene) Lebens- und Einkommensverhältnisse aufgeben; er darf also Änderungen seiner Lebensverhältnisse, die mit Beschränkungen seiner Unterhaltspflicht verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster, rechtschaffener Familienvater tun würde (7 Ob 210/05s, 7 Ob 121/07f, jeweils mwN).”
Auch nach deutschem Unterhaltsrecht werden dem Unterhaltspflichtigen zur Bestimmung der Höhe des Kindesunterhalts u.U. fiktive Einkünfte zugerechnet. In Österreich wird hier gegen den Unterhaltsschuldner zum Schutz der Kinder wesentlich restriktiver vorgegangen: Äußert sich allein schon der Verdacht auf eine willentliche Unterhaltsentziehung, wird auf Erhöhung des Unterhalts auf der Grundlage eines fiktiven Einkommens plädiert. Um über die Anspannungsfälle sachgerecht entscheiden zu können, bedient sich das Gericht der Sachverständigengutachten. Die restriktive Inanspruchnahme des Unterhaltsschuldners nach österreichischer Verwaltungspraxis liegt einerseits im Kindesinteresse, andererseits jedoch birgt es die Gefahr, dass der Unterhaltsschuldner aufgrund des niedrigen Selbstbehalts sich in die Schwarzarbeit flüchtet. Eine bedachte Abwägung wie in Deutschland findet in der Praxis dennoch nicht statt.
Für den Unterhaltsgläubiger gilt wie für den Unterhaltsschuldner in Österreich der Anspannungsgrundsatz. Auch ein unterhaltsbedürftiges Kind kann im Rahmen des Kindesunterhaltsanspruchs nach § 231 ABGB die sog. Anspannung (in Deutschland als Erwerbsobliegenheit bezeichnet) treffen. Hier lautet der Grundsatz: wenn es dem Unterhaltsgläubiger zumutbar ist, mit eigenem Einkommen eine Selbsterhaltungsfähigkeit zu erreichen, dann trifft ihn die Pflicht, ein entsprechendes eigenes Einkommen auch selbst zu erwirtschaften. Die Selbsterhaltungsfähigkeit tritt grundsätzlich nach Beendigung einer Berufsausbildung ein, soweit sie auf dem Arbeitsmarkt verwertbar und die Bedürfnisdeckung des Kindes gewährleistet ist. Bemüht sich das Kind nach seinem Abschluss nicht um einen geeigneten Arbeitsplatz, obliegt ihm die Verpflichtung, auch Tätigkeiten nachzugehen, die nicht seinem erlernten Beruf oder seinen Qualifikationen entsprechen; andernfalls wird es auf ein Einkommen angespannt, das es mit seiner Ausbildung unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation erzielen könnte. Das Kind kann auch schon nach der Beendigung der Schule angespannt werden, wenn es sich nicht um eine Ausbildung bemüht. Das Kind ist schon vor Abschluss der Berufsausbildung als selbsterhaltungsfähig anzusehen, wenn es dem Pflichtschulalter entwachsen ist und die Berufsausbildung aus seinem Verschulden gescheitert ist; damit ist der Unterhaltsanspruch gleichfalls erloschen.
Landgericht Loeben, Beschluss vom 19.07.2018 – 2 R 153/18a (Rekursverfahren – intern vorhanden, unser Az.: 14/17)
Fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit wg. Verstoß gg. zielstrebig verfolgter Berufsausbildung | Zweifacher Studienfachwerchsel)
(Zitat) „Die elterliche Unterhaltspflicht erlischt, wenn das Kind selbsterhaltungsfähig wird, also die bei selbständiger Haushaltsführung für eine Deckung des an gemessenen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder auf Grund einer zumutbaren Beschäftigung zu erwerben imstande ist (Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2013] la § 231 Rz 393 mwN). Bei entsprechender Eignung und Neigung hat ein Kind Anspruch auf eine qualifizierte Berufsausbildung (Fachlehrgänge, Hochschulstudium), sofern sie zielstrebig verfolgt wird. Je schlechter die wirtschaftliche Situation der Eltern ist, desto höhere Anforderungen sind dabei an die Zielstrebigkeit des Kindes zu stellen (Neuhauser aaO Rz 417, 419, 420 je mwN) und je älter das Kind ist, desto schwerer wiegt sein Fehlverhalten bei der Ausbildung (Neuhauser aaO Rz 413 mwN). Ein einmaliger Studien- oder Ausbildungswechsel gefährdet den Unterhaltsanspruch nicht, wenn er aus gerechtfertigten Gründen und ohne unnötigen Aufschub erfolgt (Neuhauser aaO Rz 429). Ein mehrmaliger Studienwechsel wird hingegen grundsätzlich nicht mehr akzeptiert, außer es bestehen ganz besondere Rechtfertigungsgründe und besonders günstige Aussichten für einen raschen Abschluss des zuletzt gewählten Studiums. Auch hier ist aber die Strenge der Zielstrebigkeitskriterien umgekehrt proportional zur Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen. Mit einem ungerechtfertigten Studienwechsel geht – Selbsterhaltungsfähigkeit vorausgesetzt – der Unterhaltsanspruch verloren (Neuhauser aaO Rz 430 mwN).“
Bezirksgericht Graz-Ost, Beschluss vom 22.10.2013 – 231 FAM 8/13 x – 22
Fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit eines Volljährigen mangels Nachweis ausreichender Erwerbstätigkeit nach Schule
(Zitat) „Gemäß § 231 Abs. 3 ABGB mindert sich der Unterhalt insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass tatsächlich erzielte Einkünfte des Kindes seinen Bedarf mindern und seinen Unterhaltsanspruch verringern können, während mit Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit die elterliche Unterhaltspflicht zur Gänze wegfällt. (…) Die Selbsterhaltungsfähigkeit tritt unabhängig vom Alter des Kindes ein, und zwar dann, wenn das Kind die zur Deckung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel entweder aus Vermögenserträgnissen besitzt, selbst erwirbt oder auf Grund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist. Zur Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem Abschluss der Berufsausbildung kommt es, wenn das Kind dem Pflichtschulalter entwachsen ist und seine Berufsausbildung aus seinem Verschulden gescheitert ist. Unterlässt das Kind schuldhaft die Erzielung unterhaltsdeckender Einkünfte, obwohl ihm ein solcher Erwerb zumutbar wäre, gilt es als selbsterhaltungsfähig und verliert somit seinen Unterhaltsanspruch. Ein Verschulden kann aber nur dann angenommen werden, wenn das Kind konkrete Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu erlangen, ausgeschlagen hat; ebenso kann die grundlose Beendigung einer Berufstätigkeit und das nachfolgende Unterlassen einer weiteren Ausbildung oder Berufstätigkeit zur Folge haben, dass sich ein Kind als selbsterhaltungsfähig behandeln lassen muss. Der Abbruch einer Schulausbildung alleine reicht noch nicht für eine fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit aus, zumal ein einmaliger Wechsel des Ausbildungsplatzes oder Ausbildungszieles jedenfalls zugestanden werden muss, insbesondere wenn damit eine Verbesserung des Fortkommens gewährleistet wird. Auch nachträglich kann ein Bedürfnis nach Erfüllung zur Pflicht der Gewährung einer abgeschlossenen Berufsausbildung bestehen, wenn das Kind in einem noch jugendlichen Alter, eine seinem Wohl zuwiderlaufende Berufsentscheidung traf und sich nun eines besseren besinnt. Vom Antragsteller wurde nicht nachgewiesen, welcher Tätigkeit er derzeit nachgeht bzw. warum er mit fast 21 Jahren noch nicht die Matura abgelegt hat.“
Hat das Kind den Abschluss seiner allgemeinen Schulausbildung erreicht, verliert es noch nicht seinen Ausbildungsanspruch. Dieser reicht bis zum Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung. Dies gilt allerdings nur so lange, wie die Ausbildung vom Kind ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Das kann bei einem Studienwechsel zu hinterfragen sein. Das gilt in Österreich wie in Deutschland. Erst nach Erreichen einer Berufsqualifizierung tritt die Anspannung | Erwerbsobliegenheit des Kindes in den Vordergrund.
Grundsätze zur Weiterbildung und Studiumswechsel mit Unterhaltsanspruch gegen die Eltern:
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