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Was ist, wenn Kinder den Kontakt verweigern oder ihre Eltern beleidigen? Wenn sich unterhaltspflichtige Eltern zu “Zahleltern bzw. Zahlvätern” degradiert fühlen, weil die Kinder außer Geld nichts von ihnen wissen wollen, stellt sich die Frage, ob dies Auswirkungen auf den Unterhalt hat.
| Wegweiser zur Begrenzung des Kindesunterhalts
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
Minderjährige Kinder können ihren Unterhaltsanspruch wegen grober Unbilligkeit nicht verwirken oder müssen eine sonstige Beschränkung hinnehmen (§ 1611 Abs.2 BGB). Minderjährigenschutz geht einer Begrenzung des Unterhaltsanspruchs wegen illoyalem Verhaltens uneingeschränkt vor.
Wollen volljährige Kinder gegen ihre Eltern Unterhalt geltend machen (Unterhaltsverfahren volljähriger Kinder gegen Eltern), sollten sie von Beleidigungen etc. gegenüber ihren Eltern Abstand halten. Dies kann zur Verwirkung des Volljährigenunterhalts führen. Das gesamte Spektrum der möglichen Versagung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1611 Abs.1 BGB wegen Unbilligkeit ist für den bedürftigen Volljährigen eröffnet.
Je schwerer ein Härtegrund wiegt, umso mehr ist es dem Unterhaltsberechtigten zuzumuten, die unterhaltsrechtlichen Folgen seines Verhaltens weitgehend selbst zu tragen und entsprechende Einschränkungen auf sich zu nehmen, soweit nicht das Kindeswohl eine andere Beurteilung erfordert (vgl. auch Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4 Rn. 615, 618).
MUSTER: ABÄNDERUNGSANTRAG
wegen schwerer Beleidigung des Vaters
Anmerkung:
Dem Antrag zur Reduzierung des Ausbildungsunterhaltsanspruchs auf “Null” lag eine massive Beleidigung des Vaters (“Du beschissener Hurensohn“) zugrunde. Diese hat am Ende dem volljährigen Kind den kompletten Anspruch gekostet. In der Rechtsprechung, als auch im Schrifttum ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Weigerung eines volljährigen Kindes zur Kontaktpflege mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil wegen schwerer Verfehlung zum Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen kann (vgl. etwa OLG Frankfurt a.M. (1. Familiensenat), FamRZ 1990, 789; OLG Frankfurt a.M. (2. Familiensenat in Kassel), FamRZ 1991, 1477; OLG Bamberg (7. Zivilsenat), FamRZ 1991, 1476; 1992, 717; OLG München, FamRZ 1992, 595; Breiholdt, NJW 1993, 305, sämtlich zu OLG Bamberg, FamRZ 1992, 717).
Zur Begründung der ablehnenden Haltung wird u.a. darauf hingewiesen, dass es einem Kind i.d.R. nicht angelastet werden könne, wenn es während seiner Minderjährigkeit durch die Trennungsgeschichte seiner Eltern und unter dem Einfluss des sorgeberechtigten Elternteils in eine Konfrontationshaltung hineinwächst und diese Haltung auch über die Volljährigkeit hinaus beibehält (OLG Frankfurt a.M., FamRZ 1991, 1477; OLG München, FamRZ 1992, 595 (597); vgl. auch BGH FamRZ 1995, S. 475). Anders kann die Beurteilung ausfallen, wenn die Ursache für die Kontaktverweigerung nicht bereits zu Zeiten der Minderjährigkeit angelegt und nicht von einer Konfliktgeschichte der Eltern geprägt wurde.
| Auskunftsobliegenheit des Kindes zu seinem Ausbildungsstand
OLG Jena, Beschluss vom 10.10.2008 – 1 UF 121/08
Verschweigen von Nebeneinkünften beim Volljährigenunterhalt
Leitsätze:
1. Zur Verwirkung wegen Einkünften aus Nebentätigkeit.
2. Die Anrechnung des Erwerbseinkommens eines Studierenden vollzieht sich in Anwendung des § 1577 Absatz II 2 BGB nach Billigkeitsgesichtspunkten.
3. Verschweigt ein volljähriges Kind die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben dem Studium, kann darin eine schwere Verfehlung liegen, die zur Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1611 Absatz I BGB führt.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.12.2021 – 13 UF 166/20
Verschweigen eines Schulabbruchs eines Volljährigen
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Das Unterlassen der Mitteilung eines Schulabbruchs eines Volljährigen gegenüber dem unterhaltsverpflichteten Elternteil kann eine vorsätzliche schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 BGB darstellen mit der Folge einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, wenn dieses Unterlassen den Unterhaltsverpflichteten dazu veranlasst hat, den zuvor gezahlten Unterhalt weiterhin an das Kind zu zahlen, obwohl er dazu nicht mehr verpflichtet war, und das Kind davon ausgehen musste, der Unterhaltsverpflichtete hätte zu Recht seine weiteren Zahlungen eingestellt, wenn er rechtzeitig über den Schulabbruch in Kenntnis gesetzt worden wäre (OLG Köln, FamRZ 2005, 301; Reinken a. a. O. § 1611 BGB Rn. 4). So liegt der Fall vorliegend aber nicht.”
OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.08.2020 – 8 UF 165/19
Verwirkung des Unterhalts für volljährige Kinder bei Kontaktverweigerung
Orientierungssätze:
1. Allein die Tatsache, dass ein volljähriges Kind jeglichen Kontakt zum Unterhaltspflichtigen ablehnt, führt nicht zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs.
2. Die Ablehnung einer Kontaktaufnahme mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil stellt jedenfalls dann keine schwere Verfehlung dar, wenn zuvor über einen Zeitraum von zehn Jahren überhaupt keine persönliche Begegnung stattgefunden hat (Anschluss an BGH NJW 1998, 978).
3. Fehlende Kontaktaufnahme zum Unterhaltspflichtigen kann nur dann zur Verwirkung führen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Gesamtverhalten als schwere Verfehlung erscheinen lassen, denkbar etwa bei zusätzlichen schweren Beleidigungen.
Für minderjährige Kinder ist eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs aufgrund von illoyalem Verhalten ausgeschlossen. § 1611 Abs. 2 BGB schützt Minderjährige uneingeschränkt. Für volljährige Kinder kann jedoch eine grobe Verfehlung, wie schwere Beleidigungen oder Kontaktverweigerung, zur Begrenzung oder Verwirkung des Unterhalts führen.
Typische Gründe sind schwere Beleidigungen, bewusste Kontaktverweigerung oder das Verschweigen wichtiger Informationen wie Schulabbrüche oder Nebeneinkünfte. Das Verhalten muss eine schwere Verfehlung darstellen und zu erheblichen Nachteilen für den Unterhaltspflichtigen führen.
Das Kindeswohl hat Vorrang. Selbst bei volljährigen Kindern wird geprüft, ob das illoyale Verhalten auf die Konflikte der Eltern oder andere externe Einflüsse zurückzuführen ist. Falls dies der Fall ist, wird der Unterhaltsanspruch in der Regel nicht eingeschränkt.
Ja, ein Abänderungsantrag kann gestellt werden, wenn das Verhalten des Kindes eine schwere Verfehlung darstellt. In einem dokumentierten Fall führte eine massive Beleidigung des Vaters zum vollständigen Entzug des Unterhaltsanspruchs.
Diese FAQ bieten eine Grundlage für die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Kindesunterhalt begrenzen.
Für spezifische Fälle empfiehlt es sich, rechtliche Beratung einzuholen.
Joachim Duderstadt, Verhaltensbedingte Unterhaltsverwirkung bei Kindern und Eltern, in: NZFam 2020, 506
Rolf Kofler, Die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen, in: NJW 2011, 2479 – beck-online .
Schnitzler, Auswirkungen von Straftaten auf das Familienrecht: Verwirkung, in: FPR 2006, 376
Ester Caspary, Pflichten des Rechtsanwalts im familienrechtlichen Mandat bei strafrechtlich relevantem Verhalten des Mandanten oder Gegners, in: FPR 2006, 366
AG Augsburg – Verwirkung des Volljährigenunterhalts wegen Beleidigung des Vaters, unser Az.: 73/21 (Abänderungsantrag: D3/518-21)
AG München – 554 F 17821/15, Verwirkung beim Volljährigenunterhalt, massive Beleidigung des Vaters, unser Az.: 188/15 (Abänderungsantrag: D3/795-15)
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