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Immer wieder streiten sich getrennte Eltern um den Kindesunterhalt, auch um die künftige Bezahlung von Arztkosten und den Beiträgen zur (privaten) Krankenversicherung der Kinder. Der Wegweiser gibt Ihnen hierauf Antwort und erklärt, wann ein Wechsel des Kindes in die gesetzliche Krankenversicherung in Betracht kommen kann.
I Wegweiser zur Krankenversicherung für Kinder
In Folge der Trennung wird oft um Unterhalt, Haushalt und Kinder gestritten. Fragen danach, welche Veränderungen beim Versicherungsschutz auftreten, führen dagegen eher ein Schattendasein. Müssen ab Trennung neue Versicherungen abgeschlossen werden oder können bisherige Versicherungen fortgeführt werden?
| Versicherungsschutz nach Trennung und Scheidung
Im Regelfall besitzen die Eltern eine gesetzliche Krankenversicherung, über die die Kinder beitragsfrei mitversichert sind. Wie lange Kinder nach Trennung ihrer Eltern in der Familienmitversicherung versichert bleiben, ergibt sich aus § 10 SGB V. Spannend werden die Fälle, in denen die Kinder vor der Scheidung privat krankenversichert waren. Ein beitragsfreie Mitversicherung beim privatversicherten Elternteil gibt es nicht. Wenn ein Ehegatte (meist die Mutter der Kinder) nach der Scheidung sich in einem sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnis befindet, ist er damit automatisch gesetzlich krankenversichert. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Kinder beim angestellten (Ex-)Ehegatten beitragsfrei über die gesetzliche Familienmitversicherung krankenversichert werden können. Können sich darüber die Eltern nicht einigen, stellt sich die Frage, ob der privatversicherte Vater zur finanziellen Entlastung verlangen kann, dass die Kinder bei der Mutter beitragsfrei mitversichert werden.
| Familienmitversicherung
Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil privat krankenversichert, folgt aus der abgeleiteten Lebensstellung der Kinder, dass auch die Kinder einen Anspruch auf eine (ebenfalls) beitragsfinanzierte private Krankenvorsorge zu den gleichen Konditionen und mit dem gleichen Leistungsumfang haben, wie der privatversicherte Elternteil. Keine Frage: Krankenvorsorge für Kinder ist Bestandteil des Gesamtbedarfs des Kindes an Unterhalt nach § 1610 Abs.1 BGB. Beiträge zur privaten Krankenversicherung für Kinder sind in die Tabellenbeträge der Düsseldorfer Tabelle (DT) nicht einkalkuliert. Damit gehören Beiträge zur privaten Krankenversicherung in die Kategorie “Mehrbedarf“.
Achtung
bei Beiträgen zur privaten Krankenversicherung
Im Regelfall sind beide Elternteile anteilig zur Deckung des Mehrbedarfs des Kindes verpflichtet. Das gilt nicht für Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder. Hier ist allein der Elternteil, der auch allein für den Regelbedarf des Kindes aufkommt, verpflichtet, die Beitragslasten zur KV zu übernehmen
| Wer bezahlt die Versicherungsbeiträge?
Unternehmerehe:
Das Thema der privaten Krankenversicherung für die Kinder tritt sehr häufig im Zusammenhang mit Scheidungen von Unternehmerehen auf. Diese Regelung stellt vor allem für barunterhaltspflichtige Unternehmer eine Sonderbelastung dar, die nicht die Möglichkeit haben, in die (freiwillige) gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Hier stellt sich die Frage, ob in Bezug auf die Kinder ein Anspruch auf Wechsel in die gesetzliche (beitragsfreie) Familienmitversicherung beim anderen Elternteil besteht?
Private Krankenversicherungsverträge sehen oft Selbstbehalte vor. Der Versicherte trägt bis zur Höhe des Selbstbehalts seine Krankheitskosten selbst. Im Gegenzug sinkt der Versicherungsbeitrag. Mit dem Beitrag sinkt aber auch der Betrag, den der Versicherte bei der Einkommensteuer als Sonderausgaben abziehen kann.
Selbstbehalt & Steuerrecht
In einem Fall des Bundesfinanzhofs (BFH) wollte ein Privatversicherter deshalb Krankheitskosten in Höhe des Selbstbehaltes als Sonderausgaben abziehen. Dem hat der BFH eine Absage erteilt. Laut Einkommensteuergesetz dürfen, so die Richter, nur Gegenleistungen für die Erlangung des Versicherungsschutzes, also Beiträge, als Sonderausgabe abgezogen werden. Der Versicherte könne aber wie bisher die selbst getragenen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen. Allerdings ist dies nur möglich, soweit die Krankheitskosten die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigen. Diese hängt vom Einkommen, vom Familienstand und der Kinderzahl des Versicherten ab. So können z.B. bei einem ledigen und kinderlosen Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von 60.000 € nur Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, die über der zumutbaren Belastung von 4.200 € liegen.
Selbstbehalt & Unterhaltsrecht
Unterhaltsrechtlich sind die ungedeckten Krankheitskosten, die wegen des vereinbarten Selbstbehalts nicht von der Krankenkasse abgedeckt werden, als Abzugsposten zu berücksichtigen.
AG Mainz, Urteil vom 10.08.2009 – 31 F 61/08
Verfahren zur Zahlung von Krankenvorsorgebeiträgen
Orientierungssatz:
1. Grundsätzlich ist in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle Krankenvorsorgeunterhalt nicht enthalten. Besteht keine beitragsfreie gesetzliche Krankenversicherung, sind von dem Unterhaltspflichtigen auch die Kosten für eine private Krankenversicherung zu entrichten. (Rn 31)
2. Waren beide Elternteile und das Kind während der Ehe privat krankenversichert, liegt hierin die Bestimmung als dessen angemessene Krankenversorgung. Weiter kann zu berücksichtigen sein, dass sich das Kind – u.a. wegen ADS – seit längerer Zeit in der Behandlung von Ärzten befindet, die allein Privatpatienten behandeln. (Rn 40)
Tenor:
I. Der Beklagte wird verurteilt, ab Juni 2009 monatlichen im Voraus am 1. eines jeden Monats an die Klägerin Krankenvorsorgeunterhalt für das gemeinsame Kind M in Höhe von monatlich 180,46 Euro zu zahlen abzüglich für Juni und Juli 2009 jeweils gezahlter 75,– Euro.
Anmerkungen:
Finanzierungslasten zur Deckung des Mehrbedarfs der Kinder führen im Regelfall nicht zur Bereinigung des Elterneinkommens. Das ist bei Beitragsleitungen der Eltern für die KV des Kindes anders. Unter Ziff.11.1 SüdL ist zu den KV-Beiträgen für Kinder folgendes geregelt: Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungs beiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.”
Ebenso wie die Beiträge der Eltern für ihre eigene KV sind die Beiträge zur KV der Kinder Abzugsposition vom Einkommen, sodass sich die für den Unterhalt verfügbaren Mittel verringern. Die Einkommensbereinigung kann also eine Rückstufung in der Einkommensgruppe der DT bewirken (Palandt/ Brudermüller, § 1610 BGB, Rn 13).
In welcher Form ist der Krankenvorsorgeanspruch des Kindes von den Eltern zu erfüllen, wenn die Möglichkeit besteht, die Kinder beitragsfrei in der gesetzlichen Familienversicherung zu versichern?
Ein Anspruch auf den Wechsel zu einer gesetzlichen Krankenversicherung besteht, wenn dadurch den Kindern in der Krankenvorsorge keine Nachteile bezüglich des Umfangs der bisher gewohnten Versicherungsleistungen entstehen oder mögliche Nachteile durch eine private Zusatzversicherung kompensiert werden können (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18. 4. 2012 – 3 UF 279/11, in: FamRZ 2013, 138-139; vgl. auch OLG Koblenz, FamRZ 2010, 1457). Der Anspruch wird dabei auf § 1612 Abs.1 S.2 BGB gestützt. Die Mitversicherung der Kinder in einer Familienversicherung anstelle einer bisherigen privaten KV ist eine “andere Art” der Gewährung des (Krankenvorsorge-) Unterhalts i. S. des § 1612 Abs.1 S.2 BGB (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.1993 – 4 UF 208/92, in FamRZ 1994, 396).
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.04.2012 – 3 UF 279/11
Wechsel des Versicherungsschutzes
Leitsatz: Grundsätzlich gilt nach § 1612 Absatz I 2 BGB, dass ein Barunterhaltspflichtiger verlangen kann, dass ihm die Gewährung des Unterhaltes ganz oder teilweise in anderer Art, z. B. in der Form einer Sachleistung gestattet wird, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Nach herrschendem Verständnis wird diese Vorschrift als gesetzliche Grundlage dafür angesehen, dass ein erwerbstätiger Elternteil den Krankenversicherungsschutz seiner Kinder durch Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse sicherstellen kann.
Anmerkung: Weiter müssen nach dem Wortlaut des § 1612 Abs.1 S.2 BGB “besondere Gründe” für den KV-Wechsel sprechen, die der privatversicherte und barunterhaltspflichtige Elternteil darzulegen und zu beweisen hat. Als besonderer Grund gilt die optimale Gestaltung der Krankenvorsorge der Kinder. Grundsätzlich haben beide Elternteile als gleich nahe Verwandte anteilig ihren Beitrag zur optimalen Gestaltung Krankenvorsorgeunterhalts zu leisten (BGH, FamRZ 193, 576, OLG Naumburg, Urteil vom 17. 8. 2006 – 4 UF 16/06, in: NJW-RR 2007, 728). Als Folge dieser Verpflichtung, die nicht nur aus § 1612 Abs.1 S.2 BGB, sondern ergänzend aus § 242 BGB folgt, hat die Mutter Ihre Zustimmung zur beitragsfreien Familienmitversicherung bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung zu erteilen, wenn dadurch für die Kinder ein besserer Versicherungsschutz entsteht. Die Besserstellung oder zumindest Gleichstellung zur bisherigen privaten Krankenversicherung kann durch Abschluss einer privaten Zusatz-Krankenversicherung erreicht werden. Im Ergebnis sind solche Zusatzversicherungen weitaus günstiger als die Beiträge zu einer privaten Voll-Versicherung. Es ist ein Irrglaube, wenn man annimmt, eine private Krankenversicherung würde stets bessere Leistungen bieten, als die gesetzliche Krankenversicherung. Aufklärung bietet im konkreten Einzelfall nur ein Vergleich des Leistungskatalogs der privaten Krankenversicherung mit dem Leistungskatalog der gesetzlichen Familienversicherung.
Dem Grunde nach besteht kein Zweifel, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil einen Anspruch auf Wechsel der Kinder in die gesetzliche beitragsfreie Krankenversicherung hat. Dennoch scheitern in der Praxis viele bei der gerichtlichen Durchsetzung, wenn den Kindern daraus keine Nachteile im Versicherungsschutz entstehen, scheitern in der Praxis viele Versuche bei der gerichtlichen Durchsetzung. Es werden oft die strengen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen eines besonderen Grundes nach § 1612 Abs.1 S.2 BGB und an die substantiierte Darstellung der Nachteils-Kompensation nicht ausreichend erfüllt.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.04.2012 – 3 UF 279/11 (FamRZ 2013, 138)
Beiträge zur privaten Krankenversicherung
Die seit 2010 geschiedenen Eltern streiten über Beiträge zur Krankenversicherung ihrer Kinder, die seit ihrer Geburt privat krankenversichert sind. Die Mutter ist gesetzlich, der Vater privat versichert. Der Vater verlangt die Zustimmung dazu, dass die Mutter die Kinder kostenfrei bei sich gesetzlich mitversichert. Weiter fordert der Vater Schadensersatz in Höhe der bisher angefallenen Versicherungsbeiträge zur privaten Krankenversicherung. Die Mutter lehnt einen Wechsel der Söhne zur gesetzlichen Krankenversicherung ab.
Zwar kann der Barunterhaltspflichtige nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen, dass die erwerbstätige Mutter die Kinder bei sich gesetzlich mitversichert. Allerdings sind vorliegend die Kosten der privaten Krankenversicherung angemessener Unterhalt der Kinder, da diese seit ihrer Geburt privat krankenversichert sind und der Antragsteller nach wie vor ebenfalls privat versichert ist. Danach kann ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung nur gefordert werden, wenn dies keine Nachteile im Leistungsumfang mit sich bringt. Evtl. Nachteile müssten durch eine private Zusatzversicherung ausgeglichen werden. Hierfür fehlte es laut dem Gericht an einem entsprechend substantiierten Sachvortrag des Vaters.
Viele anwaltliche Vertreter sind schlicht nicht genügend vorbereitet, um das Ihnen zustehende Recht auch praktisch durchzusetzen. (Zitat aus OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.04.2012) “Den hierfür erforderlichen Darlegungen genügt der Vortrag des Antragstellers nicht. Da private Kranken- und Krankenzusatzversicherungen über sehr unterschiedliche Tarife mit unterschiedlichen Leistungen verfügen, hätte der Antragsteller im Einzelnen den Leistungskatalog der gegenwärtigen Versicherungen der Kinder und demgegenüber den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Kombination mit der beabsichtigten Zusatzversicherung darstellen müssen. Der Verweis darauf, dass der Antragsgegnerin die Versicherungsverträge der Kinder vorliegen, was von dieser bestritten wird, hilft insofern nicht weiter. Zur schlüssigen Klage gehört die Darstellung der Anspruchsvoraussetzungen auch gegenüber dem Gericht. Die Antragsgegnerin hat insofern berechtigte Zweifel im Hinblick auf die therapeutische und kieferorthopädische Behandlung der Kinder angeführt. Das Schreiben der gesetzlichen Krankenkasse, dass ein Wechsel ohne Gesundheitscheck möglich ist und laufende Behandlungen fortgesetzt werden können, genügt in dieser Pauschalität keinesfalls. Es kann auch nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, welche Leistungen sich hinter dem Tarif NK 100 der Krankheitskostenvollversicherung bei der H. Krankenversicherung verbergen. Auch für den Sohn J. ist nicht bekannt, wie sich sein aktueller Versicherungsschutz bei der S. gestaltet. Damit kann nicht festgestellt werden, ob die Kinder der Parteien in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Zusatzversicherung einen der jetzigen privaten Krankenversicherung vergleichbaren Versicherungsschutz erhalten.”
Zur Gegenüberstellung der Leistungskataloge von PKV, GKV und privater Zusatzversicherung.
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