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Jede Unterhaltsermittlung folgt einem allgemeinen Grundschema. Auf der zweiten Prüfungsebene ist der Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten festzustellen.
Gesetzliche Vorschriften zum Bedarf erklären nicht, mit welcher Ermittlungsmethode die Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten (= Bedarfsmaßstab) festzustellen ist. Nach der Rechtsprechung soll primär der Bedarf nach Maßgabe des Einkommens ermittelt werden. Diese Methode versagt jedoch, wenn Bestandteile des Einkommens nicht vollständig dafür verbraucht wird, um laufenden Lebensunterhalt der Familie zu decken. Weil Vermögensbildung grundsätzlich nichts mit Finanzierung des allgemeinen Lebensunterhalts zu tun hat, kann bei Vermögensbildung für die Bedarfsermittlung nicht auf das insgesamt verfügbare Einkommen abgestellt werden. Damit ist nach sekundären Bemessungsgrundlagen zu suchen. Hier ist das Feld für die konkrete Bedarfsermittlung eröffnet. Das Feld wird beim Kindesunterhalt anders gesehen, als beim Ehegattenunterhalt . Denn für beide Arten des Unterhalts gelten völlig unterschiedliche Bedarfsermittlungsmethoden.
| Wegweiser zur Bedarfsermittlung bei gehobenem Lebensstandard
| Konkrete Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt
| Konkrete Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt
Von gehobenem Lebensstandard sprechen wir, wenn der Unterhaltsberechtigte in einem familiären wirtschaftlichen Umfeld (Lebensstellung bzw. Lebensverhältnisse) lebt, in dem das Familieneinkommen nicht nur zur Finanzierung des Lebensunterhalts der Familie, sondern z. T. auch zum Vermögensaufbau verwendet wird. Immer dann ist die konkrete Bedarfsermittlung zu denken.
Einkommensbereinigung um Sparanteil:
Eine der Grundaussagen zur Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt lautet:
Nur das tatsächlich für den Lebensunterhalt verwendete Einkommen bestimmt die ehelichen Lebensverhältnisse gem. §§ 1361 und 1578 BGB. (> mehr)
Damit ist der Teil des Einkommens, der zum Vermögensaufbau verwendet wird, grundsätzlich nicht unterhaltsrelevant. Nur soweit das Einkommen für den Konsum verwendet wurde, prägt es die ehelichen Lebensverhältnisse. Sofern es im objektiv angemessenem Rahmen zum Vermögensaufbau verwendet (gespart) wurde, zählt dieser Sparanteil nicht zum unterhaltsrelevanten Einkommen und wird nicht bei der Bedarfsermittlung nach der Quotenbedarfsmethode (Standardmethode) berücksichtigt. Eine Bedarfsermittlung, die das Gesamteinkommen mit Sparanteil zur Unterhaltsberechnung heranzieht, kollidiert im Fall der Zugewinngemeinschaft im Übrigen mit dem Verbot der Doppelverwertung
Gesamteinkommen über 11.000 € :
Ab welcher Einkommensschwelle wird Vermögensbildung vermutet? Wann kann der Unterhaltsbedarf nicht mehr nach dem Gesamteinkommen der Ehegatten bestimmt werden? Wann muss der Bedarf konkret ermittelt werden?
Viele Fragen zur richtigen Bedarfsermittlungsmethode bei höherem Familieneinkommen waren bis zur Entscheidung des BGH im Jahr 2017 nicht abschließend geklärt. Allgemein kann gesagt werden, dass immer dann, wenn die Einkommensverhältnisse so gut sind, dass nicht mehr vermutet werden kann, dass das Gesamteinkommen nicht ausschließlich für den Konsum verwendet wird, das Ende der Bedarfsermittlung nach Maßgabe des gesamten Familieneinkommens (> Bedarfsermittlung nach Gesamteinkommen – Quotenbedarfsermittlung) erreicht ist. Lt. BGH ist diese Schwelle ab einem Einkommen von über 11.000 € p.m. erreicht. Es gilt danach die Vermutung, dass der über dieser Schwelle liegende Einkommensanteil der Vermögensbildung dient. Der Ehegatte, der einen Unterhaltsbedarf mithilfe der Quotenbedarfsmethode und einer Bemessungsgrundlage von über 11.000 € Monatseinkommen geltend machen will, muss beweisen, dass in der Ehezeit tatsächlich über 11.000 € p.m. für den Lebensunterhalt (Konsum) ausgegeben wurden oder er bedient sich der konkreten Bedarfsermittlungsmethode.
Beim Kindesunterhalt wird für die Bedarfsermittlung nach Düsseldorfer Tabelle das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht um einen realen Sparanteil bereinigt. Das verfügbare Einkommen wird bis zu einem Einkommen von 11.000 € (Einkommen der 15. Einkommensgruppe der DT) berücksichtigt. Ob der Unterhaltspflichtige einen Teil seines Einkommens zur Vermögensbildung verwendet, ist bis zu einem Einkommensniveau von 11.000 € irrelevant. Das Gesamteinkommen wird lediglich um die üblichen Abzugsposten bereinigt. Ist das unterhaltsrelevante Einkommen barunterhaltspflichtiger Eltern höher als der Einkommenswert gem. der höchsten 15. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (DT), versagt die DT ihren Dienst. An die Stelle der Bedarfsermittlung mit DT tritt jetzt die konkrete Bedarfsermittlungsmethode.
Muster – Formular
Darstellung des konkreten Bedarfs
Das Formular zeigt, mit welchen Bedarfspositionen der konkrete Bedarf darzustellen ist. Konkrete Bedarfsermittlung ist die Erfassung des monatlichen Aufwands zur Finanzierung der Lebensverhältnisse einer mehr oder weniger standardisierten Liste der Bedarfspositionen. Es müssen alle Einzelpositionen aufgeschlüsselt werden, aus denen sich dann in der Addition der konkrete Gesamtbedarf ergibt. Hilfreich ist, wenn über mehrere Monate eine Art „Haushaltsbuch“ über die tatsächlich anfallenden Ausgaben mit Rechnungsbelegen und Kontoauszügen geführt wird. Erst wenn dies nicht zumutbar erscheint, kommt eine Schätzung in Betracht.
KG, Beschluss v. 26.06.2019 – 13 UF 89/17
Konkrete Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt | Zeit-Identität von Beweismitteln (Belege)
Zum Inhalt der Entscheidung: Die Entscheidung legt dar, dass der konkrete Bedarf eines Kindes im Rahmen des Unterhaltsanspruchs den eigenen Lebensbedarf des Kindes abdeckt, jedoch nicht die Teilhabe am Luxus oder die Bedürfnisse der primären Betreuungsperson. Es wird betont, dass der Grundbedarf eines Kindes für Nahrung, Kleidung, Wohn- und Schulbedarf in der Regel bereits durch die Ansätze der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt ist.
Für einen Unterhaltsanspruch, der über diese grundlegenden Bedürfnisse hinausgeht, muss der Antragsteller spezifische, kostenintensive Bedürfnisse darstellen und darlegen, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind. Zudem muss er eine detaillierte Differenzbetrachtung vorlegen, die zeigt, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse und damit der Unterhaltsbedarf des Kindes wesentlich geändert haben. Der Antragsteller ist dabei in der Beweislast und kann nicht einfach früher erbrachte Nachweise für die geltend gemachten Beträge einreichen.
Im vorliegenden Fall wurde darauf hingewiesen, dass Schulden oder Freizeitaktivitäten, die Kosten verursachen könnten, nicht ausreichend sind, um einen höheren Unterhaltsanspruch zu begründen, wenn diese nicht konkret den Bedarf des Kindes betreffen und nicht plausibel dargelegt werden.
Aus den Entscheidungsgründen (Zitat): “die Antragstellerin mit der Antragsänderung durch Schriftsatz vom 24. Mai 2019 (II/89) ein neues Konvolut von Belegen vorgelegt hat, ohne zu erklären, ob diese Belegsammlung an die Stelle ihrer bisherigen Ausführungen treten oder diese lediglich ergänzen soll: Die neue Darstellung krankt bereits in grundsätzlicher Hinsicht daran, dass damit mehr oder weniger durchweg Belege aus Zeiträumen nach Mitte 2018, vielfach sogar aus dem Jahr 2019, vorgelegt werden, in der Absicht, damit einen im Jahr 2017 behaupteten kindlichen Bedarf darlegen zu wollen. Das muss scheitern, weil einer der ganz wesentlichen Grundsätze des Unterhaltsrechts das Prinzip der Zeitidentität ist:
Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit müssen zwingend jeweils zeitgleich in dem Zeitraum vorhanden sein, für den Unterhalt verlangt wird (vgl. beispielsweise Strohal UnterhaltsR, Rn. 7). Hinzukommt, dass die Antragstellerin ausweislich der Belege Positionen geltend macht, bei denen alles andere als klar ist, ob damit tatsächlich der Bedarf eines Kindes gedeckt wird, das im Jahr 2017 – es wird Unterhalt ab Januar 2017 gefordert – gerade einmal neun bzw. zehn Jahre alt war. …”
Anmerkung: Der Unterhaltsberechtigte trägt auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, in welchem Umfang das hohe Einkommen des Antragsgegners zur Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs zur Verfügung stand und nicht Vermögensbildung bzw. anderen Zwecken diente (OLG Zweibrücken, FamRZ 2012, 643).
Bestreitet der Unterhaltspflichtige einzelne Bedarfspositionen, hat der Berechtigte zu beweisen, dass entsprechende Positionen den Lebensverhältnissen und auch objektiven Maßstäben entsprechen. Der Unterhaltsberechtigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er seine Bedürfnisse im Detail angibt und daraus den gesamten Unterhalt ableitet. Die Belege zu den Bedarfspositionen müssen zum begehrten Unterhaltszeitraum passen. Nur dann ist auch einerealistische gerichtliche Schätzung möglich.
Um die Anforderungen an die Beweislast des Unterhaltsberechtigten nicht zu überspannen, kann auf Grundlage einer ausreichend exemplarischen Darstellung der Bedarfspositionen das Gericht den konkreten Bedarf nach objektiven Kriterien schätzen (§ 287 ZPO). Dabei ist jede Bedarfsposition einzeln zu betrachten (Beispiel). Wenn üblicherweise keine Rechnungen aufgehoben werden (also Belegvorlage nicht zumutbar erscheint), sind Bedarfsangaben einer Schätzung zugänglich. Umgekehrt: Wenn die Aufbewahrung von Belegen erwartet werden kann, dann wird das Gericht nicht schätzen und nach Beweislastgrundsätzen entscheiden. Eine Schätzung gemäß § 287 ZPO kommt dabei umso eher in Betracht, als die Bedarfsposition als existenziell notwendig anzusehen ist; je weiter die Höhe einer behaupteten Bedarfsposition in den Luxusbereich hineinreicht, umso weniger wird das Gericht die Behauptung mit einer Schätzung stützen (zur Schätzung einzelner Bedarfspositionen: OLG Hamm, Beschluss vom 21.03.2016 – 4 UF 14/14, Rn 66; BGH, Urteil vom 9. Juni 2004 – XII ZR 277/02).
Kann sich der Unterhaltspflichtige durch die Erklärung, er sei unbeschränkt leistungsfähig, der Pflicht, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen, entziehen? Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 15.11.2017 die Grenzen des Auskunftsanspruchs deutlich verschoben. Dieser entfällt nur, wenn die Auskunft den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. Doch auch bei der konkreten Bedarfsermittlung ist die Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ein Gesichtspunkt zur Bestimmung der Höhe des Unterhalts, denn
Der Unterhaltspflichtige muss sich konkret und substantiiert zu den einzelnen Bedarfspositionen äußern. Hierbei ist nicht ausreichend, dass die vom Berechtigten vorgetragenen Bedarfspositionen nicht in geeigneter Form dargelegt wurden und diese (pauschal) als überhöht angesehen werden (OLG Bamberg, FamRZ 1999, 513).
Bleiben aufgrund der Einwendungen des Unterhaltspflichtigen Zweifel an der Darstellung des konkreten Bedarfs durch den Unterhaltsberechtigten, gehen diese dann zu Lasten des Berechtigten.
BGH, Urteil vom 9. Juni 2004 – XII ZR 277/02, (Zitat): „Die konkrete Bedarfsbemessung darf nicht dazu führen, einen Bedarf anzunehmen, der in den tatsächlichen Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen keinen Niederschlag gefunden hat.”
Kann der Beweis zu den konkreten Bedarfspositionen nicht geführt werden, ist der Bedarf bis zur Luxusschwelle maßgebend. Unterhalb der Luxusschwelle findet eine Quotenbedarfsermittlung statt. Beim Kindesunterhalt ist die Luxusschwelle beim höchsten Einkommen nach der 15. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle erreicht.
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