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Kanzlei für Familienrecht > Infothek > Familiensachen > Unterhaltsverfahren > Unterhalt vollstrecken > Unterhaltstitel sofort wirksam
Gegenstand der Fallanalyse sind hier gerichtliche Unterhaltsbeschlüsse, die nach § 116 Abs.3 S.2 FamFG in erster Instanz für sofort wirksam erklärt wurden und gegen die im Beschwerdeverfahren (zweite Instanz) eine Herabsetzung des titulierten Unterhalts erreicht werden soll. Sofortige Wirksamkeit bedeutet sofortige Vollstreckbarkeit (§ 120 Abs.2 S.1 FamFG). Damit sind Unterhaltsbeschlüsse erster Instanz vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig werden. Eine vorläufige Vollstreckbarkeit mit der Möglichkeit der Einstellung gegen Sicherheitsleistung wie in §§ 708 ff. ZPO ist in Familienstreitsachen (§112 FamFG) nicht vorgesehen. Hier sind Endentscheidungen mit ihrem Wirksamwerden vollstreckbar (§ 120 Abs. 2 S. 1 FamFG). Das ist grundsätzlich erst mit Rechtskraft der Fall. Doch kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen und soll es sogar, wenn es um eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt geht (§ 116 Abs. 3 FamFG). Nun stellt bei erfolgreicher Beschwerde heraus, dass Unterhaltszahlungen während des schwebenden Beschwerdeverfahrens und wegen der angeordneten sofortigen Wirksamkeit zu Unrecht und zu viel geleistet wurden.
Was tun, wenn sofort wirksamer Beschluss falsch ist?
Einwendungen gegen die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit:
Sie müssen in erster Instanz vorgebracht werden! § 116 Abs. 3 S. 2, 3 FamFG: Das Gericht „kann“ die sofortige Wirksamkeit anordnen bzw. „soll“ sie anordnen in Unterhaltssachen. Reichweite des Ermessens: Maßstab: Inwiefern wird der Unterhalt zur Sicherung des Lebensbedarfs benötigt.
Anordnung der sofortigen Wirksamkeit für zugesprochene > Unterhaltsrückstände?
BGH FamRZ 2013, 1731: „…Die Ausgestaltung des §116 Abs. 3 Satz 3 FamFG als Sollvorschrift bringt die Bedeutung des Unterhalts zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Ausdruck. Dementsprechend sollen im Wesentlichen Entscheidungen über den laufenden Unterhalt für sofort wirksam erklärt werden….. Entscheidungen über länger zurückliegende Unterhaltsrückstände sollen dagegen grundsätzlich erst mit Rechtskraft wirksam werden und damit auch erst zu diesem Zeitpunkt vollstreckbar sein.“
OLG Jena, FuR 2017, 98: Für Unterhaltsrückstände soll die sofortige Wirksamkeit nicht angeordnet werden.
OLG Koblenz, Beschl. v. 24.8.2020 – 13 UF 275/20
Mitgeteilt von Infobrief Unterhaltsrecht – FTCAM für Familienanwälte
I. Der Fall
Das erstinstanzliche Gericht hatte den Unterhaltsschuldner zur Zahlung von monatlich 938,14 EUR Trennungsunterhalt verpflichtet und darüber hinaus die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidung Beschwerde ein und beantragte im Zuge dessen die Aufhebung der sofortigen Wirksamkeit und vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
II. Die Entscheidung
Mit diesem Begehren drang der Antragsgegner jedoch nicht durch. Ein nicht zu ersetzender Nachteil für den Antragsgegner sei nach Auffassung des Senats nicht erkennbar. Der Mindestbedarf des Unterhaltsverpflichteten sei nicht unterschritten. Die Gefahr, dass bereits gezahlter Unterhalt wegen Verbrauchs nicht mehr zurückgefordert werden könne, sei normale Folge der Zwangsvollstreckung. Zweck der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG sei, dass Unterhaltsbeschlüsse regelmäßig ohne Weiteres vollstreckbar seien, ohne dass der Verpflichtete die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden könne. Diese Wertung liefe leer, wenn der bestimmungsgemäße Verbrauch von Unterhalt als unersetzbarer Nachteil gesehen würde. Regelmäßige Folgen der Zwangsvollstreckung seien vom Schuldner hinzunehmen.
III. Der Praxistipp
Der „bestimmungsgemäße Verbrauch von Unterhalt als unersetzbarer Nachteil“ begegnet dem Praktiker regelmäßig in unterschiedlichen Konstellationen und führt ebenso regelmäßig zu dem – für den Unterhaltsschuldner unbefriedigenden – Ergebnis, dass die Unterhaltszahlung durch den Unterhaltsgläubiger – bestimmungsgemäß – verbraucht wird und damit nicht zurückgefordert werden kann.
Etwas anderes gilt nur, wenn für den Unterhaltsschuldner aufgrund der Zahlung ein nicht zu ersetzender Nachteil gegeben ist. Umstritten ist, ob ein nicht zu ersetzender Nachteil vorliegt, wenn der Schuldner die gepfändete Geldforderung nach einer Aufhebung oder Abänderung des Vollstreckungstitels wahrscheinlich nicht mehr zurückfordern kann, weil der Gläubiger mittellos ist. Nach der zu § 707 ZPO und § 719 ZPO ergangenen Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2007, 1138) wird dies wegen des klaren Wortlauts des § 719 Abs. 2 ZPO bejaht. Demgegenüber liegt nach Ansicht von Teilen der Rechtsprechung ein unersetzlicher Nachteil erst vor, wenn über das Risiko des unwiederbringlichen Verlusts einer nicht geschuldeten Geldsumme hinaus die Gefahr irreparabler Folgeschäden besteht, wie etwa der Verlust der Existenzgrundlage. Es empfiehlt sich bereits in erster Instanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG zu stellen (vgl. Haußleiter/Schramm „Rechtsschutz gegen Anordnung der sofortigen Wirksamkeit“ in FamRZ 2020, 1936).
Fall: Der Antragsgegner legt fristgerecht Beschwerde gegen einen Unterhaltsbeschluss ein. Die sofortige Wirksamkeit wurde in erster Instanz angeordnet. In seiner Beschwerdebegründung zum OLG beantragt er zusätzlich, „….die Vollstreckung aus dem Beschluss des Familiengerichts – hilfsweise gegen Sicherheitsleistung – in Höhe von…… € einstweilen einzustellen.“ Zur Begründung führt er aus, dass der Beschluss unrechtmäßig ergangen sei und die Beschwerde – wie in der Beschwerdebegründung dargelegt – erfolgreich sei. Außerdem beziehe die Antragstellerin lediglich Erwerbsunfähigkeitsrente von 300,00 € zusätzlich zur ergänzenden Sozialhilfe. Der aufgrund des zu korrigierenden Beschlusses des Familiengerichts zu viel bezahlte Unterhalt wird daher von der Antragstellerin nicht mehr mit Erfolgsaussicht rückforderbar sein.
Ist eine Einstellung durch Beschwerdegericht möglich?
Es ist streitig, ob ein Antrag im Beschwerdeverfahren möglich ist, wenn in I. Instanz kein Antrag gemäß § 120 FamFG gestellt worden war. Verneinend: OLG Frankfurt (3. Senat) NJW-RR 2011, 1303; Bejahend: OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409; OLG Frankfurt (1. Senat) BeckRS 2018, 36955; OLG Frankfurt (5. Senat) NZFam 2015, 426; OLG Rostock FamRZ 2011, 306; OLG Bremen FamRZ 2011, 322; OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 870; Hk-ZV/Giers/Bachmann FamFG Rn. 87; Prütting/Helms § 120 Rn. 11. Nicht zulässig gemäß § 120 Abs. 2 S. 2, aber zulässig gemäß § 120 Abs. 2 S. 3, 719 ZPO: OLG Hamm, FamRZ 2011, 1678; OLG Hamburg, FamRB 2012, 279; Keidel/Weber §120 FamFG Rn. 14.
Einstellung gegen Sicherheitsleistung?
Gibt es die Möglichkeit der Einstellung der Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung bei § 120 Abs.2 FamFG? NEIN
Vollstreckungseinstellung nach § 120 Abs.2 2 u 3 FamFG :
Macht der Verpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen > nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung einzustellen oder zu beschränken. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann die Vollstreckung nur unter denselben Voraussetzungen eingestellt oder beschränkt werden.
a) Einstellung gegen Sicherheitsleistung: Meinungsbild in Rspr. und Literatur: Bejahend: OLG Jena FuR 2017, 98; OLG Frankfurt BeckRS 2018, 36955; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 1370; Rasch FPR 2010, 150; Hk-ZV/Giers/Bachmann FamFG Rn. 78; Verneinend: Musielak/Borth FamFG §120 Rn. 3; Prütting/Helms, FamFG § 120 Rn. 3; OLG Bremen FamRZ 2011, 322; OLG Hamm FamRZ 2011, 589; Differenzierend Thomas/Putzo/Seiler FamFG § 120 Rn. 6d, 7 und Keidel/Weber FamFG § 120 Rn. 18 f: verneinend für § 120 II 2, aber bejahend für § 120 II 3 FamFG.
b) Welche Bedeutung hat die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Rahmen des § 120 II 2,3 FamFG? Wertungsmaßstab: Kommt es nur auf das Vorliegen eines nicht zu ersetzenden Nachteils an oder rechtfertigt auch die Erfolgsaussicht der Beschwerde die Einstellung der Vollstreckung? Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels (Musielak/Borth FamFG,§120 Rn. 4; OLG Rostock FamRZ 2011, 1679: Ja, wenn Rechtsmittel von vornherein als aussichtslos erscheint bzw. OLG Hamm FamRZ 2011, 589: wenn angefochtene Entscheidung greifbar gesetzeswidrig ist. Positive Erfolgsaussichten der Beschwerde reichen nicht aus (Prütting/Helms §120 Rn. 11; Schulte-Bunert/Weinreich/ FamFG § 120 Rn. 12). a.A: OLG Rostock FamRZ 2011, 1679: Auch der Grad der Erfolgsaussicht ist zu beachten: OLG Karlsruhe, NJW 2018, 1409: Einstellung möglich bei evident bestehender Erfolgsaussicht oder bei Titulierung exorbitant hoher Unterhaltsverpflichtungen Wurde im Ergebnis im konkreten Fall verneint; es ging um die Vollstreckung laufenden Kindesunterhalts.
„Nicht zu ersetzender Nachteil“:
Stellt die Gefahr, dass überzahlter Unterhalt nicht wieder zurückerlangt werden kann, einen nicht zu ersetzenden Nachteil dar?
Der dauerhafte Verlust einer nicht geschuldeten Geldsumme ist ein nicht zu ersetzender Nachteil: so BGH NJW-RR 2007, 1138; OLG Hamm FamFR 2012, 160; OLG Hamm FamRZ 2011, 1317; OLG Rostock FamRZ 2011, 1679; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 1370; OLG Bremen FamRZ 2011, 322; Musielak/Voit/Lackmann ZPO § 707 Rn. 9, Reicht es, dass wegen vorübergehender Leistungsunfähigkeit des Gläubigers die Rückforderung erschwert ist? Oder müssen irreparable Folgeschäden vorliegen? (so OLG Hamm FamRZ 2000, 363; OLG; Koblenz FamRZ 2005, 468) OLG Hamm FamRZ 2011, 1678: dass der Gläubiger derzeit Leistungen nach SGB II bezieht, genügt alleine nicht, die künftigen Erwerbsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Differenzierend: OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1741; OLG Brandenburg FamRZ 2014,866: Differenziert danach, ob aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel wegen des laufenden Unterhalts oder wegen Rückständen vollstreckt wird. Systematik des Gesetzes verbietet, den dauerhaften Verlust der laufenden Unterhaltszahlungen als nicht zu ersetzenden Nachteil anzusehen. Anderes soll gelten, soweit es sich um rückständigen Unterhalt handelt. OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409: Jedenfalls bei Vollstreckung laufenden Unterhalts (hier: Kindesunterhalt) kommt eine Einstellung der Vollstreckung im Regelfall auf der Ermessensebene nicht in Betracht, auch wenn eventuelle Rückforderungsansprüche wegen Mittellosigkeit ins Leere laufen würden. Kein isolierter Rechtsbehelf gegen Entscheidung zu §120 II FamFG.
Fazit:
§ 120 Abs.2 S.2, 3 FamFG erweist sich oft als „stumpfes Schwert“. Erfolgreichere Strategie ist die > Sicherung eines möglichen Anspruchs auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts.
Leitsätze:
Zur Möglichkeit einer Vorabentscheidung des Oberlandesgerichts über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 718 ZPO, wenn das Amtsgericht in seiner Endentscheidung – hier: auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Unterhalt und Erteilung von Auskunft über sein Einkommen – von der in § 116 Abs. 3 FamFG vorgesehenen Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit abgesehen hat .
Anmerkung: Das OLG Karlsruhe stellt in seiner Entscheidung den Meinungsstand zur möglichen Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit in der Beschwerdeinstanz dar.
OLG München, OLG München, Beschluss vom 18.10.2023 – 2 UF 613/23e
(intern vorhanden; unser Az.: 95/21)
Anordnung der sofortigen Wirksamkeit wurde in erster Instanz schlicht vergessen – Anordnung nachholbar
Aus den Gründen: Das Amtsgericht hat die sofortige Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung nicht angeordnet und dies auch nicht etwa bewusst unterlassen. Das ergibt sich daraus, dass § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG eine Soll-Vorschrift ist, so dass die Abweichung hiervon besonderer Begründung bedarf. Es fehlt aber jede Begründung des Amtsgerichts zu dieser Frage.
Es ist umstritten, ob eine in erster Instanz versehentlich unterbliebene Entscheidung nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden kann.
Die inzwischen wohl herrschende Meinung in der Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung, dass die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit für die Unterhaltsverpflichtung in der Beschwerdeinstanz nachgeholt werden kann (Kammergericht – 13. Zivilsenat – Beschl. v. 27.12.2013 – 13 UF 110/13 – ; OLG Bamberg, Beschluss vom 22.06.2012 – 2 UF 296/11 – BeckRS 2012, 18395 = FamRZ 2013, 481; Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 116 Rn. 18; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, Kommentar, 44. Aufl. 2023, § 116 FamFG Rn. 14; und Seiler a.a.O. § 120 Rn. 5; aA OLG Karlsruhe Beschl. v. 28. 2. 2013 – 18 UF 363/12, in NJOZ 2013, 1925). Nach überwiegender Auffassung stützt sich das auf § 120 Abs. 1 i. V. m.. mit § 718 ZPO. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen des Kammergerichts in seiner Entscheidung vom 27.12.2013 (13 UF 110/13), denen sich der Senat anschließt:
[…]
Auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde kommt es für die Entscheidung nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG nicht an. Das Beschwerdegericht ersetzt lediglich die Entscheidung des Familiengerichts, das diese Anordnung auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte treffen müssen (ebenso KG a. a. O.). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG hat die Entscheidung unter Abwägung der beiderseitigen Interessenlage der Beteiligten zu erfolgen (BT-Drucks. 16/6803 S. 412). Die Vorschrift betont die exis
tentielle Bedeutung des Unterhalts für den Berechtigten. Eine Beschränkung der Anordnung kommt nach der Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn das Jugendamt aus übergegangenem Recht gegen den Pflichtigen vorgeht, weil es auf die laufenden Zahlungen nicht angewiesen ist. Der Umstand, dass der gezahlte Unterhalt möglicherweise von der Unterhaltsberechtigten nicht zurückzuerlangen sein wird, ist für die Interessenabwägung in der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht von Belang (OLG Hamm FamRZ 2012, 730; KG Beschl. v. 9.5.2014 – 18 UF 43/13, BeckRS 2014, 22339).
[…]
Die Anordnung erfolgt jedoch nur wegen des laufenden Unterhalts, weil der Unterhalt den laufenden Bedarf deckt. Das entspricht der Wertung des Gesetzgebers. Danach kann das Gericht von der Anordnung nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG abweichen, wenn es wie bei Unterhaltsrückständen der laufenden Sicherung der Existenz nicht bedarf (BT-Drucks. a. a. O. S. 412). Für den rückwirkenden Unterhalt hält der Senat eine Anordnung nicht für angezeigt (KG Beschl. v. 9.5.2014 – 18 UF 43/13, BeckRS 2014, 22339).
OLG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2022 – 15 UF 42/22
Keine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit in der Beschwerdeinstanz?
Leitsätze:
1. Trifft das Familiengericht keine Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit einer Endentscheidung in einer Familienstreitsache, kann der hierdurch beschwerte Beteiligte gem. §§ 120 Absatz I FamFG, 716, 321 ZPO innerhalb von zwei Wochen eine Ergänzung der Endentscheidung beantragen.
2. Eine erstinstanzlich unterbliebene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit gem. § 116 Absatz III 2 FamFG kann im Beschwerdeverfahren nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden.
OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.06.2018 – 1 UF 11/18
Aufhebung der sofortigen Wirksamkeit in der Beschwerdeinstanz
Leitsätze:
1. Der Antrag an das Beschwerdegericht, die Vollstreckung des angefochtenen und für sofort wirksam erklärten Beschlusses einstweilen einzustellen, § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG, setzt nicht voraus, dass zuvor ein Antrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG an das Ausgangsgericht gerichtet wurde (Anschluss an OLG Frankfurt NZFam 2015, 426; MDR 2015, 1078; entgegen OLG Frankfurt FamRZ 2016, 76; FamRZ 2012, 576).
2. Der Grundsatz, dass die Vollstreckung zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führt, wenn im Falle der Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den zu Unrecht gezahlten Geldbetrag zurückzuzahlen, kann unter Berücksichtigung von § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht allgemein auf Unterhaltsforderungen übertragen werden.
3. Für die Einstellung der Vollstreckung von bis zu der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung aufgelaufenen Unterhaltsrückständen reicht die – unwidersprochene – Darlegung des endgültigen Verlustes an den zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger grundsätzlich aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen.
Anmerkung : zur Anordnung der sofortigen Wirksamkeit wegen Unterhaltsrückständen für das OLG Frankfurt a.M. aus (Zitat) “Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze beanspruchen für Unterhaltsrückstände (also die vor Verkündung fällig gewordenen Beträge) nicht in gleicher Weise Geltung. Den Lebensunterhalt während vergangener Zeitabschnitte, für die der Schuldner Unterhalt zwar schuldete, aber nicht geleistet hat, hat der Gläubiger offensichtlich aus anderen Quellen bestritten. Selbst wenn er sich unzumutbar in der Lebenshaltung beschränkt haben sollte, kann ihm die Nachzahlung des Unterhalts darüber nicht mehr hinweghelfen. Nur ausnahmsweise wird der Gläubiger auf die Nachzahlung sofort angewiesen sein, etwa wenn er zum Bestreiten des Lebensunterhalts aufgenommene Schulden sofort zurückzuzahlen hat (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866, zitiert nach juris Rn.18; Musielak/Borth/Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl., § 120 Rn. 4; vgl. für die Würdigung auf der Ermessensebene OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409, zitiert nach juris Rn. 17; a.A. OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 870, zitiert nach juris Rn.20).
Für die Einstellung der Vollstreckung von Unterhaltsrückständen im obigen Sinne reicht die – unwidersprochene – Darlegung des endgültigen Verlustes an den nach Verbrauch zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger deshalb grundsätzlich aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866, zitiert nach juris Rn.18; OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409, zitiert nach juris Rn.16).
Der Beschwerdeführer hat insoweit dargelegt, dass ihm durch die Vollstreckung der Beschwerdegegnerin ein nicht zu ersetzender Nachteil drohe. Er verweist darauf, dass die Beschwerdegegnerin aufgrund ihres geringen Einkommens zur Rückzahlung beigetriebener Unterhaltsrückstände nicht fähig sei. Die Beschwerdegegnerin ist seinem Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten. Sie bestritt lediglich, zur Rückzahlung nicht in der Lage zu sein. Sie wäre jedoch nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast gehalten gewesen, substantiiert zu bestreiten. Darauf ist sie durch gerichtliches Schreiben vom 23.05.2018 hingewiesen worden. Sie konkretisierte in der Folge ihren diesbezüglichen Vortrag nicht und trug unbeschadet dessen auch keine weiteren Aspekte vor, nach denen sie auf die sofortige Zahlung der Rückstände angewiesen sei.
Hinweis:
Wann erstreckt sich die angeordnete sofortige Wirksamkeit auf die Kostenentscheidung im Beschluss?
Die Möglichkeit zu viel geleisteten Unterhalt zurückzuverlangen wird meist anhand des Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs.1 BGB erörtert. Das hat der BGH bisher unter anderem bei Unterhaltsleistungen aufgrund
Doch droht der Rückforderungsanspruch in der Praxis am Entreicherungseinwand nach § 818 Abs.3 BGB zu scheitern (zur Darlegung und Nachweis der Entreicherung vgl. BGH, Urteil vom 17.06.1992 – XII ZR 118/91). Für die Überzahlung von Gehalts- oder Versorgungsbezügen von Beamten, die nach ihrem Wesen und Zweck einer Unterhaltsrente gleichkommen, hat die Rechtsprechung Beweiserleichterungen geschaffen, wenn aus der Überzahlung in der fraglichen Zeit keine besonderen Rücklagen oder andere Vermögensvorteile gebildet worden sind. Der Entreicherungseinwand kann in der Praxis erfolgversprechend nur verhindert werden, wenn der Rückforderungsanspruch des § 812 Abs1 S.1 BGB rechtshängig gemacht wird (§ 818 Abs.4 BGB) und damit der Entreicherungseinwand nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich kann der Unterhaltsempfänger sich auf den Entreicherungseinwand auch noch während eines laufenden Verfahrens berufen (BGH, Urteil vom 17.06.1992 – XII ZR 118/91) Diese Situation besteht fort, bis die verschärfte Haftung durch Rechtshängigkeit eines Rückzahlungsverfahrens gemäß § 818 Abs.4 BGB eintritt – ab diesem Zeitpunkt ist der Unterhalt grundsätzlich zurückzuzahlen. Die verschärfte Haftung knüpft nicht an die Rechtshängigkeit eines beliebigen Prozesses an, in dem über Grund und Höhe der fragliche Leistung gestritten wird, sondern an die Rechtshängigkeit der Klage auf Herausgabe des Erlangten (§ 812 BGB) oder auf Wertersatz (§ 818 Absatz II BGB). Bei erbrachten, aber nicht geschuldeten Unterhaltsleistungen findet ein Ausgleich grundsätzlich nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung statt. Aus diesem Grund wird meist prozesstaktisch überlegt, mit welchen Anträgen ein solcher Rückforderungsanspruch gesichert, d.h. rechtshängig gemacht werden muss. Was ist im Fall eines für sofort wirksam erklärten (aber noch nicht rechtskräftigen) Unterhaltsbeschlusses veranlasst?
Welche Rechtsbehelfe stehen hier bei sofort wirksam erklärten Unterhaltsbeschluss zur Sicherung des Rückforderungsanspruchs zur Verfügung?
Antrag:
…. beantrage ich,
1. den Antrag zurückzuweisen,
2. hilfsweise, die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung gemäß § 120 II 2 FamFG einzustellen.
Anmerkung: Auch wenn eine Sicherheitsleistung ausdrücklich nicht vorgesehen ist, kann sie als Beschränkung der Vollstreckung beantragt werden. Musterantrag zur Einstellung der Vollstreckung findet man bei in Gottwalt, Münchener Prozessformularbuch, Band 3 Familiensachen, 5. Aufl. 2017, Antrag auf Einstellung der Vollstreckung nach § 120 FamFG. Umstritten ist, ob der Schutzantrag nach § 120 Abs.2 S.2 FamFG noch in der Beschwerdeinstanz nachgeholt werden kann (bejahend wohl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2017 – 18 UF 227/17, Rn 7). Der Unterhaltsschuldner sollte ihn daher bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorsorglich stellen – am besten schon in der Antragserwiderungsschrift. Die Einstellungsvoraussetzung des nicht zu ersetzenden Nachteils liegt vor, wenn der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen (BGH, NJW-RR 2007, 1138). Zu den Anforderungen eines Schutzantrages nach 120 Abs.2 S.2 FamFG sowie Sinn und Zweck der sofortigen Wirksamkeit nach 116 Abs.3 S3 FamFG vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2017 – 18 UF 227/17, Rn 17.
Antrag:
werde ich beantragen,
…
hilfsweise, für den Fall des Obsiegens der Antragsgegnerin aufzugeben, an den Antragsteller ab Zustellung des Antrages zuviel gezahlten Unterhalt in monatlicher Höhe von 200â€â€¦ EUR bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückzuzahlen.
Anmerkung: Da Unterhaltsbeschlüsse gemäß §â€â€¦116 Abs.3 FamFG sofort wirksam werden sollen, kann daneben spätestens für die Rechtsmittelinstanz – oder bei Ablehnung der Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung – über einen Rückforderungsantrag nachgedacht werden, da die verschärfte Haftung nach § 241 FamFG hier nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ergreift.
Schließlich kann der Unterhaltsschuldner die Überzahlungen als zins- und tilgungsfreies Darlehen anbieten können, verbunden mit der Verpflichtung, im Falle der Abweisung des Abänderungsbegehrens auf die Rückzahlung zu verzichten. Der BGH hat in Fällen, in denen Unterhalt geleistet werden muss, in einer darlehensweisen Unterhaltsgewährung einen Weg gesehen, dem Unterhaltsschuldner einen Rückzahlungsanspruch zu sichern (BGH, Urteil vom 17-06-1992 – XII ZR 119/91). Dem Unterhaltsberechtigten obliegt es dann nach Treu und Glauben, einen in solcher Weise angebotenen Kredit anzunehmen.
> mehr
Neben dem Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs.1 BGB – mit den dargestellten Schwierigkeiten – kann nach Maßgabe des § 717 Abs.2 ZPO ein Schadensersatz wegen erfolgter Vollstreckung aus vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen geltend gemacht werden. So
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2017 – 18 UF 227/17
Unterhaltsrückforderung nach angefochtenem Unterhaltsbeschluss (sofort wirksam gem. § 116 Abs.3 S.3 FamFG)
(Zitat): “Wird dagegen – wie hier – aus einem für sofort wirksam erklärten und daher vollstreckbaren Beschluss im Hauptsacheverfahren vollstreckt oder leistet der (vermeintliche) Unterhaltsschuldner Zahlungen zur Abwendung einer solchen Vollstreckung, so steht dem Schuldner im Falle einer sich im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisenden Vollstreckung der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch nach § 717 Absatz II ZPO zu. Entsprechendes galt bereits nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des FamFG (vgl. BGH, NJW 2000, 740 Randnummer 19). Heute verweist 120 Absatz I FamFG auf die Norm (vgl. BT-Drs. 16/6308, 226, sowie Giers, FamRB 2009, 87). Die §§ 714–720 ZPO sind von der Globalverweisung des § 120 Absatz I FamFG umfasst, soweit sie nicht mit vorrangigen Regelungen des FamFG in Konflikt geraten (vgl. Senat, FamRZ 2014, Seite 869 mwN), was hier nicht der Fall ist. Der Schadensersatzanspruch ist auf die Wiederherstellung des früheren Zustands gerichtet und umfasst die Rückgabe alles dessen, was der Schuldner gezahlt oder geleistet hat (Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 717 Rn. 6). Der Einwand der Entreicherung kann ihm nicht entgegengehalten werden. Dementsprechend wird die „Entreicherungsproblematik“ auch – soweit ersichtlich – in der Literatur weiterhin ausschließlich mit Blick auf die Vollstreckung einstweiliger Anordnungen und nicht mit Blick auf die Vollstreckung für sofort wirksam erklärter Hauptsachentscheidungen diskutiert (vgl. nur Palandt/Brudermüller, BGB, 76. Aufl. 2017, Einf. vor § 1569 Rn. 13 f.).”
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