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Dr. jur. Schröck – Wie kommt es zu gemeinsamen Schulden?
Die Trennung ist stets Anlass, die bisherige Handhabung der Lastenverteilung von gemeinsamen Immobilienkreditverbindlichkeiten oder von Krediten eines Partners zur Finanzierung gemeinschaftlicher Zwecke zu überdenken und neu zu regeln. Welche Ausgleich- und Verteilungsansprüche bestehen?
| Wegweiser zur Auseinandersetzung gemeinsamer Schulden
Ab der > Trennung werden sich die Ehegatten / Lebenspartner damit beschäftigen müssen, wer nun künftig die gemeinsamen Immobilienkreditbelastungen zu tragen hat. Bleibt alles wie bisher oder sind die Schuldenlasten neu zu verteilen? Wer vor der Trennung mehr als die Hälfte der gemeinsamen Immobilienkreditverbindlichkeiten an die Bank zurückbezahlt, wird hellhörig und will ab jetzt nur noch die Hälfte der Verbindlichkeiten tragen. Sollte er in Zukunft weiter von der Bank in voller Höhe aus dem Immobilienkredit in Anspruch genommen werden, dann soll bitte der andere Ehegatte im Innenverhältnis die Hälfte davon erstatten (ähnliche Interessenlage ist bei gemeinsam angemieteter Ehewohnung anzutreffen > Ehewohnung & Miete oder bei Aufteilung der gemeinsamen Steuerlasten bei gemeinsamer Veranlagung nach Trennung > hier).Schuldenlasten (also auch Immobilienkredite) haben im Familienrecht grundsätzlich auf zwei Ebenen Bedeutung.
M und F sind verheiratet und Miteigentümer zu je ½ eines Einfamilienhauses. Sie bewohnen dieses Haus als Familienheim. Im November 2010 zieht F aus dem Haus aus. M verbleibt in dem Haus und trägt weiterhin die Zins- und Tilgungslasten gegenüber der Bank mit monatlich 800,– € für die beide Ehegatten gegenüber der Bank als Gesamtschuldner haften. Mietwert des Hauses (= ortsübliche Miete) beträgt 1.000 €. Die Eheleute machen gegenseitig keine Unterhaltsansprüche geltend. F stellt im November 2011 Scheidungsantrag. Ab Dezember 2011 verlangt M von F hälftige Beteiligung an Zins – und Tilgungsleistungen rückwirkend ab November 2010. F weigert sich unter dem Hinweis, dass M seit November 2010 in dem Haus mietfrei gewohnt habe. F verlangt vielmehr, dass M rückwirkend ab Dezember 2010 den Mietwert des Familienhauses erstatten soll.
Ab der Trennung im November 2010 gilt auch bei freiwilligem Auszug, dass F Nutzungsentschädigung nach § 1361b Abs.3 S.2 BGB erst ab dem Zeitpunkt beanspruchen kann, ab dem eine Nutzungsentschädigung tatsächlich verlangt wird. Damit kann F erst ab Dezember 2011 eine Nutzungsentschädigung von M verlangen. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits das Trennungsjahr abgelaufen. F kann also ab Dezember 2011 die Hälfte der ortsüblichen Miete (= 500,– €) abzüglich des von M übernommen Anteils an den Hauslasten (= 400,–) verlangen: = 100,– €. Hingegen ist M nicht gehindert, die Hälfte der Zins- und Tilgungsleistungen von F seit der Trennung im November 2010 nach § 426 Abs.2 S.1 BGB zu fordern. Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs.2 S.1 BGB gilt auch rückwirkend, ohne dass es einer besonderen Handlung des M bedarf. ABER: F hat im Vertrauen darauf, dass M die volle Zins- und Tilgungslast in der Vergangenheit alleine getragen hat, bisher keine Nutzungsentschädigung geltend gemacht. Darin ist eine von § 426 Abs.1 BGB stillschweigende abweichende Regelung zur Nichtabrechnung der Hauslasten zu sehen. Danach kann M bis Dezember 2011 nicht die Hälfte des Zins- und Tilgungsleistung (= 400,– €) von F verlangen. Diese abweichende stillschweigende Regelung steht einem Anspruch nicht so weit entgegen, dass M nicht zumindest den Anteil an den Hauslasten erstattet verlangen kann, der seinen ihm zuzurechnenden Nutzwert an dem Eigenheim übersteigt. Der Nutzwert ist im ersten Trennungsjahr nicht mit dem objektiven Wohnwert zu bemessen, sondern muss sich nur den Wohnwert / Wohnvorteil nach der Maßgabe zurechnen lassen, was ihm eine Mietwohnung gekostet hätte, die auf die alleinigen Wohnbedürfnisse des M zugeschnitten ist. Geht man hierbei von einem Wohnwert in Höhe von 600,– € aus, so übersteigen die Hauslasten mit 800,– € den Wohnwert um 200,– €. Die Hälfte davon (= 100,– €) hat die F dem M seit der Trennung im November 2010 rückwirkend zu erstatten.
Fall wie oben. Nur diesmal trägt die F seit Beginn der Trennung – auch nach Auszug aus dem Familienheim – die Hauslasten alleine.
a) Ab dem Zeitpunkt des ausdrücklichen Verlangens einer Nutzungsentschädigung, d.h. ab Dezember 2011 kann F von M die Hälfte der ortsüblichen Miete (= 500,– €) als Nutzungsentschädigung nach § 1361 Abs.3 S.1 BGB verlangen. Das erste Trennungsjahr ist abgelaufen.
b) Der Anspruch auf Kostenbeteiligung in Höhe der Hälfte der Hauslasten (= 400,– €) besteht rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Trennung.
c) Damit kann F von M von Dezember 2010 bis November 2011 400,– € verlangen und ab Dezember 2011 insgesamt 900,– € monatlich in Zukunft verlangen
Wer die Anspruchsgrundlage für die künftige Befreiung von offenen Gesamtschulden (offene Darlehensvaluta) sucht, wird bei § 426 Abs.1 BGB fündig. Dieser Anspruch ist ein Mitwirkungsanspruch. Er wird fällig erst nach Fälligkeit der Schuld im Außenverhältnis und wird mit Antrag auf künftige Befreiung nach § 257 ZPO durchgesetzt. Wird der Befreiungsanspruch nicht erfüllt, kann dies zu Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung (§§ 286, 280 BGB) führen. Wenn es um Berücksichtigung von Gesamtschulden in der Zugewinnbilanz geht, ist vor allem dieser Befreiungsanspruchnach § 426 Abs.1 BGB angesprochen und in der Zugewinnbilanz zu berücksichtigen.
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Wer mehr Zins- und Tilgungsleistungen für eine gemeinsame Kreditverbindlichkeit leistet, als er im Innenverhältnis zum anderen Gesamtschuldner (Ehegatte, Lebenspartner) verpflichtet ist, fragt nach einem Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis gegen den Mitverpflichteten. Hierfür ist § 426 Abs.2 BGB die richtige Anspruchsgrundlage. Mit Zahlung auf die Gesamtschuld geht der Anspruch begrenzt auf den Ausgleichsanspruch auf den Leistenden über. Das gilt ebenso für Bürgschaften / Sicherheiten (§§ 412, 401 BGB) und für Einwendungen/Einreden (z.B. Stundung, Ratenzahlung). In diesem Fall werden die Problemfelder der sog. familienrechtlichen Überlagerungen als Einwendungen gegen den Ausgleichsanspruch – insbesondere das Zusammenspiel von Unterhalt und Gesamtschuldenausgleich – relevant.
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Die Weichenstellung zur Lastenverteilung im Innenverhältnis der Gesamtschuldner wird mit § 426 Abs.1 S.1 BGB getroffen. § 426 BGB Abs.1 S.1 sieht schließlich die paritätische Lastentragung vor. Aber da steht noch mehr in § 426 Abs.1 S.1 BGB, und jetzt kommt´s: “… soweit nicht ein anderes bestimmt ist“. Was ist eine “anderweitige Bestimmung“? Die Rechtsprechung dehnt den Begriff sehr weit aus. Dies führt auch dazu, dass zwischen anderweitiger Bestimmung vor der Trennung und nach der Trennung differenziert wird.
Gesamtschuldnerausgleich
vor der Trennung
Gesamtschuldnerausgleich
nach der Trennung
Wenn es zum Scheitern der Ehe kommt, stellt sich die Frage, ob ein Ehegatte jetzt für die Vergangenheit , d.h. für die Zeit der intakten Ehe einen Ausgleich dafür erhalten kann, dass er mehr von den gemeinsamen Schulden abgetragen hat, wie der andere Ehegatte (= Frage nach dem rückwirkenden Gesamtschuldnerausgleich). Das ist grundsätzlich nicht der Fall. Es gilt die Grundregel: Für Schulden, die während des ehelichen Zusammenlebens getilgt wurden, gibt es keinen Gesamtschuldnerausgleich. Begründet wird dies mit der sog. “familienrechtlichen Überlagerung” des § 426 Abs.2 BGB. Mit anderen Worten: für Zeiten der intakten Ehe ist § 426 Abs.2 BGB in der Regel nicht anwendbar. Diese Sichtweise ändert sich ab dem Trennungszeitpunkt. Dazu vgl.
BGH, Beschluss vom 20.05.2015 – XII ZB 314/14
Gesamtschuldnerausgleich betreffend Familienheim bis zum Scheitern der Ehe
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 18) “Die Miteigentumsgemeinschaft wurde allerdings zunächst durch die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien überlagert. Daraus können sich für ihr Verhältnis als Miteigentümer und Gesamtschuldner der aufgenommenen Kredite Abweichungen gegenüber den Regeln der Bruchteilsgemeinschaft ergeben. Für die Zeit bis zum Scheitern der Ehe kann es nahe liegen, die alleinige Haftung eines Ehegatten für die Darlehensschulden aus der konkreten Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse zu folgern (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 – XII ZR 10/09 – FamRZ 2011, 25, Rn 19 mwN).
(Zitat, Rn 23) “Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, dass für die Zeiten, in denen ein Ehegatte sowohl die Nutzungen allein gezogen als auch die Lasten allein getragen hat und beide in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, ein nachträglicher Gesamtschuldausgleich nicht mehr möglich ist (Senatsurteile vom 4. Juni 1986 – IVb ZR 50/85 – FamRZ 1986, 881, 882 und vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678). Das beruht auf der Erwägung, dass dem weichenden Teilhaber eine Nutzungsentschädigung frühestens ab dem Zeitpunkt zusteht, ab dem er gemäß § 745 Abs. 2 BGB eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung verlangen kann und auch tatsächlich mit hinreichender Deutlichkeit verlangt (Senatsurteil vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678). Könnte der alleinnutzende Teilhaber gleichwohl vom weichenden Ehegatten nachträglich einen Gesamtschuldnerausgleich verlangen, ergäbe sich die unbillige Konsequenz, dass der weiter nutzende und die Lasten tragende Ehegatte rückwirkend einen hälftigen Ausgleichsanspruch hätte, während dem weichenden Ehegatten nur ein in die Zukunft wirkender Anspruch auf Neuregelung bzw. Nutzungsentgelt zustünde, mit dem er die bisher aufgelaufenen Ausgleichsansprüche nicht abwehren könnte. Das ist insbesondere dann unverständlich, wenn die Ehegatten nach der Trennung zunächst stillschweigend von der bisherigen Handhabungausgegangen sind und der weichende Ehegatte nicht sogleich ein Nutzungsentgelt verlangt hat, sondern die alleinige Nutzung des Hauses durch den anderen hinnimmt und darauf vertraut, dass dieser dafür auch die Lasten trägt. Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Ausgleichsanspruch des die Lasten tragenden Ehegatten von vornherein beschränkt. Je nachdem, in welchem Verhältnis der Nutzungswert einerseits und die Lasten und Kosten andererseits stehen, kann sich ein restlicher Ausgleich ergeben oder aber ein Ausgleich ganz aus scheiden. Dadurch wird der Ehegatte, der das gemeinschaftliche Haus nicht nutzt, ebenso gestellt, als wenn er einen rückwirkenden Nutzungsentgeltanspruch dem anderen Ehegatten i m Wege der Einwendung entgegenhalten würde (Senatsurteil vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678).
Anmerkung: Aus der Rechtsprechung zu den Gesamtschulden der Ehegatten bis zum Scheitern der Ehe ergeben sich folgende Grundsätze:
Die Modellvorstellung von der familienrechtlichen Überlagerung des Gesamtschuldnerausgleich in intakter Ehe bekommt mit dem Scheitern der Ehe “Risse” und öffnet ab “Scheitern der Ehe” den Weg für Ausgleichsmechanismen.
BGH, Beschluss vom 20.05.2015 – XII ZB 314/14
Gesamtschuldnerausgleich betreffend Familienheim ab Scheitern der Beziehung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 19) ” Mit dem Scheitern der Ehe haben sich die für die jeweiligen Leistungen maßgeblichen Umstände aber geändert; der Grund für eine frühere Handhabung ist damit entfallen. Denn nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht im Allgemeinen kein Anlass mehr für einen Ehegatten, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen, weil das Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem die beiderseitigen Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung gestanden haben, aufgehoben ist. Es müssen deshalb andere Umstände aufgezeigt werden, um eine anteilige Haftung desjenigen Ehegatten, der die Zahlungen nicht erbracht hat, für die Zeit nach Zustellung des Scheidungsantrags auszuschließen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 – XII ZR 10/09 – FamRZ 2011, 25 Rn. 20 mwN).Anmerkung:
Die Auseinandersetzung gemeinsamer Schulden aus Anlass der Trennung oder Scheidung folgt nach § 426 BGB. Danach tragen die Ehegatten im Verhältnis die Schulden jeweils zur Hälfte, es sei denn sie haben einen davon abweichenden Verteilungsmaßstab vereinbart (“ein anderes bestimmt “ im Sinne des § 426 Abs.1 S.1 BGB getroffen. Eine anderweitige Bestimmung treffen nun aber Ehegatten in aller Regel für die Zeit ihres ehelichen Zusammenlebens – zwar nicht ausdrücklich, aber doch stillschweigend.
BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 – XII ZR 104/08
Grundsatz der anteiligen Haftung zu gleichen Anteilen nach § 426 BGB
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 14 ff) (Zitat Rn 14 ff.) “Gesamtschuldner sind einander zu gleichen Anteilenverpflichtet, > sofern nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine solche abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisse s oder der Natur der Sache ergeben (Senatsurteile vom 30. November 1994 – XII ZR 59/93 – FamRZ 1995, 216, 217; vom 11. Mai 2005 – XII ZR 289/02 – FamRZ 2005, 1236, 1237; vom 26. September 2007 – XII ZR 90/05 – FamRZ 2007, 1975, 1976 und vom 9. Januar 2008 – XII ZR 184/05 – FamRZ 2008, 602). Scheidet eine abweichende gesetzliche Regelung aus, kommt es mithin in erster Linie darauf an, ob die Ehegatten eine abweichende Bestimmung über den Ausgleich im Innenverhältnis getroffen haben.”
Was kann eine ” andere Bestimmung ” sein? Hier geht die Rechtsprechung sehr weit: nicht nur Vereinbarungen der Eheleute sind “andere Bestimmungen” sondern Grundlage für die Annahme einer “anderen Bestimmung” kann sich – ohne besondere Abrede – aus der “Natur der Sache” ergeben. Weiter kann man den Begriff “andere Bestimmung” kaum dehnen. Besteht allerdings eine Abrede zwischen den Ehegatten, geht diese (selbstverständlich) vor. Eine “anderweitige Bestimmung” kann sich – ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung – allein aus einer besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschens ergeben. Diese Rechtsprechung des BGH gilt es immer dann zu berücksichtigen, wenn Kredite allein und ausschließlich im Interesse des anderen Ehegatten aufgenommen wurden (Beispiele dazu Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung, 6. Aufl., 2015, Rn 1488 ).
BGH, Urteil vom 11.Mai 2005 – XII ZR289/02
“Anderweitige” Bestimmung durch stillschweigende Vereinbarung, wenn kein Unterhalt geltend gemacht wird?
Zur Frage, ob eine – die hälftige Ausgleichspflicht unter Gesamtschuldnern überlagernde – anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits dann anzunehmen ist, wenn ein Ehegatte die gemeinsamen Schulden nach der Trennung weiterhin allein abträgt, während der andere – auch ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung – Trennungsunterhalt nicht geltend macht.
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2010 – XII ZR 10/09
In der Ehewohnung verbleibende Ehegatte bezahlt nach Trennung Immobilienkredit allein
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 22) “Eine anderweitige Bestimmung kann im Einzelfall auch dann angenommen werden, wenn die tatsächliche Handhabung, nämlich die weitere Nutzung der Immobilie durch eine Partei [allein], die während dieser Zeit auch die Lasten getragen hat, auf eine (stillschweigende) Vereinbarung des Inhalts schließen lässt, dass es damit hinsichtlich des internen Ausgleichs sein Bewenden haben soll, weil Nutzung und Leistung in einemangemessenen Verhältnis zueinander stehen (Senatsurteile vom 4. Juni 1986 – IVb ZR 50/85 – FamRZ 1986, 881, 882 und vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678). Auch hierzu sind Feststellungen indessen nicht getroffen worden.”
BGH, Beschluss vom 13.03.2024 – XII ZB 243/23
Berücksichtigung der vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei Bemessung des Kindesunterhalts als anderweitige Bestimmung
Leitsatz:
In der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 26. September 2007 – XII ZR 90/05, FamRZ 2007, 1975 und BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 – XII ZR 184/05, FamRZ 2008, 602).
BGH, Beschluss vom 20.05.2015 – XII ZB 314/14
Situation:
In der Ehewohnung verbleibende Ehegatte bezahlt nach TrennungImmobilienkredit allein – Einwand der entschädigungslosen Alleinnutzung gegen rückwirkenden Gesamtschuldnerausgleich
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 23) “Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, dass für die Zeiten, in denen ein Ehegatte sowohl die Nutzungen allein gezogen als auch die Lasten allein getragen hat und beide in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, ein nachträglicher Gesamtschuldausgleich nicht mehr möglich (Senatsurteile vom 4. Juni 1986 – IVb ZR 50/85 – FamRZ 1986, 881, 882 und vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678). Das beruht auf der Erwägung, dass dem weichenden Teilhaber eine Nutzungsentschädigung frühestens ab dem Zeitpunkt zusteht, ab dem er gemäß § 745 Abs. 2 BGB eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung verlangen kann und auch tatsächlich mit hinreichender Deutlichkeit verlangt (Senatsurteil vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678). Könnte der alleinnutzende Teilhaber gleichwohl vom weichenden Ehegatten nachträglich einen Gesamtschuldnerausgleich verlangen, ergäbe sich die unbillige Konsequenz, dass der weiter nutzende und die Lasten tragende Ehegatte rückwirkend einen hälftigen Ausgleichsanspruch hätte, während dem weichenden Ehegatten nur ein in die Zukunft wirkender Anspruch auf Neuregelung bzw. Nutzungsentgelt zustünde, mit dem er die bisher aufgelaufenen Ausgleichsansprüche nicht abwehren könnte. Das ist insbesondere dann unverständlich, wenn die Ehegatten nach der Trennung zunächst stillschweigend von der bisherigen Handhabung ausgegangen sind und der weichende Ehegatte nicht sogleich ein Nutzungsentgelt verlangt hat, sondern die alleinige Nutzung des Hauses durch den anderen hinnimmt und darauf vertraut, dass dieser dafür auch die Lasten trägt. Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Ausgleichsanspruch des die Lasten tragenden Ehegatten von vornherein beschränkt. Je nach dem, in welchem Verhältnis der Nutzungswert einerseits und die Lasten und Kosten andererseits stehen, kann sich ein restlicher Ausgleich ergeben oder aber ein Ausgleich ganz ausscheiden. Dadurch wird der Ehegatte, der das gemeinschaftliche Haus nicht nutzt, ebenso gestellt, als wenn er einen rückwirkendenNutzungsentgeltanspruch dem anderen Ehegatten im Wege der Einwendung entgegenhalten würde (Senatsurteil vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – FamRZ 1993, 676, 678).
Anmerkung:
Wenn ein Ehegatte nach Trennung abweichend von der paritätischen Lastenverteilungsregel nach § 426 Abs.1 S.1 BGB auch den Schuldanteil des anderen Ehegatten (mit-)bezahlt, kann darin eine (stillschweigende) andere Bestimmung im Sinne des §426 Abs.1 S.1 BGB zu sehen sein. Dies gilt zum einen für einen rückwirkendenGesamtschuldnerausgleich und für den Fall, dass die Übernahme der der gemeinsamen Schuldentilgung durch einen Ehegatten ein angemessenes wirtschaftliches Ergebnis darstellt. Dies ist der Fall, wenn bei Miteigentum der Ehegatten an der Immobilie nach Auszug eines Ehegatten der andere Ehegatte sowohl die Nutzungen allein als auch die Lasten allein trägt. Wirtschaftlich für beide Seiten einen Sinn macht eine solche Handhabung von Nutzziehung und Lastentragung nur dann, wenn für die Zeit der Alleinnutzung des gemeinsamen Eigentums durch den die Lasten tragenden Ehepartner auch der interne Gesamtschuldnerausgleich abbedungen ist. Es liegt außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass ein Ehegatte nach feststehendem Scheitern der Beziehung dem anderen die ihm gehörende Haushälfte unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlässt, weiterhin aber die darauf ruhenden Lasten mittragen will – und dass der nutzende Ehegatte hiervon ausgeht, liegt ebenso fern. Es ist in einer solchen Konstellation offensichtlich, dass die Ehegatten trotz endgültigem Scheitern ihrer Beziehung an dem Ausschluss des internen Gesamtschuldnerausgleichs festhalten und diesen konkludent weiterhin abbedingen. Der Schluss auf die stillschweigende Abbedingung des internen Gesamtschuldnerausgleichs drängt sich auch im Hinblick darauf auf, dass andernfalls hier zwar der Ehemann rückwirkend Regress für seine Tilgungszahlungen nehmen könnte, die Ehefrau hingegen rückwirkend keine Vergütung mehr für die Alleinnutzung des Hauses (> Nutzungsentschädigung ) verlangen könnte (= Einwand der entschädigungslosen Alleinnutzung). Ihr > Zahlungsanspruch aus § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB ist nämlich ein sog. verhaltener Anspruch, der nur und erst entsteht, wenn der Gläubiger ihn geltend macht. Der Ausgleichsanspruch des Ehemanns aus § 426 Abs. 2 BGB hingegen besteht von Gesetzes wegen ohne jedes Zutun des Gläubigers. Der Einwand der entschädigungslosen Alleinnutzung = stillschweigende Nichtabrechnungsvereinbarung besteht bis zu Ihrer Aufkündigung (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung, 7. Aufl., Rn 392 ff.).
Die soeben dargestellte Rechtsprechung erfasst lediglich zurückliegende Zeiten (= rückwirkender Gesamtschuldnerausgleich) bis zur Aufkündigung der stillschweigenden Nichtabrechnungsvereinbarung. Sie gilt nicht für den ausdrücklich geforderten Gesamtschuldnerausgleich noch offener gemeinsamer Kreditverbindlichkeiten und künftiger Kreditleistungen.
BGH, Beschluss vom 20.05.2015 – XII ZB 314/14
Situation:
in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte bezahlt nach Scheidung Immobilienkredit allein weiter:
Kein stillschweigender Ausschluss des künftigen Befreiungsanspruch nach § 426 Abs.1 BGB
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 24, 25) “Diese Rechtsprechung erfasst allerdings lediglich zurückliegende Zeiten, in denen der weichende Ehegatte einen an sich gegebenen Anspruch auf Neuregelung bzw. Nutzungsentgelt nicht geltend gemacht hat. Aus der stillschweigenden Hinnahme einer bestimmten Handhabung während der Trennungszeit kann hingegen nicht auch bereits für die Zeit nach der Scheidung darauf geschlossen werden, dass es dauerhaft und endgültig bei derselben Regelung verbleiben soll. Zwar wären die Ehegatten nicht gehindert, schon während der Trennungszeit eine Nutzungs- und Verwaltungsvereinbarung des Inhalts zu treffen, dass einer von ihnen die Alleinnutzung behält und zum Ausgleich dafür die gemeinsam geschuldeten Darlehenslasten allein trägt (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 – IVb ZR 83/84 – FamRZ 1986, 436, 637). Für die Zugewinnausgleichsbilanz kann eine solche Vereinbarung jedoch nur dann zum vollständigen Entfallen des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich führen, wenn sie eine endgültige Freistellung des weichenden Ehegatten von der Darlehensschuld enthält. Sie müsste deshalb für einen langen Zeitraum fest geschlossen werden, bei dem die Dauer der Alleinnutzung des weiterhin gemeinschaftlichen Eigentums zu dem Wert der noch offenen Darlehensvaluta in einem angemessenen Verhältnis steht. Zudem müsste die Vereinbarung bereits vor dem Stichtag geschlossen worden sein, um noch Einfluss auf den Bestand des Endvermögens nehmen zu können.
Eine derartige Vereinbarung ist jedoch weder festgestellt noch behauptet. Die schlichte Fortsetzung der bisherigen Handhabung bedeutete im vorliegenden Fall lediglich, dass der weichende Ehegatte seiner etwaigen Inanspruchnahme auf Gesamtschuldnerausgleich weiterhin fortlaufend – bis zu einer Neuregelung – den Einwand der entschädigungslosen Alleinnutzung durch den anderen Teil entgegenhalten konnte (vgl. auch Büte Zugewinnausgleich bei Ehescheidung 4. Aufl. 2012 Rn. 616). Sie enthielt indessen keine Rechtsbindung für eine die Darlehensvaluta insgesamt ausgleichende Alleinnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums über einen langen Zeitraum. Dass eine solche Rechtsbindung auch vom Ehemann selbst nicht gewollt war, zeigt bereits der Umstand, dass er noch während des Scheidungsverfahrens die Teilungsversteigerung betrieb, nach deren Versteigerungsbedingen das grundpfandrechtlich besicherte, gemeinsam aufgenommene Darlehen bestehen blieb, und dies den das geringste Gebot übersteigenden Teil des Bargebots – hälftig zulasten der Ehefrau – entsprechend minderte.
BGH, Urteil vom 11. Juli 2018 – XII ZR 108/17
Geltend gemachter Nutzungsentschädigungsanspruch begrenzt künftigen Gesamtschulderausgleich
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 33) “Entgegen der von den Vorinstanzen vorgenommenen Berechnung kann hingegen der den Ausgleichsanspruch übersteigende hälftige Nutzungswert nicht mit Ausgleichsansprüchen für Zeiträume nach der Nutzungsaufgabe [durch die Klägerin ] saldiert werden. Denn über die Grundsätze von Treu und Glauben wird nicht ein Nutzungsentschädigungsanspruch des weichenden Partners “geschaffen”, sondern allein der Ausgleichsanspruch des verbleibenden Partners beschränkt. Mithin steht der [ausgezogenen] Beklagten, die eine Neuregelung der Nutzung nach § 745 Abs.2 BGB und damit eine Nutzungsvergütung nicht verlangt hatte, kein überschießender Anspruch auf Nutzungsvergütung zu, mit dem sie gegen die Ausgleichsansprüche der Klägerin für die auf den Zeitraum ab Dezember 2013 fälligen und gezahlten Hauslasten aufrechnen könnte.”
Anmerkung: Die Begrenzung des Gesamtschuldnerausgleichs für die weitere Zukunft durch einen gegenläufigen Nutzungsentschädigungsanspruch greift erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Nutzungsentschädigung auch tatsächllich verlangt wird.
BGH, Urteil vom 11.05.2005 – XII ZR 289/02
Gesamtschuldnerausgleich nach Scheitern der Ehe ; Anderweitige Bestimmung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Ebenso zutreffend ist der weitere Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß derartige Ausgleichs- und Freistellungsansprüche nach dem Scheitern der Ehe für weitere Zahlungen und künftig fällig werdende Leistungen wieder bestehen, soweit nicht an die Stelle der Lebensgemeinschaft andere besondere Umstände treten, aus denen sich erneut ein vom Regelfall abweichender Maßstab ergibt (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1994 – XII ZR 59/93 – FamRZ 1995, 216, 217). Dies kann sich auch ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien aus einer besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben, die derjenige Ehegatte darzulegenund zu beweisen hat, der sich darauf beruft (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1987 – IVb ZR 95/86 – FamRZ 1988, 264).
Anmerkung:
Die Entscheidung des BGH ist deshalb besonders erwähnenswert, weil erklärt wird: Eine “anderweitige Bestimmung” kann sich – ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung – allein aus einer “ besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschens “ ergeben. Dieser Grundsatz ist immer dann zu berücksichtigen, wenn gemeinsame Kredite ausschließlich im Interesse nur eines Ehegatten aufgenommen wurden.
Beispiele:
Es ist allgemein anerkannt, dass berücksichtigungswürdige Schulden für die Unterhaltsermittlung nach Einkommensverhältnissen vorab zum Abzug kommen (Einkommensbereinigung). Das gilt insbesondere für den Abzug von Annuitäten wegen eines Immobilienkredits, der bereits zu Zeiten der intakten Ehe aufgenommen wurde.
Wenn also eine grundsätzlich eine Einkommensbereinigung erfolgen kann, stellt sich die Frage, wessen Einkommen bei gemeinsamem Immobilienkredit bereinigt wird? Welche Rolle spielt hier ein Anspruch auf > Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis der Ehegatten und die Eigentumsverhältnisse an der gemeinsamen Immobilie?
BGH, Beschluss vom 06.11.2019 – XII ZB 311/18
Grundsatz: Haftungsquote im Innenverhältnis für gemeinsamen Immobilienkredit nach Miteigentumsquote
BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 – XII ZR 289/02
“Anderweitige” Bestimmung durch Berücksichtigung der Schulden bei der Unterhaltsberechnung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Richtig ist […], daß eine anderweitige Bestimmung, die die grundsätzliche Haftung von Gesamtschuldnern im Innenverhältnis zu gleichen Teilen verdrängt, jedenfalls dann naheliegt, wenn die alleinige Schuldentilgung durch einen der getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten bei der Berechnung des dem anderen zustehenden Unterhalts bereits berücksichtigt wurde (vgl.Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 3. Aufl. Rdn. 276 ff.)”.
Anmerkung:
Der BGH erklärt den Gesamtschuldnerausgleich für nicht anwendbar, wenn eine gerechte Lastenverteilung über die Ermittlung des Ehegattenunterhaltsanspruchs erreicht werden kann. Können die Leistungen zur Rückführung des Kredits bei der Bereinigung des unterhaltsrelevanten Einkommens berücksichtigt werden (> mehr), so ist insoweit kein Raum für einen gesonderten Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB.
Werden Immobilienkreditverbindlichkeiten vom Nettoeinkommen in Abzug gebracht, so verringert sich über die Quotenbedarfsmethode die Unterhaltshöhe und damit der geschuldete Unterhalt. Über diese unterhaltsrechtliche Ermittlungsmethode und Ansatz eines um die monatliche Kreditbelastung reduzierten Einkommens wird der andere Ehegatte zwangsläufig an der Tilgung der gemeinsamen Schulden beteiligt. Der Schuldenabzug beim Unterhalt ist damit eine “anderweitige Bestimmung”, die keinen weiteren Ausgleich mehr zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2007 – XII ZR 90/05; OLG Celle FamRZ 2001, 1071; OLG Köln FamRZ 1994, 961; OLG München FamRZ 1996, 291; OLG Hamm FamRZ 1999, 1501).
Beispiel:
1. Alternative:
Kredit leistender Ehemann (M) fordert Ausgleich nach § 426 BGB in Höhe 500,00 €. Danach stellt sich der Unterhalt wie folgt dar. Das Einkommen der Ehegatten ist jeweils um 500,00 € Kreditbelastung zu bereinigen.
2. Alternative:
Ehemann (M) fordert keinen Ausgleich, sondern bezahlt – wie bisher – die gemeinsame Kreditbelastung allein. Danach stellt sich der Unterhaltsermittlung wie folgt dar. Das Einkommen des Ehemannes (M) ist um 1.000,00 € Kreditbelastung zu bereinigen. Eine Einkommensbereinigung bei der Ehefrau (F) findet nicht statt.
Das Beispiel zeigt, dass über die unterhaltsrechtliche Ermittlungstechnik durch vollen Abzug der Kreditbelastungen beim zahlenden Ehemann ein Ausgleich in Höhe von 500,00 € ebenso stattfindet, wie bei einem Ausgleich nach § 426 BGB. Das wirtschaftliche Ergebnis ist das Gleiche.
Deshalb gilt der Grundsatz: Können die Leistungen zur Rückführung des Kredits bei der Bereinigung des unterhaltsrelevanten Einkommens berücksichtigt werden, so ist insoweit kein Raum für einen gesonderten Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB (BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 – XII ZR 289/02).
BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 – XII ZR 104/08,
zur Koexistenz von Gesamtschuldnerausgleich und güterrechtlichen Ausgleichsmechanismen
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 13) “Ein Vorrang des Güterrechts besteht dagegen nicht im Verhältnis zu einem > Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten. Denn bei richtiger Handhabung der güterrechtichen Vorschriften vermag der Gesamtschuldnerausgleich das Ergebnis des Zugewinnausgleichs nicht zu verfälschen (st. Rspr., vgl. BGHZ 87, 265, 273; Senatsurteile vom 30. September 1987 – IVb ZR 94/86 – FamRZ 1987, 1239, 1240; vom 27. April 1988 – IVb ZR 55/87 – FamRZ 1988, 920, 921 und vom 13. Juli 1988 – IVb ZR 96/87 – FamRZ 1988, 1031″.
Anmerkung:
Es besteht eine Koexistenz von Zugewinnausgleich und Gesamtschuldnerausgleich. Die Tilgung der Gesamtschuld durch einen der haftenden Ehegatten bewirkt im Regelfall keine Veränderung der für die Ermittlung des Zugewinns maßgeblichen Endvermögen, wenn die Gesamtschuld zutreffend, d.h. unter Beachtung des > gesamtschuldnerischen Ausgleichs (§ 426 BGB) im Innenverhältnis der Ehegatten, in die Vermögensbilanz eingestellt wird.
Zunächst ist die Gesamtschuld als Passivposten in das > Endvermögen der > Zugewinnbilanz beider Ehegatten einzustellen – und zwar jeweils in voller Höhe, denn beide haften dem Gläubiger gegenüber für die gesamte Kreditverbindlichkeit (§ 421 BGB).
BGH, Beschluss vom 20.05.2015 – XII ZB 314/14
Gesamtschuldnerausgleich betreffend Familienheim im Zugewinnausgleich
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 15) “Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verdrängen die güterrechtlichen Vorschriften über den Zugewinnausgleich den Gesamtschuldnerausgleich nicht, und zwar unabhängig davon, ob die Leistung eines gesamtschuldnerisch haftenden Ehegatten vor oder nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens erbracht worden ist. Denn bei richtiger Handhabung der güterrechtlichen Vorschriften vermag der Gesamtschuldnerausgleich das Ergebnis des Zugewinnausgleichs nicht zu verfälschen. Die Tilgung der Gesamtschuld durch einen der haftenden Ehegatten bewirkt im Regelfall keine Veränderung der für die Ermittlung des Zugewinns maßgeblichen Endvermögen, wenn die Gesamtschuld wirtschaftlich zutreffend, d.h. unter Beachtung des gesamtschuldnerischen Ausgleichs, in die Vermögensbilanz eingestellt wird. Das wird erkennbar, wenn sich der Ausgleich der Gesamtschuldner nach der gesetzlichen Regel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vollzieht. Soweit bei Zustellung des Scheidungsantrags als Stichtag für die Berechnung des Endvermögens (§ 1384 BGB) gemeinsame Verbindlichkeiten der Ehegatten noch nicht getilgt sind, ist im Endvermögen beider Ehegatten jeweils die noch bestehende Gesamtschuld in voller Höhe als Passivposten zu berücksichtigen. Demgegenüber ist – die Durchsetzbarkeit vorausgesetzt – der jeweilige Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten, der die Befriedigung des Gläubigers nicht voraussetzt, als Aktivposten anzusetzen. Im Ergebnis hat das regelmäßig zur Folge, dass Ehegatten, die als Gesamtschuldner haften, die gemeinsamen Verbindlichkeiten bei ihrem Endvermögen jeweils nur mit der Quote ansetzen können, die im Innenverhältnis auf sie entfällt(Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 – XII ZR 10/09 – FamRZ 2011, 25 Rn. 16 mwN).”
KG, Urteil vom 21.11.2008 – 13 UF 21/08
Berücksichtigung einer Gesamtschuldnerausgleichsforderung im Endvermögen
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 35) “Ferner sind im > Endvermögen beider Parteien der Wert der Immobilie je zur Hälfte und ebenso jeweils die Hälfte der auf der Immobilie zum Stichtag lastenden Verbindlichkeiten einzustellen. Insoweit hat der Senat bereits die volle Verbindlichkeit und den jeweiligen hälftigen Ausgleichsanspruch gegen die andere Partei saldiert (vgl. BGH FamRZ 2008, 602, 603). Die Parteien hafteten im Außenverhältnis für die auf dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Wohnungseigentum lastenden Verbindlichkeiten gesamtschuldnerisch. Aus den Regeln der Miteigentumsgemeinschaft folgt grundsätzlich, dass jeder Ehegatte im Innenverhältnis auch die Hälfte der Darlehensschuld zahlen muss, wenn die mit einem Darlehen finanzierte Immobilie jeweils zur Hälfte im Eigentum der Ehegatten steht. Die Miteigentumsgemeinschaft wird aber von der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft überlagert. Es liegt nahe bis zum Scheitern der Ehe, die alleinige Haftung des einen Ehegatten für die Darlehensschulden aus der konkreten Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse zu folgern. Zahlt nur der Ehegatte während der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft auf die Verbindlichkeiten, der hierzu wirtschaftlich in der Lage ist, dann bringen die Eheleute durch den Erwerb des Miteigentums je zur Hälfte in der Regel zum Ausdruck, dass die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen als von beiden in gleicher Höhe geleistet angesehen werden sollen. Ein Ausgleichsanspruch wegen erbrachter Mehrleistungen kommt dann grundsätzlich nicht in Betracht. Wenn die eheliche Lebensgemeinschaft der Grund dafür gewesen ist, dass ein Ehegatte die Zins- und Tilgungsleistung für das Darlehen im Innenverhältnis allein übernommen hat, dann haben sich die maßgeblichen Umstände mit dem Scheitern der Ehe geändert. Mit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft spätestens mit Zustellung des Scheidungsantrages besteht im Allgemeinen kein Grund mehr für einen Ehegatten, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen. Es müssen andere Umstände aufgezeigt werden, um eine anteilige Haftung des anderen Ehegatten auch für die Zeit nach der Erhebung des Antrages auf Scheidung auszuschließen. Dabei stehen die Vorschriften über den Zugewinnausgleich dem Ausgleichsanspruch nicht entgegen. Ein > Vorrang der güterrechtlichen Bestimmungen gilt jedenfalls nicht bei Ansprüchen nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. BGH NJW 1983, 1845, 1846/1847). Hieraus folgt vorliegend, dass die Tilgung der Verbindlichkeiten während der Ehe durch den Beklagten grundsätzlich nicht zur Folge hat, dass er auch nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft weiterhin diese Verbindlichkeiten allein zu bedienen hat und abweichend von der gesamtschuldnerischen Haftung im Außenverhältnis im Zugewinnverfahren ihm allein die Verbindlichkeiten und als Ausgleich hierzu auch der Wert der Immobilie zuzuordnen ist. Vielmehr ist entsprechend den Miteigentumsanteilen der hälftige Wert der Wohnung im jeweiligen Aktivvermögen der Parteien und die Verbindlichkeiten abzüglich des jeweiligen hälftigen Ausgleichsanspruchs im Passivvermögen der Parteien zu berücksichtigen. Die Klägerin hat auch keine Umstände aufgezeigt, die zu einer hiervon abweichenden Berücksichtigung der Verbindlichkeiten im beiderseitigen Endvermögen zwingen.”
BGH, vom 06.10.2010 – XII ZR 10/09
Kein Wegfall der Befreiungsverpflichtung nach § 426 Abs.1 BGB bei faktischer Zahlungsunfähigkeit
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat, Rn 23) “Dass ein Gesamtschuldner zum internen Ausgleich finanziell nicht in der Lage ist, stellt keinen ausreichenden Grund dar, ihn von der Mithaftung im Innenverhältnisfreizustellen (BGHZ 87, 265, 268 = FamRZ 1983, 795, 796)”.
Anmerkung: Das gilt insbesondere dann, wenn der faktisch zahlungsunfähige Ehegatte durch den Erhalt von Zugewinnausgleich eben doch zahlungsfähig wird (vgl. Wever,Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 7. Aufl. Rn. 378).
BGH, Urteil vom 06.11.2019 – XII ZB 311/18
zum Zugewinnausgleich bei gemeinsamer Kreditaufnahme für den Erwerb eines Hauses zu Alleineigentum eines Ehegatten
Leitsätze:
Sachverhalt:
Vor der Eheschließung gemeinsame Kreditaufnahme durch die Eheleute. Damit finanzierter Erwerb eines Grundstücks zu Alleineigentum der Ehefrau. Während der Ehe führt der Ehemann den gemeinsamen Kredit überwiegend (teilweise) zurück. Nach Trennung, aber vor Rechtshängigkeit der Scheidung, übernimmt die Ehefrau die Haftung im Außenverhältnis.
Problem: der BGH klärt hier, wie die Situation im Zugewinn behandelt wird und geht dabei wie folgt vor: Für die Wertansätze im Anfangs – und Endvermögen ist zu den maßgeblichen Stichtagen zunächst die Haftungssituation der Eheleute für offene Gesamtschuld im Innenverhältnis klären.
Zum Anfangsvermögen:
Vor / bis der Eheschließung gilt der Grundsatz: Wer profitiert, haftet im Innenverhältnis allein. Bei Alleineigentum eines Ehegatten haftet also dieser im Innenverhältnis allein für den gemeinsamen Immobilienkredit für das Haus. Deshalb wird im Anfangsvermögender Ehefrau das Haus und das volle Darlehen zum Stichtag eingestellt. Im Anfangsvermögen des Ehemannes der volle Immobilienkredit und sein Befreiungsanspruch nach § 426 Abs.1 BGB im Innenverhältnis von der Mithaftung (Hinweis = Anspruch vor Befriedigung des Gläubigers im Außenverhältnis; Ausgleichsanspruch nach Befriedigung des Gläubigers ergibt sich aus § 426 Abs.2 BGB). Im vorliegenden Fall entspricht die Höhe der Valuta des offenen Immobilienkredits der Höhe des Befreiungsanspruchs. Im Ergebnis ist der Immobilienkredit im Anfangsvermögen des Ehemannes wertneutral.
Zum Endvermögen:
Im Endvermögen der Ehefrau ist das Haus und die volle offene Darlehensvaluta zum Stichtag einzustellen (hier nun wegen volle Haftungsübernahme des Immobilienkredits im Außenverhältnis vor Ehescheidung). Im Endvermögen des Ehemannes taucht weder das Haus noch ein Befreiungsanspruch nach § 426 Abs.1 BGB auf.
Ausgleichsanspruch des Ehemannes nach § 426 Abs.2 BGB im Endvermögen?
Wegen Annuitäten-Leistungen des Ehemannes auf den gemeinsamen Immobilienkredit während intakter Ehezeit hat der Ehemann keinen Ausgleichsanspruch. Denn hier gelten die Grundsätze zu § 426 Abs.2 BGB vor der Trennung. Für Zeiten der intakten Ehe sind Ausgleichsansprüche wegen einseitiger Leistungen auf gemeinsame Verbindlichkeiten grundsätzlich ausgeschlossen (> mehr).
BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 – XII ZR 104/08,
zur konkludenten Ausgleichsvereinbarung
Anmerkung:
Selbst wenn zwischen den Eheleuten der > Ausgleichsmechanismus des § 426 BGB nicht greift, weil sie nicht gemeinsame Schulden begründet haben, kann eine Beteiligung des einen Ehegatten an den Schulden des anderen Ehegatten in Betracht kommen, wenn dafür eine > konkludente Ausgleichsvereinbarung sprechen könnte, weil die Interessenlage dafür spricht. Insgesamt ist diese BGH-Entscheidung sehr lehrreich. Der BGH prüft hier zahlreiche mögliche Ausgleichsmechanismen des BGB (> Ausgleichsansprüche aus dem Nebengüterrecht ; Gemeinschaft: § 748 BGB; Darlehen: § 426 BGB) durch, um zu klären, ob ein solcher > vorrangig vor einem bloßen Zugewinnausgleich in Betracht kommt. Zugrundeliegender Sachverhalt war ein Darlehen, das ein Ehegatte (allein) von seinen Eltern zur Finanzierung einer von den Eheleuten gemeinsam erworbenen Eigentumswohnung allein aufgenommen hat. Dieser Ehegatte verlangt nun vom anderen Ehegatten die Beteiligung (zur Hälfte) an der Darlehensrückzahlung an die (Schwieger-)Eltern, obwohl das Darlehen allein vom anderen Ehegatten bei dessen Eltern aufgenommen wurde. Eine Vereinbarung der Eheleute über die Beteiligung an der Darlehensrückzahlung gab es nicht. Fehlt eine > ausdrückliche Vereinbarung der Ehegatten, wie gemeinsames Vermögen oder Verbindlichkeiten im Fall der Trennung und Scheidung ausgeglichen werden sollen, stellt sich die Frage, ob der Ausgleich nach einer > stillschweigenden (konkludenten) Ausgleichsvereinbarung erfolgt.
BGH, Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZR 160/12,
Ausgleichspflicht im Innenverhältnis für alleinigen Kredit eines Ehegatten zur Finanzierung des gemeinsamen Familienwohnheims
Anmerkung:
Haben die Ehegatten die Verbindlichkeit nicht gemeinsam begründet, scheidet ein Rückgriff auf § 426 BGB aus. Nach Auffassung des BGH ist in derartigen Fällen vorrangig zu fragen, ob die Ehegatten, ggf. konkludent, im Innenverhältnis einen Ausgleichs- und/oder Freistellungsanspruch des anderen Ehegatten vereinbart haben. Ein solcher Ausgleichsanspruch könne sich etwa ergeben, wenn einer der Ehegatten allein eine Verbindlichkeit begründet habe, die einem gemeinsamen Vermögensgegenstand zugutegekommen sei, etwa einer im Miteigentum stehenden Immobilie. Der Ausgleichsanspruch ergebe sich dann aus einer besonderen Vereinbarung zwischen den Ehegatten. Sofern ein Ehegatte ausschließlich zugunsten des anderen Ehegatten eine Verbindlichkeit eingegangen ist oder eine Sicherheit gestellt hat, kann sich nach dem Scheitern der Ehe ein Anspruch auf eine entsprechende Befreiung von der Verbindlichkeit bzw. Rückgabe der Sicherheit aus > Auftragsrechtergeben. Das Freistellungsverlangen kann sich als Kündigung darstellen.
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