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Ehegattenunterhalt – Wann ist ein Ehegatte mit eigenem Vermögen unterhaltsbedürftig?  


Das Wichtigste in Kürze

  1. Prüfungsschema:
    Wenn für einen Ehegatten ein Bedarf an Unterhalt festgestellt wird, muss in der nächsten Prüfungsstufe geprüft werden, ob der bedürftige Ehegatte seinen Unterhaltsbedarf durch eigenes Einkommen oder Vermögen decken kann (Bedürftigkeit). Nur wer nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, hat Anspruch auf Unterhaltsleistungen. Dies ist klar durch § 1569 BGB für den nachehelichen Unterhalt und durch § 1361 Abs.2 BGB für den Trennungsunterhalt festgelegt.
  2. Obliegenheit zur Vermögensverwertung:
    Im Rahmen des nachehelichen Ehegattenunterhalts schreibt § 1577 BGB explizit vor, dass das Vermögen zur Deckung des eigenen Unterhalts verwertet werden muss. Für den Trennungsunterhalt gibt es keine ausdrückliche Regelung.
  3. Vermögen erfassen:
    In der Praxis besteht häufig die Gefahr, dass das Vermögen eines unterhaltsberechtigten Ehegatten, das seine Bedürftigkeit beeinflusst, übersehen oder nicht erfragt wird. Unsere Formulare und Checklisten ermöglichen Ihnen eine effiziente und rechtssichere Erfassung von Informationen über das Vermögen, das für den Unterhalt relevant ist.
  4. Unwirtschaftlich oder unbillig:
    § 1577 Abs.3 BGB setzt eine Grenze für die Verpflichtung zur Vermögensverwertung. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann geltend machen, dass ihm aufgrund von Unwirtschaftlichkeit oder Unbilligkeit die Verpflichtung zur Vermögensverwertung nicht zugemutet werden kann.

Rechtlicher Leitfaden 
zur Obliegenheit des bedürftigen Ehegatten sein Vermögen zu verwerten

Erhalten Sie eine klare Vorstellung von den rechtlichen Grundlagen und der Rechtsprechung bezüglich der Unwirtschaftlichkeit oder Unbilligkeit der Vermögensverwertung für den Unterhalt des unterhaltsberechtigten Ehepartners. Erfahren Sie, wie dies in der Praxis gehandhabt wird. 

Wegweiser zur Bedürftigkeit des Ehegatten mit Vermögen

Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Unterhalt für Ehegatten - Der bedürftige Ehegatte mit Vermögen 1
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Grundsatz
Verwertungsobliegenheit

§ 1577 BGB
Gesetzestext


(1) Der geschiedene Ehegatte kann den Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1573, 1575 und 1576 nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann.

(2) …

(3) Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre [Verwertungsobliegenheit und ihre Grenzen].

(4) … [aktuelles & ehemaliges Vermögen].


Anmerkung


Bedürftigkeit und Vermögensertrag:
Grundsätzlich obliegt es gem. § 1569 BGB jedem Ehegatten, nach der Scheidung selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. § 1577 Abs.1 BGB stellt klar, dass der Ex-Ehegatte sich eigene Einkünfte bedarfsdeckend anrechnen lassen muss. Bedarfsdeckung findet in der Regel durch verfügbares unterhaltsrelevantes Einkommen statt. Auch Vermögenserträgezählen zum Einkommen und hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte zur Vermeidung seiner Bedürftigkeit einzusetzen. Ist Einkommen nicht, auch nicht fiktiv, vorhanden oder ist es unzureichend, kann der Zugriff auf vorhandenen Vermögensstamm in Betracht kommen (§ 1577 Abs.1 BGB).   

Bedürftigkeit bei vorhandenem Vermögensstamm:
Eine Vermögensbildung oder den Vermögenserhalt hat der Unterhaltspflichtige nicht zu finanzieren. Jedoch muss bedürftige Ehepartner sein Vermögen dann nicht verwerten, wenn dies unwirtschaftlich oder unbillig wäre (§ 1577 Abs.3 BGB).

Obliegenheit zur Vermögensverwertung 
Grenzen des § 1577 Abs.3 BGB

Grundsätze und Kriterien
der Verwertungsobliegenheit


Grundsätze:

  • Keine Verwertungspflicht nur dann, wenn Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre
  • Bei Trennungsunterhalt weniger strenge Verwertungsobliegenheit (BGH FamRZ 2012, 514)
  • In einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung sind alle bedeutsamen Umstände, insbesondere auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen.
  • Zuerst die weniger belastende Maßnahme prüfen! Hier ist die geringste Gegenwehr möglich.

Art der Vermögensverwertung:

  • Durch Verbrauch: Geld abheben vom Konto oder Verkauf der Vermögensgegnstände
  • Beleihung statt Veräußerung:  Ist die Veräußerung nicht zumutbar, kommt eine Beleihung in Betracht. So z.B. bei einer Lebensversicherung / Policendarlehen. Veräußerung unwirtschaftlich z. B. weil nur zeitlich begrenzte finanzielle Durststrecke. 

Mögliche Abwehrstrategien des Unterhaltsbedürftigen:

Es gibt verschiedene Strategien, die ein Unterhaltsbedürftiger in Anspruch nehmen kann, um sich gegen eine Unterhaltszahlungspflicht zu wehren. Diese hängen vor allem von der individuellen Situation des Betroffenen ab und sollten immer im Einzelfall geprüft werden. Im Folgenden werden einige mögliche Abwehrstrategien vorgestellt:

Der Unterhaltsberechtigte hat zur Abwehr des Grundsatzes der Verwertungsobliegenheit dessen Unwirtschaftlichkeit oder Unbilligkeit darzulegen und zu beweisen. Denn die Voraussetzungen für § 1577 Abs.3 BGB sind für den Unterhaltsberechtigten ein positiver Umstand.

  1. Abwehrstrategie: Die Verwertung ist unwirtschaftlich
    • wenn sie zu nicht mehr vertretbaren wirtschaftlichen Verlusten führen würde. Z.B. wenn der zu erwartende Erlös außer Verhältnis zum Wert des Vermögensgegenstandes steht. Langheim FamRZ 2017, 1814, 1816 mwN.
    • Höhe des zu erwartenden Verkaufserlöses in Relation zum Affektionsinteresse des Unterhaltsgläubigers am Verwertungsgegenstand
  2. Abwehrstrategie: Die Verwertung ist unbillig oder unwirtschaftlich
    • Eine Obliegenheit zur Verwertung des Vermögensstammes hängt im Einzelfall von der voraussichtlichen Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit und von der dauerhaften Ertragsmöglichkeit des zur Verfügung stehenden Vermögens ab. OLG Hamm v. 18.05.2011 – 8 UF 262/10, FamFR 2012, 84)
    • Wenn der Vermögensinhaber dadurch von Einkünften abgeschnitten wird, die er für die Zukunft benötigt (z.B. Verkauf einer vermieteten Immobilie). Vermögenswerte dienen dazu, ergänzend zu sonstigem Einkommen den eigenen Unterhaltsbedarf auf Lebenszeit zu sichern.
    • Lebenserwartung des Unterhaltsgläubigers und daraus folgende besondere Erhaltungsnotwendigkeit des Vermögens BGH v. 27.06.1984 – IVb ZR 20/83 – FamRZ 1985, 354; OLG Hamm v. 20.12.1996 – 10 UF 109/96 – FamRZ 1997, 1537).
    • Hier gewinnt das sog. geschützte Altersvorsorgevermögen an Bedeutung. 

      Das Vermögen dient, neben dem sonstigen Einkommen, regelmäßig dazu, den angemessenen Unterhalt auf Lebenszeit zu sichern. Zum Erhalt des angemessenen Eigenbedarfs im Rentenalter reicht im Regelfall die gesetzliche Rente nicht aus. Hier ist die Rentenlücke mit privatem Vermögensaufbau bzw. Vermögensverzehr ab Renteneintritt zu schließen. Für den erforderlichen privaten Vermögensaufbau (zzgl. gesetzlicher Rentenanwartschaft) wird ein Sparanteil von 4 % vom letzten Jahresbruttoeinkommen – ab Beginn der Erwerbszeit bis zum Erreichen des Rentenalters (gesamte Erwerbszeit) – allgemein anerkannt. Nur das vorhandene Gesamtvermögen bereinigt um das Altersvorsorgevermögen kann als verwertbares Vermögen in Betracht kommen. Die Verwertung des für die Altersversorgung vorgesehenen Vermögens ist vor dem Erreichen der Altersgrenze idR nicht zumutbar (Schürmann in Eschenbruch, Unterhaltsrecht, 2021, Kap. 1 Rn. 1338 mwN). Zur Berechnungsweise siehe BGH v. 07.08.2013 – XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554. 

Obliegenheit 
zur Ertragsoptimierung


Wenn keine Vermögensstammverwertung, dann Obliegenheit zur ertragreichen Nutzung des Vermögens:


Aus dem Inhalt:

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) geht es darum, ob ein Ehegatte sein Vermögen verwerten muss, um Trennungsunterhalt zu zahlen oder zu erhalten. Hier sind die wesentlichen Punkte einfach erklärt:

  • Trennungsunterhalt: Nach einer Trennung können Ehegatten Unterhalt voneinander verlangen, um den Lebensstandard, den sie während der Ehe hatten, aufrechtzuerhalten. Die Klage der Klägerin zielte darauf ab, monatlich rund 4.300 Euro Trennungsunterhalt zu erhalten.
  • Vermögensverwertung: Die zentrale Frage war, ob die Klägerin ihr Vermögen, das sie aus der gemeinsamen Ehe oder durch eigene Mittel hat, nutzen musste, um ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Der BGH hat entschieden, dass sie dazu nicht verpflichtet ist – zumindest nicht, solange sie einen angemessenen Lebensstandard aufrechterhalten möchte und der andere Ehegatte (in diesem Fall der Beklagte) über ein viel höheres Einkommen und Vermögen verfügt.
  • Lebensstandard der Ehe: Der BGH argumentierte, dass der Trennungsunterhalt dazu gedacht ist, den Lebensstandard, den die Ehegatten während ihrer Ehe hatten, zu sichern. Da der Beklagte über ungefähres Vermögen verfügt, muss die Klägerin nicht ihr Vermögen anzapfen, um ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
  • Marktmiete und Einkommen: Ein weiteres Argument des BGH war, dass die Klägerin aus ihrem Vermögen (z.B. Immobilien) auch Einkünfte erzielen könnte, wie z.B. Mieteinnahmen. Diese Einnahmen, sofern sie realistisch sind und der Marktwert berücksichtigt wird, sollten in die Berechnung des Unterhalts einfließen.

Aus den Entscheidungsgründen

(Zitat): „Auch beim Trennungsunterhalt ist (…) die Verweisung auf den Stamm des Vermögens nicht von vornherein ausgeschlossen. Allerdings ergibt sich das nicht daraus, daß § 1361 Absatz I 1 BGB außer auf die Erwerbs- auch auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten abstellt. (…) Im Bereich des Geschiedenenunterhalts enthält das Gesetz für den Berechtigten in § 1577 Abs.3 BGB (…) die Vorschrift, daß der Vermögensstamm nicht verwertet zu werden braucht, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Das setzt zugleich eine äußerste Grenze, bis zu der der unterhaltsberechtigte Ehegatte im Falle des Getrenntlebens auf den Vermögensstamm allenfalls verwiesen werden darf. Unter den noch miteinander verheirateten Ehegatten besteht eine stärkere personale Verantwortung füreinander als nach der Scheidung. Daher kann in der Trennungszeit die Obliegenheit, den Stamm des Vermögens für den eigenen Unterhalt anzugreifen, nicht weiter gehen, als wenn die Ehe geschieden ist und jeder der ehemaligen Partner im Grundsatz wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen soll. (…) Eine Unwirtschaftlichkeit der Verwertung wird bei einem Sparguthaben allerdings nicht in Betracht kommen. Ob die Verwertung des Vermögensstammes unbillig wäre, muß jedoch schon nach dem Wortlaut der Vorschrift unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse entschieden werden. Dazu gehört neben der (…) Prüfung, in welchem Maße den Verpflichteten die Unterhaltsgewährung aus seinem Einkommen belastet, die Feststellung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe auch er Vermögen besitzt (…) Sofern eine Verweisung auf den Vermögensstamm in Betracht kommt, stellt sich die Frage, ob die Ehefrau ihr Sparguthaben vollständig aufbrauchen muß (vgl. auch insoweit das zu § BGB § 1577 Absatz III BGB ergangene Senatsurteil, FamRZ 1984, Seite 364). Weil sie im Gegensatz zu dem Ehemann keine laufenden Erwerbseinkünfte erzielt, ist ihr zumindest eine Vermögensreserve als „Notgroschen” für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-) Bedarfs zu belassen.”

Anmerkung:

Für den getrennten Ehegatten fehlt eine gem. § 1577 BGB vergleichbare gesetzliche Regelung. Doch besteht weitgehend Einigkeit, dass § 1577 Abs.1 BGB im Bereich des Trennungsunterhalts entsprechend anzuwenden ist. Unterlässt der Unterhaltsgläubiger eine zumutbare ertragreiche Vermögensverwendung, fehlt es an der Bedürftigkeit, was bei der Unterhaltsberechnung durch Einstellung eines der Obliegenheit entsprechenden fiktiven Einkommens berücksichtigt wird.

Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Unterhalt für Ehegatten - Der bedürftige Ehegatte mit Vermögen 2

OLG Celle, Urteil vom 06.08.2009 – 17 UF 210/08 
Zu den Voraussetzungen der Verwertung des Vermögensstammes


Aus dem Inhalt:

In dieser Entscheidung wird festgelegt, unter welchen Bedingungen eine Person, die Unterhalt erhält, ihr Vermögen verwerten muss, um ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Hier sind die wesentlichen Punkte:

  • Grundsatz der Verwertung: Eine Person, die Unterhalt benötigt, wird grundsätzlich eher dazu verpflichtet, ihr Vermögen zu verwerten, wenn sie dieses durch Erbschaft oder ähnliche Umstände erhalten hat. Das heißt, sie sollte in der Lage sein, ihr geerbtes Vermögen zu nutzen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
  • Unzumutbarkeit der Verwertung: Die Verwertung des Vermögens kann jedoch unzumutbar sein. Das ist der Fall, wenn die Verwertung entweder unwirtschaftlich ist oder die besonderen Lebensumstände der beiden Parteien in Betracht gezogen werden. Wenn das Vermögen beispielsweise verkauft werden müsste und dies zu einem Verlust führen würde, könnte es als unwirtschaftlich gelten.
  • Einzelfallbetrachtung: Die Entscheidung betont, dass stets die spezifischen Verhältnisse des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Faktoren wie das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und die Lebenssituation des Unterhaltsempfängers (z. B. berufliche Qualifikation, Altersvorsorge) spielen eine wichtige Rolle.
  • Lebensstandard: Wenn der Unterhaltsempfänger in einer sehr schlechten finanziellen Lage ist, während der Unterhaltspflichtige über ein hohes Einkommen verfügt, kann dies gegen eine Pflicht zur Vermögensverwertung sprechen. Es wird auch berücksichtigt, dass der Unterhaltsempfänger möglicherweise nicht in der Lage ist, in eine Altersvorsorge zu investieren, wenn er sein Vermögen veräußern müsste.
  • Erträge aus dem Vermögen: Während das Verwerten des Vermögens oft nicht nötig ist, sollten die Einkünfte aus dem Vermögen (z. B. Zinsen) für den Unterhalt herangezogen werden. Diese Einkommen fließen in die Unterhaltsberechnung ein, während das Vermögen selbst unangetastet bleiben kann.

Fazit:

Eine Person kann unter bestimmten Umständen von der Pflicht befreit werden, ihr geerbtes Vermögen zu verkaufen, um ihren Unterhalt zu sichern. Die Entscheidung hängt stark von den individuellen finanziellen und persönlichen Verhältnissen ab.

Aus den Entscheidungsgründen

(Zitat): “Gemäß § 1577 Abs.3 BGB braucht der Unterhaltsberechtigte den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Letzteres ist der Fall. 

Zwar wird es dem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich eher zuzumuten sein, einen durch Erbschaft erworbenen Vermögensstamm für seinen Unterhalt einzusetzen als dies beispielsweise bei einem Vermögen der Fall wäre, das durch Erlösteilung nach Veräußerung des Familienheimes oder durch Zahlungen im Zugewinnausgleich erworben worden ist. Denn in diesen Fällen fällt es bei der Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1577 Abs. 3 BGB erheblich ins Gewicht, wenn auch dem anderen Ehegatten nach der Vermögensauseinandersetzung Vermögenswerte in entsprechender Höhe zur freien Verfügung verblieben sind (vgl. bereits BGH, Urteil vom 16.01.1985 – IVb ZR 59/83 – FamRZ 1985, 357, 359). Derartige Erwägungen können bei einer einseitig den unterhaltsberechtigten Ehegatten begünstigenden Erbschaft zwar nicht Raum greifen. Es kann daraus aber auch nicht gefolgert werden, dass eine Verwertung des Vermögensstammes schon deshalb der Billigkeit entspricht, weil der Unterhaltspflichtige kein Vermögen in vergleichbarer Höhe zur Verfügung hat (vgl. OLG Hamburg FamRZ 1996, 292, 295). Maßgeblich ist stets eine Betrachtung der Verhältnisse der Parteien im Einzelfall.

Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der in überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen lebende Kläger auch nach Abzug von Kindes- und Ehegattenunterhalt noch über restliche Einkünfte verfügt, die den eheangemessenen Selbstbehalt weit übersteigen. Vor allem aber spricht die Versorgungssituation der Parteien gegen eine Obliegenheit der Beklagten zur Verwertung des durch Erbschaft erworbenen Vermögensstammes. Der Kläger zahlt derzeit neben den Höchstbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung allein 4.500,00 EUR im Jahr in die steuerlich geförderte betriebliche Altersversorgung (Direktversicherung, Entgeltumwandlung) ein und hat nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten daneben eine Immobilie in Hamburg erworben. Ein derartiges Versorgungsniveau kann die Beklagte aufgrund ihrer geringeren beruflichen Qualifikation durch eigene Erwerbstätigkeit erkennbar nicht erlangen. Eine Verwertung des durch Erbschaft erworbenen Vermögens würde es der mit 41 Jahren noch vergleichsweise jungen Beklagten auch erheblich erschweren, ihrerseits in eine Immobilie zur Altersvorsorge zu investieren. Eine Stammverwertung kann nach Ansicht des Senats daher (derzeit) nicht verlangt werden.

cc) Einzusetzen sind allerdings die Vermögenserträge.”

Vermögensverwertung 
bei geerbten Vermögen

Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Unterhalt für Ehegatten - Der bedürftige Ehegatte mit Vermögen 2

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.06.2020 – 20 UF 83/19 
Vermögenseinsatz aus Erbschaft zur Bedarfsdeckung


Leitsätze:

1. Die Erträge aus einer nach der Trennung erfolgten Erbschaft sind, da sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben, bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nicht zu berücksichtigen.

2. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hat jedoch, soweit dies der Billigkeit entspricht, seinen Vermögensstamm – gegebenenfalls teilweise – für seinen Unterhaltsbedarf zu verwenden.

Aus dem Inhalt:

  • Der Antragsgegnerin hat aus dem Erbe ihres Vaters ein Betrag in Höhe von 142.560 € erhalten.
  • Bei der gebotenen Billigkeitsabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Vermögenswerte nicht aus dem Verkauf eines gemeinsamen Hauses, sondern aus einer Erbschaft stammt und dem Antragsteller somit kein entsprechender Vermögenswert zugeflossen ist.
  • Die Verwertung von Geldvermögen aus einer Erbschaft ist grundsätzlich billig (vgl. Staudinger/ Verschraegen (2014) BGB § 1577 Rz. 85)
  • Auch die weiteren Vermögensverhältnisse der Beteiligten lassen eine Verwertung des Vermögensstammes nicht unbillig erscheinen.
  • Der Antragsteller verfügt zwar über eine Immobilie, die Antragsgegnerin partizipiert jedoch über den dem Antragsteller zuzurechnenden Wohnwert.
  • Der von dem Antragsteller während der Ehe erzielte Zugewinn ist zu teilen, sodass der Antragsgegnerin unstreitig weitere rund 87.000 € zufließen werden.
  • Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch der Antragsteller rund 30.000 € geerbt hat. Es erscheint billig, der der Antragsgegnerin dementsprechend anrechnungsfrei 30.000 € zu belassen.

Aus den Entscheidungsgründen

(Zitat, Rn 72 ff): “Nach diesem Maßstab hat die Ag. einen Teil ihres Vermögens zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs zu verwerten. […] Bei der gebotenen Billigkeitsabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Vermögenswerte nicht aus dem Verkauf eines gemeinsamen Hauses, sondern aus einer Erbschaft stammt und dem Ast. somit kein entsprechender Vermögenswert zugeflossen ist. Entgegen der Ansicht der Ag. ist die Verwertung von Geldvermögen aus einer Erbschaft grundsätzlich billig (vgl. Staudinger/Verschraegen, BGB, Neubearb. 2014, § 1577 Rn. 85 mwN).”

(Zitat, Rn 78) “Das Vermögen der Ag. dient, neben dem sonstigen Einkommen der Ag., dazu, den Unterhalt der Ag. auf Lebenszeit zu sichern (vgl. BGHUrteil vom 27.06.1984 – IVb ZR 20/83). Der Zeitraum, auf den das Vermögen zu verteilen ist, orientiert sich deshalb an der statischen Lebenserwartung der Ag. (85 Jahre) und beträgt somit 30 Jahre.

Anmerkung:

Gemäß § 1577 Abs. 3 BGB muss ein Unterhaltsberechtigter seinen Vermögensstamm ausnahmsweise nicht verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (BGH, Urteil vom 19. 5. 1999 – XII ZR 210–97). Die Verwertung von Geldvermögen aus einer Erbschaft ist grundsätzlich billig, bis auf den Anteil, der unverwertbares Schonvermögen darstellt.

Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Unterhalt für Ehegatten - Der bedürftige Ehegatte mit Vermögen 2

OLG Bremen, Beschluss vom 28.04.2023 – 4 UF 36/21 (intern vorhanden; Az.: 12/23)
Vermögen aus Erbschaft – Fiktives Einkommen wegen Obliegenheit zur Ertragsoptimierung 


Aus dem Inhalt:

In dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen ging es um eine Familiensache, die mit dem Unterhalt nach einer Scheidung zu tun hatte. Die zentrale Frage war, wie das Erbe der Antragsgegnerin (ehemalige Ehefrau) in die Unterhaltsberechnung einfließt.

Hier sind die wesentlichen Punkte der Entscheidung zusammengefasst:

  1. Ehedauer und Verantwortlichkeiten: Das Gericht berücksichtigte die lange Ehe und die Rolle der Antragsgegnerin, die sich stärker um den Haushalt und die Kinder gekümmert hat. Das Gericht stellte fest, dass dies zu ihren nachteiligen finanziellen Umständen geführt hat.
  2. Geplante Eigentumswohnung: Die Antragsgegnerin plant, von ihrem Erbe eine Eigentumswohnung zu kaufen. Dies wird als sinnvoll angesehen, da sie in der Zukunft nicht mehr die Möglichkeit hat, weitere Alterssicherungen aufzubauen.
  3. Fiktive Einkünfte: Das Gericht entschied, dass die Antragsgegnerin so behandelt werden kann, als hätte sie bereits die Wohnung gekauft und daraus monatliche Mieteinnahmen von etwa 700 Euro erzielt (fiktive Mieteinnahmen). Dies geschah, um zu zeigen, dass sie trotz des Erbes für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen sollte.
  4. Unterhaltsverpflichtungen des Antragstellers: Der ehemalige Ehemann (Antragsteller) hat ein höheres Einkommen, was bedeutet, dass er in der Lage ist, Unterhalt zu zahlen. Das Gericht sieht ihn in der Pflicht, dies zu tun, auch die Antragsgegnerin über das Erbe von über 200.000 Euro verfügt.
  5. Billigkeitsprüfung: Bei der Entscheidung wurde eine umfassende Prüfung der Umstände vorgenommen, einschließlich des Einkommens und der Vermögensverhältnisse beider Parteien, um eine faire Unterhaltsregelung zu finden.

Insgesamt kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Antragsgegnerin in der Lage sein sollte, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, während der Antragsteller verpflichtet bleibt, Unterhalt zu zahlen, solange die finanziellen Verhältnisse beider Parteien entsprechend berücksichtigt werden. Die Entscheidung zielt darauf ab, eine faire Verteilung der finanziellen Verantwortung nach der Scheidung zu erreichen.

Aus den Entscheidungsgründen

(Zitat): “[…] grundsätzlich ist beim Anspruch auf nachehelichen Unterhalt jedes Vermögen einzusetzen, gleich welcher Herkunft (vergleiche OLG Hamm, NJOZ 2007, 736). Auch Erbansprüche sind nicht von vornherein ausgeschlossen (vergleiche MüKo/Maurer, BGB, 9. Aufl., § 1577 Rn. 36). Der BGH hat selbst die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruches und eine entsprechende unterhaltsrechtliche Berücksichtigung nicht für ausgeschlossen gehalten. Vorhandenes Vermögen ist dabei grundsätzlich so ertragreich wie möglich anzulegen und ggfs, sogar umzuschichten, da auch solche Einkünfte und Vermögenserträge die Bedürftigkeit mindern, die zwar tatsächlich nicht gezogen sind, aber in zumutbarer Weise gezogen werden könnten. Eine tatsächliche Anlageform muss sich allerdings als eindeutig unwirtschaftlich darstellen, bevor dem Unterhaltsberechtigten eine andere Anlageform – ggfs, fiktiv – abverlangt werden kann (vergleiche zum Vorstehenden BGH, NJW 1993, 1920 und NJW 1992, 1044). Handelt es sich um „totes Kapital“, das keine nennenswerten Erträge bringt, bleibt dieses nicht ohne Weiteres unberücksichtigt. Vielmehr kommt grundsätzlich auch ein schlichter Verbrauch zu Unterhaltszwecken in Betracht. Dieser hat allerdings zweckmäßigerweise in Raten zu erfolgen, deren Höhe mit der statistischen Lebenserwartung der berechtigten Person in Einklang zu bringen ist (vergleiche dazu Hahne, § 1577 BGB – ein vernachlässigtes Stiefkind, FF 2023, S. 185 ff., unter Verweis auf OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1987, 1179, letzteres allerdings zum Kindesvermögen). Stets ist aber hinsichtlich der Frage, ob der Vermögensstamm unterhaltsrechtlich einzusetzen ist, eine umfassende Billigkeitsprüfung vorzunehmen, die den jeweiligen Umständen des Einzelfalls Rechnung trägt, wie etwa ein Vergleich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten, Alter, Erwerbschancen, Dauer und Ausgestaltung der Ehe, verbleibende Zeit bis zum Renteneintritt, aber auch, ob der Verpflichtete den Unterhalt unschwer zahlen kann, ohne sein Vermögen anzutasten. Ggfs, hat ein „Notgroschen“ außer Betracht zu bleiben. Für die Verwertung einer Erbschaft spricht dabei etwa, wenn der berechtigten Person Vermögen durch eine solche angefallen ist, die verpflichtete Person aber nur über Erwerbseinkünfte verfügt und dies zu einem großen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zugunsten der berechtigten Person führt (vergleiche zum Vorstehenden Hahne, a a.O., m.w.N.).”

Verschwundenes Vermögen 
§ 1577 Abs.4 BGB

§ 1577 Abs.4 BGB
Gesetzestext


(1) …

(2) …

(3) …

(4) War zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu erwarten, dass der Unterhalt des Berechtigten aus seinem Vermögen nachhaltig gesichert sein würde, fällt das Vermögen aber später weg, so besteht kein Anspruch auf Unterhalt. Dies gilt nicht, wenn im Zeitpunkt des Vermögenswegfalls von dem Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.


Anmerkung


Unterhaltsrelevantes Vermögen kann die Bedürftigkeit des Ehegatten vermindern, soweit es tatsächlich vorhanden ist. Doch kann es Ausnahmesituationen geben, die dennoch unbillig erscheinen lassen, dem Ehegatten einen Unterhaltsanspruch zu gewähren, wenn ein ehemaliges Vermögen jetzt nicht mehr vorhanden ist.

Dr. Schröck – Kanzlei für Familienrecht - Unterhalt für Ehegatten - Der bedürftige Ehegatte mit Vermögen 6

BGH, Urteil vom 18.1.2012 – XII ZR 178/09 
Vorhandenes & verschwundenes Vermögen


(Zitat, Rn 54f) “Steht das Vermögen dem Unterhaltsberechtigten (…) nicht mehr zur Verfügung, ist er insoweit unterhaltsbedürftig. Das die Bedürftigkeit verursachende Verhalten kann sich in diesem Fall nur nach der in § 1579 Nr. 4 BGB enthaltenen speziellen gesetzlichen Regelung auf den Unterhalt auswirken (Senatsurteil vom 11. April 1990 – XII ZR 42/89 – FamRZ 1990, 989, 991 mwN). Diese setzt voraus, dass der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, und hat die Versagung, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts zur Folge.

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