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Erfahren Sie die rechtlichen Grundsätze, wann Vermögen des Kindes zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs zu verwerten ist, d.h. kein sog. Schonvermögen darstellt und eine sog. Obliegenheit zur Vermögensverwertung besteht:
| Wegweiser zum unterhaltsrelevanten Vermögen des Kindes
Ein minderjähriges unverheiratetes Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.
Diese Verpflichtung [gesteigerte Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs.2 S.1 BGB] tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
BGH, Urteil vom 16.01.1985 – IV b ZR 60/83
Vermögen des minderjährigen Kindes beim Kindesunterhalt
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) „(…) Nunmehr genießt allein noch das minderjährige unverheiratete Kind nach § 1602 Abs. 2 BGB gegenüber seinen Eltern – mit der Ausnahme des § 1603 BGB Abs.2 S.3 BGB – den Vorzug, seinen Unterhalt nicht aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten zu müssen.“
OLG Bremen, Beschluss vom 03.12.2014 – 4 UF 112/14
Befugnis der Eltern zur Vermögensverwaltung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) „Die Vermögenssorge beinhaltet nach § 1642 BGB nicht nur die Pflicht der Eltern, das ihrer Verwaltung unterliegende Geld der Kinder nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, sondern verbietet zugleich, das Geld der Kinder für persönliche Zwecke zu gebrauchen. Denn die elterliche Vermögenssorge ist fremdnützige Verwaltung mit dem Ziel der Bewahrung des Kindesvermögens zum Nutzen des Kindes (vergleiche OLG Köln, FamRZ 1997, 1351; AG Nordhorn, FamRZ 2002, 341). Von einer Pflichtverletzung der Vermögenssorge ist auch dann auszugehen, wenn die Eltern aus dem Vermögen des Kindes Aufwendungen bestreiten, für die sie von dem Kind gemäß § 1648 BGB keinen Ersatz verlangen können. Das Amtsgericht Bremerhaven hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Ersatzanspruch gegenüber dem Kind dann nicht besteht, wenn den Eltern die Aufwendungen im Rahmen ihrer gegenüber dem Kind bestehenden Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1601 BGB tätigen (vgl. auch BGH, FamRZ 1998,367). Dementsprechend können Eltern keinen Ersatz gemäß § 1648 BGB verlangen, wenn sie von dem Sparguthaben des Kindes Abbuchungen tätigen und die Abhebungen für Unterhaltszahlungen gegenüber dem Kind bzw. Urlaubsreisen der Familie ausgeben (jurisPK-BGB, 7. Aufl., Schwer, § 1664 Rn. 7 m.w.N.; Weisbrodt in: Schröder/Bergschneider, Familienvermögensrecht, 2. Aufl., Rn. 8.372).
AG Meißen, Beschluss vom 04.06.2024 – R 6 F 151/23,
intern vorhanden, unser Az. 29/24
Vermögensverlust der Kinder wegen mangelhafter Vermögensverwaltung durch ein Elternteil
Sachverhalt:
Der unterhaltspflichtige Vater der minderjährigen Kinder hatte auf den Namen der Kinder erhebliches Fond-Vermögen gespart. Die Zinsen aus dem Vermögen sind unterhaltsrelevantes Einkommen der Kinder.
Weiter war der Vater der Ansicht, dass den Kindern wegen der mangelhaften Verwaltung des Fond-Vermögens durch die Mutter ein Verlust entstanden ist und damit die Kinder weniger Zinseinnahmen erzielten. Er vertrat die Auffassung, dass wegen Verletziung der Obliegenheit zur optimalen Vermögensverwaltung den Kindern fiktive Zinseinnahmen zuzurechnen seien, womit die Bedürftigkeit der Kinder nach Unterhalt gemindert werde.
Diesen Gedankengang teilte das Familliengericht Meißen nicht.
Anmerkung:
Die Entscheidung, dass keine fiktiven Einkünfte wegen nichtobligationsmäßiger Vermögensverwaltung den Kindern zuzurechnen sind, halten wir für richtig. Es handelt sich um minderjährige Kinder, die für die Art der Ausübung der Vermögensvorsorge durch Ihre Eltern nicht verantwortlich sind. Grundlage für die Zurechnung fiktiver Einkünfte, ist die Eigenverantwortlichkeit des Unterhaltsbedürftigen, gegen die unzumutbar verstoßen wurde.
Hier kommt ein Schadensersatzanspruch der Kinder wegen Verstoß der allein vermögenssorgeberechtigten Mutter gegen § 1642 BGB in Betracht (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 03.12.2014 – 4 UF 122/14). Für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen.
BGH, Beschluss vom 17.07.2019 – XII ZB 425/18
Kontoinhaber eines Sparbuchs auf den Namen des Kindes
Leitsätze:
a) Kontoinhaber eines Sparkontos ist derjenige, der nach dem erkennbaren Willen des das Konto eröffnenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll (Anschluss an BGH, Urteile vom 25. April 2005 – II ZR 103/03 – FamRZ 2005, 1168 und vom 2. Februar 1994 – IV ZR 51/93 – FamRZ 1994, 625).
b) Daraus, dass die Eltern ein auf den Namen ihres minderjährigen Kindes angelegtes Sparbuch nicht aus der Hand geben, lässt sich nicht typischerweise schließen, dass sie sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten wollen (Abgrenzung zu BGH, Urteile vom 18. Januar 2005 -X ZR 264/02 – FamRZ 2005, 510 und BGHZ 46, 198 = FamRZ 1967, 37).
c) Für die Frage, ob einem Kind Ansprüche gegen seine Eltern wegen von diesen vorgenommenen Verfügungen über ein Sparguthaben zustehen, ist das Innenverhältnis zwischen Kind und Eltern maßgeblich; der rechtlichen Beziehung zur Bank kommt insoweit nur indizielle Bedeutung zu.
Anmerkung:
Spart ein Elternteil (hier der Vater) Gelder auf ein Sparbuch, das auf den Namen des Kindes (hier: Tochter) lautet, gibt dieses Sparbuch aber nicht aus der Hand, so kann u.U. die Verfügungsbefugnis über das Sparvermögen weiterhin beim Elternteil verbleiben. Mit dieser Entscheidung stellt der BGH die Kriterien dar, nach denen zu beurteilen ist, wem das Sparguthaben als Vermögensgegenstand zuzurechnen ist (Eltern oder Kind?). Der Vater hob in der Folge eigenmächtig das Sparguthaben ab. Der BGH hatte nun zu beurteilen, ob sich dabei der Vater gegenüber seiner Tochter schadensersatzpflichtig gemacht hat. Das OLG Frankfurt a.M. (Beschwerdeinstanz) verneinte das. Es war der Ansicht, dass aufgrund der Umstände (Besitz des Sparbuchs, Sparraten stammen vom Vater) die Tochter noch keine Vermögenszuordnung über das Sparbuch erworben hatte. Die Rechtsbeschwerde zum BGH hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung zum OLG Frankfurt a.M.. Die Entscheidung ist für alle Eltern relevant, die Vermögen auf Konten, lautend auf den Namen der Kinder, „parken“wollen.
Als Verstöße gegen die Vermögenssorgepflicht der Eltern kommen etwa Verletzungen der Vermögensverwaltungspflicht oder ein Verstoß gegen die betriebswirtschaftlichen Grundsätze einer effektiven Vermögensverwaltung in Betracht. Eine Eingriffsbefugnis des Familiengerichts besteht erst dann, wenn den Eltern ein in ihren Verantwortungsbereich fallendes Versagen bei Ausübung der Vermögenssorge angelastet werden kann und eine Gefährdung des Kindesvermögens anzunehmen ist (§ 1666 Abs.1 BGB). Wann in der Regel davon auszugehen, beschreibt § 1666 Abs. 2 BGB. Ein Eingriff des Familiengerichts nach § 1666 BGB erfolgt in der Regel über eine Anzeige des Sachverhalts durch das Jugendamt. Zum Schutzauftrag des Jugendamts bei Kindeswohlgefährdung § 8a SGB VIII.
Verstoßen sorgeberechtigte Eltern gegen Ihre Pflichten aus der Vermögenssorge für das Kind, indem Sie Geld aus dem Vermögen des Kindes entnehmen, stellt sich die Frage, wer für das minderjährige Kind die rechtlichen Interessen (z.B. Schadenersatzklage gegen einen Elternteil) wahrnimmt und die möglichen Ansprüche gegen seine Eltern durchsetzt. I.d.R. fehlt den mitsorgeberechtigten Eltern dafür die Vertretungsmacht. Daher ist gem. § 1909 Abs.1 S.1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Dieser entscheidet sowohl über die Durchsetzung des Anspruchs und vertritt das Kind im Schadensersatzverfahren gegen den sorgeberechtigten Elternteil, der die Vermögenssorge zulasten des Kindes verletzt hat (OLG Celle, Beschluss v. 06.07.2018 – 17 UF 64/18).
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.10.2015 – 2 F UF 107/15
Kein Schonvermögen
Leitsatz:
Ein volljähriges, studierendes Kind, hat sein Vermögen sukzessive zur Deckung seines Lebensbedarfs einzusetzen und darf das Vermögen nicht anderweit verbrauchen. Bei einem Verstoß gegen diese Obliegenheit muss es sich so behandeln lassen, als ob noch Vermögen vorhanden wäre und bedarfsdeckend eingesetzt werden könnte.
Anmerkung:
Im Gegensatz zu minderjährigen Kindern müssen volljährige Kinder ihr eigenes vorhandenes (so gut wie vollständig) Vermögen verwerten. Bevor volljährige Kinder von ihren Eltern Unterhalt verlangen können, müssen sie zur Deckung Ihres Unterhaltsbedarfs ihr Vermögen verbrauchen. Das ist der Grundsatz. Hat das volljährige Kind entgegen seiner Verwertungsobliegenheit zur Bedarfsdeckung anderweitig verwendet, kann eine fiktive Vermögenszurechnung (fiktive Minderung der Bedürftigkeit) in Betracht kommen.
§ 1577 Abs.3 BGB (Vermögensobliegenheit beim Ehegattenunterhalt) ist hier kein Maßstab:
Der Bundesgerichtshof (FamRZ 1998, 367-370) hat zu der Verpflichtung des Volljährigen, sein Vermögen einzusetzen, folgendes ausgeführt: “Bei der Frage, inwieweit ein volljähriges Kind für seinen Unterhalt den Stamm seines Vermögens angreifen muss (Umkehrschluss aus § 1602 Abs. 2 BGB), scheint das Oberlandesgericht einer entsprechenden Anwendung des § 1577 Abs. 3 BGB zuzuneigen, einer Vorschrift aus dem Bereich des nachehelichen Unterhalts. Vor der Schaffung der Norm durch das 1. EheRG hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Vorhandensein von Vermögen eines volljährigen Kindes zwar dem Grundsatz nach die Bedürftigkeit ausschließt, dass aber die Vermögensverwertung im Einzelfall unzumutbar sein kann, insbesondere im Falle der Unwirtschaftlichkeit, auf die nunmehr auch § 1577 Abs. 3 BGB abstellt (vgl. Urteile vom 5. Dezember 1956 – IV ZR 215/56 – FamRZ 1957, 120 und vom 9. November 1965 – VI ZR 260/63 – FamRZ 1966, 28, 29). In Bezug auf den Obliegenheitsmaßstab des Unterhaltsverpflichteten hat der Senat bereits ausgesprochen, dass das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts eine allgemeine Billigkeitsgrenze wie beim nachehelichen Unterhalt nicht vorsehe (Urteil vom 23. Oktober 1985 – IVb ZR 52/84 – FamRZ 1986, 48, 50).
Maßstab der “groben Unbilligkeit“:
Die Grenze der Unzumutbarkeit wird daher etwas enger als bei § 1577 Abs. 3 BGB zu ziehen sein, angenähert etwa dem Begriff der groben Unbilligkeit. Der Tatrichter hat darüber im Einzelfall im Rahmen einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung zu entscheiden, die alle bedeutsamen Umstände und insbesondere auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten berücksichtigt (vgl. dazu etwa OLG Hamburg FamRZ 1980, 912, 913; OLG Hamm FamRZ 1982, 1099, 1100; OLG Frankfurt FamRZ 1987, 1179, 1180; s.a. MünchKomm/Köhler 3. Aufl. § 1602 Rdn. 8; BGB-RGRK/Mutschler aaO § 1602 Rdn. 21). Soweit im Schrifttum auf die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 1577 Abs. 3 BGB eingegangen wird, wird dies überwiegend verneint (vgl. Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1602 Rdn. 4; Staudinger/Kappe BGB – 1993 – § 1602 Rdn. 118; Wendl/Scholz Unterhaltsrecht 3. Aufl. § 2 Rdn. 107; Kalthoener/Büttner Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 6. Aufl. Rdn. 506); a.A. Griesche in FamGb § 1602 Rdn. 50; Schwab/Barth Handbuch des Scheidungsrechts 3. Aufl. Teil V Rdn. 124).”
Kriterien der Billigkeitsabwägung zur Verwertungsobliegenheit:
Fazit
Wegen der weitreichenden Verwertungsobliegenheit des volljährigen Kindes wird dem Kind nur ein minimales Schonvermögen belassen. Vermögen darüber hinaus ist für den eigenen Unterhalt zu verbrauchen (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.07.2006).
In Anlehnung des in § 90 Abs.2 SGB XII dargelegten sozialhilferechtlichen Schonvermögens sind “Notgroschen” für plötzlich auftretenden Sonderbedarf wegen Krankheit u.ä. zu belassen. So müssen z.B. schwerbehinderte Kinder , die grundsicherungsberechtigt sind, neben eigenem Einkommen auch ihr gesamtes verwertbares Vermögen zur Deckung ihres Grundsicherungsbedarfs einsetzen. Bestimmte Vermögenswerte werden jedoch vom Gesetzgeber geschützt, bleiben also bei der Bedürftigkeitsprüfung unberücksichtigt. Dazu gehört z.B. ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Grundsicherungsberechtigten bewohnt wird.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.07.2006 – 5 WF 89/06
Zum Schonvermögen unterhaltsbedürftiger volljähriger Kinder – Notgroschen
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Bei der Frage, inwieweit ein volljähriges Kind für seinen Unterhalt den Stamm seines Vermögens angreifen muss (Umkehrschluss aus § 1602 Abs. 2 BGB), scheint das Oberlandesgericht einer entsprechenden Anwendung des § 1577 Abs. 3 BGB zuzuneigen, einer Vorschrift aus dem Bereich des nachehelichen Unterhalts. Vor der Schaffung der Norm durch das 1. EheRG hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Vorhandensein von Vermögen eines volljährigen Kindes zwar dem Grundsatz nach die Bedürftigkeit ausschließt, dass aber die Vermögensverwertung im Einzelfall unzumutbar sein kann, insbesondere im Falle der Unwirtschaftlichkeit, auf die nunmehr auch § 1577 Abs. 3 BGB abstellt (vgl. Urteile vom 5. Dezember 1956 – IV ZR 215/56 – FamRZ 1957, 120 und vom 9. November 1965 – VI ZR 260/63 – FamRZ 1966, 28, 29). In Bezug auf den Obliegenheitsmaßstab des Unterhaltsverpflichteten hat der Senat bereits ausgesprochen, dass das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts eine allgemeine Billigkeitsgrenze wie beim nachehelichen Unterhalt nicht vorsehe (Urteil vom 23. Oktober 1985 – IVb ZR 52/84 – FamRZ 1986, 48, 50). Die Grenze der Unzumutbarkeit wird daher etwas enger als bei § 1577 Abs. 3 BGB zu ziehen sein, angenähert etwa dem Begriff der groben Unbilligkeit. Der Tatrichter hat darüber im Einzelfall im Rahmen einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung zu entscheiden, die alle bedeutsamen Umstände und insbesondere auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten berücksichtigt (vgl. dazu etwa OLG Hamburg FamRZ 1980, 912, 913; OLG Hamm FamRZ 1982, 1099, 1100; OLG Frankfurt FamRZ 1987, 1179 , 1180; s.a. MünchKomm/Köhler 3. Aufl. § 1602 Rdn. 8; BGB-RGRK/Mutschler aaO § 1602 Rdn. 21). Soweit im Schrifttum auf die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 1577 Abs. 3 BGB eingegangen wird, wird dies überwiegend verneint (vgl. Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1602 Rdn. 4; Staudinger/Kappe BGB – 1993 – § 1602 Rdn. 118; Wendl/Scholz Unterhaltsrecht 3. Aufl. § 2 Rdn. 107; Kalthoener/Büttner Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 6. Aufl. Rdn. 506); a.A. Griesche in FamGb § 1602 Rdn. 50; Schwab/Barth Handbuch des Scheidungsrechts 3. Aufl. Teil V Rdn. 124).”
Zur Frage zu Zubilligung eines Notgroschens führt der BGH aus: “Ob dem Unterhaltsberechtigten insbesondere ein sog. Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-) Bedarfs zu belassen ist, wird ebenfalls nicht einheitlich beurteilt (dagegen etwa Staudinger/Kappe aaO Rdn. 122; Göppinger/Strohal aaO Rdn. 310). Der Senat schließt sich insoweit der bejahenden Auffassung an, die wohl als herrschend zu bezeichnen ist (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 1137; MünchKomm/Köhler aaO; Erman/Holzhauer BGB 9. Aufl. § 1602 Rdn. 26; Wendl/Scholz aaO; Gemhuber/Coester- Waltjen aaO § 45 II 2 S. 667; s.a. für den Trennungsunterhalt Senatsurteil vom 16. Januar 1985 – IVb ZR 60/83 – FamRZ 1985, 360, 361).
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des “Notgroschens” Pfandbriefe im Nennwert von 10.000 DM belassen, und daneben unter dem Gesichtspunkt des so genannten Affektionsinteresses die drei Krügerrand-Münzen. Wenn es in ersterer Hinsicht auch Urlaubsreisen berücksichtigt, kann aber schwerlich von einem Notbedarf ausgegangen werden. Die Orientierung an Vorschriften des Sozialrechts bei der Bemessung eines solchen Freibetrages (§ 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG mit der DurchführungsVO vom 11. Februar 1988 – BGBl. I 150; § 6 AlHiVO) ist an sich nicht zu beanstanden (ausführlich dazu Müller in FPR 1995, 190). Die in diesen Vorschriften genannten Beträge (2.500 DM bzw. 4.500 DM nach der DurchführungsVO, 8.000 DM gemäß § 6 AlHiVO) hat das Oberlandesgericht aber überschritten (Müller aaO S. 191 hält i.d.R. einen Betrag von 5.000 DM für angemessen).”
OLG Jena, Beschluss vom 03.03.2016 – 1 UF 340/15
Notgroschen | Umfassende Zumutbarkeitsabwägung
1. Ein volljähriges Kind hat zur Deckung seines Unterhalts vorrangig seinen Vermögensstamm zu verwerten, bevor es seine Eltern in Anspruch nimmt. Jedoch muss dem Volljährigen ein Notgroschen verbleiben, wenn nicht auf Seiten des Unterhaltsschuldners enge wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen.
2. Inwieweit ein volljähriges Kind sein Vermögen für die Ausbildung einsetzten muss, ist nach einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung zu entscheiden, die alle bedeutsamen Umstände und insbesondere auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten berücksichtigt.
3. Die in Kenntnis des Ausbildungsunterhalts erfolgten Ausgaben (Sprachreise, Computer), die zu einer Verringerung dieses Vermögens geführt haben, sind mit Blick auf das zum Zeitpunkt der Anschaffung vorhandene Vermögen der Antragstellerin und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern gerechtfertigt, da sie der Ausbildung dienten.
4. Darlegungslast für seine Bedürftigkeit trägt das Kind.
BGH, Urteil vom 5. 11. 1997 – XII ZR 20/96
Berücksichtigung von Vermögenswerten des volljährigen Kindes im Rahmen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß sich ein Unterhaltsanspruch der volljährigen, aber noch in Ausbildung befindlichen Kl . aus §§ BGB § 1601, BGB § 1602 BGB § 1602 Absatz I, BGB § 1610 BGB § 1610 Absatz II BGB ergeben kann. Streitig ist insbesondere, ob ihre Bedürftigkeit aufgrund vorhandenen Vermögens ganz oder teilweise zu verneinen ist. Insoweit kommt vor allem das von ihrem Großvater zugewandte Vermächtnis eines Betrages von 50000 DM in Betracht, das ihr mit Vollendung des 18. Lebensjahres ausbezahlt werden sollte, das aber ihre Mutter für eigene Zwecke verbraucht hat. Insoweit hat sich die Kl. mit ihrer Mutter dahin geeinigt, im Hinblick auf bestimmte Aufwendungen, die die Mutter für sie seit dem Erbfall gemacht hat, keine Ansprüche zu erheben.
(…) Ob dem Unterhaltsberechtigten insbesondere ein sogenannter Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zu belassen ist, wird ebenfalls nicht einheitlich beurteilt (dagegen etwa Staudinger/Kappe, § 1602 Rdnr. 122; Göppinger/Strohal, UnterhaltsR, Rdnr. 310). Der Senat schließt sich insoweit der bejahenden Auffassung an, die wohl als herrschend zu bezeichnen ist (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, FAMRZ Jahr 1990 Seite 1137; Köhler, in: MünchKomm, § 1602 Rdnr. 21; Erman/Holzhauer, BGB, 9. Aufl., § 1602 Rdnr. 26; Wendl/Scholz, § 2 Rdnr. 107; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 45 II 2, S. 667; s. für den Trennungsunterhalt Senat, NJW 1985, 907 = LM § BGB § 1361 BGB Nr. 42 = FamRZ 1985, 360).
(…) Ein in Ausbildung befindliches volljähriges Kind ist nicht unter allen Umständen gehalten, zumutbar verwertbares Vermögen vollständig zu verbrauchen, ehe es von einem Elternteil Unterhalt in Anspruch nehmen kann. Im vorliegenden Fall liegt nahe, daß es Zweck des Vermächtnisses des Großvaters war, die Ausbildung der Kl. zu sichern. Es ist daher unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten etwa nicht ausgeschlossen, die für den eigenen Unterhalt einzusetzenden Mittel der Kl. auf ihre voraussichtliche Ausbildungsdauer umzulegen (vgl. dazu Griesche, in: FamGB, § FAMGB § 1602 Rdnr. 50; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 1281).“
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.07.2006 – 5 WF 89/06
Zur zumutbaren Verwertung von Vermögen volljähriger Kinder
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “[…] neben der Frage der Zubilligung eines Notgroschens weiter abzuwägen haben, ob ein Vermögenseinsatz überhaupt infrage kommt und ob die Zuwendung der Großmutter aus anderen Gründen anrechnungsfrei bleibt. (…) Schließlich bedarf es der Aufklärung, ob das von der Großmutter überlassene Vermögen der Finanzierung der Ausbildung dienen sollte oder ob es sich um eine Schenkung an das Enkelkind handelt, welche die Eltern von ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht entlasten sollte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei dieser Gesamtabwägung die Verwertung des Vermögensstammes für den Ausbildungsunterhalt ausscheidet. (…)
Anmerkung:
Stammt das Vermögen des Kindes aus einer Schenkung, kann genauer geprüft werden, ob über den Rahmen des §§ 1602 Abs.2 ein weiteres Vermögensverwertungsverbot greift. Es gilt im Unterhaltsrecht der allgemeine Grundsatz, dass freiwillige Leistungen Dritter, nicht unterhaltsrelevant sind. Damit könnte argumentieren werden, geschenktes Vermögen unterfalle grundsätzlich nicht einer Verwertungsobliegenheit, wenn der Schenker bestimmt hat, dass die Vermögenszuwendung nicht dem Unterhalt des Kindes dienen soll. Allerdings ist das kein K.O.-Kriterium gegen die Verwertungsobliegenheit. Denn für die Frage nach der Verwertungsobliegenheit, wird grundsätzlich nicht danach beurteilt, woher das Vermögen stammt und aus welchem Anlass die Vermögenszuwendung erfolgte. Hier wird ausschließlich danach gefragt, ob die Vermögensverwertung im Einzelfall unzumutbar erscheint. Nur in diesem Rahmen kann die Frage nach dem Zweck der Schenkung (Stichwort: z.B. freiwillige Zuwendung Dritter) eines von vielen Kriterien für die Unzumutbarkeit der Vermögenswertung sein. Dabei ist nach allgemeiner Auffassung der Einwand einer sog. freiwilligen Zuwendung kein zugkräftiges Argument gegen die Verwertungsobliegenheit. Der Tatrichter ist also bei der Zumutbarkeitsabwägung nicht an Vorstellungen und Wünsche der Vermögensverwendung oder die Zweckbestimmung des Schenkers gebunden.
OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2006 – 11 UF 25/06
Ratierliche Auflösung von Sparvermögen eines volljährigen Schülers zur Bedarfsdeckung
Aus den Entscheidungsgründen:
(Zitat) “Die Grenze der Unzumutbarkeit, die vom BGH (FamRZ 1998, S. 367 ff.) entsprechend dem Begriff der groben Unbilligkeit enger als bei § 1577 Abs. 3 BGB gezogen wird, ist hier aber nicht erreicht. Vielmehr haben die Erörterungen im Senatstermin dazu Folgendes ergeben: Abreden der Eltern zum Sparzweck stehen dem Verwertungsverlangen nicht entgegen. Der Kläger zu 1) hat zwar geltend gemacht, das fragliche Vermögen sei für den Start ins Berufsleben oder den Fall des Auszugs aus dem Elternhaus angespart worden, was die Mutter im Termin bestätigt hat: nach ihrem Empfinden werde das Geld den Kindern weggenommen, wenn der Verbrauch für den Lebensunterhalt gefordert werde. Der Beklagte ist dieser Darstellung aber entgegengetreten und hat geltend gemacht, das nach und nach für die Kinder angesparte Vermögen habe eine Ausbildungsversicherung ersetzen sollen. Da er in Folge von Arbeitslosigkeit mit den Unterhaltszahlungen in Rückstand gekommen sei, brauche er jetzt dringend die Entlastung durch den Vermögenseinsatz für die weitere Ausbildung. Folglich lässt sich nicht feststellen, dass das Vermögen allein für persönliche Zwecke und nicht zur Finanzierung der Ausbildung eingesetzt werden sollte. Es erscheint daher auch nicht grob unbillig, den Einsatz für die Ausbildung zu verlangen, nachdem sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, die die Ansparung ermöglicht haben, durch die Trennung des Beklagten von seiner Ehefrau deutlich verschlechtert haben. Das gilt insbesondere, weil feststeht, dass der Kläger nach dem Abschluss der höheren Handelsschule nicht studieren, sondern eine Ausbildung zum Friseur machen wird, weshalb er sein Vermögen auch nur teilweise für seinen Lebensunterhalt während der Ausbildung einsetzen muss. (…) Da er nach der vorgelegten Bescheinigung am 11.05.2005 insgesamt über einen Sparbetrag von 15.169,04 € verfügt hat, wird ihm nur ein Verbrauch von etwa 27 % seines Vermögens zugemutet. Das ist maßvoll und begründet keine grobe Unbilligkeit.”
Anmerkung:
Die Entscheidung macht deutlich, dass Abreden zum Sparzweck kein Kriterium für einen Ausschluss der Obliegenheit zur Vermögensverwertung sind.
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